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Menschliches Nichtmenschliches

SternengeflüsterMenschliches Nichtmenschliches

Die meisten Science-Fiction-Serien leben davon, dass es neben den Menschen noch andere Völker gibt. Dabei ist es meistens so, dass sich die Außerirdischen nicht besonders stark oder nur in kleinen Teilen von den Menschen unterscheiden. Negativbeispiele dafür dürften unzählige „Aliens of the Week“ aus dem „Star Trek“-Universum sein, die aus einer aufgesetzten Stirn oder einer dickeren Nase bestanden und höchstens ein menschliches Verhalten besonders ausgeprägt an den Tag legten. Das funktioniert im Fernsehen noch ganz gut, in Romanen und Heftromanen überzeugt das nicht mehr. Dafür fehlt einfach die graphische Komponente, die noch eine gewisse Fremdartigkeit erzeugen lässt.

Natürlich ist es einem menschlichen Autor nicht möglich, eine komplett fremdartige Spezies zu kreieren. Soweit dürfte die Fantasie bei niemandem gehen.

Und letztendlich geht es in guter Science-Fiction auch darum, der Menschheit den Spiegel vor das Gesicht zu halten. Indem man bestimmte Eigenschaften bei einem Volk übersteigert, löst man eine Selbstreflektion beim Leser über das eigene Verhalten aus.

Das ist natürlich ein etwas zu hohes Ziel für eine Heftromanserie wie „Sternenfaust“. Viel mehr versuchte die Serie von Anfang an einen Spagat zwischen bodenständigen, aber dennoch fremdartigen Völkern und übermenschlichen, weit entwickelten Völkern. Erstere bestritten die meisten Romane, letztere wurden immer mal wieder eingestreut, blieben aber immer unbestimmt und faszinierend. Seit Band 100 macht sich die Serie nun daran, die weit entwickelten Völker in den Mittelpunkt zu stellen und es zeigt sich, dass dies gerade diese Völker entzaubert und nicht gänzlich überzeugt.

Ein Volk muss glaubwürdig und vorstellbar sein, damit es beim Lesen überzeugt. „Sternenfaust“ begann gleich mit vier solcher Völker. Es gab die insektoiden Mantiden, die vogelartigen Kridan, die reptilienähnlichen Starr und die humanoiden J'ebeem. Bei jedem Volk wusste man, woher sie stammen, man kannte ihr politisches System. Sie dachten gesellschaftlich alle in „menschlichen“ Größen, sie siedelten also in Städten, kannten Raumfahrnationen und verteidigten ihre Grenzen. Die Gesellschaft jedes Volkes war unterschiedlich aufgebaut, aber jede Gesellschaftsform ist der Menschheit bekannt. So lebten die Starr eine extreme Form der direkten Demokratie, die Mantiden in einer Monarchie, die J'ebeem in einem Patriarchat und die Kridan in einer (militärischen) Theokratie. Das Verhältnis zwischen den Völkern sorgte für einige Romane, man näherte sich aneinander an und entfernte sich wieder von einander. Der Leser kannte die Unterschiede der Völker zu den Menschen, die häufig auch dadurch entstanden, dass die Abstammung nicht humanoid ist. Gerade die Tatsache, dass die Herkunft bekannt war, ließ die Völker authentisch werden.

Dazwischen sorgte Mara Laue in einigen Romanen für „Aliens of the Week“, die aber immer begreifbar waren. Die meisten waren weniger stark entwickelt als die Menschen oder siedelten auf weitaus geringerem Raum. Sie wurden meist nur einmal aufgegriffen und wurden in der Regel trotzdem überzeugend in die Serie eingeführt.

Die Menschheit traft allerdings schon in dieser Zeit auf mächtige Gegner. Doch waren es immer Völker, die lediglich Hilfsvölker weiter entwickelter Völker waren. Außerdem war ihre Herkunft rasch geklärt. Die Dronte waren Parasiten, die einst von mächtigen Völkern als Diener geschaffen wurden, die Moraxx halfen Denurr. Außerdem waren sie der Menschheit hauptsächlich zahlenmäßig, nicht aber technisch weit überlegen. Die Toten Götter und die Basiru-Aluun waren immer nur die Rätsel im Hintergrund.

Seit Band 100 hat sich der Maßstab deutlich verschoben. Die Kridan und die J'ebeem spielen zwar immer noch eine Rolle, aber die wirklichen Gegner sind jetzt die Völker aus dem Dunstkreis der Toten Götter. Dabei stellt sich heraus, wie schwierig es ist, ein mächtiges und fremdartiges Volk auch noch mächtig und fremdartig wirken zu lassen, wenn man sich länger mit diesem beschäftigt.

Die Sphären der Kad'ChieEs begann mit den Erdanaar, die später zu den Alendei wurden. Sie wurden zunächst als enorm mächtig dargestellt, hatten sogar den Auftrag, die Menschheit zu vernichten. Dann stellte sich heraus, dass sie nicht nur dieselben Gene wie die Menschen zu haben scheinen, sondern auch sehr ähnlich denken. Ein Frieden war schnell gefunden. Seitdem spielen die Alendei immer wieder eine Rolle und wirken mit jeder Geschichte menschlicher. Im vergangenen Roman „Die Sphären der Kad'Chie“ wirken sie nicht nur machtlos und engstirnig, sondern auch verdammt menschlich. Sie greifen sich mittlerweile selbst an, sie sind sich nicht mehr einig und sie streiten sich wie Menschen. Der einzige Unterschied ist, dass sie nicht verbal kommunizieren, sondern telepathisch. Das reicht aber immer weniger, um das Volk interessant wirken zu lassen.

Rückkehr zu den Basiru-AluunDie Basiru-Aluun wurden ebenfalls im Zyklus nach Band 100 „entzaubert“. Sie entwickelten die unglaublich unsinnige Prämisse, dass die Menschheit vernichtet werden müsse, um sie zu schützen. Wenn weiterentwickelte Völker so denken, sollte man ganz schnell zum Fortschrittsgegner mutieren. Nachdem deutlich wurde, dass die Alendei die Menschheit nicht vernichten werden, machten sich die Basiru-Aluun selbst daran, die Erde und ihre Kolonien auszulöschen. In letzter Sekunde fanden die Menschen jedoch heraus, dass die Basiru-Aluun in einem Winkel keine Schilde hatten und drohten die komplette gegnerische Flotte zu vernichten. Auf einmal wirkte ein früher mysteriöses und gefährliches Volk etwas dämlich und extrem schwach.

Es wurde zuletzt versucht, den Heimatplaneten der Basiru-Aluun so fremdartig wie möglich zu gestalten. Für Menschen ist er nur schwer ertragbar. Das wurde im letzten Heft jedoch ebenfalls wieder zunichte gemacht, indem man einen Besuch aus der Sicht der Alendei beschrieben hat. Die haben deutlich weniger Probleme, den Planeten der Basiru-Aluun zu besuchen, wodurch er ein deutlich normaler wirkte.

Im vergangenen Zyklus traf es dann auch die Toten Götter. In einem Zweiteiler, der extrem an die in meinen Augen meist langweiligen und in keiner Weise fremdartigen Lebensgeschichten bei Perry Rhodan erinnerte, wurde ein Leben der Toten Götter nachgezeichnet, das so fern von einer Gesellschaft nicht ist. Das ist für ein außerirdisches Volk in einer Science-Fiction-Serie wie gesagt kein Problem. Aber wenn man ein Volk als der Menschheit in der Entwicklung um ein Vielfaches vorraus darstellen möchte, dann reicht das eben nicht. Immerhin wurde im Auftakt des aktuellen Zyklus enthüllt, dass die mysteriösen Entitäten die Nachkommen der Toten Götter sind. Der jetzige Lebensstil unterscheidet sich also deutlich von dem der Menschen, wodurch dieses Volk wieder etwas interessanter wurde. Es sind jetzt allerdings nicht mehr die mysteriösen Toten Götter, sondern ein Volk, das von einer naiven Idee (die Erschaffung der Orphanen) beinahe ausgelöscht worden wäre.

Ein Problem war sowohl bei den Basiru-Aluun als auch bei den Toten Göttern, dass man nicht weiß, wo sie eigentlich herkommen und wie sie dementsprechend aussehen. Selbstverständlich kann man nicht erklären, von welchen Tieren beide Völker abstammen und gleichzeitig eine gewisse Erhabenheit erhalten. Aber derzeit hat der Leser kaum Anhaltspunkte, was man sich unter den Völkern vorstellen kann. Gerade bei den Basiru-Aluun im letzten Heft, aber auch bei der Lebensgeschichte eines Toten Gottes am Ende des letzten Zyklus erscheint nach einer Weile einfach das Abbild eines Menschen vor dem lesenden Auge.

FlammenschwertEin gelungenes Beispiel waren die Orphanen im vergangenen Zyklus. Sie waren mächtig und künstlich erschaffen. Dennoch waren sie intelligent und ihre Denkweise unterschied sich aufgrund ihrer Programmierung erheblich von den Menschen. Sie sorgten tatsächlich für eine gehörige Portion Fremdartigkeit in der Serie.

Noch haben auch die im aktuellen Zyklus neu aufgetretenen Spezies wie die Wanagi und die Kad'Chie etwas Mysteriöses und Rätselhaftes an sich. Ihre Geheimnisse sind noch nicht gänzlich enthüllt. Allerdings geht mit der Inflation mächtiger Völker auch ihre fantastische Wirkung zurück. Im letzten Zyklus standen den Orphanen immer die Kridan als bodenständige Gegner gegenüber. Das fehlt in diesem Zyklus. Die Alpha-Genetics wurden in diese Richtung zwar aufgebaut, blieben aber zu unglaubwürdig, um überzeugen zu können.

Doch der aktuelle Zyklus bietet auch gewisse Chancen. Viele mächtige Wesen harren darauf, dass man ihnen eine glaubwürdigen Hintergrund anschreibt. Denn so gut die derzeitige Autorengeneration auch Geschichten erzählen kann, Völkerdarstellung gehört bei niemandem zu der Kernstärke. Mit den Wanagi und den Kad'Chi könnte sich ein Autor den Ruf erarbeiten, den Mara Laue einmal hatte, nämlich besonders gut außerirdische Kulturen darstellen zu können.

Ob es aber überhaupt möglich ist, ein Volk wie die Wanagi und die Kad'Chie so darzustellen, dass sie weiterhin so wirken, als seien sie viel weiter entwickelt als die Menschheit und auch kulturell ganz anders, bleibt abzusehen. Es wäre wünschenswert, wenn es den Autoren gelänge, eine nichtmenschliche Kultur zu entwickeln. Ein Scheitern wäre in diesem Fall jedoch keine Chance, sondern nur ein Hinweis darauf, dass man sich in Zukunft vielleicht einen Zyklus lang übermächtige Völker wieder etwas zurückstellen, als rätselhafte Kraft im Hintergrund lassen und sich wieder auf die bodenständigen Spezies um die Solaren Welten herum konzentrieren sollte.

Kommentare  

#1 Jonas Hoffmann 2011-07-25 16:08
Ich sehe das ein wenig anders. Ich bin der Meinung, dass sich zivilisatorische Probleme unter verschiedenen Völkern beliebigen Entwicklungsgrades nicht gravierend unterscheiden (müssen). Schlicht aus der Tatsache heraus, dass alle Völker letztlich durch die Natur mit den gleichen Problemen konfrontiert werden. Sprich, wenn Völker auf der selben Evolutionsstufe (Technisch gesehen) stehen, dann sollten sie auch zivilisatorisch auf einem ähnlichen Stand stehen.

Was weit fortgeschrittene Völker angeht, profan und leicht überspitzt gesagt haben die trotzdem genauso den Hang auf die Toilette zu müssen wie wir auch. :-* Wenn sie dann den Sprung zum Geistessammelintelligentzwesen vielleicht nicht mehr, okay. 8) Aber diese zu beschreiben ist sowieso immer so eine Sache, den einen ist es schlicht immer noch zu vermenschlicht, was ja logisch ist, schließlich sind die Autoren auch nur Menschen ;) Oder das Verhalten der Wesen ist so abgehoben abstrus dass es dem Leser absolut unlogisch erscheint. Das ist auch nicht gut, aber dennoch verständlich, sind die Leser letztlich auch nur Menschen.

Was die Lebensgeschichten angeht. Ich halte diese Art von Romanstil als das Salz in der Suppe schlechthin. Wenn es wohldosiert angewendet wird!
#2 Larandil 2011-07-25 17:44
Frederik Pohl hat in seiner Kurzgeschichte "Der millionste Tag" mal dem Leser alle paar Sätze um die Ohren gehauen, wie beschränkt sein (des Lesers) Vorstellungsvermögen ist und dass die Zukunft Dinge, Tätigkeiten und Eigenschaften bereit hält, für die unsere Sprache noch keine Worte bereit hält. Und das Ganze schließt mit:
Zitat:
Rats, you say, it looks crazy to me. And you with your aftershave lotion and your little red car, pushing papers across a desk all day and chasing tail all night - tell me, just how the hell do you think you would look to Tiglath-Pileser, say, or Attila the Hun?

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