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Die Ideenwelt Kurt Brands – Freud und Leid des Exposé-Autors

Kurt Brand zum 100.Die Ideenwelt Kurt Brands
Freud und Leid des Exposé-Autors

Es war Mitte der siebziger Jahre, als ich mein erstes REN DHARK-Heft in Händen hielt. Schon nach wenigen Seiten hielt mich die Handlung gefangen, und als das Heft zu Ende war, wollte ich nur eines: mehr davon! In der Folge verschlang ich alle REN DHARK-Hefte, derer ich habhaft werden konnte, aber nach Band 98 war dann leider schon Schluss, denn weiter hat es die Original-Serie aus den 60er-Jahren nie gebracht.


Kurt BrandZum Glück kam in den 90ern die Neuausgabe in Buchform, die seither auch erfolgreich fortgesetzt wird, sodass man sich inzwischen über einen Mangel an REN DHARK-Lesestoff nicht mehr zu beklagen braucht.

Aber zurück zu den Anfängen – genauer: zu meinen Anfängen mit REN DHARK: Was war denn seinerzeit das Faszinierende an dieser Serie, das mich nicht mehr mit dem Lesen aufhören ließ? Nun, zum einen sicherlich der Schreibstil, welcher schmissig, schnörkellos und rasant daherkam. Aber so etwas nutzt sich mit der Zeit ab – zumal das in anderen Serien ebenfalls vorzufinden war und ist – und sicherlich reicht das dann nicht aus, um eine langanhaltende Faszination hervorzubringen, also muss es da noch etwas anderes geben, was den Reiz des Serien-Kosmos von REN DHARK ausmacht, etwas, das subtiler ist und dafür länger anhält, einen dazu bringt, eine Serie auch nach vielen Jahren noch toll zu finden.

Für mich gibt es da drei Dinge, die mir in dieser Richtung nach und nach bewusst geworden sind. Das eine sind die Charaktere, die, obwohl typisch für sogenannte Heftromanserien meist rasch umrissen, mit der Zeit doch eine erstaunliche Tiefe entwickelt haben und i.d.R. keine einfachen Stereotype darstellen. Keiner der Handlungsträger ist einfach nur gut oder böse oder immerzu kauzig usw. Natürlich geht jeder Protagonist von seinem Charakter her tendenziell in eine bestimmte Richtung, dennoch gibt es für den Leser immer wieder Überraschungen, die das Ganze lebendig halten. Dazu kommt, dass es bereits in den ersten Heften auch weibliche Handlungsträger gab, die eine nicht unwesentliche Rolle spielten, was für die SF der 60er-Jahre als eher untypisch zu bezeichnen ist. Von Anfang an prägten sich bei mir die geniale Mathematiker Anja Field (die spätere Mrs. Riker) und die äußerst begabte Biologin Rani Atawa ein, die damals bereits ein modernes Frauenbild zeichneten, wie wir es heute, rund 50 Jahre später, für selbstverständlich halten.

Die zweite Sache ist die Technik, die nicht zuletzt auch einen gewissen Hang zum Gigantismus aufweist und in der Ideen beschrieben sind, die man in der damaligen SF sonst nirgends fand. Das beginnt mit dem ungewöhnlichen Aussehen von Ren Dharks Raumschiff, der POINT OF, die die Form eines Torus besitzt, geht weiter über das sogenannte Intervallfeld – eine Art Schutzschirm, der das umschlossene Schiff in ein eigenes Kontinuum versetzt, sodass es unter anderem feste Materie schadlos durchdringen kann –, die besondere Art der Waffentechnik bis hin zu der Möglichkeit, technische Einrichtungen mittels Gedanken zu steuern und Wissen durch die bloße Einname von kleinen Pillen – den sogenannten Mentcaps – zu erwerben. Natürlich leistet dieses Form der Technik all das, was eine zünftige Space Opera braucht: überlichtschnelle Weltraumreisen, fetzige Raumschlachten mit harten Gegnern sowie uralte, teils riesige und vor allem geheimnisvolle Hinterlassenschaften eines einst mächtigen Volkes.

Als Drittes sind die Fremdvölker zu nennen, die vor allem mit einem brachen: der Auffassung, dass man aus dem Aussehen eines Volkes auf seinen Charakter schließen kann. Neben so fremdartigen Völkern wie den Synties, welche Wesen aus reiner Energie sind, sind hier vor allem die Nogk zu nennen, die aufgrund ihrer Libellenköpfe auf Menschen im ersten Moment furchteinflößend wirken, sich aber als angenehme Zeitgenossen und später als treue Freunde und Verbündete der Terraner herausstellen. Diese Beispiele könnte man noch einige Zeit fortsetzen, aber das führt hier vermutlich zu weit.

Das alles ist ein Fundus, aus dem man als Exposé-Autor auch nach Jahren noch schöpfen kann, zumal der Serien-Kosmos durch die Fortschreibung in der Buchausgabe noch weiter angewachsen ist. Stimmig zu dem, was es bereits gab, existieren inzwischen so Dinge wie der in mehreren Galaxien hochgeachtete Wächterorden und unglaublich fremdartige Völker wie die Balduren oder die Burcha – bei letzteren handelt es sich um ein Kollektiv intelligenter Bäume. Aber auch technisch hat sich das eine oder andere getan. So wurde mit Carborit ein neues Material für den Raumschiffsbau entwickelt und durch die Wuchtkanone eine mächtige Waffe in der Serie etabliert, deren verheerende Wirkung auf der allseits bekannten Formel e=mc² basiert.

Die Wuchtkanone ist jedoch nicht der einzige Berührungspunkt mit der Physik in der Serie, und diese Berührungspunkte sorgen auch immer wieder für intensive und teils kontrovers geführte Diskussionen, nicht nur im REN DHARK-Team, sondern auch in der Fan-Gemeinde. Ein Beispiel, für das ich ein wenig ausholen muss, ist das oben erwähnte Intervallfeld. Wie bereits ausgeführt, versetzt es das umhüllte Objekt in ein anderes Kontinuum, wodurch dieses Objekt feste Materie sozusagen ungestreift durchdringen kann. Darüber hinaus löst das Intervallfeld das Objekt jedoch so weit aus dem einsteinschen Kosmos heraus, dass Beschränkungen wie die Lichtgeschwindigkeit als Obergrenze für die Bewegungsgeschwindigkeit zum Beispiel eines Raumschiffs nicht mehr gelten. So weit, so gut. Was aber, wenn dieses Intervallfeld nun während eines überlichtschnellen Flugs plötzlich ausfällt und der Raumer somit schlagartig wieder den normalen physikalischen Gesetzen unterworfen ist? Müsste das Schiff nicht augenblicklich vergehen? Diese Frage hat vor einiger Zeit für Diskussionen gesorgt und zeigt meines Erachtens sehr gut, was passiert, wenn die Fantasie von Autoren – in dem Fall die Kurt Brands – von der physikalischen Realität »eingeholt« wird.

Der oben angesprochene Gigantismus kann diesbezüglich ebenfalls rasch zu Fragen führen, die manches Mal gar nicht so leicht zu beantworten sind. Ein kleines Beispiel, das in der Form nie bei den Lesern angekommen ist, soll das verdeutlichen: Auf etlichen Planeten finden sich im REN DHARK-Kosmos riesige goldene Statuen, die meist die Form eines gesichtslosen Humanoiden aufweisen. In einem der »Weg ins Weltall«-Bände marschierte so eine Statue, die immerhin eine Höhe von acht Kilometern besaß, plötzlich auf eine größere Stadt zu. Als Autor malt man sich das dann so schön aus, wie der Kopf der Statue langsam über dem Horizont erscheint, die Stadtbewohner die Erschütterungen der schweren Schritte spüren und schließlich beginnen, in Panik zu fliehen. Und dann hat man plötzlich so eine kleine, jedoch äußerst lästige Frage im Hinterkopf: Wie weit ist denn so eine Statue noch von einem entfernt, wenn deren Kopf über dem Horizont sichtbar ist?

Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal wissen, wie hoch denn so ein Menschenkopf im Verhältnis zum Körper ist, was der ambitionierte Autor durch Vermessen seiner Familienmitglieder herausfindet: Im Mittel ist das ziemlich genau ein Achtel der Gesamtgröße, in unserem Fall also ein Kilometer – wie praktisch! Der Planet, um den es seinerzeit ging, ist etwa erdgroß, also ist dessen Durchmesser bekannt. Mit einer raschen Skizze und ein wenig Trigonometrie lässt sich dann bestimmen, wie weit ein Punkt auf der Planetenkruste von der Statue entfernt ist, wenn von dort aus genau der Kopf über dem Horizont gesehen werden kann. Und das ist dann auch exakt der Punkt, an dem die Vorstellungen des Autors, der den Goldenen schon kurz davor sah, wie Godzilla durch die Stadt zu trampeln, zerbröseln: Der Riese befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch rund 300 Kilometer entfernt, hat also noch ein paar Schritte vor sich, bis er wirklich damit anfangen kann, die ersten Hochhäuser filmreif mit seinen Pranken einzureißen.

Diese beiden Beispiele zeigen, dass schnöde Physik und die noch schnödere Mathematik dem fantasievollen Autor recht schnell Grenzen aufzeigen können. Das gilt durchaus auch für gigantische Konstrukte wie die Sternenbrücke oder so Dinge wie das extrem »übergewichtige« Super-Super-Super-Schwermetall Tofirit, bei dessen spezifischem Gewicht von 481,072 kg(!)/cm³ sofort die Überlegung aufkommt, ob so etwas außerhalb von Schwarzen Löchern überhaupt existieren kann.

Ich frage mich an solchen Stellen gerne einmal, wie Kurt Brand, den ich leider nie kennenlernen durfte, mit diesen Sachen umgegangen ist. Hat er sich den Rat eines technisch versierten Freundes eingeholt oder hat er einfach drauflosgeschrieben und sich gedacht »was juckt mich die Physik, Hauptsache, die Geschichte wird spannend«? Und wie viel »Faktencheck« braucht und vor allem verträgt eine schmissige Space Opera wie REN DHARK überhaupt? Nicht zuletzt sollte man bedenken, dass das, was heute als »gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis« gilt, in ein ein paar Jahren schon wieder ins Wanken kommen kann, wenn die Forschung weiter vorangeschritten ist.

Mir fällt bei diesem Thema immer die original »Star Trek«-Serie ein, und zwar die Stellen, wo Mr. Spock mit bunten und ein wenig zu groß geratenen SD-Karten Daten von einem Gerät zum anderen transportiert. Damals, als Datenspeicher noch die Form von Rinkernmatrizen und Magnetbändern besaßen, hat man sich über die »spinnerten« SF-Autoren noch scheckig gelacht. Heute denken wir eher »boah, watt sinn die SD-Karten von Mr. Spock awwer grooooß« – und zwischen Beidem liegen gerade einmal rund 50 Jahre.

Ich ziehe für mich daraus den Schluss, dass man auch hier die goldene Mitte suchen, den Drahtseilakt zwischen überbordender Fantasie mit unglaublich erscheinenden Ideen und der profanen Realität suchen muss. Es ist nicht zuletzt das, was für mich den Reiz an der Arbeit für REN DHARK ausmacht: die Fortführung eines Serien-Kosmos mit teils »abgedrehten« Ideen, der dabei trotzdem so bodenständig bleibt, dass die Leute die Geschichten gerne lesen, weil sie Bekanntes und Menschliches mit Fantastischem auf eine Weise verbinden, die nicht verstört und nicht verängstigt, sondern uns weiter auf eine positive Zukunft hoffen lässt, in der die Menschen eines Tages in Frieden und Freundschaft mit anderen Sternenvölkern koexistieren können.

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