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Aus dem Leben eines Heftchensammlers - Seufzer

Aus dem Leben eines HeftchensammlersAus dem Leben eines Heftchensammlers
Seufzer
 
Als Heftchenleser ist man irgendwie auch Sammler. Klar, als ich noch ein Junge war und ich mein Taschengeld Woche für Woche in den Kiosk trug, um den aktuellen John Sinclair danach nach Hause zu bringen, da war noch gar kein System dahinter. Ab und an machte ich mit meiner Familie Ausflüge nach Marburg (damals wohnte ich in Biedenkopf) und in der dortigen Bahnhofsbuchhandlung gab es einen Drehständer mit Sammelbänden.

 

Ich weiß, unter echten Sammlern sind die verpönt, aber he, ich war noch ein Kind und wusste es nicht besser. Heute weiß ich, dass es sich dabei um unverkaufte Restexemplare handelt, die zusammengeklebt und an den Kanten geradegeschnitten wurden - damals blätterte ich darin und hoffte, Hefte zu finden, die ich noch nicht hatte.

Nun ist es einfach, eine Serie zu sammeln. Ich riss die Sammelbände auseinander und ordnete sie dort ein, wo sie hingehörten. Wobei es mich schon ärgerte, dass man die Hefte nie ohne Schaden aus dem Sammelband herausbekam und dass sie durch das Beschneiden kleiner waren. Aber he, was für Möglichkeiten hat man denn als Kind? Bastei bot zwar an, die letzten (ich glaube 10) Hefte nachzuliefern, aber das kostete ja Porto. Das konnte ich mir nicht leisten.

Dann besuchte ich irgendwann Flohmärkte. Ich entdeckte den Dämonenkiller für mich (zumeist in der Neuauflage), und irgenwann habe ich mir mal einen Roman-Preiskatalog zugelegt. Da waren sehr viele Serien drin, die man nie auf Flohmärkten fand (und die bei Spezialhändlern ein Schweinegeld kosteten). Ich machte mir trotzdem eine Liste mit allen Gruselserien (irgendwann wollte ich schon alle haben), wobei ich dazu ein kariertes Schulheft benutzte und für jedes Romanheft jeder Serie ein Kästchen mit einer Nummer versah. Was ich besaß, malte ich mit einem Textmarker aus. Das war eine Heidenarbeit, und wenn man sich mal verzählt/ verschríeben hatte, glich das einer Katastrophe (ich weiß, mit Excel geht das heute viel einfacher).

Irgendwann stieß ich dann auf das Fandom. Davon erfuhr ich auf der Leserbriefseite eines Heftes und meine erste Mitgliedschaft in einem Horrorclub war die im Phantastikclub Minimurks, die damals Veranstalter des Buchmesse Cons waren. Meine zweite im Marburger Horror Club. Heute nennt er sich Marburger Verein für Phantastik e. V., aber sonst hat sich nicht viel gändert. Er veranstaltet immer noch den Marburg Con, verleiht den Marburg Award und zählt heute zu den dienstältesten Clubs Deutschlands und ist der einzige Club, der immer noch ein Fanzine herausgibt!

Die damaligen Horrorclubs setzten sich hauptsächlich aus Heftromanfans zusammen. Man pflegte Kontakt mit Autoren (Werner Kurt Giesa war immer auf den Cons zugegen, Rolf Michael und Manfred Weinland immerhin oft, und Timothy Stahl war noch einer von uns Fans). In den Fanzines tauschten wir uns über Heftromane aus ... und ich gelangte dann irgendwann an den Katalex, ein Buch, das sich bemühte, alle Gruselheftromane aufzulisten und die Pseudonyme zu knacken.

Der Katalex stellte meine Sammelleidenschaft auf eine neue Stufe. Mit einem Textmarker markierte ich nun in ihm alle Hefte, die ich besaß, und ich schielte mit einem leisen Seufzer auf die Lücken dazwischen. Als dann die Reihe Dämonen-Land erschien, arbeitete ich mit zwei Farben. Gelb für Nachdrucke, und Grün für Originalhefte. Grün konnte man dann auch gut über das Gelb drübermalen, wenn man einen Nachdruck durch das Original ersetzte (was ich nicht tat, ich behielt immer beide Hefte - bis auf die Dämonenkiller, wobei ich das aber heute bereue!). Das Ding war irgendwann so zerfleddert, dass es auseinanderfiel.

Aber es gibt noch viel größere Freaks als mich. Thomas König zum Beispiel. Der hat sich, wie auch ich, darüber geärgert, dass der Katalex natürlich irgendwann unaktuell wurde. Es kamen zu viele neue Hefte raus.
Deswegen gab er den Geisterwald Katalog heraus. Der enthielt die Dämonen-Land-Hefte, sowie die bis dato erschienenen Vampira, Ufo-Akten und Grusel-Schocker. Dazu viele nützliche Hinweise (die Grusel-Schocker sind teilweise länger als die Orginalhefte, da der Jugendschutz gelockert wurde).

Natürlich hat ein solches Buch (das bei mir auch voll bunt ist, dank gelbem und grünem Textmarker) seine Vorteile: Man kann es als Suchliste auf jeden Flohmarkt oder Con oder Börse mitschleppen und man kann sehnsüchtig über die Lücken seufzen.
Aber es hat auch den Nachteil, schrecklich schnell unaktuell zu werden. Zumindest, wenn jede Woche ein neues Heft erscheint. Und alle zwei Wochen ein anderes.

Natürlich gibt es mittlerweile eine Alternative. Wobei ich diese immer neben dem Geisterwald-Katalog nutze, der allein schon als Suchliste einen unschätzbaren Vorteil genießt. Datenbanken. Das Internet. Datenbanken im Internet.
Eine meiner absoluten Lieblingsseiten war Gruselromane.de!
Hier gab es (fast) alle relevanten Serien mit Titellisten (die man sich zur Not auch ausdrucken könnte) und, was das Seufzen viel dramatischer machte, den Titelbildern. Christian Daber hat eine Fleißarbeit abgeliefert, die der Thomas Königs mindestens ebenbürtig ist. Wobei er auch Unterstützung von anderen Fans bekam (ja, auch ich habe ihm in einem bescheidenen Rahmen hin und wieder Cover oder Hinweise geliefert und ganz wenige Rezensionen).

Nun hat man schon seit einiger Zeit feststellen müssen, dass die Updates immer seltener wurden, und dann ausblieben. Und nun die schreckliche Gewissheit: Die Seite wird nicht mehr weiterbetrieben bzw. nicht mehr aktualisiert. Der bisherige Inhalt steht den Fans weiterhin zur Verfügung.

Christian hat uns seine Entscheidung nicht nur mitgeteilt, sondern auch erklärt.
Klar, er hat sich weiterentwickelt. Beruf und Familie werden wichtiger als das Hobby - aber sehr bezeichnend finde ich dies:
"Nachdem ich einmal wieder den 10. Nachdruck desselben Romanes in einer anderen Erscheinungsform in mein Regal stellte, fragte ich mich, warum ich das eigentlich tue. Klar, ich kaufe natürlich die ganzen Exemplare, um sie euch präsentieren zu können, und auch für meine Sammlung. Doch wie wichtig ist es wirklich, die inzwischen zehnte Variante vom "Friedhof am Ende der Welt" zu besitzen? Monate, in denen ich mit den Romanen und Hörspielen einen dreistelligen Betrag dafür ausgab, waren nicht gerade selten."
Nun, vielleicht könnte man Bastei (einen der wenigen noch relevanten Verlage für Heftromane) überzeugen, eine solche Seite zu sponsern, aber wie kriegt man Bastei dazu, mal was wirklich Neues zu veröffentlichen und nicht die elfte Variante vom "Friedhof am Ende der Welt"? Ich habe es an mir selbst erlebt. Klar, ich kaufe mir immer noch die Vampira-Zweitauflage und ich bin von den Romanen nach wie vor begeistert. Aber ... und nein, ich werde meinen Standpunkt nicht noch einmal erklären, lest die älteren Folgen dieser Kolummne.

Nun, Gruselromane.de schließt seine Pforten, und damit ist ein weiterer der unerschrockenen Kämpfer für den Heftroman müde geworden. Er hat lange gekämpft (12 Jahre) und gut gekämpft hat er auch. Und nun ist es an uns, ihm zu danken. Christian, du hast uns ein Erbe hinterlassen, und ich verspreche dir, von Zeit zu Zeit hineinzublättern, mir die vielen Cover online anschauen und zu seufzen. Nicht wegen der alten Lücken, die ich dank Internet jederzeit schließen könnte - sondern wegen der neuen Lücken, die wahrscheinlich niemals gefüllt werden. Serien, die ich gerne gelesen hätte, so wie wahrscheinlich du auch ...

... wenn es dich trotzdem noch einmal auf einen Con verschlägt, sprich mich an, ich gebe d
ir ein Bier aus!

Kommentare  

#1 Martin 2020-03-27 23:11
Hallo Thomas,
ein toller Artikel, den ich leider erst am 40. Jahrestag des Marburger Horror-Club lese.
Wir sehen uns sicher wieder mal auf einem Stammtisch oder Con.

Mit phantastischen Grüßen,
Martin

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