Der Tausendsassa vom Wörthersee - »Die Superglatze – Otto Retzer: Ein Leben wie im Film«
Der Tausendsassa vom Wörthersee
»Die Superglatze – Otto Retzer: Ein Leben wie im Film«
Anlässlich von Otto Retzers 75. Geburtstag im Jahr 2020 hat die Lisa Film dem beliebten und erfolgreichen Kärntner nun einen Prachtband gewidmet, der jeden Fan dieser publikumswirksamen Filme und später Fernsehserien in Begeisterung versetzen dürfte. Über den Erfolgsproduzenten vom Wörthersee hatte Roman Schliesser 2006 schon ein vergleichbares, reich bebildertes Nachschlagewerk publiziert, das „Die Supernase – Karl Spiehs und seine Filme“ betitelt war. Denn der 1931 in Österreich geborene Spiehs hatte einen wunderbaren Riecher, den Geschmack des Publikums zu treffen und mit seinen Produktionen am Puls der Zeit zu bleiben. So erschuf er das Leinwandtraumpaar Roy Black und Uschi Glas („Immer Ärger mit den Paukern“), kreierte für die Fernsehstars Rudi Carrell und Ilja Richter Komödienvehikel in den frühen 1970er Jahren („Wenn die tollen Tanten kommen“) und setzte dieses Konzept in den 1980er Jahren mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger („Die Supernasen“) fort. Als ihm im Kino zunehmend die Zuschauer wegblieben, verlagerte Spiehs sein Erfolgskonzept Ende der 1980er Jahre ins Fernsehen, wo er mit „Ein Schloss am Wörthersee“ ebenfalls wieder einen Hit landen konnte.
Seit 1971 war an den dutzenden Filmen, die bei der Lisa Film entstanden, fast immer auch Otto Retzer beteiligt. Der 1945 in Lölling in Kärnten geborene Sohn eines Postfräuleins und eines Landwirts begann seine berufliche Laufbahn als Koch und Hotelempfangschef. Doch der umtriebige Österreicher setzte schon bald auf weitere Standbeine, wurde Wasserskilehrer, Discjockey und später auch Geschäftsführer eines Musikclubs. 1971 wurde Karl Spiehs beim Dreh zum Roy-Black-Uschi-Glas-Vehikel „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ auf Retzer aufmerksam, was zu einer bis heute andauernden Kooperation zwischen den beiden führte. Zu Beginn übernahm der damals noch ein Haupthaar tragende Retzer die Aufnahme- oder Produktionsleitung etlicher Lisa Filme. Darüber hinaus war er ebenfalls bereits seit 1971 auch immer wieder in kleinen Statistentollen in diesen Filmen zu sehen, mal als Polizist, mal als kaltblütiger Gangster. 1976 rasierte er sich für einen Auftritt im Lisa-Film „Die Insel der tausend Freuden“ eine Glatze, die seitdem zu seinem Markenzeichen geworden ist. Einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter erklomm er anno 1982, als er mit „Babystrich im Sperrbezirk“ für einen Spiehs-Film auch erstmals das Drehbuch schrieb und Regie führte.
Abseits der Dunstkreise nerdiger Filmexperten dürfte Retzer spätestens 1990 bekannt geworden sein, als er in „Ein Schloss am Wörthersee“ in die Rolle des jugoslawischen Hausdieners Josip schlüpfte, der zusammen mit seinem Kompagnon Malec (Adi Peichl) zum Publikumsliebling der Serie avancierte – und deren Popularität auch fast dreißig Jahre später in neu produzierten YouTube-Clips weiterhin befeuert wird! Der Höhepunkt von Retzers Schaffen war damals aber bei weitem noch nicht erreicht, denn in den folgenden Jahrzehnten hat er sich zu einem der erfolgreichsten europäischen Fernsehregisseure entwickelt, dessen TV-Filme („Tierärztin Christine“) und Film-Reihen („Klinik unter Palmen“, „Der Pfundskerl“, „Das Traumhotel“) in mehreren Ländern mittlerweile über eine Milliarde (!) Zuschauer verzeichnen können. In seinen goldenen Jahren hat sich die Superglatze nun dem Inszenieren, Produzieren und Moderieren von TV-Dokumentationen verschrieben, die seinen bekanntesten Weggefährten des letzten halben Jahrhunderts gewidmet sind (Roy Black, Udo Jürgens, Harald Juhnke, Thomas Gottschalk etc.).
J.A. Nagls Hommage an Otto W. Retzer lässt keine Wünsche mehr offen. Der akribisch recherchierte und opulent mit hunderten Fotos bebilderte Prachtband „Die Superglatze – Otto Retzer: Ein Leben wie im Film“ zeichnet nicht nur den Werdegang und die Ereignisse im Privatleben Retzers detailliert nach. Im Anschluss an die rund 90 biografischen Seiten werden sämtliche Filme, Fernsehfilme, Serien und Dokumentationen ausführlich vorgestellt, an denen der Tausendsassa im Laufe seiner Karriere beteiligt war. Wie schon im biografischen Teil werden auch hier immer wieder Originalzitate Retzers eingebaut, die die Lektüre des Buches fast schon zu einer Autobiografie werden lassen. Auch die Inhaltsangaben, die Cast- und Crew-Credits und die Aufführungs- und Ausstrahlungsdetails suchen ihresgleichen. Wer Retzer als Schauspieler entdecken will, dem hilft eine dreiseitige Übersicht am Ende des Buches, die mit Zeitindex akribisch festhält, wann in einem Film seine mitunter nur sekundenkurzen Auftritte zu finden sind. Auf 14 weiteren Seiten werden die 50 wichtigsten Weggefährten Retzers beim Film in kurzen Biografien vorgestellt. Über das Niveau seiner Arbeit sind eher selten Komplimente verteilt worden, aber da hält es Retzer ganz wie sein Mentor Karl Spiehs, der einmal sagte: „Im Seichten kann man nicht untergehen.“ Retzer schwimmt seit 50 Jahren ganz oben und hat mit seinem Werk eindrucksvoll seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. J.A. Nagls Buch ist hierfür die bestmögliche Dokumentation!