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Brauchts das? - Name of the Game

Brauchts das?Name of the Game

Es muss ungefähr 1999 gewesen sein, als ich mir das erste Mal bewusst einen Film ansah, der auf einem Computerspiel basierte. Ausgestattet mit den zeitgeistigen Freddie Prince Jr., Matthew Lillard und Saffron Burrows. Jürgen Prochnow tat noch mit und auch David Warner. Nicht zu vergessen Tchéky Karyo. Chris Roberts hatte für WING COMMANDER die Story geschrieben, danach das Drehbuch verfasst und schließlich noch vom Regiestuhl aus inszeniert.
Jetzt macht mich ein Freund darauf aufmerksam, dass die Firma ELECTRONIC ARTS ganz groß mit verfilmten Computerspielen in die Kinosäle drängen will. Mein Freund meinte, ‚ist das nicht ‘ne Nachricht?‘ Und ich dachte mir, ‚ja, braucht’s das?‘

Wer mag schon behaupten, dass die bereits 1982 gegründete ELECTRONIC ARTS so etwas wie marktbeherrschend wäre. Ich auf keinen Fall. Sicherlich ist mir aber aufgefallen, dass selbst mir als absolutem Nichtspieler, und absolut bedeutet absolut, Titel von Spielen, die von EA entwickelt und/oder vertrieben werden, durchaus geläufig sind. SIMS könnte ich da aufzählen, genauso wie COMMAND & CONQUER. Oder wie wäre es mit BATTLEFIELD und der allgegenwärtigen FIFA-Serie? Kenn ich alle. Hab sie nie gespielt.

Marvel bringt man in Verbindung mit Comic-Books. Kein Thema. Die sahnen im Filmgeschäft richtig ab. Warum das Geld in die Ferne bringen, wenn der Safe liegt doch so nah. Gründeten einfach ein eigenes Filmstudio und schon wird X-MEN nicht mehr von FOX realisiert, sondern hausintern. Dann kommen noch HULK, die AVENGER-Serie, ANT-MAN und THOR. Und IRON MAN nicht zu vergessen. Ja, aus Comics kann man richtig gute Filme machen. Das hat das Publikum an der Kinokasse bewiesen.

Es hat ja mittlerweile etwas Selbstverständliches, wenn zu Filmen wie ICE AGE oder, bleiben wir bei Marvel, HULK ein Computerspiel entwickelt wird. Schöner Nebenerwerb. Ein nicht zu unterschätzender Nebenerwerb. Komponenten aus dem Film werden in interaktiven Ebenen spielbar gemacht. Für Einzelne oder vernetzte Spieler. Doch wie sieht das anders herum aus? Das klingt fast so, als würde man eine Achterbahnfahrt zu einem mit Geschichte versehenen Blockbuster machen. Ach, richtig! PIRATES OF THE CARIBBEAN geht ja schon in die vierte Runde. War zwar keine Achterbahnfahrt, aber die abschließende Wasserrutsche in Disneys befahrbarem Diorama-Spektakel ist echt der Hit.

HALO wurde ja eine Unmenge an Aufmerksamkeit zuteil, als Peter Jackson als Produzent in den Ring trat. Dass er von KING KONG ein blaues Auge bekommen hat, möchten die HERR DER RINGE-Anhänger gar nicht mehr wahrhaben. Es zählt der Bonus des Epos. Das Projekt platzte trotzdem. Aus einem erfolgreichen Computerspiel wurde bisher kein erfolgreicher Film. Aber noch läuft die Produktionsphase. Warum wäre diese Computerspiel-Verfilmung ein Erfolg geworden, wäre sie dieses Jahr in die Kinos gekommen? Zum einen hätte Jackson produziert, zum anderen wäre Neill Blomkamp im Regiestuhl gesessen und dann ist HALO natürlich bereits als Spiel enorm populär.

ELECTRONIC ARTS geht in seinen Gedanken ein bisschen weiter. So weit, wie viele Kinoanalysten bereits seit wenigen Jahren scherzen: Der Blockbuster als Werbefilm für die DVD-Veröffentlichung. Nun, dann ist es eben keine DVD, die fällt in der Drittverwertung sowieso ab, sondern das Spiel. EAs ohnehin bekannte Spiele sollen über den eigentlichen Markt hinaus gefördert werden. Und EA ist da bereits sehr konkret. Zusammen mit FOX haben sie ICE AGEs Chris Wedge für SPORE als Animationsfilm unterschreiben lassen. In Produktion ist von EA und FOX bereits auch die Live-Action-Variante von den SIMS, allerdings noch ohne Regisseur. DANTES INFERNO hat bei UNIVERSAL mit Dan Harris als Autor ein Zuhause gefunden. Das gleiche Studio wird mit Peter Berg an der Spitze ARMY OF TWO umsetzen. Daniel Caruso wird bei DEAD SPACE Regie führen, ein Studio wird sich da dann auch noch finden.

EAs Vizepräsident Patrick O’Brien meint dazu, dass man mit sehr guten Filmen die Produkte und die Firma EA all jenen nahe bringen will, die eigentlich überhaupt nicht spielen. Bisher hatte ELECTRONIC ARTS von ineinandergreifenden Plattformen Abstand genommen, um die eigentliche Entwicklung der Spiele nicht zu beeinträchtigen oder zu beeinflussen. Und nach kurzer Abstinenz von der Firma ließ sich Vorstandsvorsitzender John Riccitiello davon überzeugen, dass man nicht nur am Film selbst verdienen, sondern längerfristig auch noch mehr Spiele verkaufen würde.

EAs Entscheidung kommt bei aktueller Marktbeobachtung wirklich nicht sonderlich überraschend. Das schon erwähnte Beispiel MARVEL hat einiges zu der Überzeugung beigetragen, dass eine Verzahnung von fangebundenen Produkten mit anderen, freieren Medien bestens funktioniert. Und dann sind da Eidos‘ zwei LARA CROFT-Streifen, die war zwar nicht finanziell erfolgreich waren, mit einer kommenden ‚Neuinterpretierung‘ aber die Kinositze wackeln lassen. BIO-SHOCK wird kommen. Und sogar Krawall-König Jerry Bruckheimer hat mit PRINCE OF PERSIA ein Spiel auf Blockbuster-Wegen.

EA ist dabei gar nicht mal so unvorbelastet. Als DEAD SPACE auf den Markt kam, geschah dies in Kooperation einer Comic-Book-Adaption, welche als sogenanntes Prequel für DEAD SPACE: DOWNFALL diente. Dieser Animationsfilm wiederum war ein Direct-to-DVD, das dort aufhörte, wo das Spiel anfangen sollte. Das Konzept war leidlich erfolgreich, aber deckte drei unterschiedliche Medien ab, die somit wunderbar ineinandergriffen.

EAs VP O’Brien nennt dies ‚einen sehr langen lehrreichen Prozess, der durchlaufen werden musste‘.  Und er sagt auch unumwunden, ‚dass die Filme gemacht werden, um das Kerngeschäft zu unterstützen‘. Dass EA die Rechte auf ihre Spiele nicht einfach nur an Studios für teures Geld verkauft, spricht eigentlich nur für die Spiele-Hersteller. Es bleibt somit die Hoffnung, dass die Filme in einer Sprache und Stimmung umgesetzt werden, die der des Spieles gerecht werden.

Eigentlich war WING COMMANDER kein schlechter Film. Leidlich spannend, mit attraktiven Darstellern, die mehr Äußerlichkeiten präsentieren sollten statt Schauspielkunst. Er zeigte, was man von einem Computerspiel erwartete: Sehr viel Action, ohne viel Sinn, mit sehr viel Popcorn-Verträglichkeit. Von seinen 35 Millionen Dollar Produktionskosten hat er in Amerika 12 Millionen eingespielt. Ein trauriger Flop, wenn man bedenkt, dass vor WING COMMANDER der erste Trailer für EPISODE 1 – PHANTOM MENACE lief. Die Leute zahlten vollen Eintritt, um den Trailer zu sehen, und verließen das Kino, bevor Wing Commander anfing.

Unter den angekündigten Filmen wird es auch einige traurige Flops geben. Es werden aber auch hohe Erfolge zu verzeichnen sein. Wenn man genauer darüber nachdenkt, würden sich dabei wunderbare, gruselige, spannende Welten öffnen. Viele Spiele sind präzise durchdachte Universen, die mit stimmiger Hintergrundgeschichte entworfen wurden. Vielleicht sollte man einfach abwarten und die Hoffnung nicht aufgeben. Jede dieser etablierten Welten wird in einer Verfilmung ihre Fürsprecher und Gegner finden, aufhalten wird man sie dennoch nicht. Und was wäre zum Beispiel gegen einen exzellent umgesetzten Action-Film einzuwenden? Oder muss ich als absoluter Nichtspieler mich fragen, ob nicht hinter so manchem Spiel sogar viel mehr steckt, als der Volksmund annehmen möchte?

So manche vielversprechende Geschichte hat sich an der Kinokasse zu Recht als Rohrkrepierer erwiesen. Aber jene Spiele-Geschichten wären schon gegeben. Und dazu existieren treue, nicht unerheblich große Fangemeinden, deren sich die Produzenten durchaus bewusst sind. Kann es denn schlimmer werden als TRANSFORMERS – REVENGE OF THE FALLEN? Plastikspielzeug als uninspiriertes Bildspektakel. Oder ein spannendes Brettspiel wie CLUEDO, das sich 1985 zu etwas auf der Leinwand deformierte, was man nicht beschreiben konnte.

Anspruchsvolles Kopfkino kann ich mit französischen oder finnischen Filmen abdecken. Vorhang auf, lasst die Show beginnen. Und wenn es von den Werbestrategen nur als Marketingobjekt erdacht wurde, wen schert es, Hauptsache die Leinwand zittert und die Boxen vibrieren. Oder versteckt sich hinter dem Mythos des sinnlosen Geballers doch Feinsinnigeres, als die Stammtisch-Mentalität der Unwissenden polemisch verkünden? Selbst in unserer Zeit soll es Filme aus Hollywood geben, die zu überraschen verstehen. Ich lass mich auch mal überraschen.
 
 

Kommentare  

#1 Pisanelli 2009-11-17 09:38
Ich denke, das ist der Punkt: allzu Anspruchsvolles sollte man nicht erwarten. Aber wer tut das schon bei einem Film zum Spiel? ;-) Hauptsache, das Popcorn fließt!
Manchmal kommt ja doch ganz Nettes dabei raus. Die beiden Lara-Croft-Filme fand ich jedenfalls nicht schlecht. Aber grundsätzlich bin ich sehr skeptisch, was große Inhalte angeht. Diese Art von Filmen sind aber sicher für die ein oder andere Animations-Firma interessant, die ihre graphischen und Programmier-Möglichkeiten ausprobieren wollen, quasi als Experimentierfeld. Auf diese Weise kann man auch "vorarbeiten" für die wirklich guten Filme. Transformer war ein grauenhafter Film - aber die Graphik war schon beeindruckend... ;-)
#2 Larandil 2009-11-17 09:49
Paradoxerweise war "Wing Commander" als Computerspiel großes Kino. Da war EA/Origins sogar das erste Unternehmen, das für Zwischensequenzen ab "Wing Commander III" echte Schauspieler vor Kulissen agieren ließ - Namen wie Mark Hamill als Cmdr. Christopher Blair, Malcolm McDowell als Admiral Geoffrey Tolwyn oder John Rhys-Davies als George Taggart. Die Kilrathi gelangen schon nicht mehr so gut, waren aber immer noch als Katzenartige erkennbar - was im Kinofilm ja völlig daneben ging. In "Wing Commander IV: The Price of Freedom" traten sie deshalb kaum auf, statt dessen ging es darum, einen Krieg zwischen den menschlichen Fraktionen zu verhindern. Auch von den Raumschiffsmodellen her bot "Wing Commander - der Kinofilm" den Computerspielern keinerlei Wiedererkennungswert; ich war damals eher trotz als wegen der Vorschaubilder im Kino. Das Gedöns um die "Pilger" und ihren Wurmlochnavigationsinn war dann auch nicht hilfreich; Commander Blair (also ich, als Spieler) konnte fliegen wie der Teufel, aber immer nur vom Trägerschiff aus. Insgesamt stand also auf dem Film zwar "Wing Commander", aber das Spiel war nicht drin.
Doch sollte ich irgendwie die DOS-CDs unter Vista wieder zum Laufen bringen, besorge ich mir einen Joystick und fliege gleich noch mal los!

Für die, die nie in den Genuß gekommen sind, hier der "Showdown" von Wing Commander IV: Blair, der Held, hat sich bis zur Erde durchgekämpft und konfrontiert den Drahtzieher in der Senatsversammlung.
www.youtube.com/watch?v=AMD1VJeltUM
Und man kann es hier immer noch versauen und sieht dann eben statt dessen Blairs Erschießung wegen Hochverrat ... :-*

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