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Brauchts das? - Color by Technicolor

Brauchts das?Color by Technicolor

Herbert Kalmus und Daniel Comstock kamen vom Massachusetts Institute of Technologie und Burton Wescott, der nicht einmal einen College-Abschluss hatte, wurde nachgesagt, dass er ein Genie in Mechanik sei. Zusammen gründeten die Männer 1912 die Firma Kalmus, Comstock & Wescott. Die Firma beschäftigte sich Anfangs überhaut nicht mit der Filmindustrie, fand dann aber ihr Passion: Der Farbfilm in natürlichen Farben. Und noch andere technische Kleinigkeiten, die der aufkeimenden Filmindustrie das Leben leichter machen sollten.
Kalmus’ Frau Natalie war damals auch schon dabei. Und wenn man den unzähligen, aber dürftig beschriebenen, Gerüchten über diese Frau Glauben schenken mag, dann hatte sie in dieser Firma von Anfang an einiges zu sagen. Und Natalie Kalmus sollte später zum kreativen Alptraum mutieren, als sich nach einer Splittung von Kalmus, Comstock & Wescott 1915 die Firma ihrem eigentlichen Ziel annäherte und die Ablegerfirma begann, Farbfilme herzustellen. Mit Farben von TECHNICOLOR.

Die Geschichte des Farbfilms durch Technicolor begann 1917 und umfasste in ihrer Entwicklung fünf aufeinander aufbauende Verfahren. Davon ist das vierte Verfahren nicht nur das interessanteste, sondern auch das, das die Filmlandschaft grundsätzlich veränderte.

Dabei sollte man nie aus den Augen verlieren, dass es Farbe im Film schon immer gegeben hat. Schon lange bevor 1915 TECHNICOLOR gegründet wurde. Manche Versuche waren erfolgreich, manche experimentell, die meisten unbefriedigend und oftmals unbezahlbar. Die Verfahren eins bis drei von Technicolor waren bereits sehr vielversprechend, erforderten aber einen immensen Mehraufwand, den man in Hollywood noch nicht bereit war zu bezahlen. Mit der Einführung des Drei-Streifen-Verfahrens 1932 änderte sich alles. Die Industrie jubelte, das Publikum war begeistert und der Siegeszug hielt bis 1955.

Den genauen Prozess des Drei-Streifen-Verfahrens zu erklären, ist, gelinde gesagt, ein Fass ohne Boden. Ganz einfach erklärt, und da liegt die Betonung explizit und ausdrücklich auf „einfach“, laufen dabei drei einzelne Filmstreifen gleichzeitig durch die speziell gefertigte Technicolor-Kamera. William Young hat diese Kamera damals für Herbert Kalmus nach dessen Vorgaben gebaut.

Jeder Filmstreifen hatte die üblich Silber- und Gelatineschicht. Hinter dem Objektiv der Kamera waren Filter, welche das blaue, rote und grüne Licht trennten und auf einen der jeweiligen Filmstreifen übertrug. Das Filmnegativ sah fast wie das Negativ eines Schwarz-weiß-Films aus, nur, dass eben die jeweiligen Farbanteile von Blau, Rot und Grün darauf belichtet waren. Von diesen drei Kameranegativen wurde die Silberschicht entfernt, sodass nur die Gelatineschicht wie ein Relief auf dem Negativ blieb. Je tiefer das Relief, desto kräftiger später der Farbkontrast an jener Stelle.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, die drei unterschiedlich belichteten Negative waren immer noch schwarz-weiß. Diese wurden auf einen speziell präparierten blanken Film kopiert, wo nur die schwarzen und weißen Werte ausbelichtet wurden. Das war die Grundlage einer einzelnen Vorführkopie. Dieser Blankfilm war mit einer speziellen Beize eingelassen, welche die später folgende Färbung aufnehmen und die Farben so festigen sollte, damit diese auf der Kopie nicht verwaschen konnten.

Jetzt folgte der eigentliche Färbungsprozess. Die drei Matrizenfilme, auf denen die Gelatineschicht als Relief der jeweiligen Farbbelichtung geprägt war, wurden mit ihren Komplementärfarben eingelassen. Der Schwarz-weiß-Film der durch den blauen Filter belichtet wurde, erhielt gelbes Färbemittel, der rote Film bekam Zyan und Grün wurde mit Magenta gefärbt. Die so eingefärbten Matrizenfilme wurden nun auf diesen speziellen Blankfilm aufgepresst und die Farben übertragen. Fertig war eine Vorführkopie, denn der Blankfilm hatte auch schon die fertige Tonspur aufkopiert.

Soweit zu den sehr, sehr einfach gehaltenen technischen Ausführungen über das Drei-Streifen-Verfahren, dem GLORIOUS TECHNICOLOR. Sie sind soweit notwendig, um verständlich zu machen, was Technicolor wirklich so einzigartig machte. Da waren nicht nur die Farben, sondern auch der Ton. Der Ton auf Technicolor-Kopien war allen anderen Tonfilm-Kopien überlegen, weil der oben erwähnte Blankfilm eben keine chemische Nachbehandlung mehr erfuhr, sondern die Farben trocken und unter großem Druck aufgebracht wurden. Die Tonspuren der Kopien anderer Laboratorien wurden gegebenenfalls dem kompletten Prozess von Nachentwicklung und Umkopieren ausgesetzt.

Der andere ganz große Vorteil war die Präzision, mit der die drei Negative aufgenommen und die Matrizenfilme verarbeitet werden konnten. Man rühmte sich, dass die Deckung aller vier Bilder auf der Vorführkopie auf das Fünfzigstel eines Millimeters passte. Auf einer zehn Meter breiten Leinwand würden sich höchstens Haare in einem Close-up doppeln. Konturen wären nicht einmal als minimalste Unschärfe zu sehen.

Farbfilme anderer Anbieter wurden auf einen einzelnen Streifen ausbelichtet. Korrekturen konnten somit nur an einer Kopie und dann im gesamten Bild gemacht werden. Und das begeisterte Kameraleute wie Produzenten am ungemein aufwendigen Technicolor gleichermaßen: Man konnte im Nachhinein noch Einfluss auf die Farbgestaltung nehmen. Jede Farben einzeln entsättigen oder bestimmte Farbtöne hervorheben. Man konnte herumspielen und experimentieren, weil man dazu eben die Matrizenfilme benutzte und nicht auf die Kameranegative zurückgreifen musste. Diese konnten geschont werden.

Und als allerletztes Wort zum technischen Verständnis. Die vorangegangen drei Technicolor-Verfahren zwischen 1917 und 1932 funktionierten auf einem ähnlichen Prinzip. Dabei wurde allerdings ein einzelner Filmstreifen verwendet und mit einem Grün-blau-Filter das erste Bild und mit dem roten Filter das zweite Bild belichtet. Obwohl überzeugend, konnte niemals das komplette Farbspektrum abgedeckt werden.

Dr. Herbert KalmusDie nebeneinander existierenden Firmen Kalmus, Comstock & Wescott und TECHNICOLOR machten keine profitablen Geschäfte. Wohl waren sie erfolgreich, doch die Einnahmen deckten so ziemlich die Ausgaben für neue Entwicklungen. Daniel Comstock warf Herbert Kalmus vor, sich zu stark auf den Farbfilm zu konzentrieren, während Kalmus bemängelte, das Comstock sich nie richtig an Technicolor interessiert zeigte. 1925 beschlossen beide, getrennte Wege zu gehen. Kalmus stieg aus Kalmus, Comstock & Wescott aus und Comstock zog sich aus Technicolor zurück. So konnte jeder seiner eigenen Gesinnung frönen, ohne ständig dem anderen Rechenschaft ablegen zu müssen. Aber die Zusammenarbeit konnte fruchtend weiter gehen.

Der Farbfilm hielt Einzug in Hollywood, doch nicht mit dem überwältigenden Erfolg, den man sich versprochen hatte. Zu teuer und aufwendig waren die Verfahren. Das „neue“ Technicolor im Drei-Streifen-Verfahren wurde 1932 dann wesentlich wohlwollender aufgenommen, dennoch produzierte kein Studio einen Langfilm mit dem neuen Verfahren. Nur Walt Disney sprang begeistert auf diesen Zug auf und warf den halbfertigen Zeichentrickfilm FLOWERS AND TREES, sehr zum Entsetzen seiner Mitarbeiter, in die Mülltonne und begann mit dem Drei-Streifen-Verfahren von vorne.

Disney und TECHNICOLOR unterzeichneten einen für eine Dauer von fünf Jahren gedachten Exklusivvertrag. Die anderen Studios wollten da nicht außen vor bleiben, weil große Hoffnungen in das neuen Verfahren gesetzt wurden. Der Disney-Vertrag wurde auf nur ein Jahr verkürzt. Das brachte den ehemaligen Botschafter und Millionär ‚Jock‘ Whitney auf den Plan, der schon lange ins Filmgeschäft wollte. Zusammen mit Merian C. Cooper begann Whitney mit der Produktion von Technicolor-Filmen. Der erste hieß LA CUCARACHA, entstand 1934, hatte eine Laufzeit von 20 Minuten und kostete so viel wie ein abendfüllender Spielfilm mit 90 Minuten.

Color by TechnicolorLA CUCARACHA war der letzte Tritt in die Hintern der großen Studios. Noch im selben Jahr begannen die Produktionen von 5 oder 6 großen Filmen in Technicolor. Die Angaben schwanken. Eine dieser Produktionen war BECKY SHARP – JAHRMARKT DER EITELKEITEN. Historiker einigten sich darauf, BECKY SHARP zum ersten Langfilm in GLORIOUS TECHNICOLOR zu erklären.

Auch wenn der Siegeszug nicht aufzuhalten war, war dieser nicht im Sprint, sondern eher im Marathon. Tatsächlich verwirrten die kräftigen Farben und das alles umfassende Farbspektrum die Zuschauer. Bei BECKY SHARP kritisierte man zum Beispiel die blauen Farbstimmungen. Blau war bei den bisherigen Farbfilmverfahren nie wirklich zu sehen gewesen. Das Fortune Magazine widmete diesem Wandel im Kino einen sehr langen Artikel, in dem es auch hieß, „Farbe bedeutet nicht die Revolution, wie es der Tonfilm war“. Auch wenn sich dieser Artikel objektiv gab, stellte er doch immer wieder den Sinn von Farbe im Film in Frage. Fortune Magazine setzte sich auch ausführlich mit der Geschichte der Personen um Technicolor auseinander und blieb auch da distanziert.

Technicolor war teuer, aber die zur Verfügungen stehenden Alternativen, waren für Perfektionisten nicht überzeugend. Eine Drei-Streifen-Kamera kostete 15.000 Dollar, während herkömmliche Kameras für 3.500 Dollar zu haben waren. Die Verleihgebühren betrugen 90 Dollar in der Woche inklusive eines bei Technicolor auf Farbgebung geschulten Kameramanns. Die Qualität forderte eben ihren Preis. Künstlerisch stand außer Frage, dass Technicolor in Farbe, Ton und Kopie einzigartig war. Und auf die Vorteile während der Nachbearbeitung wollte keiner wirklich verzichten. Außer den Schauspielern vielleicht. Wegen der Prismen und Filter in der Kamera benötigte man im Studio um ein Vielfaches mehr Licht, um das Material richtig auszubelichten.

Wizard of OzVon den Dreharbeiten zu WIZARD OF OZ – DAS ZAUBERHAFTE LAND wird berichtet, dass es manchmal bis zu 40 Grad Celsius im Studio hatte. Kameramann und Bildgestalter Harold Rossen erinnert sich an die Dreharbeiten zu OZ, „wir hatten enorme Batterien von Lichtbogen-Lampen an der Decke. Wir haben uns jeden freien Scheinwerfer in Hollywood geliehen. Es war brutal heiß. Ständig wurden Leute bewusstlos und mussten aus dem Set getragen werden.“

So trieb auch das Licht natürlich die Produktionskosten mit in die Höhe. Stets waren es die wegen Technicolor erhöhten Produktionskosten, die die Studios immer unzufriedener werden ließen. Für die Firma TECHNICOLOR hieß es nun, im Fokus zu bleiben. Die Firma musste sich in Richtung anderer Bereiche orientieren, das aufwendige Drei-Streifen-Verfahren würde die Zeiten sowieso nicht überdauern.

Aber wie sich TECHNICOLOR weiter entwickelte und Natalie Kalmus nebenher zum Schrecken der Produzenten wurde, darüber soll ein andermal berichtet werden.
 
Wer sich näher mit diesem Thema befassen möchte, dem sei angeraten die deutsche Wikipedia zu meiden, weil diese sehr fehlerhaft ist. 
 

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