Ein persönliche Reflexion der Oscars 2010
Adam Shankman und Bill Mechanic sind für diese Show verantwortlich. Es waren diese Männer, die jedem Zuschauer Zeit gestohlen haben mit
ja, womit eigentlich? Mit Neil Patrick Harris, einem begnadeten Entertainer, der aber bei den Oscars, und speziell mit einer Eröffnungsnummer, nichts zu suchen hatte. Es waren doch bereits zwei Moderatoren anwesend, und mit Steve Martin und Alec Baldwin sogar vielversprechend besetzt. Ach die, ja, die mussten sich mit richtig lustigen Texten herumschlagen. Unweigerlich bleibt die Frage zurück, warum man gleich zwei Größen wie Martin und Baldwin bemüßigt, diese zotteligen Kalauer herunterzureißen? Zugegeben, der mit Helen Mirren war gut, zweifellos. There is damn Helen Mirren. Thats DAME Helen Mirren.
Das Warten wurde durch die Werbeunterbrechungen auch nicht einfacher gestaltet. Aber warten worauf? Es gab extra DVDs für alle Nominierten, auf denen sie angewiesen wurden, sich für ihren großen Moment auf der Bühne etwas Besonders einfallen zu lassen. Danken könnten sie ihrem Manager, Hund und Großonkel auch noch hinterher. Die DVD hat wohl niemand gesehen. Die Dankesreden waren, mit Ausnahmen, flach wie kaum die Jahre zuvor. Sandra Bullock war witzig, okay. Aber die besten und einprägsamsten Worte kamen von Musik-Gewinner Michael Giacchino, der sich darauf beschränkte, zu erklären, dass seine Eltern bei ihm jeden Versuch von Kreativität unterstützt hätten. Wenn jemand kreativ sein will, wäre das keine Zeitverschwendung. Es sei niemals Zeitverschwendung. Giacchino hielt sich kurz und bündig, und brachte es auf den Punkt. Das war bewegend.
Die herausragende Bildregie hatte es auch die komplette Sendung hindurch fertiggebracht, Menschen aus dem Publikum zu zeigen, die sich ganz offensichtlich zu Tode langweilen. War irgendetwas im Saal passiert, das dem Zuschauer verborgen blieb, die Stimmung im Kodak-Theatre aber durchweg auf Null hielt? Spielte George Clooney nur den angepissten, oder lag was in der Luft? Je grimmiger er jedenfalls schaute, desto öfter wurde er von der Kamera geschnitten. Auch ne Art, die eigene Sendung madig zu machen.
Eine der Änderungen fällt sofort auf: The winner is
Nach zwanzig Jahren macht man also aus dem fröhlichen Miteinander wieder einen beißenden Wettbewerb. Nur Kate Winselt lässt sich nicht darauf ein, als sie den besten Hauptdarsteller mit the Oscar goes to
Jeff Bridges ausruft. Aber die besten Präsentatoren waren nichtsdestotrotz Tina Fey und Robert Downey Jr., das machte wirklich Laune. Laune, die nicht lange nachhielt.
Die sonst live vorgetragenen besten Songs werden nur noch mit einem Bilderteppich unterlegt kurz angespielt. Das mögen manche gut heißen, weil damit Zeit gespart wird. Von einer Zeitersparnis war allerdings real nichts zu merken. Die Show zog sich dennoch ins gefühlt Unermessliche. Apropos Show: Gehört nicht in eine Show sowas wie Abwechslung? Sowas wie ein kleiner Song? Gerade die dieses Jahr nominierten Songs wären auf der Bühne gerade richtig gewesen. Aber nein, dafür lässt man Street-Dancer zu dem Medley der fünf untanzbaren Filmmusiken auf der Bühne herumturnen. Mit dieser lächerlichen Aufführung erreichen die Oscars ein noch unbekanntes Niveau.
Hätte HURT LOCKER nicht AVATAR so kräftig in den Arsch getreten, wäre es die traurigste Oscar-Nacht gewesen, die man in Los Angeles jemals gefeiert hat. Und es hätte weder an den Präsentatoren noch an den Gewinnern gelegen. Die Academy, und damit sind ihre über sechstausend abstimmungsberechtigten Mitglieder gemeint, war zumindest in der Lage, dem Pressecorps und der Welt zu demonstrieren, welchen Einfluss die versuchte Nestbeschmutzung wirklich hat.
Gut, der kurz vor den Wahlen aufgekommene Vorwurf, A SERIOUS MAN und AN EDUCATION wären antisemitisch, konnte sowieso keine Wirkung zeigen. Beide Filme waren verdient nominiert, aber in Kategorien, wo the Oscar goes to
schon vorher feststand. Doch Hand aufs Herz, beide Filme waren schon über ein halbes Jahr im Einsatz, haben Preise gewonnen und sind kurz vor den Oscars plötzlich antisemitisch? Ha, der war wirklich gut. Wer hat da eigentlich welchen Stunt ausprobiert? Hat am Ende vielleicht der unbekannte Gerüchtekoch mit der Unbestechlichkeit der Academy gerechnet?
HURT LOCKER war fast schon ein Jahr alt, als sich überraschenderweise während der Nominierungsphase der Soldat meldete, der behauptete, dass das Drehbuch aus seiner Lebensgeschichte geklaut war. Der erste Gerichtstermin? Einen Tag, nachdem Mark Boal die Trophäe für das beste Original-Drehbuch überreicht bekam. Diffamierung will eben gelernt sein. Naja, Nicolas Chartier war ja auch so blöd, sich als Produzent von HURT LOCKER beim E-Mail-Schreiben von der Academy erwischen zu lassen. Dafür wurde er ganz entschieden von der Show ausgeladen. Bloß weil Chartier einige befreundete Academy-Mitglieder gebeten hat, nicht für den teureren Film zu stimmen.
Ausgeladen wurde Chartier von Academy President Tom Sherak, den Oscar-Produzenten Bill Mechanic und Adam Shankman sowie dem Mitglied im Aufsichtsrat der Academy Jim Gianopulos. Dass alle vier noch immer oder dereinst ganz eng mit Fox zu tun hatten, die diesen teureren Film produzierten, ist reiner Zufall und hat nicht das Geringste mit der Ausladung zu tun. Es gehört zweifellos auch in die Kategorie der Schmutzkampagne.
Aber hat Nick Chartiers Post-Versand letztendlich doch dafür gesorgt, dass Kathryn Bigelow ihrem Ex-Mann mit 3 zu 6 Oscars davonzog? Oder war es Cameron selbst? Weil er unvorsichtigerweise in einem MTV-Interview sagte, er habe ja schon zwei. Nein, das hört sich nicht nach Edelmut an. Seine Flucht nach vorne ist ja dann auch ein Schritt zurück gewesen. Seine labsaligen Beteuerungen, Kathryn hätte den Regie-Oscar wesentlich mehr verdient, hatten Cameron trotz ihrer Gebetsmühlenartigkeit nicht sympathischer wirken lassen, nur gönnerhaft. Dass noch drei andere, und zudem gleichermaßen verdiente Anwärter für diese Kategorie zur Wahl standen, brachte keinen Frieden ins Haus.
Überhaupt, musste das ganze Theater so laufen? Es war nicht nur die langweiligste Show seit Jahren, es war zudem die frustrierendste Wahlschlacht überhaupt. Seit 67 Jahren werden erstmals wieder zehn Filme als Beste zur Nominierung zugelassen. Das hat viele Fragen aufgeworfen, aber auch gleichermaßen viel Zustimmung erhalten. Das Auszählverfahren ist wieder eine ganz andere Geschichte und soll thematisiert werden, wenn es jemand verstanden hat. Zehn großartige Filme, und dann konzentriert sich jede Nachricht, jede Preisverleihung und jede Nachricht zu den Preisverleihungen gerade mal auf zwei Filme. Das war nicht nur ungerecht, sondern auch absolut widersinnig.
BASTERDS und UP IN THE AIR standen bereit. Niemanden hätte es verwundern dürfen, wenn anstelle des unbestritten grandiosen HURT LOCKER Tom Hanks am Ende einen anderen Titel in den Saal geworfen hätte. Wäre das nicht noch grandioser als HURT LOCKER gewesen? Dieser überhastete Auftritt zum Besten Film war ohnehin sehr merkwürdig. Tom Hanks betritt die Bühne, reißt den Umschlag auf, Kathryn Bigelow war nach dem Regie-Oscar noch gar nicht richtig von der Bühne, und verkündet den besten Film des Jahres. Musste er verlorene Zeit einholen? Nicht einmal für einen lustigen Spruch hat es gereicht. Ach so, der einzige lustige Spruch ging ja an Steve Martin.
Man kann noch so weit zurücktreten, man kann die anderen noch so viel reden lassen und man kann noch so lange warten, was passiert. Nichts davon wird besser, und nichts erweitert die persönliche Erfahrung in eine andere Richtung. Man kommt nicht umhin, mit dem Strom zu schwimmen und das eigene Leid zu beklagen. Adam Shankman sagte in einem Interview nach der Show, dass er sehr zufrieden war. Ach, und womit? Ja, sie wollten etwas Neues probieren. Das hat man auch gemerkt.
The winner is
PRECIOUS. Das wäre was gewesen, da wäre sozusagen die Bombe geplatzt. Persönlich bin ich ein Freund von Lady Kathryn und insbesondere von HURT LOCKER, aber allein das Entsetzen im Saal hätte ich gerne gesehen. Diese aufgerissenen Münder, und keiner kapiert, was er gehört hat. Das hysterische Klatschen, aber keiner weiß, warum er klatscht. Nach 217 Minuten Gefangenschaft in der Ewigkeit hätte ich mir das gegönnt.
Kommentare
Liegt wohl vielleicht auch in der Art des Betrachtens. Du scheinst Dich auch mit den Hintergründen gut auszukennen - da hat man sicherlich einen anderen Blickwinkel, als jemand wie ich, den der Background nicht wirklich interessiert.
Ich empfand den Ablauf schon zügiger als sonst, normalweise schlafe ich auf Grund der Längen meist kurz ein, diesmal blieb ich sogar wach.
Was die nominierten Songs angeht - gut, da hat mir die gesungene Version schon irgendwie gefehlt, allerdings fand ich die Street-Tänzer ziemlich gut.
Was mich aber persönlich sehr störte war die neue Art das Memoriam abzuhalten.. ich finde einen Sänger vor die Leinwand zu setzen keine gute Idee, das lenkt nur vom Wesentlichen ab (zumindest die Menschen im Saal) - und auf dem Fernsehbildschirm hätte ich den auch nicht gebraucht.
Ansonsten war ich aber doch sehr positiv überrascht, mir hat's gefallen - besonders die Bühne fand ich optisch diesmal top.
Mit einigen trockenen Martinis empfand ich die Show auch als angenehmer...
Oh blue,
da gehen unsere Empfindungen in allen Bereichen ja komplett
in entgegengesetzte Richtungen. Der Knackpunkt bei mir war
eindeutig dieser programmierte Zweikampf, der schon im
Vorfeld so arrogant selbstverständlich ausgetragen wurde.
Gegenüber den anderen verdient nominierten, war das unfair.
Und das, obwohl HURT LOCKER von Anfang an mein Favorit
gewesen war. Und wo war der Witz? Gibt es denn keine guten
Gag-Schreiber mehr in Hollywood? Bruce Vilanch hat schon
seit Jahren ausgedient, und dann muss man sich wundern,
wenn solche platten Sprüche raus kommen. Wenn man Robert
Downey und Tina Fey gesehen hat, dann merkt man doch,
dass da noch wesentlich mehr drin gewesen wäre.
Keine Sorge, c.r.hays, die werden schon abgefüllt, aber bei
diesem Programm folgt ganz schnelle Ernüchterung.
Ja, klar.. sicher wäre da noch mehr gegangen, das will ich nicht leugnen, zufrieden war ich dennoch. Ich kann Deine Einwände allerdings schon nachvollziehen.