Deadly Class - Band 1
Deadly Class
Band 1: Die neuen Serienkiller
An der Schule ist er mit den üblichen Problemen Heranwachsender konfrontiert. Cliquen bilden sich und treten untereinander in Konkurrenz. Doch Marcus ist keineswegs das zunächst vermutete schwache Opfer und kann sich schnell unter den Mitschülern behaupten. Er und ein Mitschüler erhalten einen ersten Praxisauftrag, in dem sie einen Triebtäter töten sollen. Sie verlieren die Nerven und das Opfer entkommt. Schließlich ist es Marcus, der einen Obdachlosen tötet, um den Praxisauftrag annähernd zu erfüllen.
Der Ausbildungsleiter Meister Lin ist überhaupt nicht erfreut über die Eigenmächtigkeit seines neuen Schülers und sperrt ihn zur Strafe in eine Zelle. Eine Gruppe seiner Mitschüler befreit ihm aus seinem Gefängnis und nimmt ihn auf einen wilder Road Trip mit, an dessen Ende die Ermordung des Vaters eines der Mitschüler steht.
Ein verunstalteter Junge ist derweil auf der Suche nach Marcus. Die beiden waren einige Zeit zuvor gemeinsam in einem Waisenhaus untergebracht. Nun scheint der junge Mann noch eine Rechnung mit Marcus offen zu haben.
Rick Remender und Wes Craig erzählen eine wahnwitzige Geschichte, die in den USA Ende der 80er Jahre angesiedelt ist. Ronald Reagan ist Präsident der vereinigten Staaten und verpasst dem Land einen neoliberalen Neuanstrich, der das Land zu alter Stärke zurückführen soll. Die Kürzung staatlicher Ausgaben, vor allem im Gesundheitsbereich, zugunsten einer Stärkung des Militärs und der Wirtschaftskonzerne, hängen weite Teile der Bevölkerung von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Die Verarmung vieler Gesellschaftsschichten schreitet voran und das Ausmaß an Verbrechen und Gewalt in einigen Landesteilen nimmt erschreckende Formen an.
Autor Rick Remender wächst selbst als junger Punk in jener Zeit heran und ist mit der Gewalt auf den Straßen der Großstadt Phoenix konfrontiert. Der Comic trägt autobiografische Züge, in dem der Autor Erinnerungen seines Lebens in die Geschichte einbaut. Sein Protest und seine Kritik an den Auswirkungen der Politik Reagans sind deutlich zu spüren. Er belässt es nicht nur dabei, den Protagonisten Marcus gegen Vertreter des Systems anlaufen zu lassen. Der Tod der Eltern des Jungen wird durch eine psychisch kranke Frau verursacht, der eine Behandlung wegen der Kürzung der finanziellen Mittel versagt wird. Marcus landet in der Obdachlosigkeit von San Francisco und sein Hass auf das System steigert sich von Seite zu Seite. Am Ende des ersten Kapitels unterbreitet ihm Meister Lin das Angebot, sich in der Kings Akademie der tödlichen Künste zu einem Killer ausbilden zu lassen. Marcus schlägt ein und fasst den Plan, den Hauptverantwortlichen für seine prekäre Situation zur Verantwortung zu ziehen. Er will Ronald Reagan töten.
Zu Beginn fühlt sich die Geschichte wie ein wilder Mix aus Harry Potter und John Wick an. Marcus gelangt an die Akademie und lässt sich zum Killer ausbilden. Die anderen Schüler kämpfen mit den üblichen Problemen von Teenagern, so dass der Comic eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt. Wer jetzt vermutet, es mit einem seichten Teenie-Comic im Stile von Twilight zu tun haben, wird schnell eines Besseren belehrt. Die Sprache der Charaktere ist hart, brutal und häufig kurz und reduziert auf den Punkt gebracht. Beleidigungen und Bedrohungen sind an der Tagesordnung, so dass sich der Comic vornehmlich an ein erwachsenes Publikum richten dürfte. Zudem wird sich der zynische Charakter der Geschichte nur Lesern öffnen, die mit der Zeit der 80er Jahre und den Auswirkungen der Politik Reagans einigermaßen vertraut sind.
In einigen Rückblenden erhält der Leser einen Einblick in zurückliegende Ereignisse, die aber nicht vollständig aufgelöst sind und so Lust auf mehr machen. Marcus hat nach der Ermordung seiner Eltern einige Zeit im Waisenhaus verbracht. Dort muss es zu Vorfällen gekommen sein, die dem Leser jetzt noch nicht offenbart werden. In einer kurzen Sequenz sieht der Leser den Bettnachbarn von Marcus, dessen Gesicht dort noch nicht entstellt ist. In der laufenden Handlung ist das Gesicht des Jungen völlig entstellt und er nimmt die Verfolgung von Marcus auf. Offensichtlich hat er mit Marcus noch eine Rechnung zu begleichen.
In der deutschen Ausgabe sind die ersten sechs US-Hefte abgedruckt. Im ersten Kapitel begleitet der Leser Marcus auf seinem Weg von der Obdachlosigkeit bis in die Akademie. Langsame, atmosphärische Augenblicke wechseln sich ab mit rasanten, brutalen Sequenzen und lassen dem Leser wenig Zeit zum Verschnaufen. Auch in den ruhigeren Sequenzen verharrt der Leser gebannt in den Seiten, denn neben der spannenden Geschichte weiß der Autor auch durch eine interessante Charakterzeichnung zu überzeugen. Neben Marcus führt er nach und nach weitere Mitschüler der Akademie ein, die dem Leser in den folgenden Bänden wieder begegnen werden. Allen voran Meister Lin und Maria, in die sich Marcus ein klein wenig verliebt hat.
Marcus lernt ziemlich schnell, sich in der Akademie zu behaupten. Sein Ziel, die Ermordung Reagans, hat er klar vor Augen. Nach dem vermasselten Praxisauftrag will er nicht gänzlich ohne Ergebnis vor Meister Lin treten und ermordet einen Obdachlosen, den er aus seiner eigenen Zeit auf der Straße kennt. Rücksichtslos bringt er den alten Mann um, um nicht wegen einer nicht erfüllten Aufgabe seinen Platz in der Akademie zu verlieren. Er möchte nicht wieder in der Obdachlosigkeit zurückkehren, dessen hartes Leben ihm durch den ermordeten alten Mann noch einmal vor Augen geführt worden ist
Das exzellente Storytelling und die versierten Zeichnungen ergänzen sich einer überzeugenden Art und Weise. In den Dialogszenen füllt Remender die Sprechblasen mit viel Text und erzählt dem Leser seine Geschichte. Die Zeichnungen sind ruhig und verfallen an einigen Stellen in einen Noir-Charakter, der die atmosphärische Stimmung noch einmal intensiviert. In den rasanten Szenen kommt der Autor mit wenigen Worten aus und bringt die Sätze auf den Punkt. Craigs Zeichnungen werden wilder und die Panels vermischen sich und werden verspielter. Phasenweise ist der Leser an eine Manga-Ästhetik erinnert. Der Zeichner schafft es, die unterschiedlichen Stilmittel so zu kombinieren, dass die Story trotzdem wie aus einem Guss wirkt. Dazu trägt sicherlich auch die Kolorierung Lee Loughridges bei, der wie gewohnt mit klaren und kräftigen Farben arbeitet.
Das Setting und die Geschichte haben anscheinend Anthony und Joe Russo überzeugt. Comicfilmkenner kennen die beiden als Regisseure einiger Marvel-Verfilmungen, allem voran dem Blockbuster Avengers: Infinity War. Für den Sender SYFY adaptieren sie Deadly Class 2019 als TV-Serie, deren erste Staffel aus 10 Episoden besteht. Das Publikum konnte die Serie nicht überzeugen und so wurde sie nach nur einer Staffel wieder abgesetzt.
Februar 2019
2018
Rick Remender
Wes Craig
Lee Loughridge