Mehr als eine kleine Ferkelei - »Hautnah«
Mehr als eine kleine Ferkelei
»Hautnah«
Einiges war in der Zwischenzeit passiert, denn als der Liedermacher Wolf Biermann 1976 aus der DDR ausgewiesen wurde, gehörte Armin Mueller-Stahl zu einer Gruppe Kulturschaffender, die dagegen in einem offenen Brief protestierten. Wie nicht anders zu erwarten, blieben daraufhin die Rollenangebote aus, was letztendlich dazu führte, dass auch Mueller-Stahl in die BRD übersiedelte. Dort konnte er nahtlos an seine bisherige Karriere anknüpfen, übernahm Hauptrollen in wichtigen Filmen des Regiestars Rainer Werner Fassbinder und hatte schließlich ab den 1990er Jahren sogar Erfolg in Hollywood („Shine – Der Weg ins Licht“, „Akte X: Der Film“). Für die Hauptrolle des Abhörspezialisten Dold in „Hautnah“ schien er aufgrund seiner Vergangenheit geradezu prädestiniert zu sein. Der von Norbert Ehry geschriebene Fernsehfilm hat eine gewisse Ähnlichkeit zu Francis Ford Coppolas Abhör-Klassiker „Der Dialog“, bei dem Gene Hackman in der Hauptrolle auf ähnliche Weise in die Bredouille gerät wie Armin Mueller-Stahl hier.
Meilick (Wilfried Baasner) beauftragt Dold (Armin Mueller-Stahl) und dessen langjährigen Assistenten Charly (Wolf-Dietrich Berg) mit der Observierung eines gewissen Rodinski (Walter Tschernich), der im Rotlichtmilieu der Finanzmetropole Frankfurt am Main zu den großen Namen gehört. In unmittelbarer Nähe zu Rodinskis Geschäftszentrale richtet sich Dold eine Hightech-Überwachungsanlage ein, nachdem er gemeinsam mit Charly im Büro des schmierigen Geschäftsmannes etliche Kameras und Mikrofone installiert hat. Wer genau die Auftraggeber hinter Meilick sind und was sie durch die Observierung herauszufinden hoffen, bleibt selbst Dold lange Zeit verborgen. Mit Hilfe seines befreundeten Journalisten Schober (Horst Bollmann) beschafft er sich einige zusätzliche Informationen über Rodinski und dessen Geschäftspraktiken. Und bei abendlichen Besuchen in einem Spielsalon der Rotlicht-Größe macht er die Bekanntschaft mit der aparten Margot Fiala (Brigitte Karner), die sich gleichfalls zu Dold hingezogen fühlt. Als der Überwacher auf seinen Videos den Beweis für einen Mord in Händen hält, gerät auch sein Leben in Gefahr.
Peter Schulze-Rohr (1926-2007), einer der klassischen „Tatort“-Regisseure aus der goldenen Ära (u.a. beim allerersten Fall „Taxi nach Leipzig“ oder bei „Trimmel und der Tulpendieb“ oder „Die Neue“, dem ersten Fall mit Ulrike Folkerts als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal), hat auch diesen realitätsnah eingefangenen Fall äußerst spannend und effektvoll in Szene gesetzt. Norbert Ehrys („Tatort – Peggy hat Angst“) Drehbuch konzentriert sich voll und ganz auf den charismatischen, aber auch skrupellosen Privatdetektiv Dold, den Armin Mueller-Stahl mit seiner gewohnt kühl-überlegenen Art anzulegen versteht (lediglich in einer kurzen Szene tendiert er allzu sehr zum Overacting). So entstand ein kurzweiliger und auch durch die akribische Schilderung von Details fesselnder Kriminalfilm, der im Laufe der Jahre nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Die DVD-Erstveröffentlichung bietet leider ein nur mäßig gelungenes, weil insgesamt sehr grobkörniges Bild (im Vollbildformat 1,33:1). Der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) ist stets gut verständlich, Bonusmaterial ist nicht vorhanden.