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„Das Erwachen“ (Auszug aus Band 1 der Serie VAMPIRA von Adrian Doyle)

LeseprobeDas Erwachen
Auszug aus Band 1 der Serie VAMPIRA von Adrian Doyle

Sein Gesicht tauchte vor ihren Augen auf. Sein Mund klaffte wie eine schwärende Wunde. Fauliger Atem entströmte ihm, während seine Hände sie im Nacken packten und näher heranzuziehen versuchten.

Die blutroten Augen glommen nun so stark, als hätte sich ein Feuer in seinem Schädel entzündet. Unartikulierte Laute rannen über die Lippen, die sich wie die Lefzen eines Tieres zurückzogen. Eine unheimliche Metamorphose setzte ein. Das unattraktive Gesicht wurde zur wölfischen Grimasse, als die Kiefer sich verschoben und die Zähne zu wachsen begannen...

 

Erinnerungen drängten an die Oberfläche.

Sie erlebte ein machtvolles Déjà vu und schrie mit fremd klingender, maskulin gefärbter Stimme auf.

Von explodierender, animalischer Wut wurde sie meterweit durch die Luft geschleudert. Sie schlug dumpf auf den schlammigen Pfad, rollte ab und kam gedankenschnell wieder auf die Beine.

Heulen erfüllte die Luft.

Der Schatten des Angreifers wuchs neben ihr auf. Sie wusste plötzlich, dass das Blut auf den gebleckten Zähnen nicht von inneren Verletzungen stammte, sondern dass es ihr Blut war! Sie beide waren sich schon einmal begegnet! Sie beide hatten gegeneinander gekämpft, bevor...

Bevor was?

"Wer bist du?", fauchte sie. Die eigene Aggressivität erschreckte sie nur im ersten Moment, dann empfand sie sie als normal.

Die hässliche Fratze lachte. Zugleich trat ein gehetzter Zug in die Scharlachaugen. Als würde ihm etwas bewusst, das er die ganze Zeit übersehen hatte. Zähe Sekunden stierte der feiste Kerl an ihr vorbei. Durch sie hindurch. Dann schnellte er aus dem Stand nach oben, krallte sich in ihre Schultern und suchte mit seinen Zähnen nach ihrem Hals!

In Panik stemmte sie sich dagegen. Ihre Finger versanken in schwammigen Wangen. Sein Atem streifte sie wie ein Pesthauch. Das hungrige Fauchen klang jetzt entschlossener, und wieder schwindelte ihr vor der abgründigen Kraft, die diesem unansehnlichen Körper innewohnte.

Das Licht in den Augen des Unheimlichen schien zu explodieren. Die Muskeln spannten sich wie Stahlseile unter bleicher Haut. Fast spielerisch entledigte er sich ihrer Hände. Dann war der Weg frei. Nadelspitze Zähne trafen die bereits verkrustete Stelle, unter der ihre Halsschlagader pulsierte.

Ziehender Schmerz setzte ein.

Ich will nicht sterben! dachte sie. Dieses Monstrum...

Und eine Stimme aus der Tiefe wisperte: Wehr dich, Närrin!

Sie wusste nicht, wie.

WER BIN ICH?

Das Schmatzen brachte sie fast um den Verstand.

WEHRE DICH!

Sie sah vorbei an dem Mann, der ihr Gewalt in einer Form antat, die sie in immer tiefere Verwirrung stürzte.

Sie sah den Horizont. Die Sonne ging auf, als wollte sie dem Sterben einen würdigeren Rahmen verleihen. Goldene Strahlen tasteten nach dem ungleichen Paar, das in mörderischer Umarmung am Boden rang, geisterten über die Körper...

Und etwas noch Unfassbareres geschah!

Der Mann (Mann? Eher ein wildes Tier!) zuckte von ihr zurück. Sein Gesicht tauchte als düster verzerrte Grimasse im Schlagschatten der Sonne auf. Dann taumelte er um sich schlagend und schreiend von ihr fort. Wie jemand, der mit etwas Brennbarem übergegossen und angezündet worden war.

Seine Schreie hallten über den Friedhof, der im Morgenlicht lebende Schatten zu gebären schien. Die Haut des Kahlköpfigen schlug Blasen. Rauch stieg auf. Zunächst winzige Haarrisse weiteten sich zu Spalten und Klüften, hinter denen es wie sonnenheißes Magma kochte.

Die Frau richtete sich benommen vom Boden auf. Sie sah den Fliehenden gerade noch zusammenbrechen. Der Sturz löste Arme und Kopf vom Rumpf. Aus Hals und Stümpfen zuckten bläuliche Blitze, dann zerfiel der ganze Körper, bis nur noch ascheähnliche Flocken und die Kleidung übrig blieben. Und die Unversehrtheit des Anzugs belegte, dass keine tatsächliche Hitze gewirkt hatte.

Etwas Kaltes hatte diesen Mann verzehrt!

Schaudernd blickte die Frau zu der Stelle, wo der Anzug des Mannes lag. Erstaunlicherweise empfand sie kein Grauen. Sie fühlte sich eher wie nach der Bewältigung einer Prüfung.

Aber sie wusste immer noch nicht, wer sie – oder dieser unheimliche Angreifer – war! Sie wusste nicht einmal, wo sie sich aufhielt!

Die Ungewissheit zog sie zur Kleidung des Mannes, die sie fahrig durchwühlte. Sie fand einen Schlüsselbund und eine Brieftasche. Beim Aufklappen fiel ein vergilbter Zettel ins Gras, den sie aufhob. In kaum leserlicher Handschrift stand darauf: Lilith Eden, 333, Paddington Street.

Nicht die Adresse, der Name elektrisierte sie.

Für unbestimmbare Zeit vergaß sie alles um sich herum.

Lilith Eden...

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