»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Ja, wir tun es! (Toni – Der Hüttenwirt 231)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Ja, wir tun es!«
Toni – Der Hüttenwirt 231 von Friederike von Buchner
Ich tauche ab sofort hier und da mal in die Untiefen des richtigen Gefühlsromans für die hold-weibliche Zielgruppe ab. Oder was immer sich Romanverlage so unter typisch weiblicher Zielgruppe so vorstellen, mit Strickzeug hinterm Ofen, zwei Wellensittichen minimum (einmal „Hansi“ darf dabei sein) und der Lebensmaxime „Nach dem Kaffeekränzchen ist vor dem Kaffeekränzchen!“.
Die Herrschaften im gelesenen Roman verhalten sich entsprechend, gegen deren Vorgehen hab ich natürlich die wesentlich aufreibendere Entscheidung zu treffen gehabt, denn bei denen geht es nur um komplette Lebensumkrempelung, Partnerfindung, schnellstmögliche Hochzeit und die Schwierigkeiten im Reich der Berge nicht an Kalorien- und Koffeinüberdosis zugrunde zu gehen. Piece of Cake, wie Barbara Cartland durch ihre Dumplings nuscheln würde.
Gehen wir es also am besten ganz kurz politisch an, denn der Trend geht hier eindeutig parallel zum freundlichen Daheim-Nationalismus, der auch den Teutonen ganz sanft durch den Feinripp streift. Da besinnt man sich wieder auf Heimat, Familie, Herkunft, Haar- und Augenfarbe, inländischen Urlaubszielen, innerer Ruhe und der vertrauensvollen Umgebung eines migrantenschwachen Wohnviertels.
Das soll um Gottes Willen nicht heißen, hier ginge es stramm rechts nach vorn – hier geht es lediglich „Absatz kehrt und rückwärts Marsch!“, denn all die Hasen und Eichhörnchen schunkeln hier im „Zurück zur Natur“-Modus, die Großstadt verliert nach Punkt gegen das allseits sonnige „Heim ins Dorf!“ und Körper und Seele gesunden natürlich am besten an klaren Bergseen, frischer Almluft und Rösti mit Schnaps, sofern man, wie die Protagonisten natürlich problemlos, die nötige Kohle im Sackerl hat – was aber hier überhaupt keine Rolle spielt.
Toni treffen heißt, die Seele baumeln zu lassen, ganzheitlich zu gesunden und die große Liebe zu finden. Schließlich steht schon in der Untertitelzeile als Markenzeichen für Toni „…weiß um die Wunderkräfte der Natur“. Dazu gibt es Pfannengerichte für zwei im pumperlgsunden Söderland und halb erwarte ich Toni in einer Hexenhütte im Forst Liebestränke brauen zu sehen, während ich mir diese Luis-Trenker-meets-Rudolf-Prack-Idylle derweil mit einer Kurpackung Klosterfrau-Melissengeist schön saufe.
Was grellt uns noch entgegen vom Titelblatt mit seinem clerasilklaren Bilderbuchpärchen in funkelnagelneuer North-Face-Wanderausrüstung?
Unter dem Titel lesen wir: „Kerstin und Benno trauen sich was…“ und schon zittert mir der Wurmfortsatz, denn ich kann mir so gar nicht denken, was das wohl sein könnte, was die sich auf der Alm trauen könnten. Bungeejumping von der Zugspitze, Murmeltierkastration oder vielleicht die komplette „Heidi, Heida“-Filmserie auf Gigaleinwand am Großglockner aufführen (für alle Uneingeweihten: es handelt sich um eine Reihe von Alpen-Pornos)?
Auf jeden Fall wird es ein Rausch, denn ganz unten lacht mir noch ein „Gefühle kann man lesen“ des Kelter-Verlags entgegen. Bliebe nur die Frage, ob die Autorin sie auch niedertippen kann. Denn schon der Bundesjogi (oder war es der Klinsi-Jürgen) sprach ja weise: „Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann.“
Deswegen lasse ich mir jetzt einen Gamsbart auf den Steiß tätowieren und erkläre mich zum Himbeer-Toni oder Erdbeer-Jochen und mache mich auf die garantiert reißerische Reise zum Hüttenwirt, der den blockierten Großstädterten mal erklärt, wo bei Heidi die Fichten stehen…
»Ja, so sind wir Weiber«, grinste Marina, »Wir denken meist mehr daran, andere Menschen glücklich zu machen. Dabei geben wir viel von uns auf!«
Es geht los mit einem Prolog, der ein bisschen wie ein Grundschulwitz klingt: „Treffen sich Fritz Fellbacher und Graf Tassilo von Teufen-Thurmann am Teich…“ (Noch mehr Alliterationen würden Ihrer Gesundheit schaden.) Fritze ist der Bürgermeister und der Graf bringt die nötige Dosis schnuckeligen Landadel in den Plot. Vor allem bringt er aber einen Lodenjanker und einen Flachmann voll Obstler, denn Fritz schiebt ziemlich depri, weil die Verwaltung die Finanzierung seines Büchereibus (für die Kinder natürlich) abgelehnt hat. Deswegen sitzt er jetzt am Waldkogeler Weiher und atmet schön durch die Hose, weil sein bevorzugtes Opfer, der Pfarrer, gerade auf Wallfahrt ist (zum Glück nicht auf Kreuzzug).
Diese doch schon arge Job- und Karrierekrise könnte der gute Tassilo natürlich aus der Fürstenkasse beheben, doch der greift in die bewährte Kiste vom „verwehten Winde“, lässt die Kinderlein uninformiert ob der schlechten Nachricht und schleift Fritz zur Zenzi, weil die ja einen Schweinsbraten im Ofen hat. Würde also bitte mal jemand an die Kinder denken? Wer hat das gesagt? Ach ja, das war Scarlett O’Hara, die gerade in meinem Vorgarten Kartoffeln ausgraben will, den alten Hansi von den Nachbarn findet und ihre Rede an den Sonnenuntergang dann genauso auf morgen verschiebt, wie Fritz seine amtliche Auskunftspflicht an den Dorfnachwuchs.
Wird dieser reißerische Prolog jetzt die Basis eines monströsen Plots? Waldkogeler Intrigen? Können die Liebenden die Kinder vielleicht erretten?
Nö.
Dieser Prolog hat absolut nichts mit dem Restroman oder sonst was zu tun, sondern wird nach dem Abgang auf Seite 7 erst auf der sensationellen 63.Seite wieder kurz aufgegriffen, durchgekaut und weggeschmissen, was den Schluss zulässt, dass da ggf. mal wieder ein paar Seiten fehlten, die noch gefüllt werden mussten. Ich kann das ja gleich noch belegen…
Abblende. Aufblende. Berlin.
Dort sitzt Kerstin Buchmann im Abendglühen von Prenzelberg in der Informatikfirma ihres Daddys, weil sie seit seinem gesundheitlichen Teilverfall leider nicht nur die Funktion der „Chefprogrammiererin“ erfüllt, sondern auch noch Chef ist. Leider würde Kerstin lieber was ganz anderes machen (nein, nicht „irgendwas mit Medien“), nämlich was mit Mode, aber das kann sie Papa nicht antun. Also holt sie sich erstmal Zuspruch bei Rentnerpförtner Adam Blau, den sie freundschaftlich „Onkel Adi“ nennt (ECHT JETZT?)
Adi hat schon alles gesehen und sagt im besten Dialekt so tolle Sachen wie „Immer nur arbeiten, det ist nich jut“ und „Anno Tobak“ oder „uff Arbeit“. Weil das nicht Zuspruch genug ist, geht sie gleich in die Kneipe weiter. In die Kneipe ihrer Freundin Marina, die wegen der „vielen tollen Kommunikation“ (war die Autorin schon mal in einer Berliner Kneipe?) dort ihren Traumberuf gefunden hat.
Die kommt sofort mit Suppe und Schnappes geritten und hat viele gute Ratschläge parat, wie sie wohl nur Informatiker verstehen und darüber lachen können: Kerstins Festplatte sei wohl voll, man müsse auch mal zwischendurch löschen und ein Virencheck ist auch immer nötig. Dann erzählt Kerstin mal wieder, dass sie ja viel lieber was mit Mode machen würde (hatten wir das schon?) und dass sie Urlaub braucht. Marina leiht ihr sofort Jeep und Zuspruch und schickt sie nach Waldkogel, nicht ohne zu erwähnen, dass auch eine Berlina‘ Kneipenwirtin ihren Traummann finde kann, nämlich in Form eines Auslandskorrespondenten, der jetzt nur noch in der Hauptstadt arbeitet und damit ähnliche Arbeitszeiten hat. Ja ja, die Journaille, die sitzt gern die nächsten 30 Jahre in der Hauptstadtredaktion ab, die lässt sich nicht versetzen…
Nun zum männlichen Pendant mit dem schönen Namen Benno Bremer…der kommt gerade als Tagesplattester von der Modemesse in Milano herabgestiegen und verschiebt telefonisch den Elternbesuch bis nach seinem Kraftzapfen im Toni-Ländle. Das selig verbändelte Erzeugerpaar Egon und Doris macht sich natürlich ordnungsdeutsch Sorgen darum, dass der Benno immer noch kein Mädel gefreit hat, was einige sehr interessante Theorien zu Tage fördert (aus amerikanischen Frauenzeitschriften, mmmh…), nach der man als moderner Mann nicht selten drei Bindungen eingeht, die junge Bindung zum Hörnerabstoßen, dann die Zugewinn-Bindung, die ihn beruflich und sinnstiftend voran bringt (nix mit Liebe und so) und dann ist er endlich gouda-gleich gereift für die tiefe Liebe bis zum Ende aller Tage. Und der Benno – so beruhigen sich moderne Eltern jetzt selbst – der lässt die ersten beiden Ehen/Beziehungsphasen einfach aus. Nix mit beschädigte Ware, gesunkenen Ansprüchen, minimiertem Angebot ab 31 oder beziehungsunfähigen Therapiekandidaten, die es auch im fünften Sturm auf das Standesamt nicht hinkriegen würden. Der Benno, der kriegt gleich die Richtige.
Und so kommen sie dann im Ländle an, erst Benno auf der Südroute, der kurz vor dem Ziel gepflegt Käffchen trinkt, sich komplett für den Hüttenbesuch mit allem einkleidet, dann bei der Almhütte von Wenzel und Hilda auftaucht und dort den gebotenen Kaffee brüsk vom Tisch wischt, weil er den ja überall trinken kann. Also bekommt er frische Milch und es wundert, dass er so entschieden nicht gleich selbst melken geht.
Weil der Pöbel natürlich alles immer ganz genau wissen will, entspinnt sich sofort ein Gespräch um den Familienstand, der darin besteht, dass Frau von Buchner auf praktisch einer Seite gleich zehnmal das Wort „Madln“ unterbringen will, „fesch“ sollten sie natürlich auch sein.
Nachdem ich – fest und glücklich liiert – durch diese Welle an Madl-Talk inzwischen so wuschig geworden bin, dass ich fest glaube, in Bayern würden die heiratswilligen Bergschönheiten in Scharen rattig über die Wiesen taumeln, zieht Benno weiter und trifft endlich auf den Wirts-Toni, der sich sogleich zum Einkaufe verabschiedet, nachdem Benno für all die alten Bekannten erst mal reichlich Geschenke verteilt hat.
Alles weitere erledigt der alte Alois, der erst einmal Brotzeit auftischt und dazu mit extra süßem Milchkaffee um die Ecke kommt (bjach…). Den süffelt der Benno jetzt wieder weg, schließlich gibts danach noch einen Schnappes. Der ist wiederum so lecker, dass Benno gleich an die Kohle denkt, den der Bergstamm mit dem Bräu reißen könnte, was Alois enorm vergrätzt. Aber Benno zeigt sich als Großstadt-Zivilisations-Moraldegenerationsopfer einsichtig, da das Leben außerhalb der milden Bergwelt „Sprache und Denken verdirbt“. Da muss er noch dran arbeiten.
Natürlich kommt auch Alois auf die „Madln“ zu sprechen (haben die kein Netflix da oben?), doch das Schicksal ist gnädig, nach dem vierten M-Wort taumelt bereits ein sich restlos verausgabtes Kerstinkind den Bergpfad hinunter. Wenn man so wohlerzogen brav wie Benno ist, reicht man der holden Maid natürlich sofort den Huf, worauf natürlich sofort das große Knistern losgeht. Das könnte natürlich auch von der Toppits-Folie stammen, mit der ich mir gerade einen riesigen Aluhut bastele, damit die Seichtigkeit aus dem All…pardon…von der Alm mir nichts mehr anhaben kann.
Während die Herzen schon schneller schlagen, Kerstin einen Kräutertee kippt, um dann sogleich ebenfalls zur saccharinen Milchkaffeeplörre überzugehen, wird ausgiebig diskutiert, dass sich auch Kerstin – ahahahaha – völlig neu eingekleidet hat. (Kapiert? Parallelen! Bestimmung! Kapiert?) Während Benno das natürlich bewusst gemacht hat, wurde Kerstin alles aufgeschwatzt. Weiber, immer am Einkaufen…ts…
Wir sind jetzt auf Seite 26 und ich kriege langsam lange Zähne, denn jetzt geht es um Sicherheit in der Bergwelt, warum die Berge die menschliche Kraftquelle sind, um das Akkuaufladen generell, dass sie beide Karrieretypen sind…oh, ein Eichhörnchen…
(…nach einer halben Stunde im Garten …)
So..äh…ja..blablabla…wollen sich öfter beim Toni treffen. Fein.
Ich muss feststellen, dass meine Konzentration jetzt immer mehr nachlässt, je länger die feinsinnigen „Gespräche“ gehen; und weil sie immer länger gehen, muss ich das aufs Wichtigste einreduzieren…
Also Kerstin geht sich umziehen, woraufhin Alois von Benno verlangt, mal ordentlich anzubändeln, aber hurtig. Aber Frauen und Beziehungen, das bedeutet Verantwortung, Einschränkung und den Willen, das Richtige zu tun. Dafür ist Benno nicht bereit.
Derweil hat sich Kerstin auch noch MEHRERE komplett neue Dirndl andrehen lassen, in denen sie gar fesch ausschaut. Sofort hat Alois einen Tanzabend im Blick (jaja, ich weiß schon, der saubere Herr Hüttenfaktotum, Saubuam…) und lehrt sie das Geheimnis des Dirndlschleifencodes, je nach Familienstand. Und wenn es dann funkt, so wird dann noch aus der Vergangenheit berichtet, dann muss „alles seine Ordnung haben“, denn „Ein Heiratsantrag ist eine sehr romantische Sache!“.
Kaum sind Kerstin und ihr Dirndl also im Gastraum, da pfeifen schon die anderen Gäste anerkennend und Benno wird nicht nur von der Suppe heiß. Daraufhin schmeißt Alois die übrigen Gäste raus und Kerstin macht sich so ihre Gedanken, schließlich ist sie auch der Meinung, eine Bindung würde sie noch unfreier machen. Also noch nix mit Happy End.
Dann kommt Toni endlich vom Edeka zurück und sogleich diskutieren er und Alois und die Anna die Lebenssituation von Benno und Kerstin durch und entdecken gewisse Parallelen (Boooh…das war jetzt das dritte Mal in diesem Roman…haben jetzt alle kapiert, wo das Problem liegt? Ja? Genau, bei der Autorin!)
Dann wird erst mal gewandert, die volle erste Urlaubswoche lang, aber net geschnackselt. Das dauert so lange, dass alle Anderen schon nervös werden, es knistert doch lautstark, aber dann waren es doch nur die Rösti.
„Toni, stell ihm mal die Frage!“ – „Was ist unsichtbar und stinkt nach Hase?“ – „Nee, die Andere. Is schon Seite 41!“ – „Ach so, ja dann: Wann entlädt sich denn so euer Liebesgewitter?“
Bei so viel einfühlsamer Bergromantik und Ejakulationssymbolik geht Benno im Therapiegespräch natürlich sofort der Stift, außerdem sinkt ihm die Kerstin nicht schnell genug dahin. Da hilft nur Dschinghis Khan: laut Toni muss die Frau einfach erobert werden, da ist zu viel Staub in der Kapuze, da muss mal ordentlich durchgepustet werden.
Immerhin, er gibt es zu, verliebt ist er. Aber da ist noch die Sache mit der beruflichen Umorientierung, moderne Männer sind ja leider nicht multitaskingfähig. Aber Benno will nicht immer die gleiche Bitter-Schoki, er „sehnt sich nach Nougatschokolade und Schokolade mit süßer Füllung“. (Dabei ist die viel gesünder…)
Aber weil so etwas erst mal zerredet werden muss, klabastert unser Benno die ganze Misere seiner augenblicklich finanziell gesicherten Existenz NOCH EINMAL herunter, raus aus der Mode, rein in die Programmatik der Informatik. Ist ein Hochbegabter, der Kleine, sagt er selbst.
Also eilt Toni zur Rettung: „Ich glaube daran, es gibt ein Buch der Liebe, in dem alle Namen nebeneinander verzeichnet sind, wie die Paare zusammen gehören.“ Und dann klabastert er Kerstins Misere mit ihrer augenblicklich finanziell gesicherten (aber wie bei Benno offenbar stark untervögelten) Existenz NOCH EINMAL herunter.
Benno ist ein helles Köpfchen, er erkennt sofort die Parallelen im Leben, die Möglichkeit zur kompletten Partikelumkehr beim Kreuzen der Ströme entgeht ihm aber mal wieder. Gott, sind die beiden blockiert. Nach dem Leeren diverser Bierseidel erklärt sich Toni zum „Hochzeiter“ und schickt ihn in die Heia. Am nächsten Morgen nimmt er sich dann Kerstin vor, die folgerichtig an ihrem Kaffee fast verröchelt, als Toni von Bennos Liebesgeständnis berichtet. Alsbald stößt sie jedoch ins gleiche Horn. Anschließend klabastert jetzt auch SIE NOCH EINMAL ihr existenzielles Problem in allen Facetten runter (Seitenschinden, Seitenschinden…), dann Romantik, Schönheit, Schmetterlinge im Bauch, Raupen im Popo, das volle Programm.
Am nächsten Tag schickt er beide dann zum „Erkerchen“ (offenbar eine Art Aussichtspunkt), wo sie dann auch prompt den ganzen Tag rumhocken, lange und umständlich rumstottern und dringend einen Kommunikationscouch engagieren wollen, bis sich die Lippen endlich schmippen. Wurde auch Zeit, am Ende ist schon nach Sonnenuntergang. Nehmt Euch ein Zimmer!!!
Kaum in Liebe erlöst und wieder in den Gastraum gestolpert, fordert Toni jedoch im Geiste wilhelminischer Familienvorstellungen gleich noch mehr: „Aber ihr habt nicht über euer Leben geredet, über die Zukunft, Heirat, Ehe, Familie? Das gehört doch dazu...“
Aber der Toni macht das schon: er rekapituliert (jetzt vor den beiden) NOCH EINMAL beide Lebenssituationen und schlägt dann EINEN TAUSCH vor. Da fällt es den beiden wie Schuppen aus den Haaren, na logo, das isses. Benno chefprogrammiert künftig und Kerstin darf endlich bunte Kleiderentwürfe malen.
Das muss in einem modern-rückständigen Roman wie diesem sofort mit einem Erlaubnisanruf bei beiden Elternpaaren abgesichert werden, aber Sissi und Franz sei Dank, niemand hat was dagegen.
Kurz darauf schließlich sich auch der Prolog zum Epilog, als der grame Bürgermeister den Pfarrer trifft und der – bar jeder Finanzabsicherung – einfach seine eigene Waldkogeler Bücherei aufmachen will, notfalls einmal die Woche. So geht das. Die katholische Kirche hat schließlich reichlich Kohle auszugeben. Prima Sache, das.
Ach, geht noch weiter: vier Wochen später Standesamt in Berlin, 500 Gäste, dann kleine Kirchenhochzeit in Waldkogel, dann Glück in Ehe und Beruf, dann Zwillinge, dann noch zwei einzelne Kinder. Falls es noch Ehebruch und Totschlag gegeben haben sollte, steht nichts in diesem Buch, denn die Innenseite des Umschlags ziert noch ein gar deftiges Rösti-Rezept...Pfüat‘Di!
»Okay, ich gebe zu, dass Männer und Frauen verschieden gebaut sind. Das hat die Natur so vorgesehen. Männer haben nun mal mehr Muskelmasse.« (Evolutionstherorie nach von Buchner, Seite 412)
Orrrr, hab ich Schmerzen!
Neulich, bei der Journalistenplotte, hatte ich ja schon gedacht, der Nadir des Banalen sei nun endlich in dieser Fünf-Küchenrollen-Story erreicht, aber etwas so Hohles und Leeres wie diesen Roman hab ich jetzt auch nicht wirklich erwartet. Die Grundkonstellation ist tatsächlich wie in einem dieser Eigenproduktions-TV-Filme von Sat1, wo man schon beim Studium der TV-Zeitschrift das Ende vorhersagen kann, weil der Kniff so offensichtlich ist. Meistens tauchen dann noch irgendwelche halbgaren Hindernisse auf, aber hier ist alles sooooo Eitel Sonnenschein, dass Disney dagegen wie das Betriebsfest der Ringgeister ausschaut.
Das ist netto tatsächlich nichts anderes als „Junge trifft Mädchen und sie verlieben sich.“ mit einem extra fetten „Fertig!“ hinterher. Brutto übrigens auch.
Bis es soweit ist, zaudern und zuppeln sie jedoch nicht ungeschickt rum oder stoßen sich mal zurück oder scheinen sich ein wenig zu enttäuschen, nö, sie sind happy und reden nicht genug drüber. Und dann kommt der Himbeer-Toni, kotzt ihnen das Offensichtliche vor die Schuhe und redet irgendeinen ForstalmenBergöhiFrischluftguru-Scheiß zusammen, bis beide kapitualieren und endlich in der Almhüttenkammer rödeln, bis das Heu raucht – zumindest müsste sich da so einiges angestaut haben.
Gott, Frau von Buchner, bei ihrer schriftstellerischen Leistung habe ich mich so manches Mal an „Little Britain“ erinnert gefühlt, wo die faule, verfressene Romantikautorin gelangweilt und Pralinen mampfend ihren nächsten Bestseller diktiert, aber mit ihren Plots nur eine Dreiviertelseite voll bekommt.
Mindestens fünfmal wird die Karrierekrise hier detailliert durchgekaut – sollte man sich kurz vor dem Abgang ins Geriatrische heimlich freuen, dass man vor den tumben Figuren hier selbst mit Demenz einen Informationsvorsprung seit Seite 10 hat? Geht so Vergnügen am Bergroman?
Oder liegt der Hund eventuell in dieser Kurort-Atmosphäre begraben, die selig und süß aus allen Zeilen sickert, während die Figuren in der Gegend rumwandern, essen, trinken, noch mehr trinken und ihre Kraftquelle wieder auftanken? Was kann ich aus so einem Fetzen mitnehmen, außer der Nichtgewissheit, dass am Ende so wie hier GARANTIERT NICHT alles gut wird, weil das nicht mal künstlichen Realismus dieser Idylle noch wahrscheinlich wirkt?
Dass ich in den Bergen zwar übel picheln darf, aber nicht einem Mädel hinterher pfeifen, während der knorrige Hüttenchef gepflegt ins Mieder linsen darf?
In den Bergen wird alles wieder gut, das scheint die Maxime dieser Serie zu sein, wenn man denn erst einmal sein Herz fürs Hinterland entdeckt hat. Jede Woche stiefelt da ein armer Tropf oder mehrere mit einem nichtigen Problemchen zur Almhütte hoch, wo dann Forstwart Toni eine fröhliche Lebensberatung absondert, bis die Kühe kalben.
Prinzipiell habe ich nichts gegen gepflegt niveaulose Unterhaltung und es geht auch nichts bei Heftromanliteratur über das unvermeidliche HappyEnd, welches zum Glück nicht überall zum Standard erhoben wird, aber das hier geht substanziell so tief, dass es schon an Gehirneinschläferung grenzt. Yellow Press hat einen größeren Unterhaltungswert, da fehlt nur noch das Gewinnspielkreuzworträtsel, ein Kräuterhoroskop und eine Leserseite mit Lebenshilfetipps, das Rezept zum Sammeln ist ja tatsächlich in dieser Auflage schon integriert (wen es interessiert, es waren tatsächlich „Käserösti mit Pilzgeschnetzeltem“).
Das kümmerliche Bisschen, was an Waldkogeler Rahmenhandlung verblieben ist, dieser rudimentäre Schmonz rund um die Kinder, die doch weiter lesen können müssen, weil sie ja sonst auf E-Books oder – gottbewahre – Smartphones zurückgreifen müssten, sind ein funktionsloses Alibi, welches ich wahrhaftig nicht fortgesetzt sehen will, denn hier sind sowieso fast alle nur gut und rein und weiß wie Schnee. Daher halte ich vom Toni wohl lieber mal Abstand und taste mich demnächst mal an einen Fürstenkracher oder ähnliche Lebensbalancedramen, brauche aber zum Neutralisieren demnächst garantiert noch eine „Rote Laterne“ (und ja, die liegt schon bereit). Bis dahin verfrühstücke ich aber noch was Anderes – Hauptsache, ich sehne mich nach Beendigung nicht nach einer promiskuitiven mittelamerikanischen Seifenoper...
Kommentare
Wie alt mag die Autor/in sein? 70? Selbst ein Rentnerpförtner wie Onkel Adi müsste heutzutage Jahrgang 1950 sein, was so ein Verhalten eher unwahrscheinlich macht. Den letzten echten Pförtner dieser Art habe ich in einem Hans Bilian Heimatfilm gesehen, und der war von 1965 oder so.
Mach weiter so!
In dieser Woche Band 350:
"Und auf einmal wird es wahr ... - Wendy und Henk trauen sich endlich!"
Die Erfolgsserie von Friederike von Buchner ist auch als E-Book erhältlich.
Übrigens habe ich mit dem Protagonisten nichts zu tun
Aber lustiger Artikel ... Hochachtung.
über die Frauenromane lustig zu machen.
Wenn man aber als Außenstehender über Sinclair, Zamorra, ja, und auch MADDRAX nachdenkt, sind diese Texte eigentlich genau solch ein Schwachsinn. Nur eben auf eine andere Art,
Denkt mal über einen "Ghoul" nach, Blödsinn!
Gucky, Quatsch, Mattenwilly, lächerlich, usw.
Gerde die Leser von Romanheften beklagen das "Naserümpfen" von Konsumenten "richtiger" Literatur. Und rümpfen selber die Nase ...
Da gibt es einen Spruch: Ein Dicker freut sich, wenn er einen noch dickeren sieht
Seid einfach tolerant, wenn jemand andere Texte liebt.
Übrigens lese ich keine Mami-Romane. Auch nicht andere Texte in dieser Richtung.
Ich lese gerne Fantasy, SF, Thriller und historische Romane. Eben die gesamte Bandbreite der "Männer-Literatur"
Gleiche Themen sehe ich mir auf DVD/BR an. Obwohl ich mir hier auch mal eine Romanze gönne...
Es wird dich vielleicht ein klein wenig freuen, wenn ich mit hiermit unter anderem als eifriger "Gaslicht"-Leser oute und gestehe, dass da viel Material dabei ist, das weitaus spannender und anspruchsvoller ist als so manches Gruselzeug. Das aber parallel dazu auch noch gelesen wird, sowie Genreüberschneidungen, die manchmal ebenfalls recht interessant sein können.