»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Occu - die Stimme aus dem Jenseits Nr. 46: »Geheimnis des magischen Rubins«
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
Geheimnis des magischen Rubins
Occu - die Stimme aus dem Jenseits Nr. 46
Aber dennoch hab ich die Heftromane aus der phantastischen Ecke, auf die so oft herabgesehen wurde, begeistert umarmt, als sie mir endlich zugänglich wurden.
Also hab ich sie eine ziemliche lange Weile verschlungen, um damit die Langeweile zu bekämpfen.
Irgendwann war die Langeweile dann weg, die Ansprüche veränderten sich und die Romanhefte wurden wieder verkauft – wobei ein gewisser Teil aus behutsam aufgehoben wurde, ohne zu wissen wie und wann man sie noch einmal brauchen könnte.
Loslassen kann das Zeugs einen Liebhaber aber nicht ewig und so nach zweieinhalb Jahrzehnten (in denen man natürlich zwischendurch immer mal wieder die eine oder andere Serie verfolgt hat, aber eben nicht acht gleichzeitig) will man zwecks altersgerechter Selbstanalyse wissen, was da so dran war, an dem suchtgefährdenden Material und ob der Stoff heute noch wirkt.
Tatsächlich bin ich bei dem aktuellen Material leicht zynisch geworden: „John Sinclair“ ist inzwischen Fließbandware endloser Einzelromane geworden; „Zamorra“ kniet sich in ein unglaubliches Panoptikum des Phantastischen, doch es mangelt immer noch an einer ordnenden Hand mit einem großen Plan, „Perry“ funktioniert noch.
Was aber ist mit dem Material, dass die Jugendzeit so unwiderstehlich darauf einschwor?
Also jetzt ein neuer Ausflug in die Szene und mal das antesten was man kennt und das, was einem damals entgangen ist. Gut 35 Jahre nach ihrer Einstellung beginne ich einen Selbstversuch an "Occu", allesamt geschrieben von "Henry Ghost" (Pseudonym von Hademar Bankhofer, vereinzelt unterstützt von Thomas Mielke und Uwe Anton), veröffentlicht bei Zauberkreis zwischen 1976 und 1980.
Drei Romane hab ich mir testweise gegriffen, ohne spezielle Reihenfolge – vielleicht das Sicherste, wenn man sich einer Serie nähert, die damals lediglich alle vier Wochen erschienen ist (tatsächlich wird der Erscheinungsmodus überhaupt nicht angegeben).
Zum Inhalt:
Schwimmen gehen ist gefährlich, das merkt ein junges urlaubendes Pärchen namens Thania und Dashiell recht drastisch, als es an einem See so richtig baden geht. Thania findet nämlich während eines kleinen Tauchgangs einen goldenen Ring mit eingefasstem Rubin und gerät gleich in dessen (natürlich bösen) Bann und ersäuft ihren Galan kurzerhand. Anschließend läuft sie zur nächsten Kleinstadt-Polente, beichtet alles, ohne ihre Beteiligung zu erwähnen und kippt dann weg.
Weil Thania aber das Töchterlein eines gewissen James Raleigh ist und dieser ein alter Studienfreund von Joe Baxter ist, hat unser Held alsbald seinen ersten Auftritt. Der ist, wie der Waschzettel auf Seite 2 großformatig informiert, der Top-Mann beim „Parapsychologic Department der Interpol“ und agiert als ausführende Hand seines Chefs Dr. Leon Duvaleux. Die nötige weibliche Zusammenarbeit wird durch die Kolleginnen Olga Dussova und Viola Oggi erledigt; die Eine eine von Rasputin abstammend, die Andere von römischen Hexen.
Baxter macht dann gleich mal den Lackmustest an der traurigen Thania – auf rein medialer Ebene, denn Joe hat nie eine Waffe dabei (Menno! - Anm. des Autors) – und wird auf geistiger Ebene beinahe aus den Puschen gehauen. Offenbar steht eine monströse finstere Macht in Habachtstellung.
Natürlich wird sofort eine großformatige Überwachung eingeleitet, die auch dringend nötig ist, denn Thania plant eine interfamiliäre Racheaktion, an der die Sippen der Raleighs und der Grives' beteiligt sind. Ihr Plan: alle meucheln, aber das bitte relativ schnell und unauffällig.
Zu diesem Zweck mietet Thania in Rekordzeit eine Wohnung an, baut sie noch schneller in einen Wahrsager-Salon um und hat binnen kürzester Zeit einen soliden Kundenstamm an übergewichtigen älteren Frauen an der Hand. Beste Voraussetzungen also, um die agile Viola auf die Besessene anzusetzen, also nimmt sie an einer Séance teil, wo die Gute (bzw. die Böse) gleich mal ihre Kunstfertigkeit beweist, indem sie einen echten Draht ins Jenseits herstellt, wie die herbeigerufenen Geister der Toten beweisen. Parallel dazu attackiert sie die noch unerkannte Viola im Zwischenreich und verschafft sich via Anwesenheit vor den Teilnehmern ein Alibi, während sie eine mörderische Erscheinung auf ihren Vater hetzt, der im Gerichtssaal gerade seines Amtes waltet und jemanden verknacken muss.
Während das PDI mit vereinten Kräften alle diese Attacken abwehrt, wobei ihr Seelenheil unter Dauerfeuer steht, sucht ein junger Mann namens John Grives in dem fast zerfallenen Stammhaus seiner Ahnen nach Aufzeichnungen aus alter Zeit und findet das Meiste von Ratten zerfressen. Während er die wenigen intakten Bände der Familienchronik birgt, wird auch er aus dem Unsichtbaren angegriffen und bricht sich fast den Hals. Im Krankenhaus, so war es schon zu ahnen, findet er die entscheidende Passage und macht sich fortan auf die Suche nach eben diesem vor Jahrhunderten verlorenen Ring, der jetzt Thanias Finger ziert. Dabei stöbert er u.a. auch Dashiells Leiche in dem besagten See auf und gerät so an Joe Baxter persönlich
Von da an ist es nur noch Recherchearbeit, bis die Beteiligten auf die Backstory aus dem 18.Jahrhundert stoßen – die man sich dann per Kontakt mit dem Totenreich bestätigen läßt, formschön auf „Psycho-Disc“ aufgezeichnet, einem speziellen Aufzeichnungsgerät für das Jenseitige. Dabei geht es um einen strengen Richter und einen noch strengeren Ankläger der Krone, diverse rachsüchtige Verurteilte, einen Fluch und ein Wesen, das sich Zoroaster nennt und noch einen Twist für das Team bereit hält...
Eindrücke:
Ich verzichte jetzt mal auf eine noch detailliertere Nacherzählung bis zum halbwegs glücklichen Ende, falls sich Interessierte noch mit dem Roman beschäftigen möchten und ein wenig nach Überraschung lechzen.
Nachdem ich in letzter Zeit des öfteren über einige unsägliche Beiträge zum Heftromankanon gestolpert war, muss ich sagen, dass ich mit der Lektüre von „Occu“ einiges an Erleichterung verspürte. Zwar habe ich hier keinen Roman des Seriengründers und Hauptautors Hademar Bankhofer erwischt, sondern einen Gastroman von Uwe Anton, aber der vielbeschäftigte Autor liefert hier grundsolide Arbeit ab, die sich kompetent und actionreich weglesen läßt.
Wobei, wenn man von Action spricht, dann spielt die sich bei „Occu“ - und das macht natürlich den individuellen Reiz aus – hauptsächlich im Kopf ab, denn die Beteiligten sind zumeist damit beschäftigt, in Sekundenschnelle medial ihren Körper zu verlassen, ihre Seele ins Zwischen- bzw. Totenreich zu versetzen, jemanden geistig zu schützen oder zu attackieren und wieder zurück zu rutschen. Da spürt man den Reiz des Spiritismus für die Macher ganz deutlich, nur an der Visualisierung hapert es bisweilen doch etwas, die phantastischen „Anderswelten“ sind nur marginal gezeichnet, da passt es zum Heftromantenor schon besser, wenn Höllenhunde aus dem Nichts entstehen oder Würgehände vor Gericht zum Meucheln ansetzen. Generell hat man das in anderen Serien jedoch fantasievoller gestaltet.
Dennoch geht die Handlung recht flott von der Hand, vielleicht sogar etwas zu flott, denn Anton hat hier den Plot mit reichlich Haupt- und Nebenfiguren angereichert, wechselt ständig die Handlungsorte und sorgt so für reichlich Abwechslung. Das führt natürlich auch zu Kuriositäten wie dem in absoluter Rekordzeit aufgezogenen Salon der Wahrsagerin, der natürlich hauptsächliche tortensüchtige Frauen gesetzten Alters anzieht, aber irgendwie muss man die Dinge ja am Laufen halten.
Die Überfülle an Plot führt dann zu einem etwas übervollen Showdown, bei dem ich Anton hoch anrechne, dass er noch einen Twist eingebaut hat, der das alles auf eine noch höllischere Ebene stellt, nur leider hat mich die Zoroaster-Figur leider nicht so mitgerissen, wie sie vielleicht sollte, dafür kommt der Dreh zu spät im Roman.
Da spürt man dann doch ganz deutlich, dass hier kein aufeinander aufbauend erzählter Kosmos entwickelt wird, sondern ein Gastautor im Serientrend eine solide Auftragsarbeit erledigt wird, ein Problem, mit dem schon Jürgen Grasmück bei „Larry Brent“ haderte. Man bedient sich der Figur, packt ordentlich Holz auf das Feuer und hofft, es werde schon recht warm werden, ein Trend, der für eine Serie mit 12-13 Folgen pro Jahr fast zwingend vorgegeben war.
Kräftig schmunzeln kann man beim seitenlangen Waschzettel-Kasten, der die Beteiligten für Gelegenheitsleser funktionell zusammen fasst, wobei man den üblichen Fußangeln der 70er und 80er nicht ausweicht, sondern voll hinein latscht: Joe Baxter ist natürlich muskulös, hochgewachsen, blond und hat stahlblaue Augen; Olga muss als Kontrast schwarzhaarig und vollbusig daherkommen, während Viola selbstmurmelnd ein superblondes und gertenschlankes Medium ist – ich kann das James-Bond-ähnliche Plakat dazu fast mit geschlossenen Augen zeichnen. Rätsel darf man auch über die Herkunft des Chefs, der laut Klappentext Sohn einer Pariser Wahrsagerin ist, „entstanden aus deren transzendentalen Verbindung zu Nostradamus“ - eine Art der Fortpflanzung, über die unbedingt noch Bücher geschrieben werden sollten.
Erfreulich ist, dass derlei Reize dann nicht unbedingt ausschlaggebend für den beruflichen Erfolg der Agenten sind, sondern auf ihren übernatürlichen Geisteskräften beruhen.
Besonders herbe Fehler sind dabei relative Mangelware, wenn man von dem praktischen Rein und Raus aus den Kartoffeln (bzw. den Körpern) von Seele und Bewußtsein absieht; ein Vorschlag, der variabel zur Situation schnell, sehr schnell, superschnell oder mühsam vonstatten geht.
Der verstärkt auf geistiger Ebene geführte Kampf ist dann wohl auch der Grund, warum selbst Esoterikfans nach vier Jahren wohl nach handfesterer Kost verlangten, wobei „Occu“ als Nebenserie ja immerhin noch ein recht langes Leben genoß, anders als „Monstrula“ (2 Jahre) oder „Der Magier“ (etwas mehr als eins).
Alles in allem kein Knüller, aber solide und thematisch leicht variierende Romankost, die Esoterikinteressierte nicht abschreckt.
Jetzt muss ich nur noch an den Hauptautor ran...Fortsetzung folgt!
Die weiteren Artikel
Phantastisches
Nr. 402: Marconi 666
Nr. 429: Aus Sehnsucht nach Liebe
Nr. 692: Die einsame Schwester
Nr. 991: Brennende Augen
Nr. 457: Der Judaskuß
Nr. 16 Die Mördermumie
(siehe Western)
SF
Nr. 6 Die Todesmaterie
Krimi
08: Heuschrecken des Todes
Western
Nr. 29 Rote Rache
Nr. 64 Nordlicht-Geister
Kommentare
Die Aufmachung von OCCU fand ich gar nicht mal so schlecht (die Augen hatten was). Ich habe genau einen Roman (Nr.54). Ob die Dinger damals die Esoteriker ansprechenh sollten? Zumindest bei den Leuten an den Externsteinen habe keine Occu-Romane gesehen.. .
Ich denke schon, dass man esoterisch Interessierte Leser auf die Serie aufmerksam machen wollte, denn ab Band 21 gab es von Hademar Bankhofer eine Art LKS mit dem Titel Para, PSI und ASW - Das Occu-Magazin aus dem Zauberkreis-Verlag , die auf einer Doppelseite Themen aus dem Bereich der Grenzwissenschaften hatte.
Ich habe noch ein Bankhoferbuch über Okkultismus mit Widmung in meiner Sammlung und bestimmt seit 30 Jahren nicht mehr reingesehen. Das gab' s mal als Preis bei einem Grasmückwettbewerb wofür auch immer, ich weiß es nicht mehr, irgendeine Marlos-Sache vermutlich.
An die Occu-Romane habe ich nur noch eine verschwommene Erinnerung, obwohl ich die meisten gelesen habe. Ich meine noch zu wissen, dass der Held immer seine scharfen Assistentinnen angeschmachtet hat. Aber da hörte es dann auch auf. Zauberkreis-Helden waren enthaltsam. Abgesehen von Zamorra und Nicole, äh, Roy de Voss und seine Rani Aber das war ja auch später.
Gab es damals eigentlich nicht Flohmärkte? Da sind die Hefte außerdem noch billiger, als die furchtbaren Sammelbände.
Ich habe 90/91 mit dem Sammeln angefangen und konnte mit 20 DM 2 Beute voll mit Romanheften abschleppen...
Über die Occu-Magazinseite wollte ich auch noch was schreiben, das kommt dann in den dritten Bericht mit rein...
@Toni
Wird dich freuen, der dritte Occu-Testbericht wird tatsächlich Nr.54 - allerdings gibts den erst übernächste Woche dann (51 geht vor)!