»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Mit einer Katze durch dick und dünn (Tierarzt Dr. Clemens 1)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Mit einer Katze durch dick und dünn«
Tierarzt Dr. Clemens 1 von Cleo Birklund
Und Dr. Clemens lacht dem Leser aus einem kleinen Extrakreis entgegen, ohne Kittel, ohne Schlips, dafür mit so offen stehendem Hemdkragen, als wäre er gerade von einer sexuell notleidenden Kakadubesitzerin angegangen worden und wäre jetzt bereit für das postkoitale EKG. Super!
Aber ich bin ja sowohl Tier- als auch besonders Katzenfreund, insofern lasse ich mir diese erneute Nr. 1 einer Serie (ist wirklich reiner Zufall) natürlich gefallen, auch wenn das Stock-Foto auf dem Cover mit einer breitgesichtigen, pummelig gedrückten Moppelkatz jetzt nicht wirklich anspricht. Mach ich mich also trotzdem auf die Pfoten, auch wenn Kelter vermutlich bald eine Unterlassungsverfügung gegen mich in Auftrag gibt.
Doch anders als in der gediegenen Bergwelt, die auch anno 21.Jahrhundert noch im Heftroman dahin schwelgt, als hätte Romy Schneider niemals ihre Zielgruppe geändert, kann ich Cleo Birklund oder dem entsprechend dahinter verborgenen Autor in diesem Fall wenigstens bescheinigen, nicht allzu peinlich daher gehoppelt zu sein.
Das Tier, speziell das Haustier, ist auch hier nur der Katalysator der Geschichte zwecks etwas Herzeleid und Happy End und spielt marginal eine kleine Nebenrolle; hier soll es auch wieder lediglich menscheln, also kongenialer Liebesroman mit Fellüberzug. Tatsächlich geht es vielmehr ums Töpfern, eine Liebesaffäre wie vorprogrammiert und einen Zahnarzt, wobei alle eventuellen Ecken und Kanten dieser Geschichte wieder mal so rund geschmirgelt sind, dass es Probleme gibt, den Plot über die vollen 60 Seiten zu spannen, ohne dass er reißt.
Dabei hat der/die Autor/in freundlicherweise auf die unvermeidliche Traumhochzeit, bei der dann vermutlich die Katze erst Blumen gestreut hätte, um sich dann mit einer Portion Nassfutter im Taufbecken zu verlustieren, komplett verzichtet. Es wird sich geküsst und dann hat es sich auch, ihr Kinderlein kommet, obwohl...naja, das erzähle ich ja gleich noch (Tierfreunde können es sich denken).
Besteht denn Dr.Julian wenigstens die dezidierte Tierartprüfung textlicher Natur, wenn schon der Hauptplot auf den Schultern seines jüngeren Brüderleins Christian lastet? So weit ich feststellen konnte, erzählt er den Figuren wenigstens keinen Kokolores, bietet Tipps an, mit denen man auch arbeiten kann und macht Röntgenaufnahmen von poofenden Bernhardinern. In Folge 2 steht dann bestimmt ein Pferd auf dem Flur.
Bemerkenswert an diesem Roman ist mal wieder der Hang zu fröhlichen Alliterationen (gehen die bei älteren Lesern besser rein?) beim Personal: Christian Clemens, Katrin Kramer, Johanna Jacobs, Peter Parker, alle halbwegs sympathischen Figuren gönnen sich jeweils nur einen Anfangsbuchstaben bei Vor- und Nachnamen und lassen sich so bei der geistigen Verdauung leichter verarbeiten. Genauso blitzsauber altdeutsch handelt man offenbar alle Romane ab, ich würde mich mal bei Stadtgeschichten auch über Nebenfiguren aus anderen Kulturkreisen freuen, etwa den Dönermann aus dem Libanon, die farbige Tierarzthelferin oder den weißrussischen Taxifahrer. Oder würden solche realistischen und farbigen Einsprengsel Teile der Bevölkerung beunruhigen, weswegen man sie ihnen lieber verschweigt? Dann aber vielleicht demnächst mal etwas mehr Tier? Würden wir uns pudelwohl bei fühlen.
»Pflaster zu kleben lernt man in jeder medizinischen Fakultät...«
Es geht schon sehr tieraffin los, als Katrin Kramer, ihres Zeichens schwer gestresste Töpferin (gibt es diesen Beruf außerhalb der Lindenstraße eigentlich noch als Vollzeitjob?) mit einer zerstruppelten Katze im Kartoffelssack schwer angeschlagen bei Dr. Julian Clemens in die Praxis taumelt. Der vom Leben auf der Straße und dieser unwürdigen Behandlung schwer gestresste Stubentiger hat ordentlich die Krallen ausgefahren und deswegen hat Katrin die Behandlung auch nötiger als die Straßenkatze, nachdem sie das Tier mit Hechtsprung davor bewahrt hatte, von ihrer Geschäftspartnerin Annika mit dem Kleinlaster platt gemacht zu werden.
But have no fear – the dentist is here.
Namentlich Julians jüngerer Bruder Christian, der sich auf bohrende Fragen versteht und Katrin schon seit der Grundschule kennt. Der macht sich mit Jod und S11-Körnchen auch sofort an die Kramer-Versorgung, während mal etwas Schuldbewusstsein über die Arschgeigen ausgestreut wird, die sich ein Tier anschaffen, um es dann kurz darauf irgendwo auszusetzen. Thanks, Julian! Wo sind eigentlich Dick, Georgina, Anne und Timmy?
Doch wohin mit der Katze? Am besten zu Katrin, doch die hatte noch nie ein Tier, nur immer viel Ton. Also doch wieder in das stetig wachsende Tierasyl beim Onkel Doc (der hat einen Hof, naturally!), während Frau Kramer mal überlegen soll, ob sie nicht noch das Geld für eine Dose Witzkatz täglich übrig hat.
Katrin ist etwas überarbeitet, denn Annika ist seit Wochen nicht bei der Sache und dann auch noch kurzfristig in die Karibik abgereist. Und Göttergalan Roland, der Bürohirsch, ist auch nicht da, weil er in Mexiko weilt (Der Profi ahnt jetzt natürlich den Twist…).
Christian hat natürlich seit seinem ersten Scoutranzen einen heimlichen Crush für die knorke Katrin und ärgert sich tierisch darüber, dass sie immer noch mit dem doofen Roland rummacht, anstatt ihn um einen Teilzeitscheck für die Miete zu bitten. Christian bietet also monetäre Füllungen und permanenten Rat an und lädt die Holde gleich mal zu Speis und Trank für den Abend ein.
Julian – jetzt beim Bernhardinerröntgen – weiß natürlich um die Nöte seines Bruders, spornt ihn an und leiht ihm wider besseren Wissens seinen neuen Geländewagen.
And now the drama starts: zurück in der Werkstatt warten dort natürlich schon Annika und Roland auf Katrin, die sich angestrengt unauffällig auffällig verhalten. Das sorgt für Magengrimmen, denn wie schon befürchtet, waren die beiden gemeinsam in Mexiko und schnubbeln jetzt munter untereinander. Die Trennung wird vom Gefühlromantiker Roland mit einer Barschheit abgewickelt, die sonst nur Investmentbankern zu eigen ist, ergänzt durch Annikas logische Unfähigkeit zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung cum Freundschaft. Da darf man schon mal zusammen brechen und sich ausheulen, wenn man Katrin heißt.
Über so etwas vergisst man natürlich den im Restaurant wartenden Christian, der aber irgendwann schaltet, dass etwas nicht stimmt und zur Werkstatt juckelt. Dabei sieht er Annika und Roland umschlungen auf der Straße und ballert dem nächsten Wagen hinten rein (what a punchline!). Katrin ist natürlich noch nicht aufnahmefähig, auch nicht für Christians semi-geplanten Heiratsantrag.
Allerdings hat er tags drauf es so im Gefühl, dass er und Katrin ein gutes Team wären, was Julian auch unterschreiben würde, hätte Christian a) nicht so ein mieses Timing und wäre er selbst b) nicht so mit einer perversen Bolognesemischung beschäftigt, die sogar seine Kinder sofort dem nächsten Nutellaglas zutreibt.
Die Lösung ist natürlich die Trostkatze, die Katrin ablenken soll, unter dem Vorwand, dass es auf dem Hof gerade so voll ist.
Derweil vermisst Johanna Jacobs bei einer gleichnamigen Tasse krönenden Kaffees ihre Muschi, die seit ihrem Klinikaufenthalt seltsamerweise entschwunden ist. Johanna hatte sich mit einem Schlaganfall darnieder gelegt, sich aber inzwischen fast komplett wieder erholt.
Dumm für ihre Bratzentochter Nicole, die natürlich NICHT (wie berichtet) versehentlich die Haustür dem Haustier offen gelassen hatte, sondern die arme Miez mit Absicht irgendwo im finsteren Tann am Titisee ausgesetzt hatte, weil die „Olle“ ja vermutlich sowieso schon im Geschirrkasten wühlt. Doch weit gefehlt, der zähe Drachen ist wieder daheim. Und nu soll Lilly wieder her.
Derweil geht Katrin ihre weitere Karriere pragmatisch bis verzweifelt an, gibt von heute auf morgen ihre Wohnung aus Kostengründen auf (wo gibt es eigentlich tageswirksame Wohnungskündigungen?) und zieht in ihre Werkstatt, wo sie sich künftig zu Tode arbeiten möchte. Für die Katze mag sie sich nicht interessieren, genauso wenig wie für Christians monetäre Hilfsangebote.
Und weil er deswegen tierisch angespannt ist (miau!), knutscht er sie kurz und lässt durchblicken, dass er ja schon so locker zwanzig Jahre stumm auf sie warten würde. Das kann nicht gut gehen und tut es auch nicht. Katrin plädiert auf Freundschaft, brüskiert damit Christian, dann geht es um emotionale Erpressung und das war es erst mal.
Kälte, Erkältung und emotionale Nöte erwärmen Katrin in der Folge natürlich doch noch für erst die Katz und dann für Christian, bis sie beim Einkaufen in einer besonders peinlichen Situation (Morsche Einkaufstasche, Miese Competition!) wieder auf Exfreund und Exfreundin trifft. Die sind auch weiterhin so von menschlicher Wärme erfüllt, dass nur ein Bewurf mit Napalm noch glühender sein könnte und werden von Katrin stehen gelassen. Und weil Christian, der Sack, gerade jetzt nicht da ist, knuddelt sie dann doch mal die schnurrende Katze.
Christian hat derweil die Suchanzeigen für Lilly gefunden und wird langsam rationaler: besser Freundschaft als gar keinen Kontakt! Bei einem Besuch ist Katrin so fertig, dass sie ihn bittet, sie mitzunehmen. Und die Katze gleich mit.
Christian schafft sie erst mal ins Bett und stattet dann Frau Jacobs einen netten Besuch ab, klärt sie über die Umstände auf und leiert ihr noch ein paar Wochen ohne Lilly ab, damit er eine arme Frau so emotional besser stabilisieren kann. Johanna ist einverstanden und die fiese Nicole sieht sich halb schon als Zahnarztgattin.
Daheim passiert dann das, was in allen TV-Filmen und Heimatschmonzetten immer passiert: Christian fällt ein, dass sein Bruder noch eine (besser isolierte und billigere) Scheune zum Töpfern auf dem Hof hat; sie ist interessiert; er äußert öffentlich, sich emotional unter Kontrolle zu haben, just als sie realisiert sich in ihn wie in ein paar seit zwanzig Jahren ausgelatschte Hausschuhe verguckt zu haben. Daraufhin erklärt sie, dass sie nicht wirklich steuern kann, was sie gerade immer so tut und nach einigem Hin und Her landen sie in der Kiste. (PS: die Katze ist dicker geworden!!!)
Jetzt wäre nur noch (k)ein Hindernis: die Wahrheit über die Besitzerin der Katze. Das Problem macht Christian nachdenklich und Katrin denkt schon wieder, er hätte Zweifel an der keimenden Beziehung.
Heran zieht der große Töpfermarkt und Katrin zieht in die Verkaufsschlacht, wo sie Annika begegnet, die...trara...von Roland verlassen wurde. Unverständlicherweise ist Katrin aber unversöhnlich und nimmt sie nicht wieder als beste Freundin auf. So geht das!
Christian will am besten Frau Jacobs an Katrins Stand seine Holde über den anderen Stand (der Dinge) informieren, doch Nicole platzt in die sorgfältig geplante Begegnung und wirft sich ihm höchst ungeschickt an den Hals. Daraufhin werden zwei Frauen brastig: Johanna (auf ihre Tochter, die sie durchschaut hat) und Katrin (auf Christian, der das mit den psychischen Problemen bei Katzverlust wohl fehlformuliert hat).
Auf der Heimfahrt wird dieses Pröblemchen dann diskutiert, gleich mit Christians weiterem nagenden Problem, nämlich dass sich Katrin noch nicht über ihre Gefühle geäußert hat (Er will ein „I love you“ hören.)
Es kommt wie es kommen muss: sie gehen die Katze holen, die natürlich schwanger war und just an diesem Tag einen Wurf Kätzchen in den Wäschekorb gesetzt hat. Johanna kriegt Lilly wieder, Christian behält mit Katrin ein Kätzchen und dann ist plötzlich große neue Werkstatteröffnung. Dann sagt sie ihm endlich die berühmten drei Worte und sie fliegen nach Griechenland (da gibt es reichlich Katzen!). Happy End!
»Sag das noch mal!« - »Ich muss unbedingt ein bißchen mit dir allein sein!«
Ja, ich muss jetzt auch ein bisschen allein sein.
Weil das alles so schön ist. So phantastisch. So phantastisch banal.
Solche Geschichten schreibt das Leben sonst einfach nicht, so komplett, nicht komplex, aber doch so rund und abgeschlossen.
Das geht nur im Heftroman, wo man sich noch das letzte Bissl an heiler Welt bewahrt hat und man doch für um den zweiten Roman bangt, weil Christian ja nächste Woche nicht noch mal den Fall der Woche heiraten kann.
Aber vielleicht ja sein Bruder, der hier eigentlich nur im Hintergrund dreimal durchs Bild läuft (die Serie könnte auch „Zahnarzt Dr. Clemens“ heißen, obwohl nichts Dentales behandelt, geschweige denn auch nur vom Belag befreit wird), der nämlich auch schon seit Jahren geschieden ist und für den unkundigen Leser nebenbei auch noch zwei adrette Kinder mit dem Pizza-Service beglückt und sich um viele Tiere kümmert, wenn er alle Vierteljahre denn mal nach Hause kommt.
Ich weiß nicht, auf wie viele Romane die Serie angelegt war (ich befürchte sogar, ich lese hier eine von zwei Auflagen dieses felinen Krachers, denn ich habe zwei Titelbilder gefunden und das Fehlen jeglicher Werbung im Innenumschlag samt des Ausbleibens auch nur eines winzigsten Hinweises auf ein Nachfolgeheft deutet auf eine Zweitverhobelung der Saga), die wohl unter dem Radar so einiger Menschenarztserien angelegt war, ich hab nur Belege bis Band 20 gefunden, aber anders als in Männergenreserien stehen diese unglaublich einfallsreichen Abenteuer ja auch nicht unter schützens- und sammelnswerten Naturschutz, sondern stellen akute Wegwerfware dar, die man sekundenschnell zu Dreiersammelbänden zweckverwurstet.
Wie der Hase läuft und die Katze kauert habe ich natürlich verstanden: egal welche Berufsbezeichnung der titelgebende Serienheld mit sich schleppt, ob nun Gehirnchirurg oder Proktologe, eigentlich geht es immer nur um Orte, an dem sich Menschen begegnen: Fürst und Gräfin, Witwe und Patient, Wanderbraut und Hinterwäldler. Anderes Kostüm, neue Rückprojektion – und schon haben wir die neue Saga von dem Bio-Metzger, bei dem sich zwischen Öko-Fleischsalat und nicht-veganem Heidefrühstück Romeo und Julia beinahe mit vergifteten Wurstbroten umbringen, bevor die Schwarte kracht und der Blick sich klärt.
Dennoch: etwas mehr Tier hätte schon sein dürfen, wobei man dann wieder Gefahr gelaufen wäre, dass man das edle Wesen zu sehr vermenschlicht hätte oder ihm Fähigkeiten angedichtet würden, mit denen sonst nur Lassie Flipper aus dem Brunnen befreien kann. Das einzig Wahre hier ist und bleibt die Liebe und das ist wieder sehr schön. Sehr einfach, aber sehr schön. Und darum kann ich dieser etwas flachen und nicht sehr aufregenden, aber auch nicht endlos gezogenen Lovestory auch nicht wirklich böse sein, denn die Beziehungsuntiefen hat Frau Birklund (wenn sie denn eine ist) wirklich recht realistisch getroffen und die heilende Wirkung von Tieren soll man nicht unterschätzen, dass wusste schon der Förster vom Silberwald, als er Wildbratwurst auf den Grill schmiss und zum Essen rief.
Mit diesem flauschigen, wenn auch leicht redundanten Beitrag zum Heftromankanon will ich dann auch einfach nur den Weg bereiten für richtige Ärzte und die High Society, die ich dann auch noch „fürstlich“ besprechen will. Aber bis dahin gilt: die Kater muss jetzt in seinen Korb!...