»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Verschmäht (Hedwig Courths-Mahler 50)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Verschmäht«
Hedwig Courths-Mahler 50 von naja, eben von Hedwig
HCM, das ist und war immer „alt“, das war immer „verkitscht“, das schlug schon immer Sissi und Franz und das war das, von meine Mutter erzählte, dass meine Oma das schon schrecklich fand, wenn deren Bekannte und Freundinnen das lasen.
Dieser Ruf wie Donnerhall, der verklingt so langsam, denn wenn es auch für fast alles auf diesem Planeten eine zweite Zeit oder ein Revival gibt, so ist die Zeit dieser großen Dame wohl endgültig abgelaufen – und zwar ab dem Tag, an dem es keinen Heftromanverlag mehr gibt, der die Chose in flotten Fünfjahresabständen in immer neue Form gießt und gemeinsam mit den Elaboraten ihrer gebürtigen Tochter Friede Birkner erneut auf den Markt schmeißt.
Unterscheiden kann man die Serien nur anhand der geschwungenen Buchstaben im Titel, der Modernität der Titelbilder (Frisuren!) und dem farbigen Rahmen, der seit 1946 vermutlich in allen Schattierungen von Rosa gehalten worden ist.
Okay, nicht jeder hat ne Oma, die HCM verschmäht oder eine Ur-Oma, die HCM geliebt hatte, also kläre ich das jetzt nochmals auf:
Hedwig Courths-Mahler, ein uneheliches Kind, geboren 1867, bietet eine ungemein frühe Erfolgsstory einer Frau, die sich mit dem Verfassen von über 200 Schicksalsromanen, also rührseligen Love Stories ein beachtliches Vermögen und eine unglaubliche Popularität erschuf, von der sie bis zu ihrem Tod 1950 außerordentlich gut leben konnte.
Dabei war sie schon zu Lebzeiten außerordentlicher Kritik ausgesetzt, denn die Geschichten galten selbst in ihren besten Zeiten als flach, für simple Gemüter verfasst und von einem sehr altertümlichen Rollenverständnis innerhalb der Verbindung von Mann und Frau durchdrungen.
Das kriegt ihr dann nachher auch noch zu lesen, denn in diesem „Verhältnis“ sieht die Frau gern zum Mann auf und ist von seinem Willen und Gutheißen meist abhängig – das ist hier deutlich vor und jenseits von Frauenbewegung und Suffragetten angesiedelt.
Das ist jetzt nicht wirklich unerträglich – das lasse ich aber jede Frau lieber selbst entscheiden – aber so veraltet, dass man kaum glauben kann, das das Gesamtoeuvre dieser Frau praktisch seit Anbeginn der Zeiten (also jenseits von Onkel Adi) in einer Art Endlosschleife zirkuliert und dass sich in jeder Generation genügend sehnsuchtsvoll in bessere Zeiten rückschauendes Publikum findet, um die „Königin der Liebesromane“ (Untertitel der Hefte) auf eine neue Runde durch das deutsche Vaterland zu schicken.
Ja, der Deutsche sieht gern zurück, gibt sich nostalgisch und sehnt sich nach vergangenen Zeiten, aber bitte, liebe Deutsche, das spielen wir jetzt 25 Jahre mit den sogenannten 80ern, Erstrebenswertes aus der wilhelminischen Ära war bisher noch nicht gefragt. Aber ich schau gern noch mal im Parteiprogramm populärer Volksparteien nach, vielleicht wollen die ja in Wirklichkeit lieber nen Kaiser als nen...lassen wir das…
Okay, was haben wir hier?
Schmachtfetzen. Ist klar.
Aber was für einen.
Streng genommen hat sich Frau HCM hier nämlich nur ein gesellschaftliches Undings (also damals) vorgenommen und es kackendreist in ein Cinderella-Schema der Grimm Brothers eingefasst, vorzugsweise mit viel Marzipan und Zuckerguss.
Natürlich gehört das Aschenputtel-Motiv auch heute noch zu den beliebtesten Grundkonstellationen für das „story writing“ (siehe auch: deutsche Fernsehfilme, amerikanische Kinofilme), aber bisweilen hat sie es sich ein wenig zu einfach gemacht.
Unser Beitrag mit der stabilen Nummero 50 ist übrigens 1920 verfasst worden und greift damit nicht zurück in die „gute alte Zeit“, sondern spielt – zumindest in Hälfte 2 – tatsächlich „zeitgleich aktuell“…
»Eine richtige kleine Gletscherjungfrau bis Du im Verkehr mit den anderen. War das aber nicht nur Koketterie?« (So ne Sauerei…))
Wir schreiben das Jahr 1913, auch wenn man das zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, aber das hilft bei der generellen Einordnung.
In Kairo sind die Nächte lang, da vergnügen sich gerade die Reichen und die Schönen auf der Neverending-Urlaubs-Tournee, speziell die achtzehnjährige und äußerst anmutige Rosemarie von Salten, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, dass sie von den beiden Attributen nur das Letztere ist.
Augenblicklich ist sie aber happy, denn sie scheint in dem stürmischen Fred Rittner einen geeigneten Verehrer gefunden zu haben, der sie wirklich liebt. („Rosemarie – süße Rosemarie, weshalb sind Sie vor mir geflohen?“).
Zwar hat sie in seinem wesentlich ernsteren Brother Magnus den besseren Ehegatten erkannt, doch der zog sich zunehmend zurück, je mehr Umgang Rosemarie mit dem Bruderpaar hatte. Da fokussiert man als Semi-Teenagerin natürlich auf die lebenslustigere Komponente. (Sie ließ es nun willig geschehen, dass Fred sie küsste, ja, sie küsste ihn wieder und schmiegte sich wohlig in seine Arme.)
Natürlich hat Rosemarie Bedenken, denn außer Mutters kostbarem Schmuck ist da nicht so viel altes Geld im Spiel. („Ist es sehr schlimm, dass ich arm bin?“) Doch Fred, Mitinhaber einer chemischen Fabrik zum Zwecke der Farbenherstellung, sieht da kein Problem: „Keine Angst, kleines Mädchen, ich habe genug für uns beide!“
Da seufzt die Heldin selig: „Dann ist es gut, Fred. Was braucht man auch Geld zum Glücklichsein!“, worauf er sie wieder einmal bis zur Besinnungslosigkeit küsst und wenn irgendwo eine Schicksalsglocke rumsteht, dann hätte man sie jetzt wohl läuten sollen.
Doch Rosemarie hat schon etwas gegen Freds „Verliebtsein“, „Lieben“ soll er sie, der flatterhafte Vogel, doch er erklärt sie für „so hold und schön, dass es kein Schwanken für mich gab“ - also kann die Verlobung jetzt auf Sendung gehen.
Tatsächlich trifft die neuerliche Verbindung nicht nur auf Jubelschreie, speziell bei Bruder Jakob...pardon...Magnus, der nämlich insgeheim so sehr für Rosemarie entflammt ist, dass ihm schon die Hose glüht. Leider war er etwas schwerfällig mit der Entscheidungsfindung und war dann höflich hinter sein jüngeres Brüderchen zurückgetreten. Nun hat er das Nachsehen.
Da naht schon das liebe Mütterlein Maria von Salten und hat eine gar peinliche Lage zu melden, denn das Bare ist alle und die Nachzahlung lässt auf sich warten. Ob er ihr mit ein paar größeren Scheinen die Getränkerechnung überbrücken könnte. Magnus, ganz deutscher Ehrenmann sieht angesichts der prächtigen Stein um den Hals der reifen Dame kein Problem darin, die Brieftasche zu öffnen und spendiert fünf Große, schließlich bleibt es ja – bald – wohl in der Familie.
Kaum hat sich die Bittstellerin jedoch mit den Lappen (und Kopfschmerzen) zurückgezogen, als auch schon der lustige Adelskumpel Herr von Schlieben sich heranwanzt und lippensynchron nacherzählt, was seiner Meinung gerade mit der Barschaft seiner Lordschaft geschehen ist. Frau von Salten zieht die Nummer nämlich quer durch alle Urlaubsorte ab, sobald ein solventer Galan durch die Hallen wandelt und staubt dabei hier zwei und dort drei Riesen ab.
Von Schlieben weiß, dass die Dame ihre Tochter reich verheiraten möchte und hat auch noch eine weitere thermonukleare Info in der Tasche: der ach so erlesene Halsschmuck von Muttern ist eine gut gemachte Fälschung, wie einer der Angepumpten feststellte, als er tatsächlich ein Pfand für seine Barschaft verlangte.
Magnus geht natürlich sofort die Familienehre auf Grundeis und reitet heim zum Brüderchen, den er schockiert über die Abenteurerin-Existenz der von Saltens aufklärt. Fred ist zwar nicht gewillt, die holde Rosemarie in das Komplott einzurechnen, aber über eins sind sich die Brothers klar: Bruder vor Luder und „In unser Haus gehören reinliche Verhältnisse“!
Nachdem Fred die Zeugen auch gehört hatte („Seiner Liebe zu Rosemarie hatte sich bereits eine kräftige Portion Entrüstung beigemischt.“), entschließt er sich, die Verlobung zu lösen. Nicht per SMS, aber per Brief, indem er etwas von einer Nichteinwilligung seines Bruders lamentiert.
Tatsächlich ist es genau so und doch ganz anders. Mutter von Salten will ihre Göre wirklich reich verheiraten, vor allem, weil sie ein Herzleiden hat und gar nicht so gern reichen Herren den Zaster aus dem Geldclip leiert. Sie führt auch brav Buch über ihre Einnahmen und vertraut ihre Situationsnöte einem täglichen Tagebuch an. Kaltschnäutzig ist sie natürlich nicht, blanke Not hat sie zu diesem Leben getrieben (Hungertod und so…).Vor allem weiß sie, dass von Schlieben weiß, was sie weiß und fürchtet genau das, was anderswo gerade passiert. Doch noch ist alles heiter angesichts der ultrafrischen Verlobung.
Am nächsten Morgen kommt jedoch das Absagebriefchen und Muttern ist sofort klar, dass da jemand geplaudert haben muss. (Aber das Lächeln erstarb mit der Glut auf Rosemaries Wangen, während sie las…). Das geht natürlich auf die Pumpe, Rosemarie ist am Boden zerstört und Maria sieht nun nur noch die Lösung, ob nicht ein anderer Verehrer, der wesentlich ältere Herr von Heinzius, bereits mit einem Korb bedacht, die letzte Rettung wäre, bevor die Wahrheit durch die komplette deutsche Oberschicht durch wäre.
Rosemarie ist nicht begeistert, doch man reist dennoch von Kairo aus in Richtung Nizza, muss aber in Genua von Bord, weil das Herz einer Mutter nun gar nicht mehr will. Nach allerlei nächtlicher Quälerei bleibt bei Maria mitten in Bella Italia das Uhrwerk stehen.
Nun steht die holde, aber recht naive Rosemarie allein in der Welt, zahlt die Beerdigung und lässt sich von der Zimmerwirtin für ein neues Bett und Tapeten ausnehmen. Mit wenig Barem im Täschchen sieht Rosy jetzt nur noch die Chance, den teuren Schmuck zu veräußern und wendet sich zwecks Informationen an die ebenfalls im Haus logierende Gräfin Rosenberg, ein dauerunzufriedene Harpye, die Dagobert Duck Konkurrenz machen könnte, aber sich hier als Hilfe mit Italienischkenntnissen anbietet. Außerdem hat sie Hintergedanken, hat sie doch gerade die sechste Gesellschafterin in diesem Jahr mit ihrer miesen Laune weggeekelt.
Da kommt ihr die Auskunft der vertrauenswürdigen Juweliere wie ein Faustschlag ins Gesicht entgegen, dass die ganzen Pretiosen nur gut gemachter Tand sind. Rosie fällt von einem Extrem ins Andere und nach der Rückkehr und der Lektüre des Tagebuchs von Muttern in eine 24-stündige Schockstarre.
Dann schildert sie die Notlage – mangels Anwesenheit Peter Zwegats – der Gräfin, die ihr – natürlich – den Job als Gesellschafterin und oberste Kleidernäherin in ihren Diensten anbietet, schlecht bezahlt und mies behandelt.
Notgedrungen nimmt sie an und gerät so in die Reisefron mit der häufig schlecht gelaunten Dame, fühlt sich aber so schuldig und verloren, dass sie das alles erträgt. Sogar, die alte Faltenschildkröte abzuschrubben! (Morgens ließ sie sich von ihr bei der Toilette helfen, was Rosemarie oft ein physisches Unbehagen einflößte.)
Nach allerlei Gereise kehrt man dann in das Gut Alteichen zurück, wo sie den Drachen zwar nicht mehr baden, dafür aber Vollzeit als Näherin aus Scheiße Gold spinnen muss. Prompt bricht der Erste Weltkrieg aus. Zwar ist es in Alteichen recht ruhig, aber der Arbeitsmarkt ist damit nicht eben reichhaltig gedeckt für die junge Frau. Nur freundlicher Familienbesuch wie die Gräfinnennichte Loni von Schwarzenburg kann ihr freudloses Dasein aufheitern. Loni ist schwer von den Socken mit welch submissiver Haltung Rosy die Kriegsjahre durchplockert. Sie verspricht, der jungen Frau zu helfen.
Bums, sind vier Jahre Krieg rum, Deutschland hat verloren und die Revolution soll angeblich im Hintergrund laufen. Über diese regt sich Frau Gräfin dergestalt auf, dass sie bald darnieder sinkt und im März 1919 den endgültigen Abschied einreicht.
Alsbald reitet Loni von Schwarzenburg zur Rettung, diskutiert der Erbengemeinschaft 10 Riesen als Sonderbonus für über fünf Jahre Sklavenarbeit aus dem Portemonnaie und verschafft Rosy einen Gesellschafterinnenjob bei der Baronesse Reinsberg, die nach dem schröcklichen Verlust ihrer Tochter dringend Aufheiterung benötigt.
Was macht Aschenputtel also: sie nimmt die Kohle und stellt erst einmal drei Bankanweisungen an die Schuldner aus.
Die Rittners haben es inzwischen ebenfalls rittlings aus dem Krieg zurückgeschafft („Gottlob, dass man jetzt wieder Mensch sein darf! Draußen im Feld war es manchmal wirklich nicht mehr schön. Herrgott, wie hat man manchmal ausgesehen?“) und werkeln die Fabrik wieder hoch. Fred hat sogar inzwischen geehelicht – UND NUN DIE POINTE – eine gewisse Baronesse Reinsberg.
Magnus ist natürlich von den Socken, als er seine Kontoauszüge am Automaten zieht und schon stürzen all die alten Erinnerungen wieder auf ihn ein. („Rosemarie von Salten! Wo weilst Du? Was ist dein Schicksal geworden? Und es riss an seinem Herzen wie ein körperlicher Schmerz!“)
Fred ist zwar auch enorm überrascht, hat aber seine Gefühle für Rosie inzwischen verloren. Den Job für Baronesse Ellen kann die Perle aus Alteichen aber ruhig haben.
Also reist Ellen zu Loni und führt mit ihr und Rosemarie das Bewerbungsgespräch durch, was zu aller Zufriedenheit verläuft. So zufrieden, dass Rosemarie weder bei der Vorstellung hinhört, noch genau anschaut, was sie da unterschreibt. Zumindest der Name ihrer Arbeitgeberin entgeht ihr.
Das sorgt für leichtes Unbehagen auf der Reise, doch noch besser läuft die Ankunft im Bahnhof, wo die Gebrüder Rittner für akute Panik bei ihrer Gesellschafterin sorgen. Und auch die Herren selbst haben alle Hände voll zu tun, um ihre Schockstarre zu überspielen. („Das konnte ja nett werden!“)
Magnus gräbt angesichts allgemeiner Verlegenheit Rosies Mutter wieder aus (nur verbal) und erfährt nun die komplette Drama-Story inclusive der „Knusperhexe“, die jahrelang ihre Arbeitgeberin war.
Alsbald kommt man thematisch auch zu der Bankanweisung und der jungen Frau läuft noch immer die Scham aus den Schuhen, so dass sie wirklich für ALLES, was damals getan wurde, Verständnis aufbringt, inclusive des nicht sehr heroischen Umgangs mit der Situation. Das wiederum erwärmt Magnus wieder für seine alte Flamme (und er war schon vorher angeheizt), so dass allgemein versucht wird, die unmögliche Situation zu händeln.
Und jetzt – in der Einsamkeit ihres Zimmers – geht Rosemarie auch der Kristalllüster auf, dass sie Magnus sowieso und immer schon geliebt hat, so dass der neu geschlossene Arbeitsvertrag einen Happen schöner ausschaut.
Magnus geht es mit seinem neu entfachten Gefühlsleben genauso stürmisch und als dann auch noch von Schlieben einen erfreuten Lobesbrief schreibt, dass Rosie die Schuld ausgelöst hat, ist Magnus schon fast gewonnen. Allerdings hat von Schlieben auch noch einen Werbungsbrief von Herrn von Heinzius im Gepäck, in welchem dieser das Eheangebot erneuert hat.
Preussisch korrekt bis ins Mark gibt Magnus diesen Brief an Rosemarie weiter, obwohl er bereits seinem Bruder gestanden hat, dass ER Rosemarie liebt.
Diese lehnt jedoch das schriftliche Ansinnen überraschend für Magnus ab und bei einer gemeinsamen Betriebsführung kommt man endlich in ein reinigendes Gespräch, bei dem auch ihre Leidensgeschichte auf den Tisch kommt. Magnus erfährt, welches Martyrium (einen Job halt und so…) Rosemarie durchlitten hat und dass all der Schmuck gefälscht war – und nimmt die Schöne trotzdem, die sich nach viel Weh und Jammer endlich auch öffentlich, trotz Abenteurerinvergangenheit, zu ihm bekennt. Ellen findet es auch witzig und so endet alles wieder einmal vor dem Altar…
»Ach, Magnus, darf ich denn so unsagbar glücklich sein?« (Na, auf jeden Fall…)
Na schön, eins hab ich beständig brav vor mich hingebrabbelt während der sehr...sehr...sehr langen Lektüre (so ein HCM ist ja auch als Heftroman keine 64, sondern knappe 80 Seiten lang): es ist eben von 1920.
Die Autorin war schon Mitte Fünfzig, geprägt von der wilhelminischen Ära, aufgewachsen Geschlechterrollen, die heute sehr klischeehaft und veraltet anmuten und geprägt von dem, was ihre Leser offenbar gern mochten, da schreibt man manchmal ja über Jahrzehnte ungeheuren Sülz zusammen.
Trotzdem ist HCM der Inbegriff des saccharinsüßen Schmachtfetzens, bei dem am Ende zumeist die armen (oder verarmten) Frauen ihren Traumprinzen trotz Schimpf und Schande gewannen und das kann auch nur jemanden in Ekstase versetzen, der alljährlich alle Sissi-Filme auf Ex einpfeift, während im Hintergrund Rudi Schuricke und das Hazy-Osterwald-Sextett „Wenn bei Capri...“ intonieren.
Zu ertragen ist das nur schwerlich, weil der erste Teil eben das Märchen von der Prinzessin wiederkäut, die im Wald verloren geht, nachdem ihre Mutter stirbt und dann Fronarbeit bei einer alten Hexe im Wald leisten muss, ehe ihr Traumprinz endlich anreitet – und der zweite Teil neben seiner einzigen passablen Wendung des überraschenden Jobangebots (mehrere Seiten vorher schon absehbar) eigentlich nur noch Schmonzette beinhaltet.
Wer darauf steht, dass der Höhepunkt am Ende kommt und sogar in Love Stories so eine Art Showdown enthalten ist (der Zug fährt gleich ab, der Krieg bricht aus, die Laube brennt, die Brautwerber duellieren sich, der Hausierer ist der lange verschollene Ehemann mit Gedächtnisverlust), der wird hier bass erstaunt sein. Die letzten 15 Seiten sind ein absolutes Mahnmal in Sachen Konfliktvermeidung, indem wirklich alle handelnden Personen dem Happy End praktisch Carte Blanche geben. Magnus steht zu seinen Gefühlen, Fred gibt den Weg frei, die Schuldner schrei(b)en „Hurra“, der verführerische Hochzeitsbrief des älteren Bewerbers interessiert nicht mehr und die Scham (die ja laut Douglas Adams in gewissen Teilen der Galaxis immer noch eine tödliche Krankheit ist) kann den Liebenden wortreich ausgetrieben werden.
Hier labert man sich tatsächlich dem unvermeidlichen glücklichen Ende entgegen, nachdem man vorher mit den schicksalhaften Wendungen doch so großes Glück hatte, aber vielleicht ist HCM die Protagonistin auch SO gefühlig geraten, dass Action und Aktion von ihr nun überhaupt nicht zu erwarten waren. Mutter (notgedrungene) Schuld lässt Rosemarie hier romanlang so sehr in Scham und Schande versinken und servil jede Handlung ausführen, dass man den Text schon fast in die BDSM-Literatur einordnen könnte.
Wirklich lesbar ist das alles nicht mehr, vor allem nicht laut ausgesprochen.
Wie erwartet, gibt es die wahre Liebe hier nur gewunden und gedrechselt und mit so viel Nostalgie-Hüftsteifheit zugepudert, dass man automatisch bei der Verlesung Zahnschmerzen bekommt. Zum Glück verfällt die Autorin nur immer dann in diesen Duktus, wenn das Gefühlsleben thematisiert werden muss, sobald tatsächlich so etwas wie Plotentwicklung im Fokus steht, verfällt sie in eine Art märchenhafte Plauderei, die man mangels geschwollener Formulierungen auch ziemlich leicht hinter sich bringen kann.
Dialoge wie diese sind dann auch so unrealistisch wie zeitlos letal: „Ein Mann wie Sie kann doch nicht die Tochter einer Abenteurerin heiraten! Wollen Sie mich mit ihrer Liebe demütigen?“ - „Rosemarie, ich liebe dich! Was gilt mir das, was deine Mutter tat! Dich will ich haben, dich liebe ich!“
Aber genau die bringen offenbar die Fans an die Teekanne und die Canapés, denn Schwulst muss sein, je mehr Jahresringe beim Durchsägen auffindbar werden, wie es scheint, weil früher immer alles besser war und das „Konservative“ mit zunehmendem Alter immer besser und stabiler erscheint. Aber damit sollen sich die Wahlforscher beschäftigen, ich für meinen Teil bin aus der Nummer nach dem Verlust einiger neuronaler Verbindungen auf den ersten paar Seiten relativ unbeschadet aus der Affäre rausgekommen, sobald man die HCMs als Kapitelchen aus einem Romantikmärchenbuch eines vergangenen Jahrhunderts wahrnimmt.
Ich mach mich dann gleich mal an meine Grimm-Gesamtausgabe und widme mich dann nächste Woche wieder einem Thema mit etwas mehr Action, denn dann darf Dr. Andrea Bergen mir wieder den Tag rauben...retten...die mich mit dem Untertitel „Sie war jung und wollte etwas erleben“ schon ganz neugierig gemacht hat.
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