Berlin ist nicht Wien - »Die Schöngrubers«
Berlin ist nicht Wien
»Die Schöngrubers«
1972 hatte Paul Hengge („Die Abenteuer des Kardinal Braun“) die Idee, das Ganze in „Die Schöngrubers“ noch ein Stückchen weiter zu spinnen und Berliner auf Wiener treffen zu lassen. Damit man sich an den offensichtlichen Gegensätzen umso unbeschwerter erfreuen konnte, siedelte er das Zusammentreffen nicht in der Gegenwart an, sondern verlagerte das Geschehen in die 1910er Jahre, also in die Zeit der k. und k.-Doppelmonarchie, in der der Kaiser von Österreich gleichzeitig Apostolischer König von Ungarn war. Auch diese Tatsache griffen Hengge und Regisseur Klaus Überall („Komische Geschichten mit Georg Thomalla“, „Erkennen Sie die Melodie?“) in ihrer dreizehnteiligen Serie auf, indem sie das Wiener Ehepaar Schöngruber aus einem waschechten Wiener und einer Ungarin zusammenstellten. Wer wäre für diese Rollen besser in Frage gekommen als der mit dem typischen Wiener Schmäh gesegnete Filmstar Hans Holt („Die Trapp-Familie“) und die sicherlich bekannteste Ungarin im deutschsprachigen Raum, die Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Marika Rökk („Frauen sind doch bessere Diplomaten“)?
In Wien hat Franz Schöngruber (Hans Holt) ein florierendes Uhrgeschäft betrieben und war in der ganzen Stadt angesehen und geschätzt. Nun haben er und seine Frau Maria Therese (Marika Rökk) in Berlin ein Mietshaus geerbt. Da die gemeinsame Tochter Agnes (Gabriele Jacoby) gerne Medizin studieren möchte, was ihr anno 1910 in Wien noch nicht erlaubt ist, brechen die Schöngrubers in Österreich sämtliche Zelte ab und übersiedeln in die Reichshauptstadt. Dort angekommen, haben es die Wiener schwer, mit der gänzlich anderen Berliner Mentalität klarzukommen. Auch die Geschäfte laufen erstmal schlecht, und die Familie muss den Gürtel enger schnallen. Agnes nimmt neben ihrem Studium eine Tätigkeit als Assistentin bei Zahnarzt Dr. Pfeiffer (Günter Pfitzmann) an, Mutter Reserl gibt Klavierunterricht, um die Haushaltskasse aufzubessern. Im Mietshaus selbst, in dem sich sowohl Franz‘ Uhrengeschäft als auch die Wohnung der Schöngrubers befinden, führt das Hausmeisterehepaar Gehrke (Rosemari Kühn und Dieter Hallervorden) das Regiment. Sie hat dabei die Hosen an und ist stets die Erste, die von Neuigkeiten und Tratsch erfährt, um das umgehend unter die Leute zu bringen, während er in Paules (Gerhard Wollner) Kneipe seinen Kummer ersäuft.
Es war eine clevere Entscheidung, „Die Schöngrubers“ in einer Zeit anzusiedeln, die bereits 1972 auf die Menschen reichlich exotisch und veraltet wirkte. Dieser Effekt hat sich rund 50 Jahre später natürlich noch weiter potenziert. Die Protagonisten residieren in einem Haus ohne elektrischen Strom, in das auch erst im Laufe der Serie dann ein Telefon Einzug hält. Auch andere gesellschaftlich relevante Themen werden in den 13 Episoden verhandelt, von der Klassengesellschaft, die sich auch im Wahlrecht niederschlägt, bis hin zum Arbeiterkampf und dem Recht auf Gleichberechtigung der Frauen. Auf der privaten Ebene sind die Geschichten oftmals von den wechselseitigen Geheimnissen innerhalb der Familie Schöngruber geprägt, welche stets aus besten Absichten heraus gewahrt werden wollen, aber trotzdem zumeist durchschaut werden. Die munter agierenden Stars werden dabei in Klaus Überalls flotter Inszenierung hervorragend geführt, so dass der Unterhaltungswert der Serie bis heute gewahrt werden konnte. Die DVD-Wiederveröffentlichung präsentiert die 25minütigen Folgen (Gesamtlaufzeit 325 Minuten) wiederum auf zwei DVDs in einem Amaray-Case. Bild (Vollbildformat 1,33:1) und Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0 Mono) gehen soweit in Ordnung, wobei die auf Film gedrehte Serie zwar kräftige Farben und eine gute Schärfe aufweist, jedoch auch noch Verunreinigungen, Bildwackler und Aktmarker enthält. Bonusmaterial ist nicht vorhanden.