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Eine etwas bizarre Betrachtungsweise - Ein Blick in die Jahrzehnte mit "Aktenzeichen XY … ungelöst!"

Aktenzeichen XY … ungelöst!Eine etwas bizarre Betrachtungsweise
Ein Blick in die Jahrzehnte mit "Aktenzeichen XY … ungelöst!"

Die Dokumentation über "Aktenzeichen XY... ungelöst!" dem ersten True Crime-Format in diesem Lande, lange bevor man das Wort True Crime überhaupt in den Mund nahm, befasst sich kritisch mit der Sendereihe des Journalisten Eduard Zimmermann. Man könnte sogar fast sagen selbstkritisch, wenn es auf den Sender bezogen ist, denn das ZDF blickt in die eigene Vergangenheit.

Aktenzeichen XY … ungelöst!Leider hatte ich durch die Berichterstattung im Vorfeld negative Erwartungen an diese Dokumentation, die sich jedoch nur zum Teil erfüllten, aber sie erfüllten sich.

Das Fazit zu dem Artikel lässt sich dabei schon vorweg nehmen: Mit dieser Doku wird die ZDF-Sendung ""Aktenzeichen XY... ungelöst!" geradezu als Propaganda-Programm ausgewiesen - und das geradezu propagandistisch.

Das erste True-Crime-Format
Aber okay, Frau Schilling formuliert vieles als Frage. Damit wirkt sie aber intuitiv auf den Zuschauer. Zugegeben ist die Dokumentation nicht ganz schlecht, aber wie Stefan Niggemeier von Übermedien richtig anmerkt, überzeugt sie nicht.

Die Doku kreidet Eduard Zimmermann an, Frauen dazu verleitet zu haben zu Hause zu bleiben, nicht raus zu gehen um Freiheit zu leben. Ganz im konservativen Weltbild, der späten 60er-Jahre vermutet sie ein Rollenbild, welches vom Sender verbreitet wird. Indem Zimmermann Gewalt an Frauen beschreibt in seinen Filmfällen und diese Frauen als leichtlebig bezeichnet, nur weil sie ihrer häuslichen Rolle entfliehen oder nicht entsprechen, warnt er sie indirekt nicht auszubrechen und daheim zu bleiben. Auch diese These stellt die Autorin als Frage in den Raum. Dennoch ist das ziemlich harter Tobak, den man erstmal verarbeiten muss.

Zum einen stellte Zimmermann nicht nur Verbrechen an Frauen dar und darüber hinaus entschieden die Ermittlungsbehörden darüber, ob und wie ein Fall in die Sendung kam. Zimmermann war sicher mehr als nur der Moderator, aber in erster Linie war er nur das. Dennoch wird Herrn Zimmermann m. E. hier eine viel zu große Bedeutung im Rahmen der Kriminalfälle zugedacht. Seine Vergangenheit wird als gebrochen bezeichnet, ein Mann der selbst im Gefängnis saß. Dabei übersieht man geflissentlich, dass die gebrochenen Existenzen gerade im Zeitalter der Wokeness doch so bedeutend sind und Zimmermanns Gefängnisjahre auf eine politische Vorgeschichte beruhten. Über seine jungen Jahre, in denen er auch Straftaten beging, sagte er einmal:

„Ich bin sozusagen der Beweis dafür, dass man von der schiefen Bahn wieder runterkommt, wenn man es will.“ (1)

Aktenzeichen XY … ungelöst!Was hat Zimmermann falsch gemacht?
Was sollte denn Zimmermann anders darstellen, als das was es war? Sollte er lügen? Sollte er die Wirklichkeit verzerren? Was sollte er anders sagen über eine Frau, die leichtlebig war, wenn sie es nun mal war? Was sollte er sagen zu einem Mann, dessen Lebensweise als Homosexueller bei seinen Mitmenschen merkwürdig erschien, wenn es nun mal so war? In den 60er-Jahren waren die gesellschaftlichen Diskussionen eben noch andere, was man heute gerechtfertigter Weise kritisch sieht, aber es war nun mal so. Dass Frauen mehr gefährdet sind ist leider auch heute noch eine unbestreitbare Tatsache. Auch wenn Statistiken die Gefahr eher im häuslichen Bereich sehen.

Die Warnungen Zimmermanns sind dabei in meinen Augen kein politisches Kalkül, sondern Prävention. Meine eigene Frau würde selbst heute nicht für 15 Millionen allein durch eine dunkle Allee gehen. Sicher spielen Gefahrenbewusstsein, Ängste und Selbstsicherheit eine Rolle bei solchen Themen.

Den Faktenscheck bleibt die Doku darüber hinaus auch schuldig, bis auf einen Punkt, den die Autorin fast am Ende der Sendung macht.

Aktenzeichen XY … ungelöst!Faszination
Natürlich gibt man in der Doku auch an, welch Faszination in der Sendereihe steckte, sie bannte ein Millionen-Publikum vor dem Bildschirm. 40% aller vorgestellten Fälle wurden aufgeklärt heißt es von Seiten der Sendung. Allerdings ist diese Zahl sehr pauschal. Eingerechnet sind nämliche alle Fälle -also auch Personenfahndungen und Fälle, die Jahre später durch Zufall oder verbesserte Kriminaltechniken geklärt werden konnten. Wieviel Anteil "Aktenzeichen XY... ungelöst!" an den Aufklärungen hatte ist unklar. Eine große Anzahl Tötungsdelikte und Vermisstenfälle bleiben laut XY-WIKI (2) ungeklärt.

Die Doku ist aber auch insofern interessant, dass sie ein Bild der Gesellschaft und deren Veränderungen innerhalb von drei Jahrzehnten widerspiegelt. Hätte man sich darauf ausgiebiger konzentriert, statt auf die Kritik, dann wäre es eine sehr runde Dokumentation geworden.

Es ist auch richtig, dass man bestimmte Gegenstände nach Ausstrahlung der Sendung dämonisierte. Ein Kofferradio, eine Regenjacke, ein Hut konnte plötzlich mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen und man sah diese Alltagsgegenstände nun mit ganz anderen Augen.

In der Doku wird auch angeprangert, dass die häusliche Gewalt gegen Frauen in der Sendereihe gar nicht zum Tragen kam. Das ist erstens falsch, denn bei den behandelnden Tötungsdelikten wurden nicht selten Partner und Ehemänner als Täter entlarvt, und zweitens ist es der Charakter der Sendung sich mit ungeklärten Fällen zu beschäftigen und nicht mit jenen, deren Geschichte auf der Hand liegt.

Aktenzeichen XY … ungelöst!Politisierung im Nachhinein?
Auch wird in der Doku der Öffentlich rechtliche Rundfunk, den es damals als einzigen Rundfunk gab, geradezu politisiert. Man teilt die beiden Hauptsendeanstalten in rechts-konservativ (ZDF) und links-liberal (ARD) ein. Ich bin zwar Jahrgang 70, hätte diese Einordnung -sofern es diese überhaupt gab- genau anders herum gesehen. Heute sind eher beide Sender weniger selbstkritisch und konzentrieren ihre Pressearbeit ausschließlich auf ihre eigene Anstalt, obwohl es viele unterschiedlich ausgerichtete Pressehäuser gibt. Diese Vielfalt gilt es normalerweise abzubilden. Aber das ist nur meine Sicht.

Man kann "Aktenzeichen XY... ungelöst!" kritisieren. Keine Frage. Auch Frau Schilling darf das in Ihrer Sichtweise tun. Ich begrüße das sogar sehr. Denn hier erlaubt das ZDF diese Kritik an eigenen Formaten. Man bezieht diese Kritik aber allein auf die Zimmermann-Ära (1967 - 1997).
Und man muss - um es mit Stefan Niggemeier zu sagen (3) - nicht überzeugt von der Ansicht in dieser Doku sein.

Übrigens übergeht die Journalistin die Tatsache, dass Eduard Zimmermann eben nicht wie dargestellt von seiner Adoptivtochter Sabine abgelöst wurde, sondern von Butz Peters. Das hätte der Anti-Feminismus-Kritik doch nur zur Güte gereicht.

Aktenzeichen XY … ungelöst!Ungnädige Stimmen
Die Stimmen zum neuen Beitrag von Frau Schilling fallen weit negativer aus, als noch zu ihrem ersten Dokumentarfilm "Kulenkampfs Schuhe". Die Tagespost geht etwas weit und schreibt von der "Dämonisierung Eduard Zimmermanns" (4)

Auf Twitter ist man noch ungnädiger.

"Eine Aktivistin des ZDF rechnet mit Zimmermann ab" heißt es da von einem User. Andere sehen in der Darstellung des einstigen ZDF-Quotenmannes nun eine Verunglimpfung zum "konservativen Dunkelmann". (5)

Für Interessierte ist die Dokumentation "Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann" in der ZDF-Mediathek abrufbar. Man muss aber danach suchen. Man zeigt sie nicht im Teaser an, sondern versteckt unter den Rubriken.

(1) = Eduard Zimmermann
(2)= XY-Wiki
(3)= Übermedien
(4)= Tagespost
(5) div. Twitter-Beiträge

(c) by author 08/23

Kommentare  

#1 joe p. 2023-08-16 09:47
Die Sendung wurde in der Tat ein wenig versteckt. Nur durch die Ankündigung im heute-journal wurde ich auf sie aufmerksam und sah sie flugs an.. Schon besagte Ankündigung hatte irgendwie diesen merkwürdigen Unterton. "Diese Sendung [...] geht der Frage nach, inwieweit Eduard Zimmermann, der Gründervater von Aktenzeichen xy ungelöst, mit seiner Sendung auch Einfluss auf die gesellschaftspolitischen Debatten seiner Zeit nahm." (Marietta Slomka, heute-journal vom 10.8.23) An der begrüßenswerten und hochgradig nützlichen TV-Verbrecherjagd kann ja nun per se nichts verwerflich sein. Wieso gesellschaftspolitische Debatte, Mord ist doch Mord.
Die Sache mit Bautzen war traditionell bekannt, natürlich auch der DDR-Hintergrund. Karl May hat auch im Knast gesessen, lange vor der DDR, und er hatte wirklich ein paar Betrugsdelikte auf dem Kerbholz. Ihm verzieh man, wenngleich er zu seiner Zeit qua Gerichtsurteil ein geborener Verbrecher genannt werden durfte.
Wenn Sie sich dafür interessieren, Stichwort Adenauer-Fernsehen, hörte ich in der Vorlesung Verfassungsrecht I. Das fällt mir zur politischen Ausrichtung des ZDF ein. 1960 ärgerte sich Adenauer über die zu einseitige Berichterstattung der ARD, vor allem von WDR und NDR. Rotfunk Köln und Rotfunk Hamburg gewissermaßen. Am 1. August 1960 wurde die Deutsche Fernseh-GmbH gegründet. Mit 51% Beteiligung des Bundes und 49% Beteiligung der Länder. Die SPD-geführten Länder reichten eine Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, welches das Adenauer-Fernsehen am 28. Februar 1961 verbot.
Allzu lange musste sich Adenauer nicht über das Urteil ärgern, denn schon bald sollte ein Fernsehsender entstehen, der eher seinen politischen Vorstellungen genügte. Das war 1963 das ZDF.
#2 G. Walt 2023-08-16 10:26
@Jow p.: Dabei ist doch der ÖRR heute sehr redlich bemüht seine politische Neutralität immer wieder zu betonen. Was natürlich in Anbetracht staatlich erhobener Gebühren und politischer Besetzung im Rundfunkrat mehr als schwierig ist für den ÖRR, der einen wahrlich schweren Stand hat.

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