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Spieletipps zu Weihnachten 2024 - Für jeden etwas

Spieletipps zu Weihnachten 2024

Für jeden etwas 

Im Oktober hat sich die weltgrößte Spielemesse, die SPIEL Essen 2024, mal wieder mit Superlativen überschlagen. 204.000 Menschen drängten sich an den erstmals komplett ausverkauften vier Messetagen auf einer nochmals gewachsenen Messefläche. Knapp 1.000 Aussteller aus 52 Ländern präsentierten über 1.500 Neuheiten – da kann man rasch überwältigt sein von all den verschiedenen Eindrücken. Wie in den Vorjahren habe ich mich auf gut zwei Dutzend Neuheiten gestürzt und diese auf der SPIEL getestet. Drei davon habe ich nun hier wieder herausgepickt, um sie unterschiedlichen Gesellschaftsspielefans zu empfehlen.

Den Anfang macht dabei mit „e-Mission“ von Matt Leacock und Matteo Menapace (erschienen bei Schmidt Spiele) ein Taktikspiel, das 2024 bereits die Schlagzeilen beherrschte. Immerhin wurde ihm der Titel „Kennerspiel des Jahres 2024“ zugesprochen, der Preis der renommierten Auszeichnung „Spiel des Jahres“, der dezidiert etwas komplexeren Neuerscheinungen verliehen wird, die sich an Vielspieler richten. Hinzu kommt, dass die beiden Autoren hier ein Thema ausgewählt und exzellent in ein Spielprinzip übertragen haben, das am Puls der Zeit ist. Denn die 1-4 Spieler (ab 10 Jahren) müssen in „e-Mission“ gemeinsam versuchen, die globale Erderwärmung zu stoppen und die Menschheit damit vorm Untergang zu bewahren. Da es sich um ein überaus realistisches Spielszenario handelt, ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass diese Aufgabe alles andere als leicht ist, selbst, wenn man auf kooperative Weise vorgeht und sich bei den drohenden Krisen und Katastrophen gegenseitig unterstützen kann. Jeder Spieler übernimmt eine der vier zur Verfügung stehenden Weltmächte: USA, China, Europa oder den globalen Süden. Die Ausgangssituation der Tableaus ist dabei ganz unterschiedlich, speziell der globale Süden steht ziemlich schlecht da, produziert jede Menge CO₂, weil die Stromerzeugung noch auf fossilen Energien basiert und Viehzucht, Industrie und Verkehr schädliche Emissionen freisetzen. Auch Notstandsplättchen sind hier bereits zu Spielbeginn einige vorhanden, die durch den weiteren Anstieg im Laufe einer Partie im schlimmsten Fall das Spielende einläuten können. Europa steht energetisch schon besser da, die USA ebenfalls, dafür haben letztere deutlich zu viele Verbrenner-Fahrzeuge. China ist in Sachen grüner Energie ebenfalls noch verbesserungsfähig. Denn das Spielziel von „e-Mission“ ist es, schmutzige durch saubere Energiequellen zu ersetzen und die emissionsstärksten Verschmutzer (u.a. Erdöl, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Müll) soweit es geht los zu werden. Dazu hat man jeweils in der Projektphase Gelegenheit, wenn jeder Spieler neue Handkarten erhält. Jeder Spieler kann immer maximal fünf Projekte gleichzeitig in Angriff nehmen. Die neuen Handkarten kann man auf dreierlei Weise einsetzen. Entweder verbessert man damit bereits bestehende Projekte in ihrer Wirkung, ersetzt bestehende Projekte durch neue oder wirft Handkarten einfach ab, um dadurch den Effekt eines seiner Projekte zu nutzen. In jeder Runde kommt ein neues globales Projekt hinzu, das allen Spielenden hilft, in der Regel aber zunächst durch Abwerfen von Projektkarten oder Erfüllen einer Mindestanforderung aktiviert werden muss. Und in jeder Runde kommen auch neue Krisen hinzu, umso mehr, je weiter die globale Erderwärmung bereits fortgeschritten ist. In diesem unangenehmen Kartenstapel finden sich Szenarien wie Wirbelstürme, geplatzte Immobilienblasen, ökofaschistische Regierungen oder Wasserknappheit. Die Auswirkungen betreffen alle Weltmächte, und nur eine der mindestens drei Krisen pro Phase kennt man bereits im Voraus, um passende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Haben alle die Projektphase beendet, kommt es zur Emissionsphase, in der jede Weltmacht CO₂ produziert. Am Anfang ist das noch sehr viel, im Laufe der Runden sollte das nach Möglichkeit weniger werden. Ozeane und Wälder helfen mit, den CO₂-Ausstoß zu binden, aber durch die Krisen und die Erderwärmung schwinden diese natürlichen Helfer rasant. Drei Szenarien bringen den Spielern eine Niederlage ein: Wenn sich die Erde um 2,0° erwärmt hat, wenn man nach sechs Runden noch immer mehr CO₂ ausstößt, als gebunden werden kann, oder wenn eine der Weltmächte ihr dreizehntes Notstandsplättchen erhält. Besonders letzteres war in unseren Spielrunden am häufigsten der Grund für die gemeinsame Niederlage. Immerhin haben die Autoren aber auch eine bunte Palette an Herausforderungskarten mit ins Spiel gepackt, mit denen man die Schwierigkeit herauf- bzw. heruntersetzen kann. Gewonnen haben die Spieler, wenn es ihnen innerhalb von sechs Spielrunden gelungen ist, den CO₂-Ausstoß weltweit so stark zu reduzieren, dass dieser komplett von Wäldern und Ozeanen gebunden werden kann.

So kompliziert, wie man es von einem „Kennerspiel des Jahres“ vielleicht erwarten würde, ist „e-Mission“ in der Praxis gar nicht. Die überschaubaren Mechanismen hat man ziemlich schnell drauf, was den Ablauf aber nicht unbedingt einfacher macht. Denn es gibt sehr viele Möglichkeiten, zumal es 133 unterschiedliche Projektkarten, 46 Krisenkarten und 42 Herausforderungskarten gibt. Wie im wirklichen Leben sollte man auch bei diesem Spiel realisieren, dass man nur gemeinsam die Erderwärmung stoppen kann. Alleingänge machen keinen Sinn, und wenn man die Misere eines schwächeren Global Players ignoriert, scheitern am Ende alle daran. Das Thema des Spiels ist zeitgemäß und auf kluge Weise umgesetzt. Leicht ist es nicht, „e-Mission“ gemeinsam zu gewinnen, aber auch das dürfte wohl leider sehr nah an der Realität sein. Schmidt Spiele hat bei der Produktion des Spiels aus hehren Gründen komplett auf Plastik verzichtet. Das ist bei den ansonsten tatsächlich überflüssigen Plastikhüllen um das Spiel selbst und die Kartensätze durchaus sinnvoll, die Lagerung und Sortierung des Spielmaterials gelingt durch den Innenkasten mit Pappaufstellern allerdings nur suboptimal. Davon abgesehen ist „e-Mission“ aber ein sehr empfehlenswertes Strategiespiel mit einem hohen Wiederspielreiz, zumal einen die Schwierigkeit des Gelingens immer wieder anspornt, es erneut zu versuchen.

„Funkenschlag: Outpost“ von Friedemann Friese (erschienen in dessen 2F-Verlag) ist ein weiteres Spiel aus seiner bekannten „Funkenschlag“-Familie. 20 Jahre nach dem Erscheinen des immens erfolgreichen ersten Spiels, in dem man ein Stromnetzwerk aufbaut, um Siegpunkte zu generieren, hat Friese mit diesem Ableger seiner ursprünglichen Inspirationsquelle gehuldigt – dem Spiel „Outpost“ von James Hlavaty, das erstmals im Jahr 2011 erschienen ist. Auch in Frieses neuer Version geht es nun um die Besiedelung eines neuen Planeten. In verschiedenen Segmenten des Spielplans bauen wir Städte, Kraftwerke und Unterkünfte. Je mehr Städte wir mit Energie versorgen können, desto mehr Geld erhalten wir im Laufe der Runden, und wer am Ende die meisten Städte mit Energie versorgen kann, hat das Spiel gewonnen. Der gemeinsame Spielplan ist in 35 dieser Segmente unterteilt, die unterschiedlich viele Verbindungen zu angrenzenden Segmenten aufweisen und jeweils Platz für drei Städte sowie ein Kraftwerk oder eine Unterkunft bieten. Je nachdem, wie viele der 2-6 möglichen Spieler (ab 12 Jahren) mitspielen, sind einige der Segmente dauerhaft nicht nutzbar. Per Zufall werden 46 Verbindungskosten-Plättchen zwischen die Segmente gelegt, die man zusätzlich beim Einsetzen eines Gebäudes berappen muss, denn hat man das erste Gebäude in der eigenen Farbe auf dem Spielplan platziert, muss man sich von diesem ausgehend mit den weiteren Gebäuden auf dem Spielplan ausbreiten. Nachdem die Spielerreihenfolge zu Spielbeginn per Zufall festgelegt wurde, startet man in die Phase der Kartenversteigerungen. Hier stehen maximal drei verschiedene Kartenarten zur Verfügung: Kraftwerke, Unterkünfte und Technologiekarten. Alle haben stets einen Mindestpreis aufgedruckt, mit dem man das Gebot eröffnen muss. In der Spielerreihenfolge kann man sich immer weiter überbieten oder aussteigen. Nachdem alle Spieler einmal Höchstbietender gewesen sind, geht es in der nächsten Phase darum, das eigene Stromnetz weiter auszubauen. Indem man Kraftwerke oder Unterkünfte auf dem Spielplan baut, schaltet man Plätze auf dem eigenen Spielertableau frei, auf die man dann die zuvor ersteigerten Kraftwerk- oder Unterkunftskarten platzieren kann, um diese nutzen zu können. Städte sollte man natürlich auch auf den Spielplan bringen, denn diese liefern einem neues Geld, sofern sie von Kraftwerken mit Strom versorgt werden. Das geht aber nicht ohne Arbeiter. Die muss man sich teuer als Saisonarbeiter für eine Runde einstellen, wenn man nicht auch Unterkünfte gebaut hat, in denen sie einem dauerhaft für das ganze Spiel erhalten bleiben. Hat man die Kauf- und Investitionsphase abgeschlossen, erhält man Geld für die nächste Runde, umso mehr, je mehr Städte man mit Energie versorgen kann. Für die nächste Runde wird die Spielerreihenfolge neu festgelegt. Wer am erfolgreichsten war, beginnt mit der Versteigerungsphase. Wer am weitesten hinten liegt, darf in der Investitionsphase beginnen und hat dadurch den Vorteil, die günstigeren Verbindungskosten wählen zu können und Saisonarbeiter zu günstigeren Tarifen einstellen zu können.

Der Spielablauf von „Funkenschlag: Outpost“ ist recht überschaubar, und sobald man einmal in den Mechanismen drin ist, läuft das Ganze recht zügig und routiniert ab. Jeder ist darum bemüht, sein eigenes Netzwerk auszubauen und dadurch viel Geld zu generieren, mit dem man dann an hochwertigere Karten kommt, die es einem erleichtern, noch besser zu werden. Die Interaktionen zwischen den Spielern sind dabei recht hoch, weil man zu Beginn jeder Runde zunächst einmal gemeinsam neue Karten versteigert, und weil man sich später bei den Bauvorhaben auf dem Spielplan immer wieder in die Quere kommt. Das ist reizvoller als bei vielen aktuellen Spielen, in denen jeder auf seinem eigenen Tableau sein eigenes Süppchen kocht und es kaum zu Interaktionen kommt. Ein großes Problem bei „Funkenschlag: Outpost“ ist eines, das Friedemann Friese in seinem Vorwort in der Spielregel sogar offen anspricht: „Bin ich vorne, werde ich es wohl auch bleiben, da mein Wachstum immer größer wird. Genau das ist gleichzeitig die Energie, die darin steckt, die mich bis heute fasziniert.“ Er bezieht diese Aussage zwar auf das Originalspiel „Outpost“, aber so richtig gebändigt hat er dieses Problem in seiner Version des Spiels leider nicht bekommen. Wenn gut die Hälfte des Spiels um ist, hat sich in unseren Spielerunden an der Platzierung in der Regel nichts mehr geändert. Wem das dann nicht zu dröge wird, dem sei Frieses neues „Rich getting Richer“-Spiel durchaus empfohlen.

Noch simpler und eingängiger ist „Ananda“ von Dirk Barsuhn (im Zoch-Verlag erschienen) konzipiert, das damit gut geeignet wäre, zum „Spiel des Jahres“ nominiert zu werden, da es für 2-4 Spieler angelegt ist und in der Regel deutlich weniger als eine Stunde dauert. Die Altersempfehlung ab 10 Jahren scheint fast schon etwas zu hoch gegriffen, hier sollten auch etwas jüngere Kinder bereits gut ins Spiel hineinfinden. In der Tischmitte liegt ein gemeinsamer Spielplan mit sieben mal sieben quadratischen Feldern. Darauf wird zu Beginn zufällig einer der 63 Bausteine platziert, die nach dem Domino-Prinzip aufgebaut sind und jeweils zwei von insgesamt sechs verschiedenen Mustern/Farben aufweisen (genau wie bei „Domino“ gibt es auch hier Steine, bei denen dasselbe Muster/Farbe zweimal vorkommt). Der Startspieler platziert nun seine Mönchs-Spielfigur auf eines der beiden Muster und kann von seinen eigenen Bausteinen beliebig viele mit demselben Muster horizontal oder vertikal an den Baustein mit dem Mönch anlegen. Danach addiert er alle aneinander angrenzenden Muster/Farb-Segmente um seinen Mönch herum zusammen und erhält dabei den Flächenwert. Falls er in demselben Muster/Farbe nun auch Meditationskarten auf der Hand hat, darf er diese bis maximal in Höhe des Flächenwertes ablegen und sichert sich damit die entsprechende Anzahl an Siegpunkten. Die Differenz zwischen Flächenwert und Meditationswert ergibt die Anzahl an neuen Bausteinen, die er nachziehen darf. Hat er nun mehr Bausteine als Meditationskarten, darf er sein Gleichgewicht wiederherstellen und so viele Karten nachziehen, bis sie der Anzahl seiner Bausteine entspricht. Danach kommt der nächste Spieler an die Reihe, der seinen Mönch nun auf ein neues Muster/Farbe stellen muss, dort eigene Bausteine anlegen darf, und so weiter. Irgendwann wird es in der untersten Ebene zu eng, aber auch das Stapeln der Bausteine nach oben ist erlaubt, so lange sie jeweils auf zwei anderen Bausteinen liegen und dabei keine Mönchsfigur überdeckt würde. Das Spiel endet, sobald es keine Bausteine mehr zum Nachziehen gibt und ein Spieler alle seine Bausteine eingesetzt hat. Dann gewinnt, wessen Gesamtsumme der ausgespielten Meditationskartenwerte am höchsten ist.

„Ananda“ verwebt einige Elemente von Spieleklassikern wie „Domino“ oder „Qwirkle“ (Spiel des Jahres 2011) zu einem leicht zu erlernenden und zügig ablaufenden Familienspiel. Wie häufig bei Spielen des Zoch-Verlags ist auch hier das Spielmaterial wieder sehr hochwertig und passt sehr gut zur Thematik, der Suche nach dem inneren Gleichgewicht. Die Bausteine und Karten eignen sich auch gut für Farbblinde, weil die Farben stets mit einem individuellen Muster verknüpft sind. Der Glücksfaktor ist bei „Ananda“ vergleichsweise hoch, weil es immer davon abhängt, welche Karten man gerade auf der Hand hat (in welcher Farbe und mit welchem Meditationswert) und welche Bausteine einem gleichzeitig zur Verfügung stehen. Insofern ist das Taktieren mitunter etwas eingeschränkt, und man muss auf sein Glück vertrauen. Da eine Partie aber nicht allzu lange dauert, kann man auch direkt eine weitere nachschieben, in der man dann vielleicht etwas mehr Glück hat als in der Partie zuvor.

Fotos: (C) Frank Brenner (1-6), Zoch-Verlag (7)

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