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DOCTOR WHO – DIE ROMANE - TEIL 2: DIE BBC AUSGABE

1DOCTOR WHO – DIE ROMANE
TEIL 2: DIE BBC AUSGABE

Eigentlich machte die BBC vieles richtig, als sie mit ihrer Version von Doctor Who, den Eighth Doctor Adventures (EDA),  auf den Markt kam. Man beauftragte die erfahrenen Autoren der Virgin-Reihe, sorgte für eine hervorragende Covergestaltung und bemühte sich um einen Neustart. Aber es gab Probleme. Viele Fans empörten sich über den Verlagswechsel, zumal Virgin-Lektor Darvill-Evans öffentlich keinerlei Zweifel daran ließ, dass es nicht ihre Entscheidung gewesen war, die Abenteuer des siebten Doktors zu beenden.


D1ie EDA verkündeten außerdem die Absicht, die Handlung der Virgin-Bücher einfach zu ignorieren, was natürlich nichts anderes war, als dass Bobby aus der Dusche trat und die jahrelange Entwicklung des Who-Universums im Mülleimer landete.

Außerdem wollte man auf in sich abgeschlossene Einzelromane setzen, deren Handlung bewusst weniger kompliziert und geradliniger als die Vorgänger sein sollte. Was von vielen Lesern nicht ganz zu unrecht als ein Fall von "runter dummen" betrachtet wurde.

Aber darüber hinaus gab es noch andere, inhaltliche Probleme, mit denen die Autoren zu kämpfen hatten. Auch wenn die Fernsehserie mittlerweise seit Jahren eingestellt war, hatten sich die Autoren natürlich an der Darstellung des siebten Doktors orientieren können. Der achte Doktor hingegen spielte nur in einem erfolglosen Fernsehfilm die Hauptrolle, war also von der Persönlichkeit der Figur ein auf Äußerlichkeiten reduziertes, völlig leeres Blatt. Und da zu Anfang keine handlungsübergreifende Entwicklung stattfinden sollte, waren den Autoren ziemlich die Hände gebunden. Der achte Doktor blieb blass.

Und dann war da die brandneue Reisegefährtin des Doktors. Samantha Jones war sechzehn, Vegetarierin und Mitglied bei Greenpeace. Und die Leser hassten sie. Denn die Autoren konnten das Konzept nicht besonders überzeugend zum Leben erwecken. Sam erfüllte jedes Klischee einer selbstgerechten liberal verlogenen Mittelschichtsaktivistin. Die natürlich ebenfalls völlig erfahrungsresistent war.

Zwar warf man gerade dieses Konzept später über den Haufen und schlug sogar den genau entgegengesetzten Weg ein, aber der Schaden war angerichtet. Verglichen mit den Virgin-Romanen waren die ersten EDAs schlicht und ergreifend öde Kost mit langweiligen und nervenden Figuren. Aber teilweise hatte die BBC-Redaktion auch einfach nur Pech. Beispielsweise hatte es in den Virgin-Jahren keine Dalek-Geschichten gegeben, wie es die Fans immer wieder verlangten. Das lag nicht zuletzt daran, dass es ein Rechte-Problem gab. Terry Nation, der Erfinder der Daleks, hatte sich die Rechte an seiner Schöpfung sichern können, wodurch jeder Einsatz des Konzepts genehmigt und gesondert honoriert werden musste. Dazu war es bei Virgin nie gekommen. Der BBC standen da nun andere Möglichkeiten zur Verfügung. Die EDA kündigten gleich zwei Dalek-Romane an. Die dann prompt von der Kritik verrissen wurden, weil sie weder besonders originell noch gut geschrieben waren. Der Autor John Peel kam dann auch noch auf die merkwürdige Idee, ausgerechnet in der Fernsehserie etablierte Serienfakten völlig umzuschreiben. Und das auf eine zutiefst unoriginelle Weise, die bei Licht besehen wenig Sinn machte. Die Fans waren enttäuscht.

1So blieben Qualität und Kurs der EDA ausgesprochen schwankend. Immer, wenn es den Anschein hatte, nun eine interessante Richtung gefunden zu haben, musste das aus diversen Gründen wieder mittendrin abgebrochen werden. In Band 6 etablierte der Autor Lawrence Miles das Konzept für einen rasanten Zyklus. Miles kam aus dem Who-Fandom und war ein äußerst umstrittener Autor, der die Arbeit seiner Kollegen auch mal öffentlich als "Scheiße" brandmarkte. Andererseits zeichneten sich seine Romane durch eine verblüffende, mitreißende Ideenfülle aus, die viele Leser begeisterte. Mit "Alien Bodies" legte er großartigen Roman vor, der das Fundament für einen Zeitkrieg zwischen den Zeitwanderern und einem nie näher benannten Feind legte. Der Roman, der im Grunde wie ein Virgin-Roman konstruiert war, erhielt begeisterte Kritiken, aber statt sich darauf einzulassen, griff das Lektorat das Thema erst 19 Monate später wieder auf. Nur um dann mittendrin aufhören zu müssen, weil sich Miles nach einem ausgesprochen kontrovers aufgenommenen Zweitteiler, der viele Grundregeln der Serie auf den Kopf stellte, einige negative Onlinekritiken zu sehr zu Herzen nahm und sich beleidigt zurückzog. Andere Autoren führten die Handlung dann zu Ende, aber es war nur noch ein Schatten dessen, was Miles hätte zustandebringen können. (Interessanterweise endete der Zyklus mit der Zerstörung von Gallifrey und dem Doktor als letzten überlebenden Zeitlord, so wie es später die neu gestartete Fernsehserie ebenfalls machte. Auch wenn in der derzeitigen Fernsehserie sogar ein beliebter Roman aus der Virgin Zeit verfilmt wurde (Human Nature), haben die Macher stets dementiert, sich an den Ideen der Büchern zu orientieren.)

1Schließlich wurde das Lektorat von Justin Richards übernommen, der ebenfalls bei den Virgin-Romanen als Autor begonnen hatte. Er war bereits der dritte Lektor und setzte ebenfalls auf Mini-Zyklen. Von dem Anfangskonzept war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel übrig geblieben, aber das Flair der Virgin-Reihe stellte sich nicht mehr ein. Allerdings leistete Richards grundsätzlich solide, wenn auch manchmal etwas unspektakuläre Arbeit. Unter seiner Führung erschienen ein paar hervorragende Romane, und auch die neu erfundenen Gefährten waren weitaus interessanter, als es Sam Jones jemals gewesen war.

Insgesamt wurden 73 EDAs veröffentlicht, dazu kamen noch 75 der Past Doctor Adventures, der thematischen Weiterführung von Virgins Missing Adventures, also in sich abgeschlossene Abenteuer der früheren Doktorinkarnationen. In einem blieb die BBC-Reihe aber konsequent. Bei den Past Doctor Adventures ließ das Lektorat auch neue Abenteuer des siebten Doktors schreiben, die die Handlung und die Charakterentwicklung der Virgin-Reihe tapfer ignorierte.

Die EDA und die PDA liefen von 1997 bis 2005. Der Neustart der Fernsehserie führte dazu, dass man das Konzept nicht fortführte. Stattdessen konzentriert man sich nun wieder auf Romane zur aktuellen Fernsehserie, die die Abenteuer der Figuren schildern, die über den Bildschirm flimmern.

1 Die neuen Romane wenden sich in der Machart wieder an ein jüngeres Publikum, die einfach gestrickten in sich abgeschlossenen Romane verlassen sich auf den Wiedererkennungswert der erfolgreichen Fernsehserie. Nun steht im Vordergrund, Geschichten zu schreiben, die nicht mit der Kontinuität der Fernsehfolgen anecken. Die Zeit der "erwachsenen" SF ist lange vorbei, wobei man natürlich der Fairness halber feststellen muss, dass die neue Fernsehserie in vielerlei Hinsicht nicht mehr so jugendgerecht ist wie damals. Auch wenn die Produzenten auf diesem Anspruch bestehen, hat sich der Ton doch sehr gewandelt.


Die New Series Adventures erscheinen als Taschenbuch, Ebook und Audiobook. Größtenteils werden sie aber noch immer von den Autoren verfasst, die bei Virgin vor mittlerweile über 20 Jahren ihre erste Chance erhielten. Dieses Jahr erscheint Band 50.

Weder die Romane von Virgin noch von der BBC haben in Deutschland einen Verleger gefunden. Wirtschaftlich gesehen vermutlich zu Recht, war die Fernsehserie hierzulande doch immer ein Flop. Außer einigen Fans hätte vermutlich niemand etwas damit anfangen können. Vom Unterhaltungswert ist das schade, denn es waren schon einige wirklich gute Romane dabei, die den Vergleich mit regulärer SF nicht zu scheuen brauchen.

 

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