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K. H. Scheer und seine SF-Leihbücher der Jahre 1948 bis 1965 - Centauri - Balowa-Verlag

Leihbücher von ScheerK. H. Scheer und seine SF-Leihbücher
der Jahre 1948 bis 1965
Centauri - Balowa-Verlag

Im Balowa-Verlag sind in den Jahren 1955 bis 1968 zahlreiche Romane des damals noch jungen Schriftstellers Karl Herbert Scheer erschienen. Neben 26 SF-Romanen waren es noch 18 ZBV-Romane, 6 Roger Kersten sowie 49 unter seinem Namen herausgegebene Perry Rhodan-Romane. Es dürfte für Scheer anfangs eine schwierige Zeit gewesen sein, nachdem er 1953 im Streit den Reihenbuchverlag verlassen hatte und erst ab 1955 wieder bei Balowa und Pfriem publizieren konnte.

 

Leihbücher von Scheer

Da Balowa auf dem Exklusivrecht für SF-Romane bestanden haben dürfte, erschien nur 1955 eine SF-Miniserie im Pfriem Verlag.

Der Centauri-Zyklus, seine ersten Romane für den Balowa-Verlag, zeigen bereits die schriftstellerische Weiterentwicklung Scheers und auch die für ihn typischen Stilelemente, die er teilweise aus dem Rahera-Zyklus übernommen hatte, wie das Zweigespann eines groß gewachsenen Heldentyps und seines Mentors Professor Homer. Sowie seine Technikverliebtheit und Präzision.

Auch wenn diese Romane anfangs noch etwas unbeholfen, manchmal klischeehaft sind und von Gewalt strotzen, erkennt man immer seine Wortgewalt und sein schriftstellerisches Talent. Er konnte mit einer Farbigkeit und Dynamik erzählen wie nur wenige seiner Zeit, nicht zu vergessen seine exakte Beachtung der technischen Möglichkeiten.

Seine Romane sind danach in verschiedenen Versionen erst als Heftromane im Rahmen der Reihen Utopia, Terra und Terra Extra erschienen, zuletzt als Taschenbuchausgabe in den Jahren 1985/86. Die älteren Leihbuchversionen beinhalten allerdings die vollständig publizierte Textvariante.

Leihbücher von ScheerBei den im Balowa-Verlag erschienenen Büchern (Centauri-Zyklus) handelt es sich um folgende SF Romane:

  • Jahr     Nr.     Titel

 

  • 1955    14    Flucht in den Raum
  • 1956    16    Vorposten Jupitermond
  • 1956    22    Grenzen der Macht

In diesen Romanen greift Scheer wieder das Thema eines die Weltherrschaft anstrebenden Diktators auf, was durch die Hilfe der zwei Helden Katmann und Professor Homer letztlich vereitelt wird. Außerdem als unvermeidlicher Spaßvogel mit dabei: Der australische Major Isidor Rock mit seiner Vorliebe für SF-Comichefte. Es sind jedenfalls farbig und spannend geschriebene Romane mit der unvermeidlichen Liebesgeschichte. Jedenfalls wird Scheer durch seine Schilderungen seinem Spitznamen „Handgranaten-Herbert“ gerecht; diese Romane sind in der vorliegenden Fassung sicher keine Jugendliteratur. Und das Ende des Zyklus ist ebenfalls gewaltsam, der Centauriplanet mit allen Bewohnern wird durch Super-Atombomben vernichtet.

Leider oder auch Gottseidank wurde der Charakter der Trilogie in den späteren Ausgaben total verändert und aus einem Gewaltepos aus der Zeit des Kalten Krieges wurde ein friedlicher Roman, d. h. der Planet wurde am Ende nicht vernichtet, sondern die Invasoren von Centauri waren lediglich geflohene Verbrecher, die nach der Landung verhaftet und einer Gehirnkorrektur unterzogen wurden. Und zwischen Erde und Centauri beginnt eine friedliche Zukunft.

Scheer hatte überhaupt die Angewohnheit, seine Ideen und Storys auch in anderen Verlagen wieder zu verwenden und konnte so seinen Romanausstoß beträchtlich erhöhen. Allerdings waren Selbstplagiate damals nicht so selten. Und ein bisschen hat er Teile der Story des im Reihenbuch-Verlag erschienenen Venus-Zyklus hier wieder verwendet.

Leihbücher von ScheerInteressant sind auch Scheers Vorlieben für die Bösewichte in seinen Romanen: Skrupellose Bosse von internationalen Konzernen und asiatische Staatenbünde. Irgendwie hat Scheer schon zu Zeiten des Kalten und des Korea-Krieges den Aufstieg Asiens, insbesonders Chinas, vorausgeahnt, ebenso die damals beginnende Globalisierung der Wirtschaft.

Diese Romane können auf Grund der fehlenden urheberrechtlichen Voraussetzungen nur mehr im Original gelesen werden, falls man diese Bücher überhaupt noch auftreiben kann.

Falls man sich dafür näher interessiert, habe ich die Original-Klappentexte im zweiten Teil dieses Artikels zusammengefasst.

Teil 2 Klappentexte
Klappentexte waren so etwas wie eine kurze Inhaltsangabe eines Buches. Sie hatten im Wesentlichen bis zu 3 Funktionen, nämlich den potenziellen Leser auf das Buch aufmerksam zu machen (damit er es entweder kaufte oder auslieh) und dienten ferner noch als eine Werbung für den Autor und / oder den Verlag.

Leihbücher von ScheerBand 1 Flucht in den Raum
Eine Weltraumodyssee, eine tolle Abenteuerfahrt von morgen, ist das Thema dieses aufregenden, ja haarsträubenden Romans, der mit viel technischem Verstand geschrieben ist.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei weltberühmte Wissenschaftler, Prof. Homer und Ing. Katmann, die zunächst in den Atomkämpfen des Dritten Weltkrieges unterzugehen drohen.

Aber eines Tages starten sie doch — und landen, durch unbegreifliche Kräfte gezwungen, auf einem Himmelskörper, der gar nicht ihr Ziel ist.

Was sie dort erwartet, übersteigt das Fassungsvermögen der Wissenschaftler und verlangt ihnen allen Mut und alle Klugheit ab.

In dramatischer Zuspitzung erleben wir hier den Zusammenstoß zweier Welten, den Kampf zwischen Vertretern zweier Himmelskörper, in dem die Gesandten dieser Erde keine Chance zu haben scheinen ...

Leihbücher von ScheerBand 2 Vorposten Jupitermond
Während im Chaos des Dritten Weltkrieges die letzten Widerstandsnester der Vernichteten niedergekämpft werden, greift der Sieger nach dem Mars, um auch diese letzte Bastion des Gegners unter sein diktatorisches Regiment zu zwingen. Noch ahnt man auf der Erde nicht, welch grausige Gefahr aus dem Weltenraum unterwegs ist, noch weiß man nicht, welch tolle Geschichte sich auf dem Jupitermond Ganymed zutrug.

Die tüchtigsten Wissenschaftler unserer Erde nämlich hatten auf ihrer Raketen-Flucht in den Weltenraum auf dem Jupitermond eine haarsträubende Auseinandersetzung mit dem Vorposten eines Volkes aus dem Alpha-Centauri-Sonnensystem — technisch weit überlegener Menschen, die von der Erde Besitz ergreifen wollen. Mit List und Mut ist es Professor Homer und Ingenieur Katmann gelungen, die überheblichen Weltraum-Piraten zu besiegen.

Und jetzt stehen Homer und Katmann vor einer gigantischen Aufgabe. Noch wissen sie nicht mit den erbeuteten Wundergeräten umzugehen. Werden sie es lernen, bevor die Centauri-Menschen zum Gegenschlag ansetzen? Und werden sie ihre Kameraden auf dem Mars vor der Vernichtung durch die Beherrscher der Erde bewahren können? —

K. H. Scheer gehört zu den wenigen Autoren, in denen sich der dramatisch geschickte Erzähler mit dem wissenschaftlich versierten Zukunftsdeuter vereinigt. So fesselt auch dieser Roman wieder bis zur letzten Zeile

Leihbücher von ScheerBand 3 Grenzen der Macht
Der Aufstand der Menschheit gegen ihren Diktator und ihr Kampf gegen aggressive Intelligenzen aus dem Alpha-Centauri-System ist der Inhalt dieses neuen Zukunfts-Dramas von K. H. Scheer.

In erregenden Szenen rollt eine Handlung vor uns ab, wie sie packender und interessanter nicht gestaltet werden kann. Aus dem All stoßen die Riesenraumschiffe eines fernen Volkes auf die Erde herab, um die Menschheit zu vernichten und die Erde in Besitz zu nehmen.

Ihrer unerhört technischen Überlegenheit hat die Handvoll führender Wissenschaftler nichts entgegenzusetzen als ein erbeutetes Raumschiff, 30 C-Bomben und ihren Mut und ihren Witz. In hundert dramatischen Abenteuern versuchen diese kühnen Männer die Menschheit zu retten.

Den Freunden des guten Zukunftsromans werden die technischen Ausblicke besondere Freude bereiten.

K. H. SCHEER gehört zu den wenigen Autoren, die ihre Utopien mit Sorgfalt wissenschaftlich fundieren.


Teil 3 Originalausschnitte
Hier das Ende der Leihbuchfassung, nachdem das Raumschiff den Centauriplaneten erreicht hat:

Dann begann Katmann zu handeln. Die Bugstrahler begannen zu arbeiten und stoppten in knapp 40 Minuten die lichtschnelle Fahrt auf eine Geschwindigkeit von nur 100 km/sek. ab. Die Männer atmeten keuchend. Sie hätten schreien mögen, als der zweite Planet des Centauri-Systems über die Ränder der Bildfläche hinauswuchs. Katmann leitete die erste Umkreisung ein. Die Entfernung von der Oberfläche betrug noch 20.000 Kilometer.
"So handeln Sie doch endlich", gurgelte Homer verzweifelt. "Das ist fürchterlich."
"Noch zu weit", sagte Katmann unheimlich ruhig. "Wenn ich die Rak jetzt loslasse, kann sie noch abgeknallt werden, ehe sie die Grenzen der Atmosphäre erreicht hat."

Die Männer stöhnten unterdrückt, und Ton-Rah wurde vor Angst ohnmächtig. Rasend schnell wuchsen die Landschaften auf der Bildfläche. Sorgfältig beobachtete Katmann die Lichtzeichen der Meß-Skalen.
Dann peitschte seine Stimme auf:
"Doktor Legon ... lassen Sie die Luke in der Außenwandung aufgleiten."
"Luke ist auf", keuchte Dr. Legon.
"Fertigmachen für Zündimpuls. Nicht nervös werden. Meine Zeichen abwarten."
Zehntausend Kilometer Oberflächenentfernung zeigten die Meßgeräte an, als Katmann endgültig handelte.
"Achtung ... Zündung, Rakete ab!"

Mit der Faust schlug Dr. Legon auf den Schalter. Mit Lichtgeschwindigkeit raste der Impuls durch die speziell dafür gelegte Leitung und erweckte das empfindliche Robotgehirn der Rakete.
Lautlos raste die Rakete über ihre Gleitschienen, jagte durch die Oeffnung in der Bordwand ins Freie und schoß dann mit stetig wachsender Fahrt auf den Planeten zu, der so dicht unter ihr lag.
Es war vollkommen lautlos geschehen, da durch die fehlende Luft keine Schallwellen weitergeleitet wurden. Mit auf Vollschub laufendem Triebwerk raste sie davon, und niemand auf dem zweiten Planeten der Doppelsonne ahnte, daß sie die teuflischsten Waffen der irdischen Menschheit in sich trug.

"Rakete ist frei", schrie Dr. Legon rasend. "So starten Sie doch endlich! Wir werden ja vergast, wenn die 30 C-Bomben hochgehen."
Doch Katmann hatte schon längst geschaltet. Der Andruck-Neutralisator arbeitete mit voller Kraft, und die Ato-Strahler auch. Mit einer Beschleunigung von 100 Kilometer/Sekunden raste die Riesenkugel zurück in die Tiefen des Raumes. Diesmal hatte selbst Homer nichts gegen die wahnwitzige Beschleunigung einzuwenden. Nur fort ... fort ... und das möglichst schnell!

Ehe die stürzende Rakete in die obersten Schichten der Atmosphäre eintauchte, war die Kugel schon wieder fünf Millionen Kilometer entfernt. In dieser Sekunde raste die Rakete in die rasch dichter werdende Lufthülle hinein. Durch den Reibungswiderstand begann sie sofort aufzuglühen. Erst rot, dann hell rot, und schließlich weißblau. Die Zelle bestand aus bestem Marselium, das erst bei 20.000 Hitzegraden schmolz. Dadurch konnte sie viel tiefer in die Lufthülle eintauchen, als es bei normalen Werkstoffen der Fall gewesen wäre. Eine normale Stahlhülle wäre schon längst verdampft gewesen, als die Todesrakete noch immer stürzte.
Doch dann war der kritische Punkt erreicht. Der Automatzünder war so eingestellt, daß er bei 18000 Hitzegraden den Zündimpuls geben mußte Das geschah, als die Rakete nur noch 60 Kilometer über der Oberfläche und damit schon tief in den dichten Luftschichten war.
Schlagartig gingen die 30 Kohlenstoffbomben in den Kern-Reaktionsprozeß über. Dreißig Höllenbomben, von denen eine schon genügte, um ein Land von der Größe Spaniens restlos zu vernichten, explodierten in winzigen Sekundenbruchteilen.
Acht Millionen Kilometer entfernt brach eine atomare Hölle von unfaßbarer Gewalt aus. Die innere Gaskugel der dreißig Bomben jagte bis auf den Boden hinab und brachte ihn schlagartig zum Kochen. Eine ungeheure Druckwelle umraste den ganzen Planeten. Meere schäumten auf, und ganze Gebirgszüge wurden allein von dieser Druckwelle hinweggefegt und in den Raum gerissen.

Doch das war nur der Anfang der endgültigen Vernichtung. Es kam so, wie es Professor Debra Sittona gesagt hatte.
Die bei Kohlenstoff-Explosionen lange Zeit konstant bleibende Temperatur im Reaktionszentrum bewirkte einen unheimlich schnell eintretenden Kernprozeß der leichten Elemente ... vor allem aber einen Prozeß der Wasserstoffkerne. Die konstant bleibende Hitze im Explosionszentrum von etwa 40 Millionen Grad bewirkte eine derart hohe Beschleunigung der Protonen, daß sich je vier von ihnen zu einem Heliumkern vereinigten, wobei sie je zwei Positronen als Energie abgaben. Das war ein typischer Kernverschmelzungsprozeß, der durch die Massenexplosion der C-Bomben nun spontan auf die gesamte Atmosphäre übergriff.
Sämtliche Wasserstoffkerne wurden angegriffen, und sie reagierten so, wie sie es infolge der immer höher ansteigenden Temperaturen auch tun mußten. Der zweite Planet der Doppelsonne verwandelte sich in wenigen Sekunden in eine wahrhaft gigantische Wasserstoffbombe, die durch die Energie von 30 Kohlenstoff-Bomben gezündet wurde.
Der Reaktionsprozeß raste um den ganzen Planeten herum, und selbst die Wasserstoff-Atomkerne in den Meeren und Flüssen traten in die Kernverschmelzung ein.

Die Centaurianer hören nicht mehr das unfaßbare Brüllen der planetenumfassenden Riesenexplosion. Sie fühlen auch nicht mehr, wie er durch die unfaßlichen Gewalten zerrissen und in der Form von gewaltigen Bruchstücken in den Raum gewirbelt wurde.
Das System Alpha-Centauri bestand plötzlich aus drei Sonnen, von denen die künstlich erzeugte viel heller und gewaltiger strahlte als die natürlichen. Das war der berühmt-berüchtigte Wasserstoff-Heliumeffekt, vor der die irdischen Wissenschaftler des Jahres 1987 so eindringlich gewarnt hatten. Der Mensch war fähig, einen Himmelskörper restlos zu vernichten.
Leichenblaß sahen die Männer auf die Bildfläche auf der das entsetzliche Bild deutlich sichtbar war. Immer noch raste das Schiff mit Höchstbeschleunigung in den Raum.
Katmann sah in das leichenblasse Gesicht Homers. Der Wissenschaftler sah ihn so seltsam an, daß Katmann verlegen den Kopf senkte. Er wußte, was Homer dachte. Da war eine Welt vernichtet worden, die die Heimat einer Rasse gewesen war, an die die irdische Menschheit nicht herankam.

"Es mußte sein", murmelte Katmann rauh, "es mußte sein! Sie ... oder wir! Denken Sie an Paris! Mehr habe ich nicht zu sagen. Die Centaurianer werden uns nicht mehr angreifen."
"Sie werden sich eines Tages vor ihrem Schöpfer zu verantworten haben", flüsterte Homer leise.
"Ja, das werde ich!" schrie Katmann verzweifelt. "Ich hätte mich aber auch zu verantworten gehabt, wenn ich es zugelassen hätte, daß drei Milliarden Erdenmenschen ausgelöscht werden."
Ton-Rah sah ihn bebend an.
"Sie haben meine Rasse vernichtet, und die, die noch auf den anderen Planeten als Kolonisten leben, haben Sie dem Artentod ausgeliefert, denn dort gibt es keine Frauen."

Schwerfällig schritt Katmann aus der Zentrale, und Isidor Rock folgte ihm. Er war ernst, doch um seine Lippen spielte ein Lächeln.
"Sie müssen sich beruhigen, Rolf. Sie werden es auch, denn du hast so handeln müssen. Jetzt werden wir die Erde wieder aufbauen, und wenn die Brüder wieder anfangen zu spinnen, dann werden wir ihnen beibringen, was sie der Menschheit schuldig sind. Die Centaurianer hatten die Grenzen ihrer Macht überschätzt, und deshalb mußten sie sterben.“

Und so sieht der geänderte Schluss des Romans der Taschenbuchausgabe aus:

Sie waren tatsächlich gelandet worden. Bisher verlief alles planmäßig.
Niemand hatte den Knopf bedient, der die Schleusentüren öffnete. Es mußte also eine Methode geben, alle Mechanismen von außen zu steuern.
Drei Centaurianer standen in der Öffnung und lächelten zu den erstaunten Männern herauf. Sie neigten die Köpfe und machten eine einladende Geste mit den Händen.

»Gehen wir«, kommandierte Katmann. Die Männer folgten ihm zögernd. Fest hielt Rock Ton-Rahs Arm umklammert.
Aber er würde bald abgelöst. Der eine Centaurianer zog eine bläuliche Schnur hervor und legte sie um Ton-Rahs Körper.
Als sich die beiden Enden der Fessel berührten, wurde sie hart, und Ton-Rah konnte nur noch kleine Schritte machen, sich sonst aber nicht mehr bewegen.
»Dies ist der beste Beweis, daß sie wissen, was los ist«, raunte Homer dem Ingenieur zu, der inzwischen ins Freie getreten war.

(…)

Der Wissenschaftler, der sich Sa-Ron nannte, machte eine abschließende Handbewegung.
»Es ist ein unliebsamer Anlaß, der euch hierherbrachte. Wir haben die Erde absichtlich nicht aufgesucht. Wir wußten, daß sich dort eine neue Kultur entwickelte. Wir wollten das normale Geschehen nicht stören.
Aber nun wird es anders werden. Der Präsident hat mich beauftragt, euch herzlich zu grüßen. Er schlägt einen Freundschaftspakt vor. Wir wollen unser Wissen gegenseitig austauschen. Das wird beiden Völkern nützen.«
Katmanns Mannschaft war über soviel Bescheidenheit erschüttert. Zweifellos waren ihnen die Centaurianer überlegen und offenbar nicht nur in technischer Beziehung. Doch sie brachten es fertig, die Menschen anzuerkennen, obwohl sie wissen mußten, daß sie dominierten.
Homer räusperte sich. Er mußte sich mit einem eigenartigen Gefühl auseinandersetzen. Eine Mischung aus Freude und Dankbarkeit.

»Wir sind froh, daß wir hier sein dürfen. Wir alle sind einer großen Katastrophe mit knapper Not entgangen. Ihr werdet verstehen, daß wir glauben mußten, alle Centaurianer seien so wie die, mit denen wir zuerst Kontakt bekamen. Zum Glück unternahmen wir einen Versuch, und nun sind wir glücklich, daß wir Gleichgesinnte gefunden haben.«
Sa-Ron lächelte weise.
»Es war sehr mutig von euch. Ton-Rah erinnerte sich nicht an den Versuch, den ihr mit ihm machtet. Aber ich habe Spuren des Mittels in seinem Körper gefunden, als ich ihn untersuchte. Trotzdem habt ihr eine Gefahr übersehen. Ton-Rah hätte euch das alles nur vorspielen können. Das wäre ein Weg gewesen, sich selbst zu retten und den Überfall auf seinen Heimatplaneten zu verhindern.«
Katmann wurde bleich. Er starrte mit einem betroffenen Blick zu Homer hinüber.
»Haben Sie daran gedacht, Professor?«
Homer schwieg lange Zeit. Dann sagte er:
»Ich habe daran gedacht. Aber ich mußte es riskieren. Auf einen Verdacht hin konnten wir nicht einen Planeten auslöschen.«

Sa-Ron nickte bedächtig.
»Sie hatten nur Ihren Glauben an das Gute. Dieser Glaube hat Sie den richtigen Weg geführt.«
Zwei Tage später startete eine centaurianische Streitmacht in den Weltraum. Ton-Rah hatte das Versteck der Verbrecher preisgegeben. Die Menschen nahmen an der Expedition nicht teil. Sie waren Gäste der Centaurianer, und man wollte sie nicht der Gefahr eines Kampfes aussetzen.

(…..)

Gemeinsam mit den Centaurianern beobachteten sie, wie die Kampfschiffe zusammen mit zwei weiteren Schiffen zur Landung ansetzten. Zweiunddreißig Centaurianer stiegen mit verbissenen Mienen aus. Soldaten bewachten sie, obwohl jeder Verbrecher einzeln mit einem bläulichen Tau gefesselt war, das hart wie Stahl wurde, sobald sich die Enden zusammenschlossen.
Man gestattete den Menschen, die Normalisierung zu beobachten. Ein Verbrecher nach dem anderen wurde in den riesigen Stahlkorb geführt. Chemische Dämpfe einer besonderen Zusammensetzung, die durch die Haut und die Atmung in den Körper drangen, töteten die entarteten Triebe ab. Ohnmächtig wurden die Behandelten hinausgetragen.

(… )

Die Männer schwiegen lange. Homer dachte an die Geschehnisse auf der Erde. Selbstverständlich waren die Centaurianer um vieles voraus; aber auch sie hatten die Freiheit noch nicht gänzlich begriffen. Auch diese Wesen konnten daran zerbrechen, daß sie frei waren.
»Ich sehe darin die enge Verwandtschaft unserer beiden Völker«, sagte er nach einer langen Pause. »Auch wir Menschen lieben und fürchten die Freiheit zu gleicher Zeit.
Manche von uns können nicht maßhalten. Sobald sie spüren, daß man ihnen Macht in die Hände gibt, verändern sie sich. Sie lösen Kriege aus. Auf Befehl müssen sich die hilflosen Völker bekämpfen. Erst wenn es gelingt, dies zu beseitigen, regiert wieder die Vernunft.«
»Diesen Zustand haben wir bereits überwunden. Aber es gibt immer noch Einzelwesen, die sich von dem Hunger nach Macht betören lassen. Wenn sie die Schulungsmaschinen anhören würden, dann lernten sie nach und nach das erste Gesetz unserer Zivilisation – Aber wir dürfen sie nicht dazu zwingen.«

»Und wie heißt dieses erste Gesetz?« fragte Homer, obwohl er ahnte, wie die Antwort lautete.
Sa-Ron überlegte einen Augenblick. Wahrscheinlich, um die richtige Übersetzung zu finden. Dann sagte er langsam und eindringlich:
»Freiheit ist der Sieg über das eigene Ich, der Sieg über die Wünsche und Begierden. Freiheit ist die Einsicht, daß jede Macht Begrenzungen haben muß. Nur wer die Grenzen seiner Macht kennt, ist wirklich frei!«
Eine Woche später startete das Kugelraumschiff, das die Menschen gebracht hatte. Zwölf centaurianische Wissenschaftler und einige technische Geräte befanden sich an Bord.
Homer, Katmann und die anderen nahmen ungern Abschied von dem Planeten, auf dem sie so viel gelernt hatten.
Aber dieser Abschied mußte nicht für immer sein. Es würde von jetzt an eine enge Verbindung zwischen Centaurianern und Menschen geben.

Das war die friedlichere Schluss der Trilogie einige Jahre später.

Zur Einleitung


Kommentare  

#1 Andreas Decker 2013-12-07 14:01
Das ist aber ein krasses Beispiel. Ich hätte nie gedacht, dass die Romane regelrecht umgeschrieben wurden.

Auch wenn die Erkenntnis nicht neu ist, ist mal wieder ein schönes Beispiel, wie unsicher und unter Druck Heftromanverlage ständig waren. Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, war es ja nicht so, dass die Leihbuchausgabe Ärger mit dem Jugendschutz gehabt hätte. Also wird das eher nicht der Grund für das alternative Ende gewesen sein.

Denkt man das mal weiter, kann man eigentlich jeden Tubb oder Bulmer oder Silverberg aus der Zeit in der Heftform nur mit Misstrauen beäugen.
#2 hapi 2013-12-08 08:49
Meist beschränkten sich die Änderungen auf Kürzungen, damit die Romane ins Heftchen oder TB-Format passten. Der Centauri-Zyklus ist da eine Ausnahme.
Und bei der geplanten Neuauflage der Scheer-Romane bei Transgalaxis sollen jeweils 2 TB der alten Pabel-Ausgae in einem Band erscheinen. Der Hinweis auf die alten Leihbücher ist da etwas irreführend, es werden wieder die bearbeiteten Texte neu aufgelegt.
#3 R. Tostan 2018-04-18 08:51
Interessant! Als Scheer-Fan sage ich von Herzen danke für die langen Zitate und die Erklärung. Ich habe "Vorposten Jupitermond", aber leider nicht "Flucht in den Raum", als Groschenheft vom Flohmarkt. Ich hatte überlegt, mir die beiden fehlenden Teile als Taschenbücher zu kaufen, aber jetzt suche ich wohl doch lieber nach den alten Heften. Übrigens, "Ton-Rah"..."Rho-Dan"...nur ein Zufall? ;-) Das erinnert mich an Herbert Reinecker, der im Kommissar (in der Folge "Rudek") zum ersten Mal den Namen "Derrick" verwendete, damals für das Mordopfer (gespielt von Sky Dumont), und später den Namen wiederverwendete...wir wissen ja alle, für wen. Selbstplagiate sind bei einem Vielschreiber wohl gar nicht zu vermeiden. Ist bestimmt bei Karl May auch so, wenn man mal nachforschen würde.

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