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Vom Vampyr zum Positronenhirn. Alte phantastische Literatur im Verbrauchertest: Teil 2 Rolf Gardener – Sternenpest (1958)

Vom Vampyr zum Positronenhirn. Alte phantastische Literatur im VerbrauchertestTeil 2:
Rolf Gardener – Sternenpest
(1958)

Wer wie ich das turbulente Genre der Invasionsromane liebt, muss sich darauf einstellen, dass er vom Autor eine recht enge Auswahl von Greueln besorgt bekommt, die bald die Erde und im Erfolgsfalle die Alpträume des Lesers heimsuchen werden. Da wären die Marsianer. (Sehr beliebt.) Oder Wesen aus andren Galaxien.


SternenpestManchmal auch Originelleres, wie Pilze oder Deutsche (in amüsanten Romanen von Rohr und Saki etwa.) Selten erlebt man Kombinationen. Also es müssen ja nicht unbedingt Deutsche mit Pilzen sein, aber wie wäre es mit fiesen Außerirdischen, die einfach noch ein bißchen Bonus-Horror im Gepäck haben?

Rolf Gardener läßt es in dieser Hinsicht in seinem furiosen Roman „Sternenpest“ richtig krachen.

Hier die reißerische Inhaltsangabe es Luro-Verlags:

Es geschah im Jahre 2003.
(...)
Zwei kleine dunkelhäutige Männer waren es, die unter befremdenden Umständen bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten vorstießen und große Teile Amerikas für Menschen eines anderen Sonnensystems beanspruchten. Man hielt sie für Irrsinnige, und das war wiederum ein Fehler. Die beiden Männer verschwanden spurlos, und dann begannen die Wesen einer fremden Welt auf ihre Art die beanspruchten Gebiete zu räumen.
Sternenpest ! Niemand wußte später zu sagen, wer diesen Ausdruck zuerst geprägt hatte, aber er war zutreffend. Sie breiteten sich wie eine Seuche aus, die schwarzglänzenden Insekten einer fernen Welt. Sie verbreiteten Angst und Schrecken, sie verbannten die Menschen hinter verrammelten Türen und trieben sie später doch hinaus, aus Häusern, Dörfern und Städten. Wer sollte dieser Sternenpest Herr werden ?
(…)

Im nüchternen Klartext: Da tauchen merkwürdige Typen in herrlich futuristischen Autos auf, die gern die Hälfte der vereinigten Staaten haben wollen, um Platz für eine Alienrasse zu schaffen, deren Planet grade abnippelt. Natürlich nimmt die keiner so richtig ernst. Die Abgesandten verbreiten Verwirrung und erschrecken die Welt mit einer geheimnisvollen kugelähnlichen Allzweckwaffe, die überall umherschwebt. Und als auch das nichts hilft, beschließen sie, die Erde auf andrem Wege gefügig zu machen: Durch schnöde Spinnen. Das heißt so schnöde sind die gar nicht, sondern eine besonders perverse Züchtung, extrem widerstandsfähig, faustgroß und hochgiftig.

Nach langen ekelhaftem Hin- und Hergewoge gewinnt die Menschheit die Invasion. Nachdem Feuerwerfer nichts genützt haben, erkennt man, dass die Biester kein Wasser vertragen – der Literaturfreund kennt diese Pointe aus dem legendären frühen Fantasy-Roman „The Wizard of Oz“ von Frank Baum, wo Dorothy die böse Hexe am Ende auch durch Übergießen von Wasser besiegt.

Die Doppelinvasion ist ein großer Spaß für alle, die trashige SF mögen. Schon der Titel ist ein Geniestreich. Zwei Begriffe von so gegensätzlicher Assoziationskraft zu koppeln, die poetischen Sterne mit der ekligen Pest – wundervoll! Und dann erschöpft sich der Roman nicht im Abspulen oller Klischees, sondern wartet mit witzigen Einzeleinfällen auf.

Da ist der windige Makler Rosendhale – den eines Tages zwei Männer besuchen, die Land kaufen wollen. Sie packen 1000 Dollar auf den Tisch. Rosendhale lacht sich schlapp – das wird wohl nicht reichen. Das Land kostet mindestens eine Million Dollar. Ein Typ hält einen 1000-Dollar Schein hoch und fragt: „Also Zehntausend solche Scheine hier, oder?“ Der Makler bestätigt das.

Dann kommen die Finsteren wieder – natürlich mit einem Koffer voll Geld. Rosendhale zählt das Geld – und bemerkt entsetzt, dass die Scheine alle dieselbe Nummer haben! Riesenskandal.

Alles Fälschungen! Die Aliens (denn natürlich sind es welche) bleiben nach kurzer Verwirrung gelassen. Da sollen überall verschiedene Nummern drauf? Ach so! Kein Problem, wird besorgt. Und so kommt es auch.

Komisch ist hier das kulturelle Mißverständnis – die Außerirdischen haben keinen blassen Schimmer, wie das mit dem Geld auf der Erde läuft, und stellen einfach perfekte Duplikate her, der gewiefte Makler hingegen sieht in ihnen einfach Kollegen aus dem Verbrechermillieu und steigt in das vermeintlich geniale Fälschergeschäft mit ein.

Solche Einfälle hellen den ansonsten im zweiten Teil für einen Leihbuchroman erstaunlich brutalen und düsteren Plot erfreulich auf.

Geschickt wird das Grauen aufgebaut. Ein Forstbeamter geht durch den Wald und stößt auf viele Tierkadaver...

„Mitten auf dem Weg lag ein Vogel, ein Kauz, ein Tier, das man am hellen Tag kaum zu sehen bekommt. Der Kauz war auf das Doppelte seiner Größe angeschwollen, die starren, weitgeöffneten Augen schienen aus den Höhlen zu quellen, und...ein Fuß des Vogels bewegte sich unaufhörlich hin und her, hin und her.“

Dieser zuckende Fuß wird zum Leitmotiv erkoren – alle von den Spinnen Gebissenen zucken mit einem Fuß. Erstmal kein schlechter Einfall, der hier aber überstrapaziert wird und so die Sache ins leicht Lächerliche kippen lässt, ob absichtlich oder unfreiwillig, ist nicht ganz klar.

Insgesamt straff geschrieben, weist der Roman eine Besonderheit auf, die man in der Trivialliteratur entweder bei ganz schlechten oder sehr raffinierten Romanen findet: Es gibt keine Helden zur Identifizierung. Kein Einzelschicksal lädt hier ein zum Mitfiebern; die einzige Person, die immer mal wieder auftaucht, ist der miese Makler. Gardener schafft es aber trotzdem, die Spannung bis zum Schluss zu halten, einfach durch flüssigen Schreibstil und einer Fülle an schönen Einzelideen. Keine schlechte Leistung!

Einziger peinlicher Makel: Immer wieder ist hier von „Insekten“ die Rede, als Synonym für die Spinnen – die bekanntlich gar nichts mit Insekten zu tun haben, eine eigene Spezies bilden und mit ihren acht Beinen den Krebstieren näher stehen als den sechsbeinigen Insekten. Sowas konnte man auch schon vor Wikipedia wissen. Solche Schnitzer stören den Lesegenuss, hier wie an anderen Leihbuch-Kloppern, auf die ich in der Reihe noch zu sprechen komme, spürt man, wie unzureichend die Lektorierung im Leihbuchbereich oft gewesen sein muss; auch die Schreibfehlerquote ist hoch.

Wer war Rolf Gardener? Vermutlich ist das ein Pseudonym; man weiß nichts über den Autor. Nachgewiesen sind (nach meinem Kenntnisstand) vier SF-Romane, einer erschien 1954 im Rappen-Verlag („Raumschiff Betageuze“) , alle andren drei 1958 im Luna Verlag in Köln. Ein weiterer Roman aus dem Verlag scheint zum Genre Thriller zu gehören („Treibjagd in Chicago“). Ich kenne nur „Sternenpest“; es würde sich durchaus lohnen, mal die andern unter die Lupe zu nehmen, vielleicht ist dies ein wirklich durchgängig amüsanter Autor, der neu entdeckt werden sollte – oder das Pseudonym eines andren bekannteren.

Das Titelbild von Keiku ist stimmungs- und phantasievoll, hat aber keinerlei Beziehung zum Roman. Schade eigentlich. Eine schöne Alien-Spinne hätte mir eher gefallen.

Fazit: Sicher kein Meisterwerk der SF. Aber eine höchst originelle und freche Vermischung von

Horror, Zukunftsroman und Satire. Auch heute noch durchaus lesbar und schönes Sammelobjekt, dank des unbekannten Verfassernamens auch nicht teuer zu erstehen (ebay, zvab etc.) Freilich muss man über die im Leihbuchsektor übliche große Schreib- und Kommafehlerquote mild hinwegsehen. Eine milde Bearbeitung (Tilgung der gröbsten Fehler) würde eine Neuauflage durchaus rentabel machen.

Nächste Folge: Arthur Conan Doyle: Geschichten am Kamin. Horrorstories (1908)

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