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Der Luftpirat und Matthias - Band 3 Kapitän Mors in Indien

Der Luftpirat und MatthiasBand 3 –
Kapitän Mors in Indien

Was Innovation und abstruse Ideen betraf, reichte vor dem 1. Weltkrieg keine Serie an  »Der Luftpirat« heran, nach Einschätzung vieler Experten die erste Science-Fiction-Reihe der Welt überhaupt. Erschienen sind um 1910 genau 165 Abenteuer, die in einem Format herauskamen, das zwischen dem heutigen A5 und A4 angesiedelt war. Ich unternehme nun eine Lesereise und berichte über die Abenteuer des Luftpiraten. Folgt mir auf diesem Weg ...


Kapitän Mors in Indien Band 3 – Kapitän Mors in Indien 
Schauplatz:
Planet Erde. Indien. Ist ja klar.

Inhalt:
Lindo, einer der treuen indischen Diener des Kapitäns auf dem Luftschiff, war einst der Sohn eines indischen Fürsten, ein Prinz also, der ein wirklich tolles Leben vor sich hatte – ihm winkte nach dem Tod des Vaters der Thron und auch eine süße indische Braut, ein Mädchen, das er seit Kindertagen kannte. Doch dann kam es zum brutalen Staatsstreich – der Vater und alle Anhänger des Fürsten wurden ermordet, Lindo konnte nur überleben, weil Kapitän Mors mal eben mit seinem Luftschiff vorbeischipperte und ihn aussammelte. Nun hatte der Kapitän, wie wir aus Band 1 wissen, ja ein ähnlich düsteres Schicksal. Und so verspricht er mitfühlend seinem Getreuen, ihm dabei zu helfen, den Putschisten zu töten.

Der Luftpirat und Lindo lassen sich am Grabmal des toten Herrschers absetzen – und werden dort gleich von riesigen Tigern angegriffen, die Mors aber locker mit einer Super-Schußwaffe vernichtet, einer Art Elektro-Pistole, die zwar nur ganz leise knallt, aber gespenstische Wirkungen hat und die Opfer quasi wie Papier zerfetzt.

Von einem alten Mann erfahren sie vor Ort, dass der neue Machthaber just morgen die einstige Braut Lindos ehelichen will!

Mors und Lindo mischen sich als Bettler verkleidet unters feiernde Volk – sie haben sich inzwischen auch Pferde besorgt – und tatsächlich gelingt es Lindo, an den Herrscher heranzukommen und ihn zu erstechen. Im folgenden Chaos werden die beiden zwar von der Leibwache verfolgt, doch das Luftschiff greift ein und sammelt die Verfolgten auf, während die Wachen panisch vor dem riesigen schwerbewaffneten Luftschiff fliehen.

Ende gut, alles gut? Weit gefehlt! Denn die Heirat mit Nauma, der einstigen Braut Lindos, war schon vollzogen, und so wird sie nach alter indischer Sitte dazu verurteilt, lebend mit der Leiche ihres Mannes (den sie natürlich gehasst hat!) verbrannt zu werden. In letzter Minute greift der Luftpirat ein – natürlich aus der Luft. Doch die Rettung läuft zunächst schief – es gelingt Mors zwar, die Fesseln der Frau vom Pfahl des Scheiterhaufens zu lösen, doch Nauma flieht in Verwirrung und Panik vor Mors -

und fällt in einen Fluß. Und dort lauern gefräßige Krokodile! Diesmal kommt Mors fast zu spät – denn die rettende Strickleiter aus der Luft verheddert sich in einem Baum. Todesmütig wirft er sich ins Wasser und liefert sich einen Showdown mit den Krokodilen, aber dank seiner Superduper-Waffe macht er aus den Echsen Gehacktes, und am Ende kann er cool wie Bruce Willis auf dem Schiff zu Lindo sagen: „Ihre Rettung hat mit etwas mehr Mühe gemacht, als ich glaubte“.

Kommentar:
Karl May machte den wilden Westen und den Orient in der deutschen Abenteuerliteratur populär, doch auch  Indien gehörte zu den beliebten Schauplätzen. Einer der Pioniere des Abenteuerromans in Deutschland, Hermann Goedsche, der unter dem britischen Pseudonym Sir John Retcliffe schrieb, löste mit seinem Roman „Nena Sahib oder die Empörung in Indien“ 1858 ein erstes Indien-Fieber unter deutschen Lesern aus. Robert Kraft knüpfte daran an – in den 1890er Jahren erschien sein extrem populärer Abenteuer- und Intrigen- Klassiker „Um die indische Kaiserkrone“. Aber auch sein berühmter Erstling, der 4000seitige Bestseller-Fortsetzungsroman „Die Vestalinnen“ enthielt eine lange Indien-Episode. Zum Schluß sei auch noch Jules Verne's „In 80 Tagen um die Welt“ erwähnt, wo die Helden des Romans ebenfalls eine junge indische Witwe vor dem Feuertod retten.  

All das dürfte in diesen kleinen Heftroman mit eingeflossen sein, es handelt sich größtenteils also für 1912 um eher altes Geschichten-Garn, die Story ist zwar gegen Ende recht kurzweilig erzählt, aber dies ist – auch sprachlich – ein recht klassisches Old-Fashion-Abenteuer, (fast) ohne jeden reizvollen literarischen Flirt mit der Moderne, den viele spätere Hefte aufweisen, sei es durch Einbeziehung von großstädtischem Setting wie Wolkenkratzern, moderner Schurken wie dem wahnsinnigen Wissenschaftler oder SF-Elementen.

Immerhin kommt hier erstmals die höchst interessante Elektro-Pistole und das Elektro-Gewehr zum Einsatz, dessen Reiz im Kontrast von Ursache und Wirkung liegt – der Knall ist völlig unspektakulär, wie Wirkung verheerend.

Historisch interessant ist, wie hier die typische Auffassung von Männlichkeit in der wilhelminischen Ära vermittelt wird.  Am Grab seines Vaters und seiner ermordeten Verwandten bricht Lindo in Tränen aus. Dem eisernen Käpten gefällt das nicht:

„Laß den Frauen und Mädchen das Klagen. Sei ein Mann, denke an die Rache!“

Klar, ein Junge heult nicht. Und Lindo antwortet auch so, wie wirs von einem echten Mann erwarten: „Kurz war die Schwäche. Die ist vorüber. Nun zum Tempel.“

Eins der schwächeren Hefte.

Die lustigsten Sätze:
Es ist schon amüsant zu lesen, wie hier immer wieder die Coolnes und Heldenhaftigkeit des maskierten Rächers beschrieben wird. Durchaus schon in Vorwegnahme des herrischen Tonfalls der frühen Marvel- und Superhero-Comics.  Eine genaue Textanalyse würde wohl bestätigen, dass wir es hier nicht nur mit der ersten SF-Serie der Welt, sondern auch einer der ersten Super-Hero-Legenden der Literaturgeschichte zu tun haben:

Kapitän Mors gehörte zu den Männern, welche die Furcht nur dem Namen nach kannten.
Ringsum im Walde tönte das Gebrüll und Geheul der Tiger, aber der Maskierte schritt so gleichgiltig dahin, als ob er sich auf einem Spaziergange befinde.

Das Cover:
Der Käptn im dramatischen Abwehrkampf mit den Krokos, dazu eine entsetzensstarre Dame in höchster Not. Sehr hübsch. Lustig, dass ein Krokodil schon mal als Horsd'euvre ein Teil des Kleids verspeist. Doch kann sich ein Rettungsseil wirklich derart verheddern wie auf dem Cover zu sehen? Ich glaubs ja nicht...

Übersicht:

  • Band 4:  Der Luftpirat im Diamantenlande (7. Juli)

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