Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Eiskalt wie ein Todeskuss
Eiskalt wie ein Todeskuss
Eiskalt wie ein Todeskuss
England im Mittelalter. Im Peak District (Nordengland). Im kleinen Dörfchen Stymead schreiten der Priester und ein paar Dörfler zur Tat. Sie schleppen die Leichen der Lady Sybil und ihrem garstigen Schoßtier in die Kirche, um sie einem Exorzismus zu unterziehen und in einen mit Bronze ausgeschlagenen Sarg zu sperren. Denn schon viel zu lange sucht die Lady als Blutsauger das Dorf heim. Beim Anblick der schönen nackten Leiche mit den Fangzähnen und Krallenfingern kippt der Priester tot um, aber die beherzten Männer vollenden ihr Werk. Mehr oder weniger.
1974. Die hübsche Sally Fenton und ihr Freund Andy Thomson haben die Kunsthochschule abgebrochen und einen Kunstgewerbeladen in einer Scheune in einem Nachbardorf von Stymead aufgemacht. Dort leben sie mit ihrer Promenadenmischung und zwei Katzen fröhlich in Sünde zusammen. Sie verkaufen den Touristen Andenken und kommen vor lauter Bemühungen, nicht pleite zu gehen, gar nicht mehr dazu, sich um ihre Kunst zu kümmern. Da findet Sally auf einem ihrer Streifzüge eine verfallene Kirche und eine Bronzegrabplatte. Von der Grabplatte macht sie einen Abrieb. Denn Grabsteinabriebe werden gern gekauft.
Andy ist wenig begeistert über das Portrait. Es zeigt eine gesichtslose Frau mit ihrem seltsamen Schoßhund, der Reißzähne hat. Und dann muss Sally das Teil auch noch in ihrem Schlafzimmer aufhängen. Im Mondlicht scheint der Hund zum Leben zu erwachen, es wird eiskalt im Zimmer. Am Morgen ist eine der Katzen tot. Blutleer. An dem Abrieb scheint Blut zu kleben. Andy wird nervös. Sie fahren nach Stymead und sehen sich die Platte in der verfallenen Kirche noch einmal an. Man hat das Gesicht der Lady bewusst zerstört.
Im Dorf entdecken sie eine Kneipe, die "Zum Schwarzen Alf" heißt. Sally kommt der Name bekannt vor. Andy will nichts mehr mit dem Abrieb zu tun haben. In der nächsten Nacht gerät er in den Bann des Blattes und sieht, wie der Schoßhund im Mondlicht zum Leben erwacht und ihn förmlich hypnotisiert.
Am nächsten Tag verbrennt Andy das Bild. Es gibt Ärger, weil ihn ein Farmer beschuldigt, dass ihr Hund ein Lamm gerissen haben soll. Ein Mann aus Stymead warnt Andy, die Finger von der Kirche zu lassen. Sally findet heraus, dass ein "Alf" so etwas wie der Hausgeist einer Hexe sein soll. Prompt erscheint Lady Sybil im Mondlicht und hypnotisiert Sally, während Andy der gelähmte Beobachter ist. Am nächsten Morgen weiß Sally von nichts.
Andy ist nun besessen von der Geschichte. Er fährt nach Stymead und versucht mehr zu erfahren. Aber der Pfarrer erweist sich als verrückter Exzentriker. Im "Schwarzen Alf" lässt ihn der Wirt auch abblitzen. Als er wieder nach Hause kommt, ist Sally verschwunden. Dafür hängt der Abrieb wieder da.
Andy dreht durch. Der Dorfpolizist ist nicht hilfreich. Auch sonst will ihm keiner helfen, Sally zu finden. Schließlich findet er sie in der Kirche. Gerade sind Lady Sybil und ihr Schoßtier dabei, Sally das Blut auszusaugen. Andy kann sie retten, indem er den Blutsaugern ein Steinkreuz entgegenwirft, das sie vertreibt. Er ergreift mit der bewusstlosen Sally die Flucht. Unterwegs wird er von ein paar Dörflern aufgegriffen, darunter dem Wirt, die die ganze Zeit Bescheid wussten. Man bringt Sally ins Krankenhaus zur Bluttransfusion und erklärt Andy die Geschichte. Einst brachte Kreuzritter Humphrey seiner Frau Sybil einen Schoßhund aus Transsylvanien mit. Aber die Kreatur war ein Dämon und machte die Lady zum Vampir. Die Dörfler wollten sie vernichten, sperrten sie aber nur ins Grab. Nun weiß Andy, was er jetzt zu tun hat.
Während Sally im Krankenhaus versorgt wird, kehrt Andy mit den Dörflern zur Kirche zurück. Sie öffnen das Grab. Dort pfählen sie die Lady und ihren Dämon. Aber als Andy zurück nach Hause fährt, erlebt er einen Schock. Der Abrieb trägt jetzt Sallys Gesicht. Und tatsächlich ist sie im Krankenhaus gestorben. Eine fremde Frau hat sie vor ihrem Tod besucht. Lady Sybil.
Andy ist untröstlich. Am Abend legt er sich in ihrer Scheune auf sein Bett und wartet. Denn er weiß, dass Sally nun ein Vampir ist und ihn besuchen wird. Und wie könnte er seinen Schatz den Männern von Stymead übergeben?
Brian Ball, auch Brian N. Ball, Jahrgang 1932, war Lehrer, bevor er anfing, SF im britischen Magazin New Worlds zu veröffentlichen. 1965 erschien sein erster Roman "Sundog", der in Deutschland bei Fischer Orbit veröffentlicht wurde. In den folgenden Jahren schrieb er einige SF-Romane, von denen die meisten bei Goldmann ihr Heim fanden. Er schrieb auch Jugendbücher, Krimis, Novelisations von Space:1999 und eine Handvoll Horrorromane. Davon schafften es aber es aber nur zwei nach Deutschland. Neben dem vorliegenden Band gibt es noch den Vampir Horror Roman 61 "Der Fürst der Finsternis" vom April 1974 (Devil's Peak, NEL 1972). Seine Witchfinder-Serie (2 Titel), wo es um den alkoholkranken Ex-Priester und Exorzisten Ruane geht, war dem Verlag vielleicht zu heikel, geht es im ersten doch um eine spießige Hausfrau, die das Böse überfällt und zu einer sexuell aufgeschlossenen Femme Fatale macht. Sehr zum Entsetzen ihres noch spießigeren Ehemanns.
Genau wie "Devil's Peak" nimmt "The Venomous Serpent" gewissermaßen den Lokalkrimi voraus. Beide Romane spielen im "Peak District", einem Nationalpark im englischen Derbyshire, und die Beschreibungen von Land und Leuten werden allgemein als recht authentisch bezeichnet.
Auch wenn "Serpent" als NEL Horror No.3 erschien und man viel Sex und Gewalt erwarten sollte, ist der Roman das genaue Gegenteil. Trotz des Prologs, der förmlich Hammer-Film schreit, handelt es sich um eine klassische und bedächtige Gruselgeschichte. Durch und durch britisch. Etwas M.R.James, reichlich Bram Stoker, exzentrische Landbewohner, und der Pub spielt eine wichtige Rolle. Da der Roman lange vor der Neuerfindung der Vampirfigur als etwas Romantisches verfasst wurde, gibt es hier die klassische Version, die Mischung aus Geist und blutsaugender Leiche, die die größte Zeit in ihrem Sarg bleibt, keine Reden schwingt und nur wenige Auftritte hat. Dementsprechend gibt es im Buch auch nicht viel Blutsaugeraction, dafür sind die Geisterszenen im Mondlicht sehr atmosphärisch geschildert. Und eine Pointe am Ende gibt es auch noch, wenn enthüllt wird, dass Sally eine ferne Nachfahrin von Lady Sybil ist. Das düstere Ende war 1974 bestimmt überraschender als heute, ist auf seine Weise aber recht Romantisch.
Im Gegensatz zu vielen anderen englischen Romanen der Zeit kommen unsere tragischen Helden Andy und Sally, die durchaus etwas von Hippies an sich haben, ganz gut weg in ihrer Darstellung. Ich-Erzähler Andy trägt zwar keine Birkenstocksandalen und ist auch kein Pseudofeminist, aber als Künstlerseele ist er recht sensibel. Ball bringt hier ein stimmiges Portrait zustande, was die Atmosphäre angeht. Solide ist das allemal, gut wenn auch etwas unspektakulär erzählt.
Die Übersetzung ist sorgfältig, durch den schmalen Umfang des Originals war eine Kürzung unnötig. Eine Sache ist vielleicht eine Anmerkung wert. Und das ist der "Alf". Im Original heißt die Kneipe "The Black Nigget". Ein "Nigget" ist ein alter englischer und wenig gebräuchlicher Begriff für den Familiargeist einer Hexe. Und der merkwürdige Schoßhund der Blutsaugerin, der ja gar kein Schoßhund ist, wird hier als ein "nigget" bezeichnet. Sicherlich hat sich der Übersetzer etwas dabei gedacht, daraus einen "Alf" zu machen. Was auch immer das sein soll. Vielleicht stand ja in irgendeinem Folklorelexikon aus der Zeit, dass ein Alf ein Hexenbegleiter ist.
Ein paar Zeilen fehlen aber dann doch in der Übersetzung.
"Sallys Augen waren dunkelblau, und sie hatte mir versprochen, mich zu heiraten, falls ich sie schwängere. Sie sagte, sie liebt mich, und das musste ich ihr glauben. Wir waren seit vier Monaten zusammen."
Und da behaupte noch einer, die Romantik sei tot. Ob die Auslassung Zufall oder Absicht ist, wird man nie erfahren. Aber schmunzeln lässt es einen schon.
Für ein 70er Jahre Buch ist die Geschichte ausgesprochen zeitlos. In der Epoche verwurzelte Bemerkungen muss man suchen. Am deutlichsten ist vielleicht noch die Stelle, an der die Frau des Polizisten peinlich berührt ist, als sie hört, dass Andy und Sally ohne Trauschein zusammenleben.
Das Bild an sich ist ganz nett. Obwohl Thole im Impressum angegeben ist, ist er das aber definitiv nicht. Vielleicht begegnet einem ja mal das Original.
Das Original
Copyright © by Andreas Decker
Kommentare
Glaub mir, ich auch, aber manchmal muss man die Hacken in den Teer schlagen und Tacheles reden. Aber morgen noch und das Ding ist von unserer Seite gegessen.
Die Hippies waren/sind (Neo-Hippieismus) mir noch die liebsten!