Der Luftpirat und Matthias - Band 10 Der unheimliche Ingenieur
Band 10 –
Der unheimliche Ingenieur
Band 10 – Der unheimliche Ingenieur
Erde. Chicago, USA. Ein Goldbergwerk in der Nähe von Sidney, Australien. Der Luftraum über Frankreich.
Was bisher geschah
Europa, um 1905. Kapitän Mors war einst ein genialer Ingenieur, der im Kaukasus lebte. Auf seine großartigen Erfindungen wurde bald ein Ring von hochkrimineller politischer Abenteurer aufmerksam, die versuchten, ihn in seine Ziele einzuspannen. Als Mors merkt, das er benutzt wird, versucht er auszusteigen. Die Verschwörer ermorden seine Familie und stellen es so hin, dass er für schuldig gehalten wird. Im Geheimen baut der Ingenieur mit anderen Verfemten und ihm treuen Gehilfen ein gigantisches Kriegs-Luftschiff aus Metall, rüstet es mit hypermodernen selbsterfundenen Superwaffen aus und räumt zunächst unter seinen Feinden auf, die er in den Wirren der russischen Aufstände 1905 in Odessa in einer Art Privatkrieg grausam hinrichtet.
Danach zieht er als Robin Hood der Lüfte durch die Welt und überfällt Schiffstransporte, Gold- und Diamantenminen, um das Geld den Armen zu schenken. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Reichtums nutzt der tollkühne Ingenieur aber für sein Lieblingsprojekt – die Planung und den Bau eines Raumschiffes, um eines Tages ins Weltall vorstoßen zu können...
Ein Gold-Bergwerk in der Nähe von Sydney. Geschickt wird der Luftpirat in die Falle gelockt, in dem das Gerücht ausgestreut wird, in einem bestimmten Gebäude lagerten große Goldvorräte. Kapitän Mors beißt an – und überfällt das Gebäude schwerbewaffnet. Er findet aber nur unbedeutende Goldmengen – dafür einen gefesselten Mann, der vorgibt, hier als Spion des Luftpiraten gefangengehalten zu werden, weil er dessen menschenfreundliche Aktionen verteidigt hat. Der Luftpirat lässt sich von diesem angeblichen Fan einwickeln und nimmt ihn mit aufs Luftschiff. Sein Misstrauen wird weiter eingeschläfert, als sichherausstellt, dass ein irischer Assistent von Mors in dem Gefangenen einen alten Kumpel aus Jugendtagen wiedererkennt. Und natürlich handelt es sich um den Verräter Ned Gully!
Auf dem Schiff verhält sich Ned weiterhin als Fan des Luftpiraten. Er gibt vor, dem Kapitän sein gesamtes Wissen als Ingenieur zur Verfügung zu stellen – dazu müssen aber zunächst zwei Kisten aus dem Privatbesitz Neds geholt werden. Mors befiehlt seiner Einsatztruppe, diese Kisten aus Neds Wohnung zu holen. Der Inhalt wird gründlich auf Verdächtiges hin untersucht. Aber es finden sich nur Papiere und technische Modelle, die wegen ihrer Fragilität in weichen Kissen verpackt sind.
Einige Zeit später kommt es über dem Luftraum von Frankreich in 3000m Höhe zur Katastrophe. Zwei dumpfe Explosionen erschüttern das Luftschiff. Der Kapitän ahnt sofort, dass Ned Gully hinter der Anschlägen steckt. Um ihn zu verhören, geht er zum Ingenieur, der sofort eine Pistole zieht uns sie eiskalt auf Mors richtet. Dem gelingt es, die Hand des Angreifers im letzten Moment zu packen und abzulenken. Die Kugel schwirrt nur Millimeter am Kopf des Luftpiraten vorbei. Ned Gully flieht – und springt über Bord. Und kann entkommen! Die Verpackung seiner Kisten erweist sich als der getestete Ultra-Leicht-Fallschirm! Mors hat jetzt andere Sorgen als den Ingenieur zu verfolgen. Sein Luftschiff droht abzustürzen. Um das zu verhindern, gelingt es Mors in letzter Sekunde, mit einer Art Not-Batterie das Schiff in große Höhen zu bugsieren, um in Ruhe wenigstens eine Maschine zu reparieren, damit sie wieder manövrierfähig ist. Doch die Höhe ist so groß, dass die Mannschaft fast an Luftmangel und Kälte krepiert. Im allerletzten Moment gelingt eine improvisierte Reparatur. Mors schickt sich zur Notlandung in Frankreich an. Für diesmal hat Ned Gully gewonnen. Der Luftpirat schwört ihm grausame Rache.
Die Firmen und Syndikate der Welt haben endlich einen Agenten gefunden, der nicht nur den Mut, sondern auch die Intelligenz und Findigkeit hat, es mit dem Luftpiraten aufzunehmen: der Ire Ned Gully erklärt sich bereit, für viel Geld die Piratenplage zu beenden. Experimente zur Vernichtung des Luftschiffs beginnen über einem Testfeld in der Nähe von Chicago. Dort testet man (in diesem Heft) zunächst recht unspektakulär – mit Fallschirmabsprüngen aus einem Ballon. Bei näherem Hinsehen handelt es sich dann aber doch um ein SF-Element: einen Ultra-Leicht-Fallschirm, dessen extrem dünner Stoff geschickt am Körper eines Mannes oder auf kleinem Raum verborgen werden kann...
KommentarDas zehnte Heft ist ebenso wichtig wie verwirrend. Gleich zwei große Zäsuren hat es zu bieten: Es ist das erste richtige SF-Heft der Serie, und zum erstenmal führen die Autoren einen Superschurken ein, einen Gegner, der dem Luftpiraten ebenbürtig ist und auch in späteren Heften wieder auftaucht: Ned Gully. Er wird unserem Helden noch manche bittere Stunde bereiten. Das ist erfrischend, denn nun ist Mors angreifbar, nicht immer nur der strahlende Superman der Kaiserzeit. Dies Prinzip wird übrigens durchgehalten, wie wir noch sehen werden: Mors entkommt oft in ungezählten Abenteuern nur knapp seinen Feinden, er selbst macht Fehler - meist ist seine Naivität schuld an den großen Katastrophen.
Nimmt ihm das den von mir so oft postulierten Nimbus der der ersten großen Super-Hero-Gestalt der deutschen Massenliteratur im 20. Jahrhundert? Nicht unbedingt. Denn die heroisch-komische Spannung in den Heften entsteht immer wieder dadurch, dass die Autoren ihren Kapitän stets so handeln lassen, wie es ein edler Hero unbedingt tun würde – ihn aber dadurch auch augenzwinkernd zu einem Don Quichotte werden zu lassen. Grade sein geradliniges argloses Heldentum bringt ihn immer wieder in die brenzligsten Situationen. So auch hier wieder. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die Intrige diesmal wirklich clever eingefädelt wurde. Ned Gully (was für ein schöner ekliger Name) ist von Anfang an ein herrlich fies-listiger Gegner.
Das letzte Drittel stürzt den heutigen Leser dann doch in Verwirrung, und vielleicht ging es zeitgenössischen Freunden der jungen Serie nicht anders.
Zunächst verwirren die Explosionen. Wo hatte Ned den Sprengstoff her – seine Kisten wurden doch
sorgfältig durchsucht? Selbst der Autor ist sich nicht sicher, wie genau Ned das bewerkstelligt haben soll.
„Ob Gully irgendein heimtückisches Mittel, eine Patrone oder dergleichen in die Maschine geschoben, oder ob er durch eine andere Vorrichtung das Vernichtungswerk herbeigeführt, war noch nicht klar.“
Und wird weder in diesem Heft noch irgendwann anders je geklärt werden. Das bleibt ganz der Auslegung des Lesers überlassen. Selbst die Patronentheorie ist so dünn wie die Luft, in die das Schiff bald gerät – wo soll er die denn nach sorgfältiger Durchsuchung gehabt haben? In einer Falte seiner Fallschirm-Kissen?
Na gut, nehmen wir das mal an. Dann kommt es aber noch toller: Die Antriebs-Maschinen, die fast zum Stillstand kommen, sollen das Luftschiff durch ihren Ausfall in die ernsthafte Gefahr bringen, abzustürzen; es droht, innerhalb von Minuten am Boden zu zerschellen. Aber Moment – ist nicht ein Luftschiff im Gegensatz zum Flugzeug in der Lage, sich allein durch sein Gas in der Luft zu halten? Dienen da die Maschinen nicht nur zur (vertikalen) Steuerung?
Dieses hier funktioniert anders, suggeriert uns der Autor. Sogenannte „Flügelschrauben“, die sich unablässig drehen müssen, sorgen dafür , dass alles in der Luft bleibt.
Wir stehen hier an einem Scheideweg, an dem wir als Leser selbst interpretieren müssen, um was es sich handelt. Es gibt drei Varianten der Auslegung.
Er erzählt uns nämlich nun eine – zugegebenermaßen atemberaubende und herrlich düster geschilderte – Münchhausen-Story: wie sich nämlich beim steilen Flug in die Höhe von über 6500 Meter der Himmel verdunkelt, die Sterne hervortreten und die Sonne nur noch als glühende Scheibe im pechschwarzen All zu sehen ist.
Abgesehen von einem frühen Heftroman von Robert Kraft (Heft 4 der Kurz-Serie „Aus dem Reiche der Phantasie, 1901, Der Weltallschiffer) ist das der erste Versuch in diesem Genre, sich dem Weltall zu nähern. Nur leider stellt sich der grandiose Effekt in dieser Höhe nicht ein, wie jeder weiß, der schon mal in einem Flugzeug gesessen hat.
Nun könnte man sagen – na und? Ist doch arrogant von uns Nachgeborenen, das wusste man 1908 noch nicht besser. Doch! Es gab weithin bekannte Augenzeugenberichte von Ballonfahrern, die in Höhen bis zu 8000 m vorstießen, ohne diesen Effekt gesehen zu haben.
In anderer Hinsicht allerdings ist der Autor wirklich visionär. An Bord des Luftschiffs befinden sich kleine Notballons mit Schläuchen, die der Mannschaft zur Verfügung stehen, sollte das Gefährt in zu große Höhen ausweichen müssen. Bekannterweise gibt es diese Notschläuche (mit Maske) heute tatsächlich in allen Flugzeugen.
Das Cover:
Eigentlich hätte ich ja nun doch ganz gerne gesehen, wie die Mannschaft in kosmischen Umfeld am Getriebe des Luftschiffs herumschraubt. Stattdessen drängt der Zeichner eine Reihe Ereignisse, die räumlich und zeitlich etwas auseinanderliegen, hier effektvoll zusammen. Die im Innern des Schiffes befindliche Antriebsmaschine ist hier außen (explodierend) auf der Galerie zu sehen, und parallel mit der Explosion feuert auch schon der böse Ned Gully auf Mors. Tja, wenn man solche Hefte verkaufen wollte, waren solche Ungenauigkeiten wohl legitim und vielleicht sogar nötig im Konkurrenzkampf des damals schon boomenden Heftmarktes.
Kommentare
Gerade weil das Flugzeug so alltäglich für uns ist, fällt es schwer, die Ahnungslosigkeit dieser Autoren zu verstehen. Zur Entstehungszeit erschien vermutlich Vernes Idee, ein Raumschiff mit einer Kanone abzuschießen, immer noch ganz plausibel.
Und im Prinzip hat sich an dem Problem ja auch nichts geändert. So gut wie jede Raumschlacht in einer Space Opera ist physikalisch unmöglich, was keinen Autoren abhält, das mit ein paar plausibel klingenden Worthülsen machbar erscheinen zu lassen.