Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Willkommen im Gruselkabinett - Gruselstories
Willkommen im Gruselkabinett - Gruselstories
Willkommen im Gruselkabinett
Gruselstories
Diese Sammlung aus sieben Kurzgeschichten ist nur insofern erwähnenswert, weil es sich um eine Ausgabe der englischen Reihe "Supernatural Tales" handelt. Und nicht, weil die Storys so großartig wären. Das sind sie nicht. Im Gegenteil. Sie entspringen größtenteils der Schreibmaschine eines Mannes, dem Reverend Lionel Fanthorpe. Und Fanthorpes Geschichte ist die Geschichte von Badger Books.
Nach dem Krieg gründete Samuel Assael mit einem Partner den Verlag John Spencer Publishing, um von dem damaligen Boom britischer Pulpfiction zu profitieren, der alle Genre abdeckte. Man nannte sie auch Mushroom Publisher – weil sie wie Pilze aus dem Boden schossen und genauso schnell wieder verschwanden. Krimis, Western, Kriegsromane, Liebesromane und SF. Ein Vielzahl später bekannter Namen hatten bei diesen Verlagen ihre ersten Veröffentlichungen, darunter Autoren wie E.C. Tubb oder John Brunner. Die Verkäufe vor allem der Krimis waren teilweise sehr gut, Auflagen von bis zu 100000 waren keine Seltenheit.
1954 erlebte die Szene aber einen herben Dämpfer, als man den Verlagen wegen Verbreitung angeblich obszöner Schriften den Prozess machte. Bekannt geworden ist vor allem der Prozess gegen die Verleger Carter und Reiter mitsamt ihrem Starautoren Hank Janson, das Pseudonym von Stephen D. Francis. Das waren harte Krimis - oder was damals eben als hart galt. Das zog Kreise, andere Verlage wurden ebenfalls belangt. Es gab Geldstrafen und zumindest in der ersten Instanz auch schon mal Gefängnisstrafen. Bücher mussten vernichtet werden. Auch die Druckereien und Autoren wurden wegen Verbreitung obszönen Schrifttums zu Geldstrafen verurteilt. Zwar wurden viele dieser Strafen im Nachhinein deutlich reduziert, ein paar Verleger zahlten schon im Vorfeld ein Bußgeld, um einen Prozess zu vermeiden, aber viele der Verlage stellten ihren Betrieb ein, Verkaufsstellen vertrieben das Produkt vorsichtshalber erst gar nicht mehr. Einige Freisprüche, die das Gesetz über obszöne Literatur in England schließlich neu definierten, kamen zu spät. In der Folgezeit wurde der Inhalt entschärft und vor allem die Covergestaltung weniger reißerisch gestaltet. Reißerisch im Sinne von 1954 natürlich. Heute löst das nur noch Kopfschütteln aus.
John Spencer überstand diese Wirren ganz gut. Unter dem Imprint Badger Books schickte man die Reihe "Supernatural Stories" 1954 an den Start, die bis 1967 verlegt wurde. Alle zwei Monate und später monatlich erschien ein neuer Band Gruselgeschichten mit 160 Seiten Umfang in einer einprägsamen Gestaltung in Gelb. Entweder gab es fünf bis sechs Kurzgeschichten oder einen kurzen Roman. Die ersten Nummern schrieb John Glasby allein, dann kam Fanthorpe an Bord, der bis zum Ende der Reihe den Hauptanteil beisteuerte.
Diese Verlage zeichneten sich vor allem durch einen ruppigen Umgang mit den Autoren aus. Für 1000 Worte gab es zehn Shilling, ein Roman musste bei Badger 50000 Worte Umfang haben. Für diese 25 Pfund trat der Autor sämtliche Rechte ab. Klingt nicht toll. Allerdings muss man das in der richtigen Perspektive sehen. Wie E.C.Tubb mal schrieb, der ebenfalls bei diesen Verlagen anfing, betrug der durchschnittliche Wochenlohn 7 Pfund. Schrieb man nebenher, war das kein schlechtes Zusatzeinkommen. Wollte man davon leben, war das schon schwieriger.
Allerdings hatte John Spencer keine hohen Qualitätsansprüche. Es gab angeblich kein Lektorat, es wurde gedruckt wie eingesandt; hauptsächlich ging es darum, die Ausgaben pünktlich auf den Markt zu bringen, egal wie. Legendär sind Anekdoten wie die, dass Assael seinen Autoren Telegramme schickte, sich zu bestimmten Zeiten zu öffentlichen Fernsprechern zu begeben, um mit ihm telefonieren zu können.
Fanthorpe, der nebenher noch als Journalist und später als Lehrer arbeitete, wurde zu einer Geschichtenfabrik. Er veröffentlichte unter mindestens 24 Pseudonymen. Da es schnell gehen musste, diktierte er seine Geschichten auf Tonband, und die Familie tippte sie dann ab. Das alberne und überstürzte Ende vieler Romane erklärt sich darin, dass er beim Diktieren keine Übersicht über die Länge hatte. Da konnte es auch schon mal vorkommen, dass er mitten in der Geschichte plötzlich erfuhr, nur noch ein paar Seiten zur Verfügung zu haben. Also wurde dann irgendein mehr oder weniger sinnvolles Ende drangetackert. War der Roman zu kurz, wurden eben ein paar Absätze verlängert. Seine sinnfreie Zeilenschinderei ist legendär. Unvergessen eine Szene im SF-Roman "Dark Continuum", wo sich die Heldin recht unvermittelt 500 Worte lang die Zähne putzt. (Zum Vergleich: Das ist ungefähr ein Drittel der Länge dieses Artikels.)
Legendär ist auch der Spott über seinen Erzählstil. In den deutschen Ausgaben bekommt man von dem Stil eher wenig mit. Aber im Original ist das oft nur noch schwer zu lesen. Die Ebook-Neuausgabe seiner SF-Romane wirbt sogar mit dem Spruch von Neil Gaiman, dass man nicht zuviel Fanthorpe auf einmal lesen sollte, weil das Gehirn dann zu Guacamole wird und aus den Ohren tropft. Ein Zitat aus "Ghastly beyond belief", Neil Gaimans und Kim Newmans früher Abrechnung mit britischen Genreromanen. In der Tat zeichnen sich die meisten von Fanthorpes Romanen und Geschichten oft durch eine wirre Handlung und wenig überzeugende Szenarien aus.
Aber der Mann war immens fleißig. In seiner Zeit hat er für Badger in 15 Jahren über 250 Geschichten und Romane verfasst. Allen Berichten zufolge ist er ein netter Kerl, der auch heute noch aktiv ist und so ziemlich alles macht, von Radiobeiträgen bis hin zu Lektoratsarbeiten für jedermann. Die Kritik an seinem Werk nimmt er mit Humor.
Die vorliegenden Storys sind ziemlich typische Beispiele seiner Art. In "Der Makler mit dem Totenkopf" geht es um einen, wer hätte das gedacht, Geistermakler mit einem Totenkopf – großartig, den Plot im Titel zu verraten -, der dem geizigen Helden ein Spukhaus andreht. Nachdem es der Käufer bemerkt und mit dem Leben entkommt, wagt er sich aus Frust noch einmal in die Ruine und kommt darin prompt um, als sie einstürzt.
Für Serienfans vielleicht von Interesse sind die beiden Storys, die sich um Fanthorpes okkultes Detektivehepaar Val Stearman, einem Journalisten und Geisterjäger, und seiner Frau, der mysteriösen und mutmaßlichen Hexe La Noir dreht. In "Schatten aus dem Abgrund" stürzen zwei Lastwagen des Unternehmers Crosby unerklärlicherweise in einen Abgrund. Liegt es an der angeblich harmlosen radioaktiven Ladung? Crosby bittet Stearman um Hilfe. Der springt als Fahrer ein, hat mit seinen neuen Kollegen erst einmal eine Prügelei. Als er in den Lastwagen steigen will, schlägt ihn der Verlierer nieder und fährt selbst. Und landet prompt im Abgrund, weil er einem menschenähnlichen schwarzen Schatten ausweichen will. Stearman und La Noir begegnen dem Schatten ebenfalls. Nachdem sich Silberkugeln als nutzlos erweisen, malt La Noir ein Pentagramm und murmelt einen Zauberspruch, und der Schatten aus dem Nichts verschwindet. In diese Welt kam er durch die Isotope der Lastwagenladung, die die Wirklichkeit durchstachen. Was genau nun Radioaktivität und Okkultes miteinander zu tun haben, diese Antwort bleiben die allwissenden Helden dem Leser allerdings schuldig.
In der zweiten Geschichte des dynamischen Duos, die 16 Seiten umfasst und ein schönes Beispiel für Fanthorpes eigenwillige Erzählweise ist, begibt sich Professor Harrison in "Das Ungeheuer im See" mit ein paar seiner Studenten auf eine Exkursion irgendwo auf dem Land, um irgendwas zu tun. Nach 7 Seiten ihrer banalen Reiseerlebnisse kommen sie an einen See, in dem sie ein Ungeheuer erblicken, das einen der Studenten – natürlich off stage – frisst. Das passiert auf Seite 11. Harrison will im Wirtshaus Hilfe zu holen. Zufällig kommen in genau diesem Moment Steadman und La Noir auf Seite 12 rein, die aus irgendeinem nicht näher erläuterten Grund in der Gegend sind. Der Reporter fährt zum See, sieht das Ungeheuer, das er sofort als Manifestation des Bösen identifiziert, ballert ein paar Silberkugel herein, und der Spuk – und die Geschichte - ist vorbei.
Verglichen mit den Meistern der englischen Horrorgeschichte wie Machen oder James ist Fanthorpe trotz seiner zugegeben überschäumender Phantasie größtenteils schlecht, wobei die Geschichten manchmal erträglicher sind als seine Romane. Vor allem die SF-Romane mit Titeln wie "Face of X" oder "Galaxy 666" sind verglichen mit den temporeichen, farbigen Space Operas eines Tubb oder Bulmer einfach nur misslungen. Trotzdem hielt Pabel wohl eine ganze Menge von ihm, veröffentlichte man diverse seiner SF- und Gruselromane in seinen Reihen. Selbst im Gespensterkrimi ist er zu finden.
Wer die Stories gut findet, kann sich freuen. Es kommt noch mehr Fanthorpe im Dämonenkiller-Tb. Vom Blickpunkt qualitativer Horrorliteratur betrachtet ist das aber nicht mal mehr Mittelfeld.
Da die Geschichten alle zurzeit der deutschen Veröffentlichung mindestens zehn Jahre auf dem Buckel hatten und sich betont zurückhalten, was ihr gesellschaftliches Umfeld angeht, ist das zugegeben recht zeitlos. Und britische Eigenheiten dürften die Übersetzungen rausgebügelt haben.
Und nochmal ein Thole, wenn auch ein beliebiges Motiv. Ein Strauß Finger. Und die sind nicht mal blutig.
Das Original
- Paperback Fanatic 18: Interview mit R.L. Fanthorpe
- A Prose by any other Pseudonym – A Lionel Fanthorpe Appreciation Page
Copyright © by Andreas Decker