Horror aus dem Hause Schmidt - Zwielicht Classic 9
Horror aus dem Hause Schmidt
Zwielicht Classic 9
Zur Einführung
Im September ist bereits die neunte Ausgabe von Zwielicht Classic erschienen. Das ansprechende Titelbild stammt von Lothar Bauer. Diesmal gibt es 11 Kurzgeschichten, neun davon aus der Zeit zwischen 2001 und 2014, zwei aus den Jahren 1860 und 1902. Dazu kommen drei Artikel über phantastische Werke des 19. und 20. Jahrhunderts. Abgerundet wird das Magazin durch eine Auflistung der bisherigen Preisträger des Vincent Preises. Zusätzlich werden biografische Informationen zu den Autoren und bibliografische Angaben zu den einzelnen Geschichten bereit gestellt.
Die Geschichten
- Ein High-Light des Bandes ist die Kurzgeschichte "Sherlock Holmes und die Bestien im Nebel" von
aus dem Jahre 2009. Sie ist ein treffliches Beispiel für den "fantastischen" Holmes. Der Meisterdetektiv bekommt es hier mit Werwölfen und Vampiren zu tun. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Irene Adler. - Einen SF-Hintergrund hat "Spuren im Sand" von
. Die Geschichte um die Zustände auf einem Gefängnisplaneten stammt aus dem Jahr 2013. Sich weitgehend selbst überlassen trotzen die Gefangenen dem unwirtlichen Planeten. Besonders gefährlich sind die "Würmer". - Ziemlich kurz ist die Story "Pilz im Glück".
schrieb im Jahre 2004 über einen Quizgewinner, der sein Preisgeld spendet und fortan einen steilen Abstieg erlebt. - Nichts für angehende Krankenhauspatienten ist definitiv
"Der Problemopa" von 2012. Frisch operiert erhält der junge Osmar einen neuen Bettnachbarn. Der Alte ist Privatpatient und ziemlich unausstehlich. Bald erfährt Osmar, warum er auf sein Einzelzimmer verzichtet hat und lieber mit einem jungen Zimmergenossen zusammen gelegt werden wollte. - Über einen Rapmusiker und sein Schicksal geht es in "Wenn Dich der Bluesman holen kommt".
Geschichte aus dem Jahr 2002 beschreibt den Hongkongaufenthalt des gefeierten Stars, der seine besten Zeiten schon hinter sich hat. Sein neuer Public Relation Mitarbeiter rät ihm, offen für Visionen zu sein. Und er meint das sehr ernst.
beschreibt in "Susans verzweifelter Krieg" von 2001 wie der frisch geschiedene Dr. Nikolaus in seiner Nervenheilanstalt mit einer neuen Patientin umgeht. Diese fällt immer wieder harmlose Mitmenschen an und versucht, ihnen die Gesichtshaut abzuziehen. Die gefeierte Autorin hat in ihrer Jugend anscheinend zuviel SF-Romane über Alieninvasionen gelesen. Oder nicht? Um ihr zu beweisen, dass es sich um Hirngespinste handelt, begibt sich der Arzt an den Ort, an dem die Frau den Außerirdischen erstmals begegnet sein will.
macht uns in "Wie die Lemminge" aus dem Jahr 2013 mit dem Handlungsreisenden Haubold vertraut, der nachts auf der Autobahn hängt. Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem Tod, sozusagen als Ausgleich zu seiner zunehmend unbefriedigenden beruflichen Tätigkeit. Als er vor Übermüdung fast von der Fahrbahn abkommt, sucht er die nächste Raststätte auf. Diese ist bekannt dafür, dass dort in Nähe unverhältnismäßig viele Selbstmorde passieren. Und zu Haubolds Überraschung ist dort trotz der späten Stunde einiges los.
erzählt in "Das Haus am Meer" von 2007 eine Geschichte über ein junges Paar, das an die Küste fährt, weil er schon immer von einem Haus dort geträumt hat. Als er plötzlich fiebert und sie deshalb an einem einsamen Haus anhalten, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Ein alter Afrika-Kämpfer verwirrt den ohnehin schon fiebrigen Mann. Er hat seinerzeit als einziger seiner Einheit den Rückzug überlebt.
Geschichte "Die Leichenmarie" stammt aus dem Jahr 1902. Die junge Marie hat eine bizarre Leidenschaft. Sie liebt es, die Nächte in der Gegenwart von Leichen zu verbringen.- Noch älter ist die Geschichte "Der Student" von . Bereits 1859 erschienen, schildert sie das Lotterleben eines spanischen Studenten und seinen Pakt mit dem Teufel.
Die Artikel
- Lars Dengel schreibt über das etwa 1860 erschienene "Geisterbuch" von F.O. Tenneberg. Was zum eigentlichen Buch zu sagen ist, ist schnell erzählt. Interessant ist aber die ausführliche literaturgeschichtliche Einordung. Der Leser erfährt so vieles über die phantastische Literatur im 19. Jahrhundert.
- Eric Hantsch erzählt in "Aus dem vergessenen Bücherregal" über zwei Bücher, die ein wenig lovecraftisch angehaucht sind. Es geht um "Die Seelenfresser" von Colin Wilson (1983) und "Der Gryperspuk" von Martin Luserke aus dem Jahr 1938. Auch dieser Artikel besticht durch die umsichtige Einordnung der Werke und Autoren.
- schließlich befasst sich in "Nachtmeerfahrten" mit der dunklen Seite der Romantik. Genauer er rezensiert das gleichnamige kulturwissenschaftliche Werk von Simone Stölzel und führt dazu ein Interview mit der Autorin.
Fazit
Der große Vorteil einer Wiederveröffentlichungsreihe wie Zwielicht Classic gegenüber einer normalen Anthologie besteht darin, dass der Herausgeber von vornherein nur ausgewiesen gute Geschichten auswählen kann. Das merkt man auch Zwielicht Classic 9 an. Es gibt keine schwachen Beiträge, alle Geschichten wissen zu überzeugen. Freilich hat Michael Schmidt darauf verzichtet, ein bestimmtes Thema zu verfolgen. Wenn man sich die bibliografischen Hinweise genauer ansieht, merkt man erst, welche umfassende Recherche dahinter steht. Manche Stories erschienen vorher in SF-Anthologien, andere stammen aus längst vergriffenen Kurzgeschichtssammlungen oder Magazinen.
Michael Schmidts Auswahl bietet sowohl zeitlich als thematisch einen breiten Querschnitt durch die letzten Jahre. Eines aber ist allen Kurzgeschichten gemein, sie wissen den Leser zu packen und mit dem Grauen zu konfrontieren. Meine Favoriten sind die Beiträge von Christian Endres, Malte S. Sembten und Bettina Ferbus. Zwielicht Classic 9 ist jedoch ein Magazin und erfüllt diesen Anspruch auch durch die eher literaturwissenschaftlich ausgerichteten Artikel. Insgesamt handelt es sich um einen mit großer Sorgfalt zusammengestellter Band, den man jedem Freund der Horror-Kurzgeschichte empfehlen kann.
Zwielicht Classic 9