Macabros revisited - Folge 20 Versuch einer Wertung
Folge 20
Versuch einer Wertung
Allerdings ging es mir in erster Linie weniger um die Entwicklung der Handlung, als vielmehr darum, herauszufinden, ob mir die Sprache und der Stil eines Dan Shocker auch nach 30 Jahren immer noch zusagen, oder ob sich auch bei mir die vielzitierten „Kopfschmerzen“ einstellen. Andererseits denke ich, dass die Frage, ob mich die Serie auch inhaltlich noch genauso zu begeistern vermag, wie in meiner Jugend, durchaus schon nach diesen ersten 50 Bänden beantwortet werden kann. Schließlich gab es in diesem Abschnitt immerhin zwei größere Zyklen, den Xantilon - und den „Blutsiegel“ - Zyklus, welche zwar von den späteren Zyklen noch übertroffen wurden, die aber bereits komplex genug waren, um die Bandbreite und das Talent eines Dan Shocker repräsentieren zu können.
Natürlich wäre es (auch für mich) reizvoll, die Serie als Gesamtwerk zu betrachten und alle 125 Bände zu besprechen - vielleicht sogar mit einem anschließenden Blick auf die Bücher bzw. einem entsprechenden Vergleich. Allerdings würde ein solches Vorhaben den Rahmen dieser Kolumne sprengen, die ja nicht ohne Grund mit „Macabros Revisited“ betitelt ist. Und ein Besuch sollte es auch nur sein, ein kleiner Abstecher in eine Welt, die ich vor langer Zeit schon einmal betreten und nur ungern wieder verlassen habe. Und am Ende dieses Besuchs wollte ich eine Antwort auf die Frage finden, ob ich die Serie auch heute noch lesen, ob ich noch mitfiebern würde, wie es weitergeht, und ob ich vom Schreibstil des Autors noch so angetan wäre wie damals.
Nun, ich habe eine Antwort gefunden, welche mich selbst mindestens ebenso überrascht hat, wie den einen oder anderen Leser dieser Kolumne (wobei - wenn man sich das Fazit zu den einzelnen Romanen anschaut, kommt man vielleicht schon drauf): Nein, ich würde die Serie heute nicht mehr lesen. Ich habe während meiner Arbeit an der Artikelserie ganz einfach festgestellt, dass mich sowohl die serienübergreifenden Themen, wie der Kampf gegen Molochos und die Dämonengöttin Rha-Ta-N´my, der ganze ursprüngliche Background um Xantilon, mit den schwarzen und weißen Priestern, Björn Hellmarks Bestimmung, und die unzähligen Einzelabenteuer auf fremden Welten und in anderen Dimensionen nicht mehr annähernd in dem Maße interessieren, wie das damals der Fall war, geschweige denn, dass so etwas wie Begeisterung beim Lesen aufgekommen wäre. Das liegt nicht einmal unbedingt an dem doch sehr speziellen Schreibstil und der leicht angestaubten Sprache, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde, sondern hauptsächlich daran, dass ich im Gegensatz zu meiner Jugend, als die Serie für mich das Nonplusultra in Bezug auf den zyklischen Handlungsaufbau, die Figuren und die Themen war, heute die Möglichkeit habe, sie mit ähnlichen Serien zu vergleichen, die ich später gelesen habe oder heute noch lese. Am ehesten sei hier vielleicht der Vergleich mit „Maddrax“ gestattet, die einen ähnlich starken zyklischen Handlungsaufbau und eine ähnliche bunte Themenvielfalt bietet. Der (vielleicht entscheidende) Unterschied zur Macabros - Serie ist jedoch der, dass hier nicht ein Mann alles allein stemmt, sondern dass hinter dem Projekt ein ganzes Team steht, welches - und das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt - über einen Koordinator verfügt, der im Hintergrund die (Handlungs)fäden zieht, der Fehler und Ungereimtheiten erkennt und ausbügelt und der vor allem vieles delegieren kann. Das konnte oder wollte Jürgen nicht und das merkt man leider nur allzu oft. Dabei will ich gar nicht auf den Patzer mit dem 8. Manja Augen eingehen, wenn es auch ein gutes Beispiel für einen vermeidbaren Fehler wäre. Vielmehr hat man bei der Macabros - Serie sehr oft den Eindruck, dass der Autor in seiner Arbeitsweise bzw. der Handlungsplanung überaus spontan vorgeht, was der Serie nicht immer gut tut. Dass er vor Ideen nur so strotzte, steht völlig außer Frage, aber oft scheint es so, als seien die diversen Handlungswendungen und Lösungen nicht sorgfältig geplant, sondern meist irgendwelchen spontanen Ideen und Eingebungen entsprungen, die der Autor unbedingt in die Serie einbauen musste, ganz egal, ob es nun passte oder nicht. Dementsprechend werden immer wieder bereits gemachte Aussagen zum Hintergrund und/oder diversen Figuren/Orten/Begebenheiten leicht modifiziert oder völlig anders dargestellt. Das feste Handlungsgerüst muss sich bei Shocker immer wieder den neuen Ideen beugen. Zwar in einem Rahmen, dass man nicht - wie etwa bei Jason Dark - über heftige Widersprüche oder Ungereimtheiten stolpert, aber doch in einem Ausmaß, dass es spürbar wird, und das wirkt sich nicht selten auf die Glaubwürdigkeit aus. Oft scheint es, als hätte er schlicht den Überblick über dieses komplexe Universum verloren, das er da kreiert hat. Er hat da dieses grobe Handlungsgerüst und tausend Ideen, die er alle irgendwie da reinpacken und mit den bereits bestehenden Elementen kombinieren will/muss. Als Beispiel seien hier die Ursen oder die grauen Riesen genannt. Zwar kann man es auf der einen Seite nur begrüßen, wenn wichtige Völker und Figuren später noch einmal auftauchen, allerdings beschleicht einen hier oft der Verdacht, dass der Autor die diversen Elemente einfach so aus dem Hut zaubert, wie er sie gerade braucht, bzw. wie es für die Handlung sinnvoll erscheint und dass er vor allem diese Elemente scheinbar willkürlich miteinander kombiniert.
Das klingt jetzt alles sehr negativ, allerdings darf man nicht unerwähnt lassen, dass die genannten Kritikpunkte nur auf meinem subjektiven Empfinden basieren und für den Unterhaltungswert der Romane nicht unbedingt relevant sind. Dieser ist nämlich trotz der hier aufgezählten Mängel enorm hoch, was man ganz einfach der unglaublichen Phantasie des Autors zuschreiben muss, dieser unfassbaren Ideenfülle, unter der zwar das Gesamtgefüge zuweilen bedrohlich knirscht, wenn es auch nicht in sich zusammenstürzt, die aber dafür sorgt, dass die Serie mit einigen Abstrichen auch heute immer noch lesenswert wäre, wenn - ja wenn da nicht auch noch die sprachlichen Mängel wären, welche das Lesevergnügen zuweilen etwas trüben.
Was diese betrifft, so muss man natürlich die Frage, „Würde ich die Serie heute noch lesen oder empfehlen“ differenzieren, da es schließlich eine überarbeitete Buchfassung gibt, um die es in dieser Artikelserie allerdings nicht gehen sollte, da der Rezensent ja feststellen wollte, ob ihm die Originalhefte nach 30 Jahren noch zusagen. Wobei sich da natürlich auch die anschließende Frage aufdrängt: Überarbeiten ja oder nein? Eine Frage, die ich vor diesem Projekt ohne zu zögern mit einem klaren Nein beantwortet habe. Nachdem ich mir nun aber selbst ein umfassendes Bild des Urmaterials gemacht habe, muss ich diese Antwort - was wiederum niemanden mehr überrascht, als mich selbst - revidieren.
Wir wollen uns an dieser Stelle gar nicht mehr groß über die typischen Stilmittel eines Jürgen Grasmück auslassen, wie etwa die häufigen Perspektivwechsel innerhalb eines Kapitels, wobei der „wissende“ Erzähler dem Leser oftmals Dinge erklärte, die der Held, aus dessen Perspektive eigentlich geschildert wurde, gar nicht wissen konnte. Oder die unendlich langen Monologe einiger Figuren, die schon mal eine ganze Seite füllen und bei denen man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, dass hier gerade wörtliche Rede stattfindet (wobei Grasmück doch gerade für seine authentischen Dialoge bekannt war). Oder die Eigenart des Autors, für die Handlung wichtige Infos mal eben in einen Nebensatz zu packen. Das alles sind Dinge, an die man sich irgendwann gewöhnt und die den Autor ausmachen, die ihn von anderen Heftautoren abheben, wenn auch nicht immer auf eine positive Weise. Das alles sind zudem Dinge, die man nur sehr schwer wegredigieren könnte, und selbst wenn man es könnte, würde von dem Schreibstil eines Dan Shocker vermutlich nicht mehr viel übrigbleiben. Die sprachlichen Mängel dagegen, der zum Teil völlig verdrehte Satzbau und die vielen Stilblüten sind schon eine andere Baustelle. Wenn man sich nur die knapp 100 hier aufgelisteten „Zitate großer Meister“ anschaut, lässt sich schon erkennen, dass hier mit etwas mehr Sorgfalt - auch im Lektorat - sich vieles hätte vermeiden lassen. Denn schreiben konnte der Jürgen. Es gibt viele, sogar sehr viele Passagen, die im krassen Gegensatz zu einigen anderen so ausgefeilt und anspruchsvoll sind, dass sie fast den Rahmen des im Heftromans üblichen oder machbaren sprengen.
Um also zu der Frage zurückzukehren, ob ich die Serie heute noch lesen würde, müsste ich tatsächlich sagen: Aus rein nostalgischen Gründen - vielleicht. Ansonsten würde ich mich wohl nur an eine sorgfältig überarbeitete Fassung heranwagen. Was nun allerdings die bereits existierenden angeht, so möchte ich mich mangels Kenntnis nicht weiter zu der dort betriebenen Sorgfalt äußern. Vielleicht wäre es nicht uninteressant, einmal einen Vergleich anzustellen und einen entsprechenden Artikel zu verfassen. Aber ob bzw. wann ein solches Projekt realisierbar wäre, kann an dieser Stelle noch nicht gesagt werden. So bleibt am Ende zu sagen, dass es bei meiner Lesereise schöne und weniger schöne Momente gab, und wenn auch die weniger schönen leicht überwogen, so war es dennoch ein Abenteuer der besonderen Art für mich. Eine Zeitreise bei der viele Erinnerungen wach wurden, bei der sich zeigte, dass man mit den Jahren die Dinge doch mit ganz anderen Augen sehen kann. So wie mein alter Herr seinen alten Schwarzweiß - King Kong heute mit anderen, nüchternen Augen betrachtet, so sehe ich die Macabros - Serie. Für beides gilt: Es zählt nicht die heutige Sicht, sondern nur, was einem diese Dinge einmal gegeben haben. Denn das bleibt auch nach der Ernüchterung erhalten.
Stefan Robijn
Kommentare
Das war eine schöne Serie, Stefan. Hat Spaß gemacht.
Da ich die Macabros Romane nie gelesen habe, wars für mich eine sehr interessante Lesereise und man konnte mal in die Werke des großen Dan Shocker hineinschnuppern. Auch wenn nicht alles goldig war.
Noch was für den Zauberspiegel geplant?
Dies ging mir so mit Dragon (war damals was tolles Neues, obwohl Conan bei Heyne einen bleibenderen Eindruck hinterließ) und in der Folge auch mit den Atlan Jugend-Abenteuern.
Bei dem Versuch, mit den Buchausgaben noch mal Erinnerungen an alten Zeiten wiedr zu erwecken, scheiterten schon nach weniger als 100 Seiten (bei Atlan waren es ein paar mehr...) - es langweilte einfach.
EInzelromane ist alten Stil sind da noch relativ erträglich, aber die meisten Serien sind es kaum noch.
Gab es keine angenehmen Überraschungen? Aber vielleicht lag das am Thema der Artikelreihe: Ein alter Fan nimmt sich die Romane WIEDER vor und bemerkt natürlich jetzt vor allem, was ihm negativ auffällt, was also von seiner alten, positiven Einstellung ABWEICHT!
Ich habe damals tatsächlich kein Macabros gelesen, anders als Larry Brent ist Björn Hellmark schlicht an mir vorübergegangen.
Aber ich habe jetzt gerade die ersten drei Bände erstmals gelesen. Im Zauberkreis-Original. Und bin so begeistert wie es Stefan wohl vor 40 Jahren war, obwohl bei mir die 5 heute am Anfang der Altersnennung steht.
Shocker versteht es, gerade durch seine Sprache eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Und zwar in einem Maße, wie es selbst von mir geschätzte Genre-Autoren (Hill, Schwichtenberg, Doyle) bei Zamorra und Sinclair nicht schaffen.
Seine Sprache ist elaborierter und auch (instinktiv oder durchdacht) wirkungsorientierter als die seiner zeitgenössischen Kollegen. Was für Stefan hier manchmal Stilblüten sind, sind bei uns schlicht umgangssprachliche Ausdrücke (die eine Schreibe auch frisch halten), hier im Norden stellen wir auch Worte durchaus an den Anfang, um sie zu betonen.
Dass Shocker Nebenfiguren herausstellt, erhöht die Spannung, seine Perspektivwechsel finde ich eher gelungen. Vielleicht tragen sie sogar, entsprechend den frühen Filmen Dario Argentos und deren damals (1970) innovativen Filmsprache mittels ungewohnter Kameraausrichtungen und eben Perspektiven, zur albtraumartigen Stimmung bei, das müsste man vielleicht mal eingehend analysieren.
Übrigens: Hat Stefan auch ein bisschen quergelesen? Beispiel: In Heft 3 "experimentiert" der Bösewicht nicht am lebenden Objekt, sondern ein Hexer löst mit dem Blutgemisch geplant eine Vampirinvasion aus. Und das Pferd zerfällt, wie vom Hexer gewollt, sofort zu Staub, da es der Sonne ausgesetzt ist. Das passiert den "menschlichen Vampiren" ja auch.
Neben dem Stil von Shocker fasziniert mich diese Mischung aus Überraschungen, Phantasie und der Nutzung gängiger Genreklischees. Ein sehr gelungener Mix.
Und als Leser, der die Serie eben nicht als Junge kannte, kann ich nur sagen: Ja, es lohnt sich, sie auch erstmals als Erwachsener zu lesen. Im Original! Unbearbeitet!