»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Schiff des Grauens - Geister-Krimi Nr. 331 von Gene McKelly
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Schiff des Grauens«
Geister-Krimi Nr. 331 von Gene McKelly
Der „Geister-Krimi“ startete anno 1973 und lief bis 1981 – hauchte also praktisch parallel zum „Vampir“ relativ frühzeitig sein Leben aus, als die große Welle der Gruselromane noch am Laufen, aber das Niveau in Sachen eigenständige Serien und feste Figuren schon stark gestiegen war. Dabei war der GK doch gleichermaßen voll von Subserien, als Bekannteste gelten auch heute noch „Rick Masters“ und „Mark Tate“, die noch in zwei weiteren Serien bis 1984 Abenteuer erlebten, dem „Geisterkiller“ und dem „Geisterthriller“, die aber weit weniger erfolgreich waren.
Mit 405 Romanen ist die Serie dennoch recht langlebig zu nennen, wobei man die Gesamtzahl mit Vorsicht genießen muss, denn so einige der Romane erfuhren noch innerhalb des „Geister-Krimi“ eine zweite Auflage – einfach einige Jahre später noch einmal veröffentlicht, kleiner Trick für Neueinsteiger.
Mit manchmal besonders albernen Titeln und – aus meiner bescheidenen Sicht – eher mäßigen Titelbildern blätterte ich beim Gebrauchtkauf an vielen Beiträgen still lächelnd einfach vorbei. Aber vielleicht war mir ja etwas entgangen?
Bei „Schiff des Grauens“ griff ich sofort zu, als er mir zu Gesicht kam, weil das noch halbwegs funktionierende Restgedächtnis anmerkte, den Roman schon mal gelesen zu haben und ein kleines Stimmchen flüsterte, er sei gar nicht so schlecht gewesen. Ich griff dabei aber zu einem Beitrag ohne Subserienverbindung und hoffte (wie immer) auf solides Handwerk. Aber ohne Kuriositäten geht es offenbar nicht...wenn auch nicht zwingend wie sonst schon im schlechteren Sinne...
Zum Inhalt:
Willkommen im roten Meer!
Direkt vor der ägyptischen Korallenküste begegnen wir Harry Carradine (das kann ja nur ein harter Typ sein, bei dem Namen...) beim Schnorcheln. Just als dieser sich an der prachtvollen Unterwasserflora und -fauna ergötzt, wird die Natur durch ein seltsames Phänomen gestört. Auslöser scheint ein mysteriöses, glänzend-gläsernes Rennboot mit einem Turbanträger an Bord zu sein, das lautlos durch die Wellen pflügt.
Harry schwimmt auf die nächste Yacht zu und will just an Bord, als neben ihm ein Barrakuda ein Selbstmordkommando startet und mit ihm an Bord springt – um dann per elektrischen Schlag den Besitzer flach zu legen.
Der trägt den Namen Lester Woods, ist eine Art Öl-Tycoon und hört auf den einheimischen Spitznamen „Massaban“, was den Ägyptern und Jordaniern offenbar samt und sonders einen höllischen Respekt einflößt. Harry – seines Zeichens Ausbilder und geheimer Chef beim jordanischen Geheimdienst – kennt Lester schon einige Zeit und vermutet hinter dem geheimnisvollen Boot das Geisterboot des Abd el Khatar, einem ziemlich unangenehmen Zeitgenossen, der einen auffällig grünen Lappen um das Haupt trägt.
Ansonsten ist Woods ganz locker drauf, obwohl sein hüsch Töchterlein offenbar samt einer weiteren Yacht vor der arabischen Küste von diesem Abd el Khatar aufgebracht werden könnte. Doch da soll angeblich der vierschrötige Steuermann Aswad vor sein, der in Verbindung zu dem Götzen und Geisterkönig Asfad (puh!) steht, dem Beherrscher der Ruinenstadt Petra, einer zentralen mythologischen Figur.
Doch el Khatar ist ebenfalls in Diensten von Asfad und/oder von diesem abhängig, weswegen Carradine noch sehr misstrauisch ist, ob der der Langzeitplan des Industriellen aufgeht.
Harry schippert also los und macht sich an den Tanga von Miss Vivien Woods heran, was Captain Aswad (na, könnt ihr noch?) gar nicht gern sieht. Carradine verliebt sich aus dem Stand in die Schöne (wie sollte es auch anders sein?) und provoziert sich anschließend mit vorgehaltener Waffe durch die Schiffsbesatzung, bis ein steinernes Monstrum aus dem Meer auftaucht und die Bootspartie aufmischt.
Man kann das Vieh mit reichlich Munitionseinsatz zurückschlagen, danach ist Vivien aber spurlos verschwunden – Grund genug für Harry, sich mal das gläserne Geisterboot näher anzuschauen, das in Burghada vor Anker liegt.
Doch der Plan misslingt, die Türen schließen sich und das Boot nimmt Fahrt auf, um dann gleich mitsamt Harry ins Meer abzutauchen – ein böser Plan des fiesen el Khatar, der plant, Harry in den Untiefen des Meeres irgendwann absaufen zu lassen. Das berichtet er ordnungsgemäß bond-like per Fernübertragung und Bildschirm. Zur Sicherheit ist auch gleich noch der Steinmann mit an Bord, der den Rest erledigen soll (Vorher? Nachher?), aber leider durch akute Fehlplanung das halbe Schiff klein haut (das wiederum gefällt dem Bösewicht gar nicht).
Während Harry um sein Leben kämpft, kontakten seine Maats Caymar und Safir auf Umwegen Massaban Lester Woods, der sich sofort an die Verfolgung der Entführer seiner Tochter macht. Die ist in der Gewalt zweier dunkelhäutiger, aber nicht sehr pflichtbewusster Helfershelfer (Sudanneger halt, die sind so drauf...), denen es unheimlich ist, dass die Gute so weggetreten erscheint, weswegen sie sie auf Umwegen erst mal in den nächsten Teich schmeißen, um zu prüfen, ob sie noch lebt.
So schreitet das Geschehen dann also voran...
Noch ein paar Eindrücke:
Worum es eigentlich in diesem Roman geht? Ich weiß es wirklich nicht.
Am Ende sind die Bösen mehr oder minder dadurch motiviert, dass Woods ordentlich Kohle mit Öl gescheffelt hat, also irgendeine nationalistische Kiste, die mit Götzenmagie befeuert wird. Das ist zwar ganz nett, ist aber auch völlig unwichtig, denn es geht in dem Roman mehr um die Action, denn um strukturierten Unterbau.
Es wird zwar eine Menge gegrübelt und diskutiert zwischendurch, aber zunächst scheint alles Zufall zu sein und wenig Sinn zu ergeben. Dass Woods sich selbst und seine Tochter insbesondere nicht als gefährdet einstuft, ist genauso hanebüchen wie die Annahme, dass ein götzennaher Kapitän ein enorm vertrauenswürdiger Angestellter sein könnte. Begründungen für Handlungen und Entscheidungen werden hier dann auch einfach mal ausgelassen oder vertagt, damit nicht zu schnell die Luft aus der Seifenblase Plot entweicht, die eh nur Umfassung für eine Reihe von bleihaltigen Actionsequenzen sein soll.
Darum wage ich mal die Prognose, dass dieser Roman auch einen prima „Kommissar X“-Roman abgegeben hätte, bzw. als politisch angehauchter Exotik-Krimi einfach mit etwas übernatürlichen Kuchenstreuseln verziert wurde. Alles hätte auch ohne die Götzen und Steinmonster funktioniert, tatsächlich aber ist das stumme Golem-Vieh jedoch ziemlich beeindruckend – allerdings auch beeindruckend wirkungsarm. (Soweit ich das beurteilen kann, bringt es im ganzen Roman niemanden um!) Ständig werden ihm Teile aus dem Hinterkopf geschossen und es wird mit dem Anker nieder gekloppt, worauf es stets erst mal längerfristig Pause macht. Auch das Finale, dass mit Magie verzuckert wird, hat keine zusätzlichen Trickwaffen oder weißmagischen Gadgets, sondern wird per Schwert und Knarre entschieden.
Das ist nicht übel und mal gegen den typischen Strich, aber lässt das alles eher als knuffigen Reisebericht durchgehen.
Und auf diesem Sektor kann Gene McKelly so einiges, denn seine Beschreibungen sind stimmig, sein Szenenaufbau ist folgerichtig, die Schreibe an sich wohl zu lesen, detailreich und erfrischend bunt. Nur mit dem Plot hapert es eben – und mit der offenbar anno 1980 immer noch zeitgemäßen Titulierung der Figuren als (reichlich belämmerte) „Sudanneger“ und der Einstufung der jordanischen Maate als „braune Boys“.
Heute sträuben sich da die Augenbrauen, damals lief das wohl noch an der political correctness vorbei. Und hervor zu heben, dass die Sudanesen ein naiv und abergläubig und die jungen Maats doch (überraschend?) immer wieder recht clever geraten, gehört auch in die Klischeekiste von Schatzinsel und Konsorten.
Wer denn nun Gene McKelly war oder wer dieses Pseudonym benutzte, habe ich nicht rausfinden können, der gute Mann hat unter diesem Alias nur sechs Romane im GK veröffentlicht, aber das muss nun wirklich keine Schande sein, denn brauchbares Lesefutter konnte er offenbar produzieren, ich verorte ihn aber dennoch eher in der Krimiabteilung. Vielleicht weiß ja jemand mehr, generell erscheinen zu dem Namen immer nur Fragezeichen als dahinter stehender Autor.
Aber man bedenke: „Geister-Krimis“ sind ja laut Titulierung in erster Linie Krimis, alles übrige darf da nur mal Garnitur sein.
Dennoch: der Erstversuch im GK erweist sich als recht ordentlicher Beitrag, so dass ich mich vor der nächsten Runde nicht gar zu sehr schütteln muss.
Der Zweittest widmet sich dann mal dem Dauerhelden der Serie...Rick Masters! Mal sehen, ob dessen Semipopularität wohlverdient war...