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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Feuerreiter - Silber Grusel-Krimi Nr. 275 von W. J. Tobien

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Feuerreiter«
Silber Grusel-Krimi Nr. 275 von W. J. Tobien

Neue Runde, neues Glück!

Nachdem mich der „Geister-Krimi“ nicht gerade vor den Kopf gestoßen hat, aber auch nicht restlos überzeugt, wende ich nun einer neuen Dreieinigkeit von „Silber-Grusel-Krimis“ zu, weil die Serie bei mir noch ein paar Takte gut zu machen hat.


Und weil W.J. Tobien (aka Tobias Grant) bei mir nach (oder chronologisch vor) den „Moor-Monstern“ noch eine Scharte auszuwetzen hat, will ich ihm also noch einmal eine Chance geben.

Die guten „Feuerreiter“ mit den zweiköpfigen Skeletten (plus Fackeln) auf ebenso zweiköpfigen Pferde machen natürlich ordentlich was her auf dem Cover, da sinkt die Hemmschwelle schnell.

Tatsächlich bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich es mit demselben Autoren zu tun habe, denn der Stil unterscheidet sich schon ein wenig voneinander und die „Feuerreiter“ erwiesen sich auch nicht als die gleiche Peinlichkeit wie der Ausflug des „Para-Detektivs“ seinerzeit, aber dennoch bin ich bei diesem Pseudonym schon mal dauerhaft vorgewarnt.

Schon eher wage ich die Hypothese, dass das Verfassen von Gruselromanen bei einigen Lohn- und Brotautoren nicht sonderlich hoch im Kurs stand, denn auch nach der zweiten Stichprobe bleiben Fragen offen, etwa, ob der Autor nicht doch lieber etwas anderes geschrieben hätte oder seine bewährte Schablone (wie z.B. für Krimis) nicht einfach mal um eine übernatürliche Komponente erweitert hat, ohne jedoch die Materie zu verstehen, zu durchdringen, sich dafür zu interessieren oder auch nur das geringste Einfühlungsvermögen aufzubringen.

Unser Held heißt in diesem Fall also nicht wieder Mike Russel, sondern Mike Tremaine und anstelle eines kleinen Großkotz mit nicht näher definierten oder vorgeführten Talenten haben wir es diesmal mit einem knallharten Kerl zu tun, der ein bis drei fertig eingeschenkte Bourbon in der Nachttischschublade stehen hat und irgendwann bei der Polizei rausgeflogen ist. Aber da sein alter Polizeikumpel ihm den Auftrag zuschanzt, übernimmt er den Fall...ist schon sehr „classic hardboiled“, wenn ich mir den Eindruck mal erlauben darf.

Aber von Anfang an...


FeuerreiterZum Inhalt:
Brütende Hitze über der Stadt und es soll noch viel heißer zugehen, denn Lagerarbeiter Dick Farrel geht in Flammen auf. Verantwortlich dafür sind die rotgekleideten Feurreiter, die plötzlich vor ihm in der Luft schweben. Sie lassen ihn entflammen und es bleibt nur ein Häufchen Asche zurück.

Weil das angeblich in letzter Zeit noch öfter vorgekommen ist, sucht Captain Sam Clousky von der Mordkommission Mayville (Einwohner: 400) seinen Ex-Bullen-Kumpel Mike Tremaine auf, um ihn mit der Klärung der Ereignisse privat zu beauftragen. Der hat einen nicht unbeträchtlichen Kater, ist auch sonst nicht sonderlich motiviert, lässt sich aber überzeugen, als er erfährt, dass sein alter Dienstkollege Winston zu den Opfern gehört.

Derweil äschern die Feuerreiter den Athleten und Tennisspieler Donald Cover ein, verschonen aber seine Freundin Silvie Delroy.

Mike ist inzwischen ins „Dirty Pinky“ weitergezogen, einer schmierigen Bar, weil ihm Clousky den Tipp gegeben hat, dass ein gewisser Rick Stoll wüsste, was alles in der Stadt abgeht. Nachdem er Bar und Türsteher aufgemischt hat, steht er vor einem kleinen, uralten Männlein von Informant. Stoll weiß aber wirklich Bescheid und erzählt von dem finsteren Plan des Asmodis (Der schon wieder!), die Welt mit dämonischen Kräften zu überfluten. Und in Mayville fängt er an.
Darum ist es auch gut, dass Tremaine die Sache übernimmt, denn er trägt angeblich „das Weiße“ (im Auge?) in sich und reagiert auch sofort auf ein paar unartikulierte Laute in einer fremden Sprache. Mike will aber kein weißer Magier sein, hält den Alten für gaga und trollt sich wieder.

Derweil überwältigen in Mikes Wohnung zwei Auftragsrabauken cum Mietkiller namens Mac und Hopkins den wartenden Clousky und legen ihn in die sich langsam füllende Badewanne. Anschließend versuchen sie Mike zu einem längeren Urlaub außerhalb der Stadt zu bewegen und bieten ihm Geld an. Der hat aber was gegen Urlaub und legt beide flach.

Die Feuerreiter grillen derweil Stoll.

Gleich darauf sind sie auch hinter Clousky und Tremaine her, was aber nur dazu führt, dass Tremaines weißmagische Kräfte richtig aktiviert werden. Beide überleben, erfahren dann aber im Verhör von Silvie Delroy nichts wesentlich Neues (für den Leser). Inzwischen weitestgehend von der magischen Komponente überzeugt, will Mike nun wieder Stoll aufsuchen, womit aber Asche ist,  und trifft bei diesem daheim aber nur dessen Tochter Betty an.
Die erklärt ihm das, was ihr Vater nur kryptisch andeutete (also die Chose mit dem weißmagischen Erbe) noch mal für zäh denkende Detektive und die restliche Landbevölkerung und übergibt ihm ein Tonband mit wichtigen Aufzeichnungen.

Während er es sich anhört, grillen die Feuerreiter vor der Tür die gute Betty.

So geht dann auch der Rest von der wichtigen Botschaft flöten, denn als Mike endlich bzgl. des tödlichen Angriffs aufmerksam wird, hört er die letzten Minuten des Bandes nicht mehr, das sich daraufhin im Rückspulmodus löscht (uuuuh....)!

Während Clousky sich mit einem rasenden Reporter rum schlägt, dem er wider besseren Wissens Informationen über den Fall gibt (worauf dieser sofort eine Sensationsstory daraus baut), tauchen die Feuerreiter auf der Gartenparty des örtlichen Industriellen Shafford auf und fackeln diverse Gäste ab.
Am Ort des Geschehens angekommen, meldet sich dann auch noch Mikes inneres „weißes Ich“ und echot ihm noch mal das Wichtigste vom Tonband in Kürze: es gibt noch zwei weiße Magier auf diesem Planeten und irgendwo ist ein „Kleinod“ versteckt, dass ihm im Kampf gegen die Reiter helfen soll...

Was von den Eindrücken übrig blieb...
...und ich habe und hatte nicht den geringsten Zweifel, das Mike dieses Kleinod sofort finden würde (nachdem er den nächsten „Hitman“ in Stolls Butze überwältigt hat), dann natürlich die Feuerreiter wieder jemanden abfackeln und Mike Tremaine, der weiße Magier, dann zum Endkampf antreten würde, den er, Mike Tremaine, der weiße Magier, erst beinahe verlieren und dann mit Hilfe der beiden anderen Magier doch noch gewinnen würde.

Gute Karten also, für Mike Tremaine, den weißen Magier!

Jaja, ich muss das natürlich nicht so häufig betonen, aber in dieser leicht gestelzten Form bastelt Autor W.J.Tobien hier seine sensationelle Saga vom Werden des letzten (später nur noch drittenletzten) weißen Magiers auf Erden. Vermutlich hält nur die fortwährende Erwähnung des vollen Namens und seiner zukünftigen Berufsbezeichnung die Leser davon ab, einzunicken oder irrtümlich zu glauben, sie haben sich hier eventuell in einen typischen Detektivroman verlaufen (und einen sehr klischeehaften noch dazu).

Durchaus möglich, dass der Autor einfach mal eine Blaupause eines solchen Investigator-Schinkens auf Gruselkrimi trimmte, indem er den geheimnisvollen Mörder durch die ominösen Feuerreiter austauschte.

Der Plot ist das reinste Klischee, bei dem der Held immer wieder von A nach B geschickt wird, um etwas herauszufinden und stets und ständig tauchen Hindernisse auf oder Zeugen verschwinden bzw. werden ermordet. Dabei bleibt das Meiste nebulös: wieso engagiert Clousky Tremaine, wenn er schon weiß, das Stoll die nötigen Infos hat? Kann er ihn nicht selbst befragen? Warum hat eine 400-Seelen-Stadt sowohl eine Mordkommission wie auch eine lebhafte Unterweltszene, noch dazu eine, die wirkt wie die von New York im seligen „film noir“? Wenn die Feuerreiter die Welt erobern wollen, warum fangen sie mit einem Lagerarbeiter an und arbeiten sich dann an weiteren, einzelnen, eher unwichtigen Leuten ab? Müssen die sich erst aufwärmen?  Wieso schicken die Feuerreiter zweimal Auftragskiller bzw. professionelle „Überreder“ zu Tremaine, anstatt ihm eine übernatürliche Falle zu stellen?

Fakt ist, „Feuerreiter“ leidet, wie so mancher Roman, sehr stark an der typischen Verzögerungstaktik. Denkt der Autor: ich hab eigentlich nichts zu erzählen, also fülle ich mit Nichtigkeiten auf. Das mehrseitige Insert mit dem Reporter gehört scheinbar gar nicht in den Roman – und hat dann auch weder Folgen noch Auswirkungen.

Die „Besuche“ der „Überreder“ passen ebenso nicht: warum jemandem Geld anbieten, wenn man den besten Kumpel gerade in die Wanne zum Ersaufen gelegt hat? Ändert das nicht ggf. die Entscheidung „wegzuschauen“?

Nichts bringt auch die Vernehmung der Überlebenden irgendwann zur Romanmitte, die nur rekapituliert, was man als Leser eh schon weiß.

Im Umkehrschluß spart der Autor dafür mit Infos für den Helden an sich.

Ständig sterben die Leute weg, die für ihn Informationen über seine Existenz bereit halten. Als es dann schließlich niemanden mehr gibt, kommt ihm die Eingebung im Geiste, im Zuge erwachender Kräfte. Da tauchen dann auch alsbald Waffe und Unterstützung aus dem Nichts auf, nachdem bisher von beidem noch nicht die Rede war. Das alles geliefert von einem hochfunktionellen Tonband, dass sich bei Erreichen des Bandendes selbst löscht! „Mission Impossible“ ist ein Dreck dagegen.

Was das für weißmagische Kräfte sind und wie man die einsetzt, ist übrigens genauso vage, wie der genaue Verbrennungsprozeß durch die Reiter eigentlich vor sich geht – den Opfern wird irre heiß, dann ist da nur noch ein Aschehaufen.

Die Inspiration für das Finale wird dann sogar noch wortwörtlich mit hinein gepackt, das Feuerinferno auf einem Campingplatz wird namentlich mit dem Unglück von Los Alfaques von 1978 in Verbindung gebracht, als zweihundert Menschen auf einem spanischen Campingplatz bei einer Tanklastzugexplosion starben.
Trotzdem: Feuer hat dieser Roman nicht.

Mechanisch, im Hauruckverfahren angelegt, so wirkt das fertige Produkt.

Gegen eine saftige Hardboiled-Parodie wäre ja nicht mal was einzuwenden gewesen, aber hier bleiben fast alle Fragen offen, weil Tobien offenbar auf ein Exposé oder eine Backgroundstory oder Figurenentwürfe so gut wie verzichtet hat.

Immerhin, anders als bei den „Moor-Monstern“ muss ich mir nicht ständig vor die Stirn kloppen, weil sich alle so deppert verhalten. Das läuft alles letztendlich recht linear ab, bis man dann merkt, dass mit alle Verzögerungen, Fußangeln, unnötigen Verkomplizierungen der Plot eigentlich auch gut auf die Hälfte der Seitenzahl gepasst hätte.

Was uns nach diversen Vorschlägen noch einmal zu der Frage bringt, ob die damaligen Autoren eigentlich wirklich Gruselromane schreiben wollten oder ob sie nur einen beliebigen Ablauf auf die jeweiligen Genres anpassten. (Oder die Schnittmenge: bei einem Grusel-Krimi steckt ja „Krimi“ mit drin, also schreib ich einen Krimi und parfümier ihn dann übernatürlich!)

Der Effekt auf den Leser ist jedenfalls fatal: als ich nach einem Viertel kapiert hatte, wie der Hase läuft, habe ich den Rest wahrhaftig auf die Schnelle quer gelesen, um nicht jedes Detail dieser dramturgischen Slalomfahrt (bergauf) in epischer Breite ertragen zu müssen.

Tatsächlich war die Detailbetrachtung für die Review im Nachklapp interessanter, weil wegen der billigen Tricks amüsanter.

Für die nächste Runde greife ich mir sicherheitshalber aber mal einen anderen Tastenkünstler, einen, der mir noch nicht vor die Flinte gekommen ist. Es muss ja mal einer rausfallen, der nicht nur furchtbar oder okay daher kommt, sondern den man für sein Werk auch mal herzhaft knuddeln möchte.

Heißes Thema – ließ mich kalt!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-02-16 10:02
Ja, wenn ich das Böse in die Welt bringen würde, dann mit Sicherheit in einem Kaff mit 400 Leuten. :o Da wurden bestimmt ein paar Nullen vergessen. Ansonsten ist das doch völliger Blödsinn.

Über die Mechanik des Plots darf man wirklich keine 3 Minuten nachdenken, sonst dröhnt der Schädel. Kein Wunder, dass Serienkost wie JS oder TB so beliebt war. Die Geschichten waren zwar auch nicht komplexer, dafür die übernatürlichen Elemente handfester, auch wenn die nächste Dimension leichter zu erreichen war als der (damalige) Kiosk nebenan.

Bist du denn der Meinung, dass das wenigstens was besser erzählt war als zb der Geister-Krimi? Im Grunde klingt der Roman, als hätte er genausogut bei Kelter oder Bastei erscheinen können.

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