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Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Das böse Auge

Eine »unheimliche« Mischung: Dämonenkiller – Die TaschenbücherDas böse Auge

Der kommerzielle Erfolg der Marke "Dämonenkiller" muss in der Tat beträchtlich gewesen sein. Nicht nur wurde die Serie bereits nach 17 Heften aus dem Vampir-Horror-Roman ausgekoppelt, um sich fortan allein auf dem Markt zu behaupten.

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Serie auch auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Zeitgleich brachte man im März 1975 eine Taschenbuchreihe auf den Markt.


Das böse AugeDas böse Auge
von John Willow
Dämonenkiller Taschenbuch Nr. 45
August 1977

Der Roman:
London. Andrew "Andy" Milton arbeitet in einem Verlag. Er lebt mit Frau und Kindern im Teenageralter in einem Vorort, ist Anfang vierzig und frustriert. Der Chefredakteur Ronald Porter ist ein inkompetenter Radfahrer, der den Druck des gönnerhaften und launischen Verlegers John Granwood immer nur nach unten weitergibt. Aber Andy ist das egal; er ist unkündbar.

So nimmt sich der Ich-Erzähler Andy ein paar Stunden frei, statt ein Manuskript zu lesen, mit dem sich Ronald rumquält. Es stammt angeblich von Granwoods Frau und ist darum eine heikle Tretmine. Andy hat sich in den Kopf gesetzt, die Fotografie zu seinem Hobby zu machen, und schwadroniert seitenweise über die breite Grenze zwischen einem Knipser und einem Künstler. Dummerweise fehlt ihm das nötige Kleingeld für eine vernünftige Kamera.

Beim Essen lernt er zufällig den smarten Lucius kennen, dessen Lebensweisheiten Andy auf seltsam eindringliche Weise berühren. Lucius sagt ihm auf den Kopf zu, dass er klein und friedlich aber unzufrieden ist. Will er jemals etwas reichen, muss Andy die Ellbogen einsetzen. Lucius gibt ihm den Tipp, sich in Lucys Antiquariat in Soho nach einer Kamera umzusehen. Er soll nach Hydes Nachlass fragen.

In dem unheimlichen Laden verkauft Lucy ihre besonderen Waren aber nur mit Vertrag und Eid, sich auch dran zu halten. Als Andy die Kamera sieht, stimmt er den teilweise bizarren Bedingungen zu. Prompt kommt er zu spät in die Arbeit zurück. Der Verleger will ihn sofort sprechen, aber Andy ist so besessen von seiner neuen Kamera, dass er erst mal alle Kollegen fotografiert und den Verleger ignoriert. Auf dem Heimweg in der U-Bahn betrachtet er die anderen Passagiere plötzlich mit anderen Augen, wie durch den Kamerasucher. Urplötzlich ist er voller Missgunst und Bösartigkeit.

Zuhause gibt es auch nur Stress. Seine Frau Kate verdient mehr Geld als er und ist distanziert geworden. Die Kinder respektieren ihn nicht. Tochter Evelyn ist 17 und so schön wie ihre Mutter früher, was Andy gar nicht passt. Wegen ihrer Ankunft mussten die Eltern damals heiraten. Sohn Richard kam kurz darauf zur Welt. Das Zeitalter der Pille mit seinen Freiheiten kam zu spät für Andy. Die Familie macht sich über die alte Kamera lustig, der Familienhund verhält sich plötzlich bösartig Andy gegenüber und beißt ihn. Was ihm eine Tollwutspritze und dem Hund Quarantäne einbringt.

Das hält Andy nicht davon ab, nachts in seiner improvisierten Dunkelkammer im Keller den Film zu entwickeln. Und ihn trifft fast der Schlag. Hydes Kamera stellt Menschen auf unheimliche Weise dar. Es läuft darauf hinaus, dass Andy die Gedanken und Geheimnisse der Abgelichteten erfährt. Plötzlich hat er Macht über andere!

Im Verlag wartet am nächsten Tag Ärger. Der Verleger will Andy loswerden. Aber der hat schon einen Plan. Wild fotografiert er drauf los; die knackige Sekretärin Lulu, den Verleger Granwood. Man stellt Andy ein Ultimatum: Er kündigt freiwillig oder landet im Kellerarchiv. Er hat eine Stunde Bedenkzeit. Flugs entwickelt er den Film. Sofort hat er genug Erpressungsmaterial gegen den Verleger in der Hand. Der treibt es mit der schönen Lulu, was seine Ehe implodieren lassen würde, und hat auch sonst Dreck am Stecken. Andy erpresst ihn dazu, ihn zum Chefredakteur zu machen und Porter ins Archiv zu verbannen.

Andys Triumphrausch dauert nur kurz. Jetzt muss er sich mit dem Manuskript von Granwoods Frau auseinandersetzen. Und fällt aus allen Wolken. Es ist eine Art Krimi. Die eifersüchtige Mrs. Granwood glaubt, ihr Mann wolle sie umbringen. Sie macht die Bekanntschaft eines gewissen Lucius, der ihr einen magischen Spiegel aus dem Nachlass von Hyde besorgte. Damit kann sie ihren Mann ausspionieren und sieht, wie er es mit der Sekretärin treibt. Aber der Spiegel geht entzwei. Die Geschichte wird kompliziert, läuft aber darauf hinaus, dass die Frau mit Lucius' Hilfe einen Dritten findet, der ihren Mann mit einer magischen Kamera fotografiert und auf diese Weise erpresst, was sie dann ausnutzt. Es endet mit einem Mord – vermutlich an dem Fotografen.

Andy ist wie betäubt. Lucius muss der Teufel sein und hat ihn reingelegt. Er ist ein Opfer. Zuhause bereitet er sich seelisch auf seinen baldigen Tod vor. Vorher fotografiert er aber wie wild, denn nun will er aus den Fotos die Zukunft lesen. Er knipst seine Frau, seine Kinder und den Nachbarn Campbell, einen Playboy. Die Bilder der Zukunft schockieren ihn. Seine Frau treibt es mit Campbell, seine Tochter geht auf den Strich, sein Sohn wird als Süchtiger auf der Straße erschossen. Er selbst ist tatsächlich tot.

Nun dreht Andy durch. Mit der Pistole dringt er bei Campbell ein, wo er tatsächlich seine Frau antrifft. Er will die beiden erschießen, erhält aber einen Anruf von Lucius, der ihn davon abhält, indem er behauptet, mit einem Scharfschützengewehr auf ihn zu zielen. Er lotst Andy, der angeblich die Bilder falsch verstanden hat, zu einem Treffen. Ausgerechnet in Granwoods Liebesnest um die Ecke. Andy kommt dazu, wie sein Boss gerade seine Frau umbringen will. Es kommt zu einer Schießerei.

Im Krankenhaus erwacht Andy und ist der Held des Tages, weil er den Mord an Granwoods Frau verhinderte. Er erhält einen Brief von Lucius. Der bezeichnet sich als eine Art Schicksalswächter. Hydes Kamera zeigte die Welt, wie ihr Schöpfer sie sah – als bösen Ort. Andy sollte nur vor Augen geführt werden, dass er vieles falsch sieht. Und er sollte Mrs. Granwood retten. Tatsächlich hat seine Frau keine Affäre mit Campbell; sie wollte den Mann nur davon abhalten, sich an ihre Tochter ranzumachen, die in ihn verschossen ist. Lucius gibt Andy den Rat, endlich aufzuwachen und seine Minderwertigkeitskomplexe zu vergessen. Denn seine Familie liebt und braucht ihn.

Bewertung:
Das ist nun der zweite Roman von John Willow alias Bodo Baumann, zu dessen Person alles Wissenswerte bereit im Beitrag über
Der Dämonenbiß (Dämonenkiller Taschenbuch 42) gesagt wurde. Nach dem misslungenen ersten Beitrag ist dieser Roman in jeder Hinsicht eine Überraschung. Erneut geht Baumann mit großem schriftstellerischem Elan an seine Story, die wiederum auf Monster und Action verzichtet. Aber dieses Mal funktioniert es.

Die Grundidee ist nicht neu. Die Kamera, die Dinge fotografiert, die so nicht da sind. Das gab es schon 1960 in der Fernsehserie "The Twilight Zone". Aber das ist hier nur der Aufhänger. Vielleicht lässt sich die Geschichte am besten in die Kategorie psychologischer phantastischer Romane einordnen. Abgesehen von der Kamera ist das einzige typische Genreelement der gruselige Antiquitätenladen, in dem der Held den Gegenstand erwirbt, der sein Leben übel verändern wird. Und selbst da wird das Klischee gebrochen, indem lang und breit die zähe Verhandlung zwischen der mysteriösen Besitzerin und unserem Helden geschildert wird.

Stilistisch gesehen wird einmal kein Heft geschrieben. Baumann lässt seinen Helden seitenweise philosophieren, jammern, triumphieren, verzweifeln und auch dummes, abstoßendes Zeug reden. Das beginnt schon am Anfang mit einem drei Seiten langen Diskurs über Religion und Fotografie, wie Andrew Milton eben die Welt sieht. (Wobei schon der Name "Milton" hellhörig macht. Milton wie John Milton, der berühmte englische Dichter von "Das verlorene Paradies"? Ein literarischer Scherz oder nur ein Zufall?) Neben den oft satirisch überspitzten Beobachtungen des in seinen Ansichten nur allzu menschlichen Andys mit seinem Frust und seiner Midlife-Crisis, der sich selbst so ganz anders wahrnimmt als seine Umwelt ihn, gibt es viele Erwachsenenthemen, wie man sie im Heftumfeld eher selten zu lesen bekommt. Eine erstarrte Ehe, Probleme mit den bald erwachsenen Kindern, eine Karriere in der Sackgasse, das Problem, mit sich rasant verändernden Zeiten klarzukommen. Für das damalige Zielpublikum muss das recht schwere – und vermutlich auch langweilige - Kost gewesen sein, wie man sie sonst in gehobener Belletristik oder gar ernster Literatur fand.

Dabei verliert der Autor aber nie das Thema aus dem Auge. Wie sieht der Einzelne die Welt? Und erst recht durch eine böse Linse? In dieser Hinsicht wird der Roman dann teilweise wirklich hart, wenn auch nicht im Sinn einer blutigen Horrorgeschichte. Andys U-Bahnfahrt nach Hause, bei der er die ihm vertrauten täglichen Mitreisenden mit neuem, menschenfeindlich-hasserfülltem Blick mustert, wird teilweise zu einer rassistischen Tirade, die an Neonazirhetorik erinnert und in dieser unverhohlenen Form für einen Pabel-Roman selbst in den 70ern wohl einzigartig gewesen sein muss. "Wahrscheinlich wohnte sie in Islington, wo die Neger inzwischen ganze Straßenzüge in Urwaldslums verwandelt hatten." Das ist noch das Zurückhaltendste auf diesen immerhin zwei Druckseiten. Danach geht es erst richtig los. Allerdings bekommen auch andere ihr Fett weg. Hydes Kamera beschert Andy in der Tat "ein böses Auge" und verändert ihn.

Die an zwei Tagen spielende Geschichte verlangt Aufmerksamkeit vom Leser, am Ende wird es durch das Manuskript der leidgeprüften Mrs. Ganwood verhältnismäßig kompliziert für das Format. Aber es ist eine clevere Idee, die recht gut funktioniert. Das Ende ist unerwartet, es stört nicht einmal das eigentlich recht schmalzige Happy End. Klugerweise lässt Baumann offen, ob sich sein Held wirklich ändert.

Man kann die Auswahl der Dämonenkiller-Redaktion wirklich nur noch als Achterbahnfahrt bezeichnen. Nach dem schwachen Softgrusel der Vormonate kommt hier nun eine Geschichte, die auf ihre Weise überhaupt nicht ins Dämonenkiller-Taschenbuch passt. Viele Leser dürften sich in der Tat schwer gelangweilt haben. Keine Action, kein Abenteuer, kein strahlender Held, nicht mal herkömmlicher Grusel, sondern nur subtiles Grauen, das aber lediglich als Vorwand für ein in diesem Umfeld seltenes psychologisches Portrait dient. Eben eine anspruchsvoll erzählte Geschichte aus der Twilight Zone.

Der fremde BlickInteressanterweise hat Bodo Baumann den Roman ein paar Jahre später erneut an Basteis Gespenster-Krimi verkauft. Will man mal sehen, wie man komplexe Geschichten zusammenstreicht und runterdummt, dem sei der GK 497 von Frank Bowman empfohlen. Oder die Neuauflage als Dämonenland 63. Neben geänderten Namen sind hier alle komplexeren Passagen rausgeflogen, und der Roman ist auf den reinen Plot reduziert.

Life on Mars
Der englische Stadtteil Soho ist nicht nur das Lasterviertel der Metropole, sondern befriedigt auch noch andere Bedürfnisse.

"Und vielleicht gibt es nirgendwo auf der Welt eine so erstaunliche Nachbarschaft von Nepp und Gediegenheit, Ramsch und preiswerten Raritäten, billigem Bums und Delikatessen, Fundgruben für Sammler und Fundgruben für Leichtgläubige."

Das Titelbild
Und wieder ein Günter König. Und wieder fällt auf, wie wenig Ähnlichkeit das mit seinen ikonischen Westernbildern hat. Ähnlichkeit mit dem Romaninhalt auch nicht.

Copyright © by Andreas Decker

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Kommentare  

#1 Harantor 2016-11-07 08:55
Ein Roman, den ich mit viel Vergnügen gelesen habe, gerade weil er so anders war. Da sieht man die Möglichkeiten, die die Reihe gehabt hätte
#2 Thomas Mühlbauer 2016-11-07 10:20
Bodo Baumann wäre auch für die gleichnamige Serie eine Bereicherung gewesen, aber bekanntlich hat er hierfür abgesagt. Für seinen besten Roman in der Taschenbuchreihe halte ich noch immer "Jennifer, die Dämonenbraut", den letzten Band.

Wir hatten das Thema schon mal, glaube ich. Aber das Dämonenkiller-Taschenbuch war auf weiten Strecken nichts anderes als eine literarische Resterampe.
#3 Toni 2016-11-07 17:26
Hört sich sehr spannend an, was der gute Bodo Baumann so geschrieben hat. Die Entfremdung zu seinen Kindern kennt wohl jedes Elternteil ein wenig. Wenn die lieben Kleinen flügge werden, kann es schon mal zu Unstimmigkeiten kommen :lol:. Innerhalb der Däki-Taschenbücher war das wohl ein besserer Roman.
Schöner Artikel.

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