Phänomen Zeitkugel
Phänomen Zeitkugel
Im Unterschied zu vielen anderen Serien, hat die Zeitkugel bei mir einen bis heute bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Romane sind auf ihre Art "zeitlos" und können auch heute noch gut gelesen werden.
Mein erstes Zeitkugelheft fiel mir 1975 in die Hände: Band 39, " ". Darin ging es um die Varusschlacht und den Untergang der römischen Legionen in Germanien. Nun fiel das damals in die zweite Blütezeit des SF-Heftromans.
An den Kiosken, im Zeitschriftenhandel und nahezu jedem Supermarkt gab es drei Auflagen , (später auch ) aus dem Hause , (später ) von , von und dazu aus dem und aus dem . Zusätzlich wurden in den Kaufhäusern Romane der Reihe Zukunft sowie alte Hefte der Serie und der Reihe verramscht. Also genug Konkurrenz für die und das Taschengeld eines Schülers war knapp bemessen. Trotzdem konnte die oft das Rennen machen. Und das lag nicht an den eher an Comics erinnernden Titelbildern.
Woran lag es dann und darf man wirklich zur Sciende Fiction rechnen? Eigentlich standen doch historische Ereignisse, die von den Protagonisten mittels Zeitreise aufgesucht wurden, im Mittelpunkt des Geschehens. Also handelte es sich vielleicht doch eher um historische Romane? Gar nicht so einfach, darauf eine Antwort zu geben! Ja, es ging hauptsächlich um historische Ereignisse, aber durch die Zeitreise und die Ausrüstung der Hauptpersonen gab es ein auch starkes SF-Element. Und die Konzentration auf die Reisen in die Vergangenheit gab es auch erst ab Band 25, vorher war es abwechselnd in die Zukunft und in die Vergangenheit gegangen. Überhaupt war es wohl mein Glück, dass ich erst relativ spät auf die Serie aufmerksam geworden bin. Die ersten Romane waren von der Qualität her doch eher sehr bescheiden und oftmals mit einem starken Horroranteil geschrieben.
Und schon sind wir bei der Frage, was war eigentlich das Besondere an der Serie? Und eine Antwort ist zweifellos der Hauptautor Horst W. Hübner. Erst als er die Redaktion der Serie übernahm, die meisten Romane selbst schrieb und eine Leser-Seite (die Zeit-Kugel-Post) einrichtete, erhielt die Serie ihr prägendes Gesicht. Der Grundaufbau ist dabei denkbar einfach. Jeder Roman war in sich abgeschlossen, es gab darüber hinaus keinen Roten Faden und keine Hintergrundgeschichte. Protagonisten waren drei Personen, Professor Robert Lintberg, sein Assistent Frank Forster und der Ingenieur Ben Hammer. Als Dank für die Finanzierung der Zeitkugel reisten die drei im Auftrag des ominösen "Clubs der Sieben" durch die Zeit und versuchten Geheimnisse der Geschichte aufzudecken. Das war nun freilich nichts weltbewegend neues. Im Fernsehen war schon die Serie " " gelaufen (die Romane dazu erschienen in der -Reihe) und auch innerhalb der -Taschenbücher gab es die von . Und Aufträge für einen "Club" erledigen, das kannte man aus der Fernsehserie "Percy Stuart" (Link funktioniert mit Erscheinen des TV-Klassiker-Artikels ab dem 8. Mai).
Auch an der Technik konnte es nicht liegen, die Zeitkugel wurde nur sehr kurz beschrieben: "ein aluminiumfarbener, fensterloser Ball mit einem Durchmesser von 5 m, der die Ent- und Rematerialisierungsapperatur, ein Panoramascope und Sitzgelegenheit für 3 Passagiere enthält". Die Ausrüstung hielt sich auch in übersehbaren Grenzen. Es gab die Radar-Timer, eine Art Kompaßuhr zur Auffindung der Zeitkugel, silbrige Kombinationen (die aber bald zugunsten zeitgemäßer Kleidung aufgegeben wurden), den Sprach-Transformer zur Übersetzung der alten Sprachen. Dazu kamen noch die Lichtkanonen und die Paralyzer, zwei unblutige Defensiv-Waffen zur Selbstverteidigung. Und natürlich gab es noch das berühmte Messer aus Venusstahl. Also kein Vergleich zu anderen Serien.
Auch die Personen waren zunächst sehr schablonenhaft geschildert. Der sachlich-nüchterne, ein wenig unbeholfene Professor, der smarte Frauenheld Frank Forster und der bärenstarke, übermütige Ben Hammer. Wobei Frank und Ben den Professor respektvoll siezten, während sie untereinander per Du waren.
Die Zeitreisen waren bunt gestreut, reichten von der Urzeit (Dinosaurier) über die Antike (Rom, Ägypten) und das Mittelalter (Kreuzzüge) bis in in die Neuzeit (Erdbeben in San Francisco). Auch geografisch ging es in alle Kontinente (mit Ausnahme von Australien). Thematisch gab es gesicherte historische Ereignisse (Napoleon in Moskau), biblische Geschichten (Moses und Methusalem), Legenden und Sagen (Arthus und Rübezahl), manchmal auch Anklänge an Fantasy.
Eines war einzigartig bei der Zeitkugel. So etwa ab Mitte der Serie wurden am Schluss der Hefte Quellenangaben gegeben. Für uns damals war die Serie so etwas wie lebendiger Geschichtsunterricht. In der Schule meinte der Geschichtslehrer ja unser Interesse dadurch zu wecken, dass er uns die deutschen Könige und Kaiser auswendig lernen ließ. In den Romanen ging es tatsächlich in erster LInie um die historischen Ereignisse, diese waren nicht einfach nur Staffage für die Erlebnisse der Zeitreisenden. Dinge wie Armut, mangelnde Hygiene oder das schlechte Bildungsnivieau der jeweiligen Epochen wurden jeweils in die Romane mit eingewoben.
Für mich sind Zeitkugel eigentlich die Romane aus der Feder Horst W. Hübners. Erst so ab Mitte der 30er Nummern, als er den größten Teil der Bände verfasste, entstand so etwas wie ein Seriengefühl. Von den frühen Autoren hat bei mir eigentlich nur M. R. Heinze einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Damals wurden aber keine Autorennamen genannt, erst später auf der Leserseite in Listenform ab und an nachgereicht. Es gab zwar keinen Roten Faden, aber Hübner verstand es doch durch Hinweise auf frühere Zeitreisen oder Probleme bei der Zeitreisetechnik und ähnliches ein Kontinuitätsgefühl zu erzeugen.
Und da sind wir schon beim nächsten Punkt. Die Leserseite. Es war geradezu erstaunlich welchen Einfluß die Leser scheinbar auf die Serie hatten. Zunächst einmal gab es diese Abstimmung: Soll die Zeitkugel öfter in die Zukunft oder öfter in die Vergangenheit reisen? Meines Wissens der einzige Fall, dass die Leser die Richtung einer Heftromanserie bestimmt haben. Und dann ging es weiter. Es gab im Vergleich zu den anderen SF-Serien viele weibliche Leser. Und diese hatten zum größten Teil einen Narren an Ben Hammer gefressen. Der große starke Ingenieur liess offensichtlich die Frauenherzen höher schlagen. Ihnen gefiel seine Darstellung in den Romanen nicht so recht (immer hungrig und trinkfest), ihrer Meinung nach, kam der Ingenieur zu kurz. Und tatsächlich auch hier wurden die Wünsche aufgegriffen und Ben Hammer avancierte im letzten Drittel der Serie zur heimlichen Hauptfigur. Auch zu den Themen der Zeitreisen gab es jede Menge Vorschläge von Seiten der Leser und einige davon wurden auch aufgegriffen. Der größte Triumph für die Leser war aber, dass das Zeitkugelteam um Vanessa Carpenter ergänzt wurde. Immer wieder war das Verlangen nach einer Frau im Team geäussert worden. Als es nach ihrem ersten Auftritt in Band 54 wieder still um sie wurde, setzten die Leser nach und so durfte sie dann noch drei weitere Abenteuer miterleben.
Die Leser trugen angeblich auch zum Aus der Serie bei. Immer wieder hatte es Stimmern gegeben, die wieder Reisen in die Zukunft verlangt hatten. Dies nahm man zum Anlass, die Serie mit Band 90 einzustellen und stattdessen Erde 2000 herauszugeben. Dabei hatte keiner der Leser ein Ende der Vergangenheisreisen im Sinn gehabt. In den Leserbriefen ging es immer nur um zusätzliche Zukunftsabenteuer.
Kommentare
Der Bruch mit den Vergangenheitsabenteuern war - nachträglich gesehen - ein großer Fehler. Hübner deutete mal an, dass der Rechercheaufwand für eine zweiwöchtliche Serie bei Vergangenheitsabenteuern einfach zu groß war. Das wird wohl der wahre Grund gewesen sein, nur noch Zukunftsromane (in der neuen Serie ERDE 2000) zu bringen.
Genau der Rechercheaufwand wurde als Begründung genannt, warum sie es nicht machen wollen. Total schade, aber auch zu verstehen. Da müsste so ein Heft wahrscheinlich das Doppelte von dem kosten als normal. Aber eine Taschenbuchserie wäre ja auch nicht zu verachten. Sowas wie "Die Abenteurer". Oder die Zeitkugel neu aufgelegt.
es gibt noch zwei weitere Artikel zur Zeitkugel. Der letzte ist der Neuauflage gewidmet.