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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Alchimist von Buckland Castle (Vampir Horror Roman 135)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Alchimist von Buckland Castle«
Vampir Horror 135 von Thomas Jago

Ein weiterer Ausflug in die 100er-Romane der Vampir-Romanheftserie und schon vor dem Aufschlagen eine gewisse Besonderheit mitgegriffen (unwissentlich): der Autor Thomas Jago hat nur einen einzigen Roman für die Serie geschrieben und war soweit bekannt auch nicht noch unter anderen Pseudonymen in der Serie unterwegs.


Das ist doch schon mal was, denn es kann in beide Richtungen weisen, weil Einzelromane entweder Übersetzungen andeuten oder besonders kurios oder besonders schlecht sein können – und beides würde mir durchaus gefallen.

Hinter Thomas Jago (lehnte sich da mal jemand an einen Shakespearschen Fiesling an?) verbirgt sich dann keine Übersetzung, sondern einer der wenigen Ausflüge Uwe Erichsens in die Welt des Gruselromans (man kann noch ein Dämonenkiller-Taschenbuch obendrauf legen, das war es dann auch schon...).

Das bedeutet aber nicht, Erichsen wäre ein unbeschriebenes Blatt gewesen, der Mann hat einfach seine zahlreichen Romane im Krimibereich veröffentlicht und kommt da wohl auf über 240 Stück, wohl auch im Western- und Agentenbereich. Die beeindruckenste Liste, die seine Vita hergibt, umfasst jedoch seine TV-Drehbücher, die er ab Mitte der 80er reihenweise verfilmt sah: Tatort, Auf Achse, Großstadtrevier, Schimanski und immer wieder „Der Fahnder“ - da hatte jemand ein Händchen für verfilmbare Stoffe und das nötige zweite Skriptstandbein.

Liest sich recht enorm und macht somit neugierig auf diesen Einzelversuch im Grusel-Oeuvre und den Grund, warum er das jetzt nicht weiterverfolgt hat.

Soviel vorweg: für ein Debüt ist das Ergebnis atmosphärisch eigentlich ganz beachtlich ausgefallen.

Der Roman mag jetzt kein Kronjuwel des Grauens geworden sein, aber dem Routinier aus dem Kriminalbereich gelingt hier eine über weite Strecken sehr unheimliche Grundstimmung und das Thema kann mit einer gewissen thematischen Deftigkeit punkten, die auch einer Anatomie-Vorstellung des seligen Dr.Morton gefallen hätten – nicht zuletzt ist der Roman zur gleichen Zeit entstanden und könnte von der kruden und blutrünstigen Mad-Scientist-Saga beeinflusst worden sein.

Ganz so detailliert geht Erichsen zwar nicht zur Sache, man darf sich aber über diverse Organentnahmen, eine Köpfung und diverse matschige Frankensteiniaden freuen, zusätzlich garniert durch psychische Einflussnahme durch diverse Untote in Form von lähmenden Energiefeldern.

Problematisch wird es erst, als aus dem ganzen Aufbau dann eine schlussfolgernde Handlung entstehen muss, die vor allem den bis dato  eingeführten Personen gerecht wird – sofern die nicht inzwischen umgebracht worden sind (und das sind hier einige).
Wie also schon häufig festgestellt: die Schwierigkeiten für viele Autoren liegt im Finish und das um so stärker, je breiter sie ihren Romananfang angelegt haben. Vielfarbige erste Seiten und eine geschickte Steigerung bis zur Romanmitte können nicht zwingend ein Finale kompensieren, in dem zwar herzerfrischen herumgematscht wird, aber sonst zu viele Fragen offen bleiben.

Aber der Reihe nach...

Der Alchimist von Buckland CastleEs geht auch ohne Organspendeausweis...
In einem Labor tief unter der Erde (na ja, wird wohl gemäß Titel irgendwo unter Buckland Castle sein) treibt ein buckliger und kahler Wissenschaftler Unseliges. In 14 gläsernen Sarkophagen mariniert er fröhlich diverse Tote/Untote/Halbzerfallene – wie sie denn in diesen Zustand geraten sind, wird nicht recht klar – in einer schaftsbluthaltigen Mixtur, was die Korpusse dazu bringt, über Elektroden ihr Bedürfnis nach Leben zu äußern und an ihn weiter zu geben.

Kurz darauf wird ein naives junges Kind – Elisa – in freier Wildbahn von einer düsteren Gestalt in dunklem Umhang gemeuchelt.

Das kann nicht lange unentdeckt bleiben, auch wenn die Stimmung in „Buckland in the Moor“ sowieso nicht die Beste ist, denn jahrhundertelange Inzucht und die diesem dollen Menschenschlag so eigene Herzlichkeit gegenüber Zugereisten genügen eigentlich schon für Stunk in der Bude.

In der Kneipe „Golden Arrow“ treffen sie nun aufeinander: die Ansässigen und der Zugereist-Eingeheiratete Oliver Hicks, der die Witwe eines gewissen Jake Vanstone (der war ein Einheimischer!) geehelicht hat. Nebenbei ist Hicks auch noch Elisas Stiefvater, aber er ist dazu genauso geeignet wie ich für astrophysische Berechnungen.

Das ist aber nicht der Grund für die allgemeine Abneigung, offenbar mögen sie sich dort alle nicht, was auch dazu geführt haben könnte, dass die Männer (und nur die Männer) des Ortes allabendlich saufen, bis die Kneipe schließt. Aber Fremde mögen sie halt noch weniger...

Doch heute alarmiert Grace Vanstone die Männer über das Verschwinden ihrer Tochter und die Suffköppe kriegen ein Suchteam zusammen. Lange dauert die Suche nicht, dann finden sie die Leiche: ohne das güldene Haupthaar und ohne das dazugehörige Gehirn.

Die daraufhin ermittelnden Polizeibeamten unter der Leitung von DS Nick Ellen werden daraufhin erstmal durch die keifende Dorflehrerin Bridget Luce eingenordet, finden aber sonst kaum Hinweise.

Zwei Tage später trifft man sich dann aber wieder zum Pubbesäufnis, inclusive des gar nicht trauernden Stiefvaters. Prompt geht man sich schnellstens an die Kehle, vorzugsweise durch die Sticheleien eines fiesen Farmers namens John Dymond, der ständig Schafe seiner Herde verliert.

Daraufhin sucht sich Hicks ein neues Lokal und Dymond eine neue Nase.

In der Folge bekommen einige Dorfbewohner unheimlichen Besuch: erst taucht die düstere Gestalt mit den skalpierten Locken bei der Lehrerin auf und lockt sie mit Elisas Stimme, bis sie ohnmächtig wird, um dann am Morgen neben einem Schafskopf im Blute ihres Bettes zu erwachen. Ihr Fluchtversuch aus dem Ort heraus, im Nachthemd, wird aber durch einen defekten Wagen verhindert.

Dann ist der Pubgemeinde an der Reihe: Pfarrer Trebilcock wird ebenfalls von der Gestalt aufgefordert mitzubekommen, sein Altarkreuz zerbricht und haut ihm ins Kreuz. Noch ne Ohnmacht. Auf dem Heimweg erleidet der Krämer Easterbrock das gleiche Schicksal und plumpst in einen Tümpel, um am nächsten Morgen in ein Schaffell genäht aufzuwachen.

Derweil erfahren wir, dass der Bucklige offenbar nur Familienmitglieder in seinen Särgen versorgt und dass Elisa zu dieser Familie gehörte. Genauso wie Vanstone, der nicht tot ist, sondern in einem der Särge vor sich hinblubbert. Der Chef des Ganzen ist aber offenbar der Vater des Buckligen, der den größten psychischen Einfluss nach außen ausüben kann – auch er liegt schon in so einem Tank.

In der nächsten Nacht, kurz nach der Beerdigung Elisas, wird es dann deftiger: der Unheimliche säbelt Hicks nächtens auf offener Straße die Rübe runter und steckt sie auf eine Schildspitze des Pubs. Das erfährt der Dorfpöbel bei einer weiteren Suchaktion, da neben Hicks nun auch Easterbrock verschwunden ist.

Auch die Lehrerin Luce beruhigt sich nicht und geht wieder die ermittelnden Beamten rund um Nick Ellen an – sie will Schutz, kann aber unter einem psychischen Bann den Ort nicht verlassen.

Derweil geht dem Rest des Dorfes die Muffe und man erwägt, sich an einen Fachmann zu halten, denn davon gibt es einen in der Gegend: Sir Howard, den derzeitigen Grafen auf Buckland Castle (welch Zufall!). Während eine Abordnung zur Burg fährt, findet der Pfarrer die Leiche des Krämers in der Kirche – und ihm fehlen diverse innere Organe.

Da kommt dann auch endlich der Protagonist ins Dorf geknattert, Vanstones Sohn Robin, bisher Matrose und auf See, jetzt über den Tod seiner geliebten Schwester erst entgeistert, dann verzweifelt, schließlich stinksauer.

Am anderen Ende des Spektrums haben wir Sir Howard, übrigens einen buckligen Glatzkopf (aha!), der die Abordnung um John Dymond abwimmelt und Hilfe verspricht, inclusive der Ankündigung, der Mörder würde bald sterben (was nun so gar keinen Sinn macht, wenn man es selbst ist).

Er ist – das ist jetzt klar – der letzte Überlebende einer Familie aus lebenden Leichen, die zwecks Überholung jetzt hie und da neue Organe benötigen. Diese Absichten teilen die satanischen Untoten per psychischer Befehle durch, während sich Sir Howard aus Elisas Gehirn einen leckeren Extrakt geköchelt hat, den er sich spritzte, um so selbst die psychischen Bannkräfte zu entwickeln. Leider funktioniert das nur bezüglich der Personen, die das Mädchen im Leben mies behandelt hatten.

Als Nächster soll Robin dran glauben, aber als der Unheimliche (also der Graf) schon die Klinge ansetzt, fährt Elisas Geist dazwischen und der Graf flieht. Aber nicht für lange: nachdem er für Vanstone einen neuen Körper an dessen Kopf operiert hat (den von Hicks), meuchelt er den Sohn des Gastwirts in Anwesenheit von Robin (der prompt zum Täter gekürt wird) und dann noch die Lehrerin. Robin ist derweil auf der Flucht und gerät durch eine Geheimtür in den Laborbereich unter Buckland Castle – bereit für ein psychisches Finale...

Wir haben Startprobleme...
Jupp, und dieses Finale konzentriert sich dann über volle 12 Seiten nur noch auf Ritter Robin und seinen Kampf mit den telekinetisch begabten Untoten, tatkräftig unterstützt vom Hirnextrakt der toten Schwester, die dem Buckelgrafen bei der finalen Meuchlung und Wiederauferstehung der lieben Familie ständig ins Handwerk pfuscht.

Das ist leider dann etwas langgezogen und damit sehr unbefriedigend, denn nachdem man ein ganzes Panoptikum an Nebenfiguren aufgestellt und ins Spiel gebracht (und wieder kleingehäckselt) hat, erwartet man da vielleicht auch noch etwas Einsatz, gerade weil der „Held“ in diesem Fall erst zur Romanmitte überhaupt in die Handlung knattert.

Alle übrigen, denen man so großen Spielraum eingeräumt hat, sind dann tot oder werden mal flugs fallen gelassen. Das ist schon nicht so dolle im Falle der ermittelnden Polizei, die nur zwei wirkungsarme Kurzauftritte abliefern darf – und noch schlimmer im Falle des Schafzüchters und Dorfoberfieslings John Dymond, der ein paar echt fiese Auftritte in der Handlung hat, stets als heimtückisch und bösartig beschrieben wird und dann wohl doch gemütlich im Pub bleiben darf, als es brenzlig wird.

Gerade diese Farmerhackfresse hätte man liebend gern noch einen Untoten kommen lassen, aber das ist uns nicht vergönnt. Stattdessen tut Erichsen lange so, als wären der bucklige Wissenschaftler und der Graf eben nicht eine Person, was nicht wirklich funktioniert, als die innersärgischen Familienverhältnisse erstmal bekannt gegeben worden sind.

Wie die seltsame Opferwahl vor sich geht, bleibt lange nebulös und wird später in einem Nebensatz preisgegeben, den ich bei Runde 1 glatt überlesen habe. Warum man die Opfer erstmal mit der Geisterstimme des Kindes freundlich (oder unheimlich) anfragt, ob sie sich nicht freiwillig opfern wollen, ist auch nicht eben logisch.
Und so summieren sich die Unklarheiten.

Davon gibt es natürlich noch so einige mehr.

Warum gibt es hier wieder ein Dorfgemeinschaft, die sich abgesehen von vorhandenen Autos gebärdet, als würden alle noch im 17.Jahrhundert leben, inclusive einem Frauenbild von Vorvorgestern und einem gepflegten Landsexismus? Wieso ist der Einfluss eines so naiven, geistig eher schwachen Mädchens später so stark in Bezug auf die übermächtigen Untoten, die über den kompletten Ort eine Art Bannglocke gelegt haben?

Wieso sind die Untoten eigentlich untot? Ist das ein Familienfluch oder beruht das auf den mysteriösen Apparaturen. Und wenn die seligen Eltern des Grafen schon Matschepampe in ihrem Tank sind (oder fast), wie sollen sich da die Vorfahren denn noch weiter erheben, die müssten ja schon Suppe pur sein?  Warum sind die geistig so stark, sobald sie in der Nährlösung liegen? Wo ist dieses Rezept eigentlich her und was soll das bringen, außer einer feuchten Existenz mit häufigem Organaustausch, der sicherlich irgendwann für Aufsehen sorgen wird (tut er schon in der Romanhandlung). Und wer hat eigentlich im Alleingang das 14-Särge-Labor gebaut – der Graf mit seinem einen, einzigen, scheintoten Diener von anno dunnemal?

Wie man sieht: Atmo ist nicht alles und mit Drive und Action (samt Blut und Gedärm) kann man leider nicht alles übertünchen, da bedarf es dann doch etwas mehr abstrakter (weil übernatürlicher) Schlüssigkeit, die hier meistens kleingehalten wird.

Dazu kommt, wie fast schon üblich, das Problem des Zu-Ende-Bringens, denn die restlichen Figuren würden schon in den Showdown passen, doch leider konzentriert sich Erichsen zu sehr auf einen Einzelfight, der leider, trotz Getropfe und Gematsche (die Untoten erheben sich noch), meistens mittels geistiger Fähigkeiten ausgefochten wird und die sind in dieser Papierform leider nicht abendfüllend.

Einen weiteren Standardfehler kann man wiederum der Redaktion an die Backe kleben, die auch in diesem Fall mit ihrem Charaktere-Kästchen zu Beginn den ganzen Spaß kaputt machen, indem sie nicht nur das erste Opfer benennen (was dann aber erst auf Seite 25 oder so passiert), sondern auch gleich noch den Verantwortlichen identifizieren.

Insgesamt also dann doch kein so glücklicher Roman – außer man bleibt ganz an der Oberfläche und stellt keine zu tiefgreifenden Fragen über Sinn und Zweck vieler Elemente.
 
Möglicherweise ist Erichsen deswegen dann lieber wieder zu handfesten Themen (mit harten Männern) zurückgekehrt – es hat ja auch nicht automatisch jeder Romanheftschreiber jedes Genre drauf.

Dennoch: langweilig war auch das nicht (sogar manchmal etwas gewagt) und somit eine gute Basis für einen weiteren Versuch...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-11-08 10:41
Schöne Zusammenfassung. Den habe ich auch ganz nett in Erinnerung.

Dass mit dem Dorf der Inzüchtigen sollte man nicht so ernst nehmen. Das war seit Frankenstein in den Filmvorbildern allgemein üblich und wurde kritiklos so übernommen. Und mit aufgeklärten, emanzipierten Jungbauern würde so eine Geschichte auch nicht funktionieren :lol:
#2 AARN MUNRO 2016-11-10 10:47
...ein schöner Artikel, danke dafür...gut zu lesen...besser als das Heft, grins, das natürlich die üblichen Klischees heranziehen muss...aber wahr gesprochen: "Nicht jder Autor hat jedes Heftgenre drauf!"

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