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Und wieder übertrieben - American Wasteland (Cannibal Corpse M/C) von Tim Curran

American WastelandUnd wieder übertrieben
American Wasteland (Cannibal Corpse M/C) von Tim Curran

Schauplatz des Romans sind die verwüsteten Staaten von Amerika, die sich nach einem ominösen „Outbreak“ durch Würmerregen und nachfolgender Nuklearkatastrophe in ein wahres Horrorszenario verwandelt haben. Der Hardcore-Biker John Slaughter von den Devils Disciples (einem harten, aber auch wirklich harten Motorradclub) genießt die so entstandene Anarchie und grenzenlose Freiheit auf seine ureigenste Weise.


American WastelandImmer wieder aber kreuzen sich seine Wege mit den verwurmten Mitliedern einer ehemals rivalisierenden Gang, der „Cannibal Corpse“, und der milizartigen „Red Hand“, die er alle ganz demokratisch und gänzlich vorurteilslos gleichsam gnadenlos tötet.

Slaughter trifft gleich auf der ersten Seite auf einen Verwurmten, killt diesen selbstverständlich und offenbart dem Leser ganz nebenbei ein wenig aus seiner Vergangenheit, fährt anschließend zu seiner Braut (die ihn mittlerweile auch schon langweilt) und gerät unvermutet in eine sehr gewalttätige Konfrontation mit der „Red Hand“. Und so gehts dann erstmal munter weiter. Bald schon aber hat das Bikerglück aber ein jähes Ende, denn Slaughter („nur meine Freunde nennen mich John“)wird von immer noch existierenden Regierungstruppen gefangen genommen und erstmal guantanamonisiert. Man macht ihm schließlich aber ein Angebot das er nicht ausschlagen kann oder wagt: gemeinsam mit seinen tot geglaubten Kumpels der Disciples macht er sich auf den Weg in den Westen, um die einzige Person zu finden, die der Wurmkatastrophe ein Ende bereiten könnte, würde sie sich nicht in der Gewalt der „Red Hand“ befinden. Und damit beginnt die eigentliche Handlung erst…

Was sich hier nicht besonders originell anhört, ist es leider auch nicht. Die anspruchslose und dünne Story wirkt wie ein recht bemühter, letztlich aber unbeholfener Verschnitt aus „Rambo“ und „Die Glorreichen Sieben“ und dümpelt nach kurzer Zeit einfach nur unmotiviert und müde dahin, obwohl der Anfang wirklich Laune und Appetit machte.

Wie bei Curran üblich, sind die Gewaltszenen sehr intensiv und explizit beschrieben; allerdings setzt er in Wasteland zu sehr auf oberflächliche Action, und das wird dann auch ganz schnell öde.

Laut Klappentext ist der Held übrigens sehr sympathisch, was ich aber ganz konkret verneine: Slaughter ist dies kein bisschen, er ist stattdessen ein triebgesteuerter und gewissenloser Killer, der auf Kosten anderer lebt und alle Nicht-Kuttenträger verachtet. Er ist lediglich seiner Gang gegenüber loyal: seine Kameraden sind seine Blutsbrüder und seine Kutte ist sein Heiligtum. Dumm ist er eigentlich nicht, er hat sich im Knast durch lesen sogar ein wenig Bildung angeeignet, sieht aber scheinbar keinen Nutzen darin. Wer zu so einem Menschen nun eine Affinität verspürt und ihn sympathisch findet, muss meiner Meinung nach wohl vom gleichen Schlage sein. Da kann jetzt aber der Autor nichts dafür, sondern Swampdweller Book Reviews, die diesen Bullshit verfasst haben.

Sympathisch muss die Hauptfigur in dieser Horrorwelt übrigens auch nicht sein, ganz im Gegenteil. Für die Mission ist es sogar zwingend erforderlich dass die Hauptfigur keinerlei Gewissensbisse und keine Furcht hat und somit wenig menschelt. Allerdings hätte es wohl durchaus genügt, wenn Curran seinen Helden nicht gar so sehr überzeichnet hätte. Als Leser möchte man sich ja immer ein wenig mit der Hauptfigur identifizieren können, was einem aber in diesem Falle schwer gemacht wird. Slaughter ist zu sehr ein 1%-er.  Eine oder zwei kleine Schwächen hätten den Biker durchaus etwas menschlicher wirken lassen, und der Leser könnte ihm so etwas wie Sympathie entgegen bringen.

Das Szenario, die Bühne der Story selbst wirkt auch wenig glaubwürdig; ähnliches hatte uns Curran bereits in seinem Roman „Verseucht“ wenig plausibel präsentiert. Eine einzige Ursache für die Postapokalypse hätte durchaus genügt, genauso wie eine konkrete Gefahr gegen die man ankämpfen muss.

VerseuchtCurran übertreibt allerdings leider erneut, scheint nichts aus seinen Fehlern gelernt zu haben.
Der Würmerregen (eine sehr gute und originelle Idee) und die durch die Tierchen zu lebenden Toten mutierten Menschen reichen ihm nicht, es muss auch noch eine Nuklearkatastrophe her; die obligaten und unvermeidlichen Mutanten peppen das Ganze dann auf. Eine Riesenspinne kommt noch hinzu, während ein diffus als „Groß und Schwarz“ beschriebenes, das im Fluss haust nur angedeutet wird. Das Sahnehäubchen der kruden Story ist dann aber ein sehr übernatürliches und mystisches Etwas in Form des Schwarzen Mannes/Black Hat/Skeleton Man. Aha. Ein wenig zuviel des Guten, oder?

Die interne Glaubwürdigkeit seines Romans ist ebenso dürftig: ähnlich wie bereits in „Verseucht“ dürfte es auch hier in einer lächerlich kurzen Zeitspanne (5 Jahre)nicht möglich sein, eine derartige Vielfalt an Mutationen hervorzubringen. Da müsste schon ein Dimensionsriss her um das zu bewerkstelligen. Verwunderlich, dass Curran diesen nicht auch noch mit eingebaut hat.

American WastelandAber weiter im Text.
Nach knapp der Hälfte des Buches ist die Luft dann auch schon raus und das weiterlesen wird zur Qual. Die permanente Action und die sich stetig wiederholenden Gewaltszenen werden zunehmends öder und beginnen zu langweilen. Richtig schlimm wird es für den Leser, als Slaughter von seiner Gang getrennt wird und Bekanntschaft mit einer wirklich seltsamen indianischen Figur macht: Barbecue-King spielt die Rolle des Erzählbären und trägt dem Biker ausufernd die Mär über den schattenhaft bösen Skeleton Man vor. Ähnliche Figuren wie der Barbecue-King traten auch bei Currans Vorbild Lovecraft auf (z.B. in „Schatten über Innsmouth“), waren dort aber geschickt eingesetzte Kunstgriffe des begabten Autors um dem Leser beklemmendes Hintergrundwissen zu vermitteln. Bei Curran ist der Barbecue King aber lediglich ein fader Schwafler, der außer detailliert geschilderten Grausamkeiten wenig Informatives zu berichten weiß. Zum Abschied beschert er unserem bösen Bikerboy dann auch noch einen Mescalintrip, der ihm das innere Auge öffnen soll, dessen Schilderung sich aber leider auch nur auf neue Gewaltszenen beschränkt.

So richtig ekelhaft wird es dann gegen Ende des Buches, als Slaughter die Höhle der Cannibals betritt, und Curran mit sichtlichem Genuß die dort aufbewahrten Leckereien schildern kann. Das ist handwerklich recht gut gemacht und auf sehr makabre Art sogar recht witzig, aber letzten Endes doch überflüssig und reiner Selbstzweck.

Ein großes Manko ist bei dieser Veröffentlichung die Übersetzung. Der deutsche Text hat stellenweise anspruchloses Schulaufsatz-Niveau. „Peyote-Buttons“ in „Peyote-Knöpfe“ zu übersetzen klingt hölzern und ist auch unnötig; man hätte das auch so lassen können. „Joint“ würde ja auch keiner als „Verbindung„ übersetzen. Was mich übrigens auch sehr wundert, ist der Titel der deutschen Veröffentlichung: aus „Cannibal Corpse M/C“ wird „American Wasteland“. Ein englischsprachiger Name wird durch einen anderen, ebenfalls englischsprachigen ersetzt. Wenn man für eine deutsche Ausgabe unbedingt einen englischen Titel möchte, könnte man doch gleich den Originaltitel verwenden, oder?

Fazit:
Das bisher schlechteste Buch von Tim Curran, den ich sonst eigentlich sehr gerne lese. Hier herrscht aber zu großes Durcheinander ohne ein klares oder zumindest erahnbares Konzept.

Ich vergebe daher nur 1 von 5 Lederjacken

American Wasteland
American Wasteland
(Cannibal Corpse M/C, 2012)
von Tim Curran
Übersetzt von Alexander Rösch
416 Seiten
ISBN: 978-3-86552-430-0
Festa Verlag, 2016

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