»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Stein des Todes (Gespenster-Krimi 54)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Stein des Todes«
Gespenster-Krimi 54 von Bruce Coffin (Kurt Maurer)
Erstens sind Sie aus der Frühphase der Reihe (als alles, wie ich hoffe/hoffte noch etwas erntefrischer ausfiel) und zweitens stammen sie von den aktivsten Autoren der Reihe, einen dritten, weil es sich dabei um eine der sehr seltenen Übersetzungen in dieser Reihe handelt.
Den Anfang spendierte ich Kurt Maurer aka Bruce Coffin, der es geschafft hat, praktisch nur für den Gespenster-Krimi zu schreiben und sich dabei – über die volle Distanz der Serie, denn sein letzter Roman war auch die vorletzte Nummer 596 – auf ein- und denselben Helden konzentrierte, den tätigen, wenn auch etwas farblos gehaltenen Frank Connors, möglicherweise den einzigen Heftromanhelden, der es trotz über 50 Abenteuer (53 insgesamt) nie zu einer eigenen Serie gebracht hat.
Durchaus möglich, dass ich schon mal einen dieser Romane in all den Jahren genießen durfte, hängen geblieben ist jedoch nichts – mir schwirrt da etwas von einem magischen Ring im Kopf herum, ohne es verifizieren zu können. Sollte dieser Ring tatsächlich aktiv gewesen sein, so ist er in diesem Abenteuer – dem zweiten überhaupt – leider noch nicht vorhanden, sondern setzt noch irgendwo Patina an; Connors ist hier noch waffenlos und grüblerisch, hat eine interessante Backstory zu bieten und geht die Sache nach dem „Muss ja“-Prinzip an.
Ich verraten nichts Wildes, wenn ich gleich konstatiere, dass auch das keine besonderes Offenbarung geworden ist, denn sobald die Autoren sich auf einen Protagonisten festlegen, ist dieser praktisch schon sakrosankt, was die Spannung zumeist stark mildert, da man sich an den Erlebnissen dieser Figur entlang hangeln kann.
Gefahr besteht letztendlich nur für die Kollegen und Nebenfiguren und bei all den Standards, die auch diesen Roman durchziehen und die wenn schon nicht für Aufregung, dann doch für beliebte Deja-vus sorgen, hat er zumindest etwas Riskantes an sich: er flext praktisch auf die letzten fünf Seiten noch einige Figuren weg und lässt das Schicksal einiger anderer unangenehm offen.
Der Rest des Plots ist mal wieder anglophil, komplett mit Schloss und Geist und Fluch und ohne allzu aufdringliche Originalitäten, hält aber interessanterweise seine Figuren praktisch ständig in Bewegung, denn wann immer es etwas zu folgern und zu sinnieren gibt, gehen Maurer offenbar die Ideen aus: der gute Frank scherzt dann meistens grundlos oder zieht eine Fluppe nach der anderen durch, was womöglich eine direkte Spiegelung der damaligen Schreibarbeit darstellt.
Machen wir also keine große Sache draus, ran an das rot glosende Dings...
»Was kann denn ihr Stein des Todes so alles?« - »Naja, danach will man einfach immer mehr Leute umbringen!« - »Ach, das ist ja ne tolle Sache...«
Jeder gute Schloss-Roman aus dem Hause Gespenst beginnt mit einem Vergangenheitsprolog (sozusagen ein echter Schlösser Alt...): hier mal 1674, als Sir Charles Hammond (der mit dem markanten dunklen Vollbart, als hätte es sowas in England wirklich so oft gegeben...) was sucht?
Genau, den Stein des Todes!
Der soll nämlich Macht über die Toten verleihen, doch was daran Sir Charles so attraktiv findet, wird nicht mehr klar, prickt ihm doch eine unheimliche Gestalt, die aus einem düsteren Stuhl wächst, ein Schwert in die Innereien.
300 Jährchen später kommt es zu einem weiteren schwer fassbaren Ereignis, denn zwei Kleinkriminelle, die einen Autofahrer abzocken wollen, suchen sich das falsche Opfer, welches nach gepflegter Amokfahrt mit den beiden in einen Lastwagen donnert. Dennis Smith, Polizist vor Ort, kämpft daraufhin erst mit seinem Essen, dann mit einer Macht, die in ihn eindringt (ich will gar nicht wissen, wie...)
Smith kommt erst mal auf die Beobachtungsstation für psychisch Angeknackste, wo er im Beisein von Inspektor Hull Ominöses wie „Ich bin ein Diener des Todes!“ absondert (was aber niemanden länger stört) und aus der er in einem unbeobachteten Moment sofort wieder verschwindet.
Schon komplett besessen marschiert er auf den Parkplatz hinaus, meuchelt eine unschuldige Stehparkerin mit bloßen Händen und düst davon. Später, während des obligatorischen Gewitters, wird er mit einem düsteren Figur zusammen in der Crawfordschen Familiengruft verschwinden.
Die Journaille hat derweil ganz andere Probleme, denn Frank Connors, unser bald Geister jagender Reporter, war 18 Monate vom Erdboden verschwunden/vermisst (Vietnam oder so...) und ist jetzt für tot erklärt worden (sanfte Ironie angesichts seines Jobs). Passend dazu hat er aber auch geerbt und zwar einen Titel, weil Onkel Gerald auf Canwall Castle in den Besteckkasten gegriffen und den silbernen Löffel abgegeben hat.
Frank kachelt also nach Canwell, wo Vetter Mike Barkley (der derzeitige Schlossverweser) gar nicht erfreut ausschaut. Er ist nämlich schon im Todes(stein)bann und hat mächtig Bammel, während sein Schwesterlein Lady Helen noch ganz appetitlich daher schreitet. Frank gibt (nach längerem Nachdenken) Mike den Tipp, mal den Psychiater aufzusuchen und schreitet zur Nachtruh.
Am nächsten Morgen steht Inspektor Hull vor der Tür und will sich überzeugen, dass Onkel Gerald auch wirklich richtig tot ist, weil man ihn angeblich noch im Dorf gesehen hat. Wie es sich für einen Gruselroman gehört, verabreden die beiden sich dafür sinnfrei für die kommende Nacht (anstatt einfach mal den Schlüssel zu holen!).
Frank düst dann mit dem bleichen Mike „back to London“, um diesen auf Dr. Murphys Couch abzuliefern und mal auf mentale Hohlräume abzuklopfen. Weil aber der Haushaltshilfe Stella zwischendurch schon mal der böse Geist erscheint, wird Frank noch an der Waterloo Station zurück beordert. Er schickt Mike mit seiner Kollegin Barbara Morell zu Murphy und tuckert wieder schlosswärts.
Murphy stellt fest, dass Mike noch alle Murmeln im Kasten hat, ist aber (ZUFÄLLIG) auch Mitglied in einem Geisterclub und hat (ZUFÄLLIG!!!) ein Medium am Start, das just yesterday etwas von Canwell gemurmelt hat. Barbara hat Mike schon auf dem Romanzenkieker, also setzen sich alle in eine hastige Séance, in der das besagte Medium einen Angriff auf Helen in ihrem Schlafgemach zusammen visioniert.
Das ist eine ziemlich konkrete Angabe, denn Ex-Polizist und Jetzt-Mörder Dennis Smith ist ausgesandt worden, um zu meucheln. Leider hat die gute Helen eine Knarre im Nachttisch (good old england!) und verpasst dem Killer ein neues Knopfloch. Frank kommt spät und kassiert einen schnellen Knockout, doch der Angeschossene flieht verblutend, anstatt den Sack zu zu machen.
Inzwischen ist a) das Auto mit dem toten Mädchen gefunden worden (vom Reverend) und b) Dennis Smith tot zusammengebrochen (in der Kirche, beim Reverend!). Inspektor Hull ermittelt wieder.
Da endlich kommt Frank auf die knorke Idee, doch mal in das geheimnisvolle Arbeitszimmer des Schlossherrn einzudringen und sich über Fluch und Stein zu informieren (mittels eines geheimnisvollen Geheimfachbuches). Kurz darauf enttarnt sich der zahnlose Hausdiener als eine Inkarnation des geisterhaften Sir Charles und das Buch wird geklaut.
Nahtlos geht es dann in den längeren Showdown: das Licht geht aus; Mike verschwindet, Frank kriegt aufs Maul (der Agilste ist er ja nicht...) und Dr. Murphy fühlt sich gar nicht gut. Der Reverend entdeckt noch weitere Leichen (der hat nur Pech hier...) und macht Inspektor Hull fuchsig. Der nimmt auf dem Friedhof nicht nur ein weiteres verdächtiges Grab mit zwei Beamten in Augenschein, sondern auch wieder mal die Canwellsche Gruft. Als Frank ihn zu der prekären Situation hinzu zieht, wird es turbulent.
Mike ist inzwischen in einem Tunnelsystem wieder erwacht und beobachtet eine Versammlung der Toten.
Jetzt kann das große Aufräumen beginnen: einer der Polizisten wird überwältigt und aufgehängt, Dr. Murphy leidet an akuter Geisterbesessenheit und metzelt erst die Haushälterin mit dem Bratenschneider nieder und killt dann im Überschwang per Messer auch noch Inspektor Hull.
Mike wird von den Geistern entdeckt, flieht in die Dunkelheit und stürzt sich zu Tode. Er kann aber noch Frank anvertrauen, wo dieser den Stein des Todes findet. Als Sir Charles und Murphy ihn damit attackieren, leert er ein Magazin Kugeln in den Stein und zerstört diesen dadurch.
Zurück bleiben jede Menge Leichen und ein ziemlich fertiger Psychiater...
Ich hab noch ein paar Seiten, ich dünne mal meinen Cast aus...
Man merkt es überdeutlich, es ist ein typischen Standardroman mit normalen Versatzstücken und doch hab ich erst mal tief eingeatmet, als er vorbei war. Tabula Rasa ist zwar was Feines, aber hier am Ende noch mal so richtig abgeräumt, als hätte es in der ersten Hälfte einfach zu wenig Tote gegeben.
Das rechte Maß will Maurer hier nicht so recht finden, tatsächlich ist die Quote, mit der er hier die handelnden Person weghäkselt beachtlich. Hier ein Bauernehepaar, dort eine zufällig wartende Autofahrerin, zwischendurch probt die ganze Familiengruft eine flotte Tanznummer und am Ende fallen sie alle wie die Fliegen, wobei Maurer seinem Werk damit sogar noch einiges an Überraschungseffekt verpassen kann. Wenn schon die Handlung nicht sonderlich wendungsreich ist, dann kann man ja immer noch damit verblüffen, wen man unerwartet noch aus dem Weg räumt.
Der bedauernswerte Dr.Murphy, der am Ende auf zwei Morden sitzen bleibt, ist echt nicht zu beneiden und es gab sogar einen gewissen Fruststich, dass sich der Autor mit der Frage, wie man das den Behörden erklären würde, mal wieder per Roman-ENDE aus der Affäre stiehlt.
Der Tod des führenden Polizisten ist dabei schon mal eine gelungene Überraschung, wirklich effektiv ist aber der Tod von Vetter Mike, der ja schon mal zarte Bande zu der schönen Barbara geknüpft hatte, dann aber in ein tiefes Loch stürzt.
Obwohl: ein Abgrund allein ist ja noch gar nichts im Heftroman, da hat es ja schon so manchen nur „beinahe“ erwischt – um so drastischer, wenn Mike dann ohne einen heilen Knochen im Leib im Dunkel verreckend aufgefunden wird.
Übrigens ist der Autor insofern folgerichtig mit seinem „Todesstein“, dass er genau die Figuren sterben lässt, die auch den Gespensterfluch abbekommen hatten, nämlich Mike und die neugierige Stella.
Leider ist die unausgereifteste Figur hier – noch – der Protagonist an sich. Frank Connors ist zwar immer in Bewegung und stets bemüht, das Richtige zu tun, gewinnt aber nie besonderes Profil.
Nachdenken scheint immer sehr lange zu dauern, wobei reichlich Tabak verqualmt und zahlreiche Drinks gekippt werden. In Sachen Geisterjagd merkt man ihm aber die Unerfahrenheit noch ganz gut an – vielleicht hat sich das ja dann später gegeben. Hier hat der Held leider die längste Leitung.
Erfreulich ist der Roman stilistisch, denn Maurer beherrscht das Format so gut, dass er immer den nötigen Drive in Dialoge und Handlung bringt. Weder werden da Seiten geschunden (nur in geringem Umfang), noch verbreitet irgendjemand anzügliche Peinlichkeiten, stattdessen ist der Roman todernst gehalten.
Auch von dem weit verbreiteten „Loch der Romanmitte“ ist hier nichts zu spüren, eher hat man das Gefühl, als wären die besonders chancenreichen Szenen (etwa die im Geisterclub) gar nicht richtig zum Zug gekommen.
Insofern gelingt Maurer tatsächlich etwas von der anfangs erwähnten Erntefrische, auch wenn er nur bewährtes Terrain durchwandert.
Da bleib ich doch glatt noch eine Runde in der ersten Hundertschaft...
Kommentare
»Was kann denn ihr Stein des Todes so alles?« - »Naja, danach will man einfach immer mehr Leute umbringen!« - »Ach, das ist ja ne tolle Sache...«
Da fällt mir doch glatt der Spruch ein:
Nimm es gelassen und lächle, schließlich kannst du sie nicht alle töten.
Eine Übersetzung im Gespenster? Das kann doch nur was von Fanthorpe sein.