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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Fahrstuhl in die Hölle (Gespenster-Krimi 95)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Fahrstuhl in die Hölle«
Gespenster-Krimi 95 von Dean Morris (Friedrich Tenkrat)

Ich geb es offen zu, dieses Projekt wird jetzt zu einer Art Notlösung, weil mir momentan das Neumaterial fehlt, aber je länger ich darüber gelesen habe, desto interessanter erscheint es augenblicklich. Vom Silber-Grusel-Krimi wieder zum Gespenster-Krimi zurück, aber mit einem speziellen Plan angesichts der letzten Artikeltrilogie um ein Pseudonym und drei verschiedene Autoren.


Jetzt versuche ich es mal mit einem Autor, der aber unter vier Pseudonymen geschrieben hat.

Das wäre jetzt nicht wirklich aufregend, wenn es sich nicht um Stichproben aus Friedrich Tenkrats „Tony Ballard“-Frühbeiträgen handeln würde, von denen es im Rahmen des Gespenster-Krimi immerhin 67 gab, mehr als von jedem anderen Helden innerhalb der Serie.

Ballard war in der schönen Jugendzeit eigentlich mein Nachfolgeprojekt zu „John Sinclair“, als dessen Schliche und Wendungen mir langsam bekannt vorkamen (und der führende Autor meistens genau das Personal weg killte, wegen dem ich die Serie eigentlich gesammelt hatte (Mordliga, Großen Alten, Asmodina)). „Tony Ballard“ hatte hervorragende Titelbilder und stand noch relativ am Anfang (naja, so bei 80 Romanen der eigenen Serie ungefähr) und wie sich bei der Lektüre schnell herausstellte, gab es ebenso viele schillernde Feinde wie auch eine entsprechende Menge immer wiederkehrender Helfer und Freunde.

Dass Tenkrat später selbst die falschen Figuren raus schreiben sollte und die Serie ebenso mechanisch wurde, konnte ich da noch nicht ahnen, aber das hätte mich auch nicht abgehalten. Eine Weile lang (so ungefähr bis Band 130) war „TB“ meine Serie (gut, ja, ich meine, äh, weil „Der Hexer“ leider schon wieder eingestellt war…).

Dass „TB“ ein ebensolches Vorleben im Gespenster-Krimi hatte, wie der selige Oberinspektor von Scotland Yard (und noch dazu ein noch längeres), hatte ich da längst raus, warb Bastei doch mit dicken, fetten Aufklebern für seinen B-Star im GK auf dem Cover – allein die Menge erfasste ich erst nach und nach.

Später empfand ich es als notwendig, die GK-Romane etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, denn da hatten eine Menge Figuren natürlich ihre Ursprünge und selbst mir war nicht entgangen, dass die eigenständige TB-Serie praktisch irgendwo mittendrin anfing, wo einige Konstellationen längst etabliert waren.

Ich habe nie alle 67 Ballards zusammen gesammelt, einige sind auch schlichtweg schwer zu bekommen, aber so an die 15 waren problemlos damals zu haben und im Großen und Ganzen auch sehr unterhaltsam und routiniert.

Die Kronjuwelen waren natürlich die frühen Romane und die gehen zurück bis auf Gespenster-Krimi Nr. 47, doch von noch größerem Interesse war immer der vorliegende Band 95, in dem der Silberdämon „Mr.Silver“ seinen ersten Auftritt hatte.

Versteht mich nicht falsch, Tony ist ein toller Bursche in seiner eigenen Serie, aber wenn wir Nerds ganz tief in unsere finsteren horroraffinen oder phantastisch geprägten Herzen schauen, dann haben wir „Buffy“ doch nicht wegen der Titelfigur, sondern wegen Spike (bzw. erst Angel und ggf. Willow noch) geschaut und Star Trek eher wegen Spock (und ggf. McCoy) denn wegen Kirk.

Ich muss aber einräumen, die Erinnerungen an den Roman waren mir komplett wieder flöten gegangen und hinterher wusste ich auch warum: so spektakulär war dieser Auftritt dann auch wieder nicht, wie aber meistens Starts und Ersteinführungen selten das verheißen, was da noch kommen sollte (Falls einer fragt, mindestens drei Star-Trek-Serien hatten einen vollkommen mißglückten Pilotfilm!). Tatsächlich zählt „Fahrstuhl in die Hölle“ nicht zu Tenkrats stärksten Stündchen und hat außer ordentlich Einfallsreichtum vor allem offene Fragen zu bieten….

Fahrstuhl in die Hölle»Die Axt im Haus erspart den Fahrstuhlnotdienst...«
Vielleicht hätte er besser die Treppe genommen!

In einem Appartmentgebäude in der Murdock Avenue 202 in New York ist die Benutzung des Lifts nicht ohne Gefahren! Edward Tagger kommt die Kabine praktisch schon grün dampfend entgegen, dann entspringt dem Lift eine holde Maid, die ihm schreiend eine Axt in den Schädel rammt und dann stiften geht.

Anschließend versucht sie – zerschunden und gefoltert, wie sie nun mal ist – auch noch einen Polizisten zu fällen, doch der kann sie überwältigen und in die nächste Klinik bringen.

Dort fällt sie in den Zuständigkeitsbereich des Arztes Dickinson Boyd, der gerade Besuch von einem alten Kumpel von der Weltgesundheitsorganisation WHO hat: Frank Esslin. Und Esslin wiederum ist ein Bekannter vom Dämonenhasser Tony Ballard und wollte gerade die letzte Schote dieser Bekanntschaft berichten.

Gemeinsam eilt man an das Krankenbett, wo die Holde aber einem unglaublichen Alterungsprozess unterliegt und zu Staub zerfällt. Das gibt Esslin natürlich zu denken, vor allem weil es schon der dritte Fall dieser Art ist. Und dann ist da noch die Axt, die nachweislich aus dem 12. Jahrhundert stammt. Da greift der Arzt doch gleich zum Telefon und klingelt bei Tony durch.

Tony ist aber gerade mit seiner Freundin Vicky Bonney (übrigens für mich immer noch einer der Anwärter auf die zehn furchtbarsten Charakternamen in Heftromanserien) auf Matratze und gar unwillig, überlegt es sich aber angesichts der Fakten Esslins schnellstmöglich anders. Just als er tags drauf abreisen will, taucht auch noch sein Gönner Tucker Peckinpah auf, ein Großindustrieller, der Tony ebenfalls unterstützt, hier mit einem dicken Apartment in New York und damit kostenfreier Logis.

In New York treffen Tony und Vicky dann Esslin und der Detektiv hat auch gleich eine Theorie: Dämoneneinfluss und Zeitreisen, wonach der Körper der Opfer/Täter durch die Reise stark nachgealtert ist.

Viel Zeit zum Ermitteln bleibt nicht, denn schon raucht es im Lift ein viertes Mal und ein weiterer Axtmann geht auf Jagd. Praktischerweise ist die Hauslobby leer, deswegen schafft er es bis in den nahen Park, wo er zwei arbeitsscheue und kriminelle Säufer zerhäckselt, die ihn berauben wollen.

Auch dieser Täter wird von der Polizei aufgegriffen und eingeliefert, was Tony und Vicky die Möglichkeit gibt, den unnatürlichen Zerfallsprozess mitzuerleben.

Tony hat inzwischen deduziert, dass das Apartmenthaus wohl etwas mit der Sache zu tun haben könnte, bzw. genau dieser Fahrstuhl eben. Er mietet sich teuer dort ein und bezieht mit Vicky die Wohnung, bekommt sogar Besuch von Oliver Hayes, einem netten Nachbarn, der aber auf den Fahrstuhl auch nicht gut zu sprechen ist.

Gleich in der ersten Nacht macht Tony dann das, was alle unvorsichtigen Draufgänger in ihrer Frühphase gern tun: sie probieren das Fahrstuhlfahren einfach auf eigene Faust aus, ohne Unterstützung, ohne bereit gestellte Hilfe. Immerhin: ein Briefchen hinterlässt er seiner Freundin.

Prompt düst der Lift rauchend mit ihm in ungeahnte Höhen (nicht Tiefen!) und er wird bewusstlos.

Als Tony wieder zu sich kommt, steckt er in Ketten in einem Verlies. Er schießt sich los und stellt dann im Verlies nebenan zwei Foltergrobiane, die ein Mägdelein fast zu Tode peitschen. Er nähert sich später in einer ruhigen Minute dem Mädchen und erfährt, dass sie a) Dodo Ferguson heißt (sogar in meiner blühenden Phantasie nicht eben ein Name, den ich mit dem 12. Jahrhundert assoziieren würde) und b) für eine Hexe gehalten wird. Verantwortlich für die inquisitorischen Greueltaten ist ein Satan in Menschengestalt namens Nicholas Braddock, ein echtes sadistisches Scheusal.

Tony schießt und kämpft sich bemüht den Weg frei und flieht mit Dodo per Pferd aus dem Städtchen bis zu einer Höhe, die das Mädel ihm empfohlen hat. Dort aber scheut das Pferd und auch bei Tony stellen sich die Nackenhaare auf, weil er die Höhle eigentlich meiden will. Zunehmend benimmt sich das Mädel seltsam, als plötzlich ein perfekt beleibter, durchtrainierter, silberhaariger Gigant auftaucht und die gute Dodo trotz erbitterter Gegenwehr Tonys erwürgt.

Das geht natürlich auf die Stimmung, aber der Hüne – der sich als Mr. Silver vorstellt – erklärt Dodo tatsächlich zur Hexe, die Tony dem zweiten der insgesamt drei Braddocks ausliefern wollte. Der wohnt etwas weiter hinten, heißt Delmer und ist ein Vampir. Silver ist ziemlich sauer auf die Braddocks, weil die ihn bei Freund Asmodis angeschwärzt haben und er von diesem verstoßen wurde. Seither ist der Silberne ein Dämonenjäger. Nun soll Tony den Vampir platt machen, was dieser nach einigem Zögern auch versucht. Dank seines magischen Rings widersteht er dem vampirischen Einfluss, kann den Beißer aber nicht besiegen. Da taucht Silver wieder auf, hackt den Vampir Delmer klein und pfählt ihn abschließend.

So erfährt Tony auch, dass er Nicholas Braddocks magisches Silberamulett braucht, um in der Zeit zurück zu reisen. Leider wartet der Übeltäter samt Schergen schon vor der Höhle, nimmt per magischem Zugriff Silver seine Dämonenkräfte und kastelt beide ein.
Tony kommt an den Pranger und wird deftig ausgepeitscht, doch ein kleines Mädchen befreit ihn schließlich aus reinster Herzensgüte. Als amtlicher Dämonenhasser rennt Tony sofort wieder ins Schloss zurück, wo er sich Braddock annähert. Der hat gerade eine ziemlich bizarre Idee am Start: er verwandelt sich in ein hübsches Mädchen, nimmt dem ebenfalls fast zu Tode gefolterten Silver die Schmerzen und stimuliert dessen Lustzentrum, so dass Silver nicht anders kann, als ihr sein kleines großes Silberthermometer einzuführen – worauf Braddock sich wieder zurück verwandelt, noch rittlings selbstverständlich.

So ein Schweinkram aber auch, da muss man was tun: Tony greift an, kann Braddock aber nicht verletzen. Doch das Bändchen des Amuletts kann er durchtrennen, das Amulett aufheben und gegen den Hexenjäger richten, der daraufhin in den Trümmern seines einstürzenden Palast erschlagen wird. Tony und Silver fliehen durch eine Öffnung im Boden quer durch die Zeit zurück und kommen gerade noch rechtzeitig, um Nachbar Oliver Hayes als dritten Braddock zu entlarven und zu besiegen. Dann stellt Tony seiner Vicky Silver als seinen neuen Diener vor, denn genau das hatte der Hüne ihm vorher leichtsinnig geschworen…

Fritz, wenn es emotional wird...einfach mehr Pathos!
Jaja, so ging das noch zu in den guten alten Zeiten (der Roman ist von 1975), da konnte man sich noch so einiges erlauben und war nicht an die üblichen zweieinhalb Standardopfer (meistens im Off gestorben) gebunden. Hier gibt es gleich dreimal das nackte Beil in die Rübe und in den Keller des 12. Jahrhunderts (oder was immer sich Tenkrat darunter vorgestellt hat) werden ordentlich nackte Mädchen ausgepeitscht und zu Tode gefoltert und als Krönung gibt es noch (damals) ein paar sexuelle Abartigkeiten als Streuselchen oben drauf.

Ganz im Ernst: ich hab Tenkrat immer gern gelesen, denn er wusste eigentlich meistens, was er tut. Dafür, dass er in mehreren Serien gleichzeitig einen fast unglaublichen Romanoutput hatte, wirken die fertigen Stories selten schludrig und seine Beschreibungen sind fast immer stilsicher und atmosphärisch dicht geschrieben.

Auch hier ist die erste Hälfte (bis Tony in den Fahrstuhl steigt) ziemlich gut getaktet, ein schöner Potboiler, bei dem man die Figuren ausführlich und flüssig vorgestellt bzw wieder vorgeführt bekommt und alles ganz gut ineinander greift. Fahrstuhl, Axt, Zeitreise, beschleunigte Alterung, das alles passt soweit noch zusammen (mal ganz abgesehen davon, dass der Fahrstuhl nicht in die Hölle geht – er fährt sowieso nach oben und nicht nach unten – und die Hölle sowieso hier Pause macht) und ergibt einen sehr ordentlichen ersten Teil, ausgenommen, warum es so lange dauert, dass jemand (also Tony) darauf kommt, dass sich alle Opfer offenbar in dem Apartmenthaus aufgehalten haben.

Im Anschluss gerät der Plot dann aber aus den Fugen.

Das liegt zum einen an einem sehr rudimentär entwickelten 12. Jahrhundert, in dem es in etwa so zugeht, wie sich eine Zwölfjährige nach ein paar Ritterfilmen eben dieses vorstellen würde, komplett mit halbnackten Folterknechten.

Viel putziger wird es aber ab dem Augenblick, als die holde Maid sich als „Dodo Ferguson“ vorstellt, was mehr nach einem schräg akademischen Sitcomcharakter klingt. Die sorgt dann angesichts ihrer Rettung durch den Helden durch ihre angekündigte hörig-sklavische Hingabe für Heiterkeit, was Tony ein paar Gedanken zur Emanzipationsbewegung abnötigt und wie sich das Geschlechterverhältnis so entwickelt hat (wer es nicht glaubt, steht auf Seite 37). Natürlich ist sie während Rettung und Flucht ausnahmslos so gut wie nackt.

Wo wir uns überhaupt und ab dann befinden, wird übrigens nie geklärt, es existieren nur Dorf/Städtchen mit Palast und ein Steinbruch mit der Höhle des Vampirs.

Nicht geklärt wird auch anderes: Warum wohnt der Vampir in einer Höhle? Wenn Dodo dem Vampir ergebene Hexe ist, warum kastelt sein Bruder sie ein und foltert sie unter Hexenverdacht? Warum muss Tony eigentlich erstmal allein an den Vampir ran, ehe Silver ihm die Arbeit abnimmt.

Wieso füttert das rettende Mädchen Tony erst am Pranger mit Brot und Milch, ehe sie ihn anschließend los schneidet? Wozu werden überhaupt die Menschen aus dem Fahrstuhl verschleppt und warum wieder zurück gebracht? Wieso macht der dritte Dämonenbruder eigentlich in der Gegenwart den Wohnungswächter im Urlaub oder was ist seine tiefere Funktion?

Und wieso besteht überhaupt die Verbindung zu dem Fahrstuhl in New York, scheint die Vergangenheitsepisode doch im fernen England zu spielen?

Fragen über Fragen, die die marginal ausgemalte Robin-Hood-Episode nicht eben besser machen, dafür sorgt aber „Mr. Silver“ mit einem netten, weil atlanesk-kraftvollen Auftritt auf den letzten 20 Seiten, in denen er sich für den Job als ex-dämonischer Hausdiener qualifiziert – ich hoffe inständig, dass da bald eine normale Kollegialität eingeschlichen hat, denn diese Abhängigkeitsverhältnisse und seltsamen Beziehungen hat der Roman schon genug.

Ach ja, die eher gewagten Szenen…

Als diese empfinde ich das unbewusste Nümmerchen von Silberdämon und Hexenjäger heutzutage nicht mehr so gewagt, aber ist schon recht schrill, in einem 40 Jahre alten Heftroman so ein „Joint Venture“ vorzufinden und damals haben sicher einige tief eingeatmet.

Viel gewagter finde ich leider die meisten emotionalen Dialoge, die sich aus Notsituationen ergeben, da ergeht man sich hier meistens in recht pathetischer und arg gestelzter Sprache, die nicht mal als Film oder Hörspiel so durchgegangen wäre. Aber auch das geht irgendwann vorbei.

Leider haben die meisten Figuren in der zweiten Hälfte nur noch wirkungslose Gastauftritte und kurze Shopstopper bis zum Schlussgag (der ist zwar zu erwarten, aber dennoch ganz nett angefügt), doch insgesamt wirkt die Struktur der Story etwas ausgereifter als bei den meisten Grusel-Krimis.

Später hätte die Story sicherlich einen Zweiteiler ergeben.

Aber so ist es ein schöner Start in meine kleine Testreihe, die Friedrich Tenkrat noch unter dem Pseudonym „Dean Morris“ schrieb, welches er siebenmal im GK benutzte und das anschließend von der Bildfläche verschwand. Aber davon dann ein anderes Mal…

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