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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Satansgambit (Gespenster-Krimi 321)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Satansgambit«
Gespenster-Krimi 321 von Frederic Collins (Richard Wunderer)

Ich muss mich dringend um neues Material bemühen, darum setze ich mal fröhlich unter der Prämisse „irgendwas, was noch da ist“ fort.

Ein paar Gespenster-Krimis ohne Extra-Subserien sind noch übrig, also noch mal in die seligen 300er eintauchen und mal wieder einen Richard Wunderer genießen.

Ausschlag gebender Punkt war das Thema, denn Schach gibt immer einen wunderbaren Background, wie überhaupt der Griff zu etwaigen Spielen einen unheimlichen Verfremdungseffekt bei Heftromanen provoziert – z.B. ist einer der unterhaltsamsten Romane, die ich kenne, der Zamorra-Roman „Das Land des Unheils“ (der letzte Beitrag von Wolfgang Hohlbein zu der Serie), in dem die Protagonisten praktisch auf eine Art „Dungeons & Dragon“-Spielfeld versetzt wurden – übrigens mit einem Background, der nicht ganz aufgeklärt wurde und zu dem es meines Wissens nach nie eine Fortsetzung gab. Auch empfehlenswert ist „Der Hexer“ Nr. 8 „Im Bann des Puppenmachers“, wo mechanische, lebensgroße Schachfiguren ein tödliches Match spielen.

Hier gerät die Prämisse etwas anders: die gewünschten Opfer werden mit einer Spielfigur verknüpft, die zwecks Vollstreckung des Todesfluchs dann in einer Partie (mit einem lebenden Menschen) geschlagen werden muss. Klingt ein wenig umständlich, ist dann aber auch die nötige „plot device“, damit die Protagonistin nicht schon auf Seite 6 über den Jordan geht.

So sehr ich die geballte Aktivität, die Wunderer hier in die Tasten gehauen hat, genieße, ist es auch ein Manko des Romans, denn der Autor hat sich so selbst in die Ecke geschrieben und ist über 60 Seiten stetig bemüht, die Spannung künstlich aufrecht zu halten. Das gerät dann leider nicht immer so wahnsinnig überzeugend, vor allem weil sich ein echter Schachspieler vermutlich bei der Lektüre gemütlich im Grab umdrehen würde.

Positiv bei diesem Einzelroman ist die Präsentation einer am Anfang durchgehend normalen, unschuldigen Figur als Protagonistin, die ungewollt in die Zusammenhänge hinein gerät, wenn es dann auch unvermeidlich so läuft, dass ein einzelnes magisches Amulett den Plot zusammen hält, welches nach anfänglichen Schwächen dann inhaltlich unbemerkt soweit aufgewertet wird, dass es fast alles hinbekommt, eben weil die beiden Protagonisten ganz normale Leute sind.

Negativ zu beanstanden wäre, dass die Bedrohung ziemlich variiert, denn einerseits legt das Schachspiel und die dämonische Beschwörung dem recht rabiaten Dämon ziemlich enge Zügel an, andererseits ist der kleine Drecksack zwischendurch ohne weiteres in der Lage einen italienischen Marine-Zerstörer und einen Schlepper zu versenken und einen magischen Orkan hervor zu bringen.

Da kann man wieder einmal spüren, dass die Ausgangssituation immer sehr verführerisch ist und einen raffinierten Start provoziert, die weitere Ausarbeitung dann aber in ganz andere Dimensionen mäandert und den Autoren unter Zeitnot in gestalterische Schwierigkeiten bringen kann.

Aber jetzt erst mal:

Satansgambit»Kommen sie heute abend auch auf die Samantha?« - »Sagen Sie mal, was ist denn das für ein Roman hier?«
Schachweltmeisterschaft in Monte Carlo: das Duell lautet Antoniov Tcherkulian gegen Thorens Brickwell!

Mitten in einer hart umkämpften, aber aufgrund Tcherkulians Überlegenheit doch überschaubaren Partie, kriegt eine Zuschauerin einen Rappel und schreit etwas davon, dass ein Dämon sie bedrohen würde und töten wolle, sobald der schwarze Springer geschlagen wird.

Das kam auch schon anno 1979 gut bei den Verantwortlichen an und die Dame wird raus geführt – doch für die Immobilienmaklerin Ruth Calloway war es das noch nicht. Weil die Frau – Margot Norwich – so verzweifelt aussah, folgt sie ihr und kann sogar herausfinden, dass sie im gleichen Hotel wohnen.

Beim Versuch, Margot zu beruhigen, verlässt Ruth kurz das Zimmer, welches plötzlich unter explosivem Einfluss praktisch zerrissen wird – Margot ist tot. Panisch verlässt Ruth das Hotel, als sie selbst den Dämon sieht – und läuft eine Stunde später in Tcherkulian, der tatsächlich das schwarze Pferd geschlagen hat, um Margots Behauptung ad absurdum zu führen – was nach hinten losgegangen ist. Ruth wird halb hysterisch, läuft weg und prompt in Brickwell hinein, der ihr entgegen kommt.

Am nächsten Tag ist Ruth wieder im Publikum, als Margots Bruder Robert an sie heran tritt. Er verlangt von ihr Informationen, doch sie weiß nichts mehr, bekommt dann aber einen Flashback: offenbar hat Brickwell ihr Gedächtnis verschleiert. Kaum weiß sie das wieder, materialisiert sich der Dämon und greift an, doch Robert besitzt ein magisches Amulett, das er von seiner Schwester hatte und kann ihn abwehren. Vorerst!

Inzwischen hat Brickwell es so eingerichtet, dass das Schlagen der weißen Dame Ruth umbringen würde, doch obwohl er wie ein Anfänger spielt, ringt sich Tcherkulian nicht zu diesem offerierten Zug (übrigens ein Gambit, was im Roman leider nie erklärt wird), sondern bricht die Partie ab.

Inzwischen sind auch die Behörden wach: Commissaire Lelache von der Mordkommission ermittelt, doch viel verblüffender gerät Tcherkulians Geständnis, Ruths Ermordung gerade noch verhindert zu haben.

Weil sie sonst nicht wissen, was man tun sollte, schleicht sich Ruth auf die SAMANTHA, Brickwells Yacht, die eigentlich einem gewissen Burlington gehört und durchsucht sie. Niemand ist an Bord, das Schiff ist fast klinisch leer, doch als Brickwell kurz darauf an Bord geht, sind plötzlich Matrosen zu seiner Verfügung dort.
Kurz darauf verschwindet die Yacht, taucht dann aber wieder auf, als wäre nichts gewesen.

Alles konzentriert sich nun auf das bevorstehende Bordfest von Burlington, doch bevor es dazu kommt, beginnt Brickwell eine zehnfache Partie Simultanschach, bei dem er einen weiteren Mordauftrag magisch mit einem weißen Läufer auslöst. Der trifft, noch unbekannterweise, einen Mann, der schon in der Stadt auf der Flucht ist, aber noch einen Brief an Ruth aufgeben kann, ehe er vom Dämon zerrissen wird.
Weil durch das Schlagen einer weißen Dame Ruth bedroht wäre, attackiert Ruth Brickwell mit den magischen Kräften des Amuletts, der die Partien dann auch prompt abbricht. Im Anschluss lädt er Ruth und Robert jedoch auch zum Bordfest ein.

Dort stehen die Gäste schon bald unter dem Einfluss der gespielten Musik, doch Ruth kann Robert mit dem Amulett wieder wach und aufmerksam machen. Der ebenfalls anwesende Lelache scheint immun gegen den Einfluss.

Als Brickwell Ruth begrüßen will, packt sie sich das Amulett in die Handfläche, was bei Brickwell sofort einen Schock auslöst. Alle Anwesenden erwachen aus ihrer Trance, Brickwell wird ins Krankenhaus gebracht, doch Gastgeber Burlington lenkt alles wieder in ruhige Bahnen – er ist offenbar mit Brickwell im Bunde.

Inzwischen ist auch der „Weiße Läufer“ in der Hand des Toten am Hafen gefunden worden; der Mann, Jackson, war Privatdetektiv und war wegen des Verschwindens der SAMANTHA und Burlingtons für einen vollen Monat engagiert worden. Er hatte die Yacht in Monaco wieder aufgestöbert und hatte sie durchsucht, war aber über den seltsamen Vorgängen an Bord entdeckt worden. Das alles steht in seinem Brief.

In der Nacht wird Ruth dann Zeuge, wie Burlington Brickwell im Hospital praktisch „reaktiviert“ und das Personal unter magischen Einfluss steht. Kaum sind sie aus der Klinik raus, greift sich Brickwell den armen Touristen Pierre Polard und zwingt diesem eine Schachpartie auf.

Doch Lelache überwacht Brickwell und informiert noch in der Nacht Ruth und Robert, die zum Hafen rasen und die Schachpartie mit etwas Vandalismus unterbrechen. Polard kann sich so befreien.

Da nimmt das Drama eine neue Wendung. Brickwell und seine Crew starten eine Beschwörung, an deren Ende die Yacht in die Luft fliegt und versinkt. Alle scheinen tot zu sein und Ruth ist schon erleichtert, als Tcherkulian auftaucht und verrät, dass die Schach-WM weiter geht: Brickwell lebt noch.

Ruth kommt gerade darauf, dass die Crew der Yacht offenbar nicht menschlich war (denn sonst hätte er die Mords-Partie auch mit denen spielen können), als ein magisch beeinflusster Tcherkulian sich auf Robert und sie stürzt. Wieder wird sie durch das Amulett gerettet.

Daraufhin versucht es Brickwell mit einem fingierten Friedensangebot, das Ruth etwas Zeit verschafft. Zwar versucht er, Ruth mit seinen Helfer zu überwachen, aber Lelache holt Robert und Ruth mit einem Helikopter ab und fliegt einen italienischen Zerstörer an, der auf dem Meeresgrund eine Yacht gefunden hat: die SAMANTHA mit der kompletten „toten“ Besatzung.

Das erspürt wiederum Burlington, der sich für Brickwell auf die Suche begibt.
Just als Ruth aus dem Umständen schließt, dass die Crew also aus bösen Geistern bestehen muss und die Yacht ein Duplikat ist, bricht ein Sturm los und der Dämon greift an. Ruth arbeitet mit dem Amulett gegen den Einfluss an, doch der Zerstörer wird zerrissen und sinkt. Einen direkten Angriff kann Ruth mit den magischen Amulettkräften abwehren und auch Brickwells Versuch, einen neuen Unbeteiligten zu einer Schachpartie zu zwingen, geht so schief, er verliert sogar einen seiner Untergebenen.

Am nächsten Tag wieder in Monaco geht sie zum Schein auf Brickwells Angebot ein, doch der ahnt schon, dass er betrogen werden soll. Er bringt Ruth in ein abgelegenes Landhaus, wo er ihr ein Buch der schwarzen Magie präsentiert, mit dem er die Dämonengeister beschworen hat. Als sie versucht, das (falsche) Buch zu zerstören, ist sie entlarvt. Sie wird entwaffnet und zur unfreiwilligen Mitspielerin in ihrer letzten Schachpartie, die dazu dient, sie schließlich umzubringen.

Robert und Lelache sind zwar schon auf dem Weg, doch sie kommen zu spät.

Ruth wird von Brickwell spielerisch in die Ecke gedrängt, verfällt in letzter Sekunde jedoch auf die Idee, einen irregulären Zug zu machen und einfach seinen (schwarzen) König zu schlagen – und es funktioniert: der Dämon stürzt sich auf Brickwell selbst.

Resolute Immobilienmaklerin für Weltrettung gesucht!
Ich hatte es ja schon vermerkt: das liest sich flott wie nix, ich hab mir die Dröhnung in einem Zug gegeben, was auch an dem gesteigerten Actionanteil liegt, denn selten wird so viel mit so vielen Wendungen ohne besondere Füller präsentiert.

Der Roman kommt ohne diese seltsamen Zwischenspiele aus, in denen wie wild rumgefrotzelt wird oder irgendwelche skurrilen Nebenfiguren scheinbar unwichtige Sachen machen, ehe ihnen in der Speisekammer die Rübe abgerissen wird oder sie auf der Kneipentoilette auf einen Untoten pullern.

Wunderer konzentriert sich auf die permanente Bedrohung und damit muss er immer hart an seiner Maklerin Ruth bleiben, der ein Todesfluch vier Fünftel des Roman am Allerwertesten hängt.

Das geht nicht – wie ich schon andeutete – immer überzeugend von der Hand, wenn Bösewicht Brickwell händeringend 45 Seiten bemüht ist, mit irgendeinem Sterblichen eine Partie Schach runter zu reißen und die weiße Dame (Ruth) zu plätten und er das einfach nicht hinkriegt, entweder weil er seine Schachpartner mit Gewalt zwingen muss und das dann von der Polizei gestoppt wird oder weil Ruth ihr Leih-Amulett zückt.

Wie überhaupt hier alle immer unglaubliche Mega-Partien an Schach runter reißen, um ans Ziel zu kommen, jeder mittelmäßiger Spieler weiß nur zu gut, dass man mit einer Handvoll Züge seine Dame opfern kann, wenn man das wirklich möchte – nicht zuletzt sabotiert sich Brickwell in den Weltmeisterschaftspartien gegen Tcherkulian hier zweimal selbst, wenn auch der Weltmeister auf diese hirnrissige Provokation nicht eingeht.

Da muss auf der Schlussgerade schon ein (vergiftetes) Bündnisangebot her, damit die Hauptfigur mal etwas Luft kriegen kann, wenn auch die Schlusspointe, nämlich einfach einen vollkommen unmöglichen Zug zu machen, zumindest diskutabel ist – weil sie eben dann doch funktioniert.

Was zuvor alles geschehen ist, vor allem in Bezug auf das Schicksal der Yacht SAMANTHA und ihrer (echten) Besatzung, mischt ebenfalls Positives wie Negatives.

Das unheimliche Duplikatsschiff, dass sich mal auflöst und dann explodiert, mit seiner mal existenten, mal nichtexistenten Besatzung und den magischen Beschwörungskünsten hat schon Einiges für sich, mündet dann aber in ein monströs-dämonisches Donnerwetter, bei dem die unschuldigen Beisitzer gleich dutzendfach ins Gras beißen.

Der größte Logikfehler des allseits gern gesehenen Erklärbären ist jedoch der Tod des Privatdetektivs, der die Backstory zu diesen Vorfällen noch schnell in einem Lokal aufschreibt und an Ruth adressiert, obwohl sich die beiden gar nicht kennen dürften und eigentlich auch nie etwas miteinander zu tun hatten. Auch scheint man Commissaire Lelache stetig für irgendeine besondere Rolle in dieser Handlung vorzubereiten (seine Unmusikalität bewahrt ihn offenbar vor der Beschwörung auf dem Geisterschiff), ohne das es irgendwann dazu kommt. Nicht mal, ob es sich bei ihm um einen Unbeteiligten oder einen relativ Gläubigen (des Übernatürlichen) handelt, wird schlussendlich gewiss.

Das Tempo soll schlussendlich all diese Nickligkeiten überspielen und das funktioniert sogar einigermaßen brauchbar – da muss man schon ein wenig nachfassen und zusammen konstruieren, um die Fehler zu bemerken.

Alles in allem aber ein hübscher Beitrag, frei von den typischen Vampiren, Werwölfen und Untoten (gut, Letztere kommen irgendwie vor, aber mehr im geisterhaften Modus), der es nicht zur Strapaze macht, die Lesereise fortzusetzen.

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