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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Letzte der Drachen (Gespenster-Krimi 393)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Letzte der Drachen«
Gespenster-Krimi 393 von Brian Elliot (Gerhard Hundsdorfer)

Neuer Roman, neues Verlagspseudonym, gleicher Autor. Noch einmal ein Werk von Hundsdorfer, der ja schon den »Tyrann der Pyramidenstadt« zu einem recht abenteuerlichen Ägyptenreisebilderbogen umzustrukturieren wusste, zwei Wochen nach dessen Erscheinen. Und wieder eine bunte Tüte Exotik, Übernatürliches als Randelement, ein Schauplatz wie gemacht für ein rauschendes Abenteuer.

Diese in die Ferne schweifenden Themen liegen/lagen Hundsdorfer, denn auch hier wurde ich in Sachen Idee und Plotentwurf nicht enttäuscht, allerdings wird die Angelegenheit schon heikler, wenn der Autor die in Sumatra ansässigen Volks- und Religionsgruppen praktisch in einem Kleinstbiotop auf der Insel Komodo anrichtet, auf dass sich die Parteien heftig aneinander reiben können.

Das geht leider nicht ohne Klischees ab, vom engagierten Weißen mit Agentenhintergrund über an der Waffe gut ausgebildete Damen bis zur Galerie potentieller Helfer und Böslinge – aber wer kann es einem Autoren schon vorwerfen, dass er alles nutzt, was ihm zu einer Gegend und einer Situation praktisch in den Schoß fällt, inclusive Tierschutz!

Also hier mal die Story…

Der Letzte der DrachenWaran-Wahn? Komodo nix machen?
Die Flores-Straße in der Nähe von Java: der sich Pfeife rauchend den Anschein von Seriösität gebende Ron Wilkinson reist per Schiff auf die kleine Insel Komodo, die nicht nur wegen ihrer saurierähnlichen Warane weltbekannt ist. Es soll Angriffe auf Menschen gegeben haben und einige der Tiere sollen getötet worden sein, obwohl sie streng geschützt sind.

Nachdem er sich der Hilfe von Jussuf, seinem Bootsführer, für eine Menge Geld versichert hat, trifft Wilkinson – tatsächlich ehemaliger CIA-Agent – in Komodo-Stadt ein. Dort erwartet ihn sogleich ein buntes Panoptikum verschiedenster Typen: Gouverneur Agung Amrong ist ein netter, wenn auch etwas schwächlicher Mann, seine holde Gattin Maharani Amadé ist da schon ein ganz anderes Kaliber und das achtzehnjährige Töchterlein Chesade führt allein durch ihre Anwesenheit zur Spontanerektion im Hormonhaushalt.
Drumrum kreist ein munteres Sonnensystem verschiedenster Parteien und Religionen: die friedvollen Buddhisten mit dem Mönch Su Yang; der Hindu Maburu, dessen finsteres Aussehen und dunkle Augen schon Böses erahnen lassen (Kali-Tempel, sie wissen schon…) und ein runder Chinamann im Rollstuhl namens Sun Yatsen, der viele Geschäfte macht und einen eigenen kleinen Hafen besitzt. Soso…

Offenbar gibt es da so einige Differenzen zwischen den Herrschaften, doch als Erstes macht Su Yang seinen Zug, denn er hat in seinem Tempel ein weiteres Todesopfer aufgebahrt, dem durch einen Riesendrachenbiss der Hals fast durchgenagt wurde.
Wilkinson lässt sich als Erstes den Tatort zeigen, wo er Fußspuren einer sehr großen Echse findet und sich gleich mal über die Topographie der näheren Umgebung informiert. Sun Yatsen hat auf der Insel offenbar eine kleine Edelsteinmine laufen und der finstere Maburu ist neben seiner Eigenschaft als Führer der Kali-Jünger auch gleich noch ein gewandter Tierpräparator. Und Edelsteine schleifen kann er auch, wer hätte das gedacht.

Also stattet man dem Durga-Tempel einen Besuch ab, wo sich nicht nur eine bösartig dreinschauende Kali-Statue findet, sondern auch eine fünf Meter lange Waran-Statue aus Stein. Wilkinson ahnt Böses und bemerkt auch die schwache Position des Gouverneurs, vermutet sogar die Sekte der Thug hinter den Hindus.

Der Agent plant als Nächstes ein gepflegtes Aufstöbern der normalen Warane und darf alsbald neben dem hilfreichen Yussuf auch die immer knackiger werdende Chesade mitnehmen. Vor der Abfahrt bricht er aus der Steinstatue des Warans eine Schuppe zwecks Untersuchung ab, woraufhin er einen überraschenden Schlag abbekommt, der von der Kali-Statue ausgegangen sein könnte. Offenbar stecken finstere Mächte in dem Ding. Sun Yatsen bietet ihnen ferner seine kenntnisreiche Unterstützung an, was von Chesade nicht eben gern gesehen wird. Wilkinson ist der Edelsteinabbau nicht ganz so koscher, wie er vorgeführt wird.

Im Inneren der Insel hat man schon bald einen Waran aufgestöbert, doch der wird prompt von einem Giftpfeil gefällt. Ein Rudel Kanaken greift das Trio an, just als man aus dem toten Waran wieder ein Stück Schuppe entfernt und obwohl Wilkinson einem der Angreifer den Kopf wegpustet, stehen sie gegen die Masse kleinwüchsiger Angreifer auf verlorenem Posten. Dann aber erledigt Chesade den Häuptling per Blattschuss und die Kanaken fliehen. Sie werden noch Zeuge, wie der Stamm später die Leichen einsammelt und fort bringt.

Wilkinson stellt Jussuf auf einen Wachtposten über den Anlagen Sun Yatsens ab und wird daheim mit der Nachricht empfangen, dass die Leiche des Mannes aus dem Tempel verschwunden ist. Am Abend erzählt Jussuf, dass das Schiff der Kanaken offenbar bei dem Privathafen des Chinesen ankert.

Um Mitternacht bricht der Agent dann zu einer Mission in den Kali-Tempel auf, wo die Leichen des Mannes und der beiden Kanaken samt einer Ziege bei einem Ritual verbrannt werden, bei dem auch Chesade als künftiges Racheziel des Giftpfeilstammes benannt wird – offenbar führt Maburu wirklich nichts Gutes im Schilde. Während er noch späht, wird er von einem Riesendrachen angegriffen, dem er jedoch mit einem Sprung vom Dach gerade noch entkommen kann.

Am Morgen gibt es dann Neuigkeiten: Chesade war offenbar mal so halb Maburu versprochen, hat aber in der Richtung nun wirklich kein Interesse. Darüber hinaus informiert das Mädchen Wilkinson, dass der Inder ein Thug ist.
Also stattet Wilkinson Maburu einen Besuch ab, bei dem überdeutlich wird, wer hier der Finsterling ist – allerdings macht Wilkinson das unter dem Vorwand, Maburus Mikroskop für die Schuppenanalyse benutzen zu müssen. Dabei präsentiert der Inder auch eine riesige ausgestopfte Wolfsspinne, die er zu Wilkinsons Schrecken wieder zum Leben erweckt.

Im Anschluss folgt der Termin bei Sun Yatsen, der inzwischen schon halb unter dem Verdacht steht, seine Querschnittslähmung nur vorzutäuschen. Wilkinson weiß, dass er sich einen Feind macht, klärt Yatsen aber über seinen Wissensstand und seine Absichten auf.
Anschließend lässt er Jussuf wieder auf Wachposten zurück, der herausfindet, dass Yatsen mit den ausgestopften Waranen Handel treibt. Dabei wird der fleißige Späher aber entdeckt und noch ehe er flüchten kann, knuspert ihn der Riesendrache weg, genau durch die Halsschlagader.

Derweil klärt Wilkinson den Gouverneur und seine Familie über seinen wahren Auftrag auf, der sich hauptsächlich um Yatsen dreht, der früher offenbar ein tätiger Menschenhändler und Gangster war, der sich der Justiz entzogen hat.

In der Nacht tauchen dann auch zwei fischäugige (!!!) Chinesen auf, die Chesade prompt entführen, was teilweise von dem Buddhisten Sa Yong beobachtet, aber nicht durchschaut wird.

Wilkinson hat derweil eine unangenehme Begegnung mit der Wolfsspinne in seiner Foto-Dunkelkammer, als er gerade seine Beweise entwickeln will, kann das Vieh mit Müh und Not aber dort einsperren.
Gemeinsam mit Mutter Amedé geht er auf das Malaienschiff, dass die Warane schmuggelt und setzt die Besatzung fest – passenderweise in der Dunkelkammer mit der Wolfsspinne, was die Gefangenen zu absoluter Bewegungslosigkeit verdammt.

Chesade wacht gefangen in der Mine wieder auf, wo sie Maburu als Opfer parat gelegt hat, bekommt aber von Yatsen ein flottes Heiratsangebot, dass sie rundweg ablehnt – da reicht es nicht mal, dass der Chinese plötzlich doch wieder laufen kann. Dummerweise verrät er ihr aber die einzige Möglichkeit, wie man die Macht Kalis und des Riesendrachen brechen kann.

Als Chesades Entführung ruchbar wird und Sa Yong tatkräftig Hinweise auf ihren Verbleib liefert, düst der Agent zur Mine und kann das Mädchen befreien, die ihn sofort über alles informiert – er wird dann aber wieder niedergeschlagen und in der Mine angebunden.
Erneut kann er sich befreien und bewaffnet sich mit dem Goldreif des Gottes Indra, den er der Kali-Statue als Kopfschmuck aufsetzen muss.
Chesade soll gerade von allerlei Finstermännern plus Drachen gegrillt werden, als Ron-Ron zur Attacke schreitet. Er schafft es gerade noch den Reif auf die Statue zu setzen, worauf der Drache Maburu unter sich begräbt und sich dann in Staub auflöst. Als Bonus trifft Yatsen, der eigentlich Yen Ling heißt, ein Giftpfeil.

Chesade darf nu endlich einen Knutscha verteilen und Wilkinson berechtigt bei ihr ranlangen – und Muttern lässt sich auch nicht lumpen…

»Ich kann Ihnen meinen Plan ruhig verraten, Mr. Bond, sie können ja doch nicht entkommen…«
…jaja, das klingt nicht nur, das ist ein Dschungelreißer von altem Schrot und Korn, in dem verschiedene ethnische und religiöse Gruppen noch so frisch und knackig präsentiert waren, als wäre der Kolonialwarenhandel nie abgelöst worden.
Buddhisten sind immer freundlich und friedlich (und doch rundlich); Chinesen (noch dazu körperlich eingeschränkt und das auch noch vortäuschend, buh!) haben stets ein sinistres Geheimnis in der Hose, nehmen keine Rücksicht auf die Umwelt und sind die schlimmsten Kapitalisten; die Javaner und Balinesen sind irgendwo zwischen gut gebildet oder eben gänzlich als Statisten angelegt und der Sikh und Hindu ist nicht nur in echt ein Thug und grausamer Tempelherr, der gern Menschen opfert, er sieht auch schon aus vier Meilen Entfernung so aus mit seinen buschigen Augenbrauen, glühenden Blicken und der fiesen Fresse, die er (so geht Tarnung!) immer dann zieht, wenn ihm mal was nicht passt (also ungefähr viermal pro Viertelstunde).

Ich mag es zwar generell, dass mir hier ein flottes Querschnittspanoptikum des südasiatischen Raums gezaubert wird, aber anstatt dass Hundsdorfer in diesem Roman mal eine nette Überraschung aus der Tasche zaubert, weiß man praktisch schon bei der Rundumsicht-Vorstellung aller Beteiligten und Verdächtigen, wie der Hase in der Folge laufen wird. Und danach wird es dann auch nicht besser.
Zwar gibt die Handlung wieder jede Menge Action her, doch hapert es dann in der Folge mit den übernatürlichen Elementen, die so einen Gruselroman ausmachen sollen.
Recht mühevoll wird der steinerne Riesendrache implementiert, anfangs nur erwähnt, dann als Statue eingeführt, wobei die soliden Gruseleffekte dann einerseits von der bestialischen Kali-Statue kommen und andererseits die knallbunte Riesenwolfsspinne wesentlich mehr Schauer und Suspense abwirft als das Riesenvieh, das nur dreimal kurz aktiv wird: als es Wilkinson vom Tempeldach vertreibt, Yussuf den Kopf abknabbert und am Ende, wenn es relativ schnell und sauber beseitigt wird, als der Agent den Reif Indras im Finale der Kali-Göttin aufsetzt.

Ohne diese Elemente bleibt eigentlich nur ein solider Abenteuerkrimi, in dem der Held – sofern er nicht zunehmend die ausnehmend attraktiven Frauen anlechzt – gegen Diamantenschmuggel oder den Verkauf geschützter Tiere kämpft.

So bleibt der Plot durchschaubar, die Ethnien folgen gängigen Klischees und der Ablauf ist gut vorauszuberechnen.

Zwar ist Hundsdorfer sichtlich bemüht, den latenten Kolonialrassismus nicht allzu dolle auftrumpfen zu lassen – so macht er sofort einen innerlichen Rückzieher, nachdem er den Hafenmeister und Schiffsführer Yussuf mehrfach mit „Boy“ betitelt hat – doch ist die Mär von dem harten, gut ausgebildeten Weißen, der in Asien aufräumt schon mehr als bedenklich, weil die meisten Randfiguren eben nur schwächliche Staffage sind, wie z.B. der Gouverneur.

Dazu wird die Figurenzeichnung mit jeder weiteren Seite auch immer fadenscheiniger, wenn etwa die muntere, aufgeklärte und am Gewehr gut beschlagene Chesade, die anfangs eine gut gewachsene westliche Lässigkeit an den Tag legt, im Roman zum seufzenden und schluchzenden Teenie mutiert, die ihren westeuropäischen Helden mit jeder Seite immer mehr anschmachtet. Logisch, dass sie dabei immer weniger Textil trägt und der Held substanziell immer widerstandsärmer bezüglich femininer Reize wird.

Facepalm-Moment auch dieses Romans ist die – ich will sie mal so nennen – Bond-Szene, in der Drahtzieher Sun Yatsen zwecks romantischer Überzeugung seiner Traumfrau (die er gerade hat entführen und verschleppen lassen, das zieht natürlich total und macht attraktiv) die einzige Variante, die Thugs zu besiegen, in allen Einzelheiten schildert, damit der Held am Ende auch weiß, was er so zu tun hat. Dass die Götzenanhänger die einzige Waffe gegen sie dann auch noch offen in einem Raum von der Decke baumeln lassen, ist schon jenseits jeglicher Fahrlässigkeit.

Nicht viel besser – oder noch schlimmer – sind die giftpfeilbewehrten, „kleingewachsenen braunhäutigen“ Kanaken, die grüppchenweise Komodowarane fällen, um den Präparationshandel am Laufen zu halten, eine Aufgabe, die auch die chinesischen Handlanger hätten übernehmen können, wäre die hier aufgebaute Szenerie nicht so den Abenteuerstories und -filmen der rückblickend peinlichen 30er- und 40er Jahren verhaftet.

Bonuspunkte kann ich da nur für die Szene rund um Jussufs Tod (wenn sie auch sehr offensichtlich ist) und vor allem die Gefahrenlage mit der Spinne in der Dunkelkammer verteilen, die wirklich sehr horribel ausfällt und Arachnophobiker die Wände hochtreiben kann, da Wilkinson seinen achtbeinigen Angreifer eben in totaler Dunkelheit nicht sehen, sondern nur fühlen kann.

So kann ich dem Autor nur bescheinigen, dass er mit der Ägyptologie auf sichererem Terrain war und sich mit der Versuchsanordnung hier ein paar dicke Klopse leistet, die den Leser zwar nicht vor Schmerzen aufheulen lassen, aber manchmal – aus heutiger „political correctness“-Sicht doch hier und da grübeln lassen. Aber 1981 liefen die Dinge noch anders.

Ferner gilt, dass man, wenn man schon das Personal für ein vielgesichtiges „supernatural murder mystery“ aufstellt, am Ende oder zumindest nach zwei Dritteln immer einen unerwarteten Täter präsentiert bzw. zumindest einige Wendungen einbaut, während hier sogar eine Funkgespräch-Erklärbärszene herhalten muss, um endlich die vielen geheimen beobachteten Treffen der Verdächtigen zu einem sinnvollen Ganzen zu ergänzen.
Da hilft auch keine dichte oder sichere Schreibe, die man gut lesen kann oder vielfarbige Exotik auf engstem Raum – die Story ist in vielen Teilen ein älterer Hut, als es ihr gut tut.

Als Nächstes mache ich dann jetzt mal wieder ein paar Abstecher zur weiblichen Zielgruppe und widme mich einigen romantischen Dramen bei „Gaslicht“, wo Drama und Geheimnis ja ganz groß geschrieben werden...lasst die Nebel wallen...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2017-08-01 11:31
Sun Yatsen muss auch 81 fast schon Realsatire gewesen sein :lol:

Mit ein zwei Streichungen wäre das 1960 ein passabler Kommissar X gewesen; in der Story fehlen nur noch Brad Harris und Tony Kendall, die sich durch Java prügeln.

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