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Einfach anders, aber ungemein gut - Wolfgang Hohlbeins »Die Chroniken der Elfen I – Elfenblut«

Die Chroniken der ElfenEinfach anders, aber ungemein gut
Hohlbeins »Chroniken der Elfen I – Elfenblut«

»Elfenblut« ist nicht nur der erste Teil von Wolfgang Hohlbeins neuer Fantasysaga »Die Chroniken der Elfen«, sondern zugleich auch der erste Roman, den der Otherworld-Verlag nach seiner Übernahme durch Ueberreuter auf den Markt bringt. Schon das ist Grund genug gewesen, dem Buch mit gespannter Neugier entgegenzublicken. Der erste Roman eines (mehr oder weniger) neuen Verlagslabels sollte immerhin etwas Besonderes sein, ein Werk, welches dafür sorgt, dass der Leser den Verlag in guter Erinnerung behält.

Und auch die schlichte Tatsache, dass Hohlbein nach viel zu langer Zeit endlich mal wieder einen waschechten Fantasyroman schreibt, hat dafür gesorgt, dass ich dem Buch regelrecht entgegenfieberte.

Jetzt, nach der Lektüre, möchte ich Folgendes festhalten:

 

Fakt 1: Das Warten hat sich gelohnt.

 

Fakt 2: Otherworld ist mit »Elfenblut« ein hervorragender Einstand gelungen.

 

Fakt 3: Hohlbein schreibt viel zu selten echte Fantasybücher (also solche Bücher, die klassische Fantasyelemente enthalten und sich nicht um ägyptische Gottheiten, melancholische Unsterbliche oder Vampire und Tempelritterinnen drehen). Denn:

 
 
 

Fakt 4: »Elfenblut« ist ein brillanter, ungeheuer fesselnder Roman, ein meisterliches Fantasyabenteuer der etwas anderen Art, wie man es viel zu selten zu lesen bekommt.

Elfenblut»Elfenblut«: Inhalt
Die junge Pia ist in den Favelas, den Slums von Rio de Janeiro aufgewachsen. Hier hat sie früh gelernt, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist und man mitunter zu mit allen Mitteln kämpfen muss, um sich über Wasser zu halten. Doch so sehr sie das Dasein in den Gassen der Armenviertel auch abgehärtet haben mag, auf die Geschehnisse, die einem verpatzten Raubzug folgen, ist sie nicht vorbereitet. Nicht im Mindesten.

 

Der Beutezug selbst: ein einziges Fiasko. Nur mit Mühe ist sie mit dem Leben davongekommen. Doch kaum hat sie den missglückten Raubzug überstanden, sieht sie sich schon mit neuen Problemen konfrontiert. Eine Horde bizarr gekleideter Männer macht Jagd auf sie. Gemeinsam mit Alicia, der neusten Geliebten ihres Ziehonkels und Mentors, flieht Pia vor den Angreifern – und findet sich unversehens in WeißWald wieder, einer mittelalterlich anmutenden Stadt, die ganz eindeutig nicht Teil der ihr bekannten Realität ist.

 

Gestrandet in einer Welt, in der die Zeit viele Jahrhunderte zurückgedreht zu sein scheint, in der es viel zu kalt ist (zumindest für jemanden aus Rio) und in der Elfen, Zwerge und Orks mehr sind als bloße Märchengestalten, versuchen Pia und Alicia einerseits einen Weg nach Hause zu finden, und andererseits schlichtweg zu überleben.

 

Bald schon wird Pia bewusst, dass das Abenteuer noch viel bizarrer ist, als es ohnehin schon den Anschein hat: Wie es scheint, ist sie Teil einer uralten Prophezeiung. Als wiedergekehrte Elfenprinzessin angesehen, scheint es ihre Aufgabe zu sein, die Macht der Elfen, deren Reich vor langer Zeit untergegangen ist, erneut erblühen zu lassen ...

 
 
 
 
 

Wolfgang HohlbeinEin wenig anders, aber ungemein gut
»Elfenblut« lässt sich wohl am besten als „klassischer Fantasyroman, der kein klassischer Fantasyroman ist“ umschreiben. Diese zugegebenermaßen etwas wirr anmutende Beschreibung resultiert schlichtweg darin, dass Hohlbein auf der einen Seite unzählige klassische Fantasyelemente verwendet. So tauchen im Laufe der Handlung Elfen ebenso auf wie Orks und Zwerge, es gibt das klassische mittelalterliche Setting, magische Momente, verzauberte Waffen und uralte, mysteriöse Prophezeiungen. Auf der anderen Seite verpasst Hohlbein all diesen Aspekten seinen ganz eigenen Anstrich. Schon dass der Roman seinen Auftakt in Rio de Janeiro nimmt, ist alles, nur nicht gewöhnlich. Nicht etwa, weil die Geschichte in der „realen“ Welt beginnt und ihren Schauplatz erst nach einigen Kapiteln in phantastische Gefilde verlagert; derartige Entwicklungen ist man längst gewohnt. Doch dass eine klassische Fantasygeschichte in den Armenvierteln von Rio loslegt, das hat man so auch noch nicht erlebt (zumindest was die Literatur anbelangt, die dem durchschnittlichen Westeuropäer geboten wird).

 

Auch mit Verlagerung der Geschehnisse nach WeißWald ändert sich an der Andersartigkeit des Romans wenig. Zwar verläuft die Handlung nun in deutlich bekannteren Bahnen, doch als wirklich klassisch kann man das, was Hohlbein hier liefert, nicht bezeichnen. Wer etwa an die Zwergendarstellungen von Tolkien, Heitz oder Rehfeld denkt, wenn die Sprache auf das bärbeißige Volk kommt, den erwartet bei der Lektüre von »Elfenblut« so manche Überraschung. Die Hohlbein'schen Zwerge unterscheiden sich deutlich von Gimli, Tungdil und Co. Und auch, dass die Handlung über weite Strecken ausschließlich in WeißWald spielt, ist für jemanden, der Fantasyepen mit endlosen, unbekannten Ländern und vielen Ortswechseln verbindet, eher ungewöhnlich.

 

Dies sind nur einige wenige der Dinge, in denen sich »Elfenblut« von sonstigen Fantasyepen unterscheidet. Mit dem Auftaktband seiner Elfenchroniken mag Hohlbein ins klassische phantastische Genre zurückgekehrt sein; er zelebriert diese Rückkehr aber auf seine ganz eigene Art und Weise und bietet seinen Lesern ein Buch, das auch langjährigen Kennern des Genres einiges an Überraschungen zu bieten hat.

 

Ein klassischer Fantasyroman, der irgendwie doch kein klassischer Fantasyroman ist – lohnt sich da die Lektüre für Fantasyfans überhaupt?

 

Und wie sie das tut! »Elfenblut« ist zweifelsohne Hohlbeins stärkster Roman seit langem. Und das will nach packenden Werken wie »Unheil«, »WASP« und »Die Chronik der Unsterblichen 10 – Göttersterben« etwas heißen.

 

Zu Beginn ist das vielleicht nicht einmal so offensichtlich, muten die ersten Kapitel des Romans doch ein wenig langatmig und spannungsarm an. Die Geschichte des verpatzten Raubüberfalls zieht sich, echte Stimmung will nicht aufkommen. Dann allerdings taucht der erste Elfenkrieger auf.

 

Ab diesem Zeitpunkt erweist sich »Elfenblut« als echtes Meisterwerk.

 

Es gibt nicht gerade wenige Fantasyfans, die nicht verstehen, wie man vom Hohlbein'schen Werk begeistert sein kann. Jeder, der so denkt, sollte unbedingt einen Blick in den ersten Band der Elfenchroniken riskieren. Das Buch präsentiert einen Wolfgang Hohlbein in Bestform und beweist, dass er ohne jeden Zweifel ein Großmeister des phantastischen Genres ist.

 

Es ist schon beinahe unheimlich, wie es Hohlbein gelingt, den Leser mit jeder Seite mehr in den Bann seiner Geschichte zu ziehen. Ist es die vorzügliche Charakterisierung der Haupt- und Nebenprotagonisten, die das Buch so faszinierend macht? Pia, Alicia und Co sind hervorragend gezeichnet, stecken voller Leben und haben samt und sonders Ecken und Kanten, die sie, entgegen des ersten Eindrucks, fernab jeglicher billiger Stereotype stellen. Ist es die ungemein dichte Atmosphäre, die dem Roman zugrunde liegt, die Art und Weise, wie Hohlbein die Schauplätze vor den geistigen Augen seines Publikums zum Leben erweckt und sie, je nach Situation, mit Wundern oder bedrohlichen Schatten erfüllt? Oder ist es schlicht die atemberaubende Handlung, die den Leser einfach nicht mehr loslassen will? Diese hat aber auch einiges zu bieten. Da wird schon mal der ein oder andere Charakter mit schockierender Plötzlichkeit über den Jordan geschickt, und auch sonst nimmt die Story immer wieder Wendungen, mit denen man so nicht gerechnet hätte.

 

Doch ganz egal, welches der besagten Elemente letzten Endes dafür sorgt, dass man dem Roman nach dem eher langweiligen Beginn doch noch verfällt; vielleicht liegt es auch einfach am perfekten Zusammenspiel aller Aspekte, gepaart mit der vorzüglichen (und für Hohlbein überraschend konkreten) Sprache des Buchs. So oder so, kaum in WeißWald angekommen, kann man sich dem Zauber des Fantasyabenteuers nicht mehr entziehen. Dass »Elfenblut« mehr als 750 Seiten stark ist, mag man kaum glauben, so schnell ist man am Ende des Romans angelangt.

 

So sehr seine letztjährigen Werken in den allermeisten Fällen auch überzeugen konnten, von einer solchen Qualität wie »Elfenblut« war keine von Hohlbeins anderen Arbeiten. Die Art und Weise, wie er WeißWald und seine Bewohner zum Leben erweckt, macht eines deutlich: Hohlbein sollte sich unbedingt häufiger klassischer Fantasystoffe annehmen – selbst dann, wenn er sie eben nicht ganz klassisch umsetzt.

 

Man kann dem Otherworld-Verlag nur gratulieren. »Elfenblut« ist ein Erstling geworden, wie man ihn sich nur wünschen kann. Sowohl vom Inhalt als auch von der Aufmachung her weiß das Buch den geneigten Fantasyleser (und alle, die es werden wollen) rundum zu begeistern. Einen famoseren Einstand hätte das neue Label von Ueberreuter wahrlich nicht haben können.

 

»Elfenblut«. Ein etwas andere Fantasyroman, den man unbedingt kennen lernen sollte.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

ElfenblutDaten zum Buch:
Elfenblut – Die Chroniken der Elfen I
von Wolfgang Hohlbein
Otherworld Fantasy
erschienen: September 2009 (Deutschland)
762 Seiten; 19,95 €
ISBN: 978-3-8000-9503-2
Otherworld

Kommentare  

#1 Cartwing 2009-09-14 08:08
Deine Begeisterung ist immer von der ansteckenden Sorte, Jochen.
Stehe zwar nicht so auf Fantasy, bin aber echt neugierig geworden.
Wie schon bei deiner "Wheel of time" - Rezi. Den entsprechenden Roman stellte ich zwar nach 50 Seiten ins Regal zurück :-* ,
aber da wurde ich auch mit dem Stil des Autors nicht warm.
Also mal schauen, wie weit ich diemal komme... :lol:
#2 Gabriel Adams 2009-09-14 17:00
@ Cartwing

Da glühen einem ja die Ohren ob des Lobes. Vielen Dank! Freut mich, dass meine Beiträge dir gefallen.
Und ja, mit dem Autorenstil ist das so ne Sache. Es ist schon irre, wie sehr sich da Geschmäcker von Leuten unterscheiden (besonders dann, wenn man eigentlich immer mit einer Person und deren Meinung konform geht, aber bei einem Buch dann plötzlich geteilter Meinung ist).
Ich drück dir die Daumen, dass "Elfenblut" dir gefällt. Es lohnt sich auf alle Fälle!!! Halt nur den Anfang durch; wenn's nach WeißWald geht, fängt das Buch an, Spaß zu machen.
#3 Laurin 2009-09-14 18:03
Na ja Jochen, mir geht es da wie Cartwing. Fantasy ist auch nicht so mein Ding. Gut, mal einen Film sehen ist okey aber ein Buch mit 762 Seiten :sigh: ?
Hinzu kommt, das ich mit der Schreibe von Wolfgang Holbein früher nicht warm wurde und aus dieser Erfahrung heraus sind mir 19,95 EUR da ehrlich gesagt zu schade :oops: .

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