Knowing

(extremste Verräter-Warnung)
Da lässt sich niemand halten, das will jeder sehen. Auch wenn man annehmen muss, dass die Welt gar nicht wirklich aufhört zu existieren, denn schließlich ist Nik Cage der Sache auf der Spur und der hat auch das Vermächtnis der Tempelritter gehütet und das geheime Buch gefunden. Und ein Engel war er ja auch schon und hat Meg Ryan gerettet. Eigenartig nur, dass der Engel Cage damals die gleiche Aufmachung trug wie die finsteren Albino-Gestalten in diesem Film.

Innerhalb einer Woche wird die Erde untergehen. Und dem voraus, geschehen noch zwei tragische Unglücke. Mit Hilfe von Lucindas Tochter Diana und deren Tochter Abbey müssen John und Caleb versuchen, den Weltuntergang aufzuhalten. Lucinda hat jeweils Tag, Anzahl der Opfer und den genauen Ort von Katastrophen der letzten fünfzig Jahre exakt vorhergesagt. Da wird die Jagd nach einer Lösung natürlich besonders brisant, denn wie will jemand so einen scheinbar überirdischen Plan vereiteln können. Regisseur Alex Proyas tut zumindest sein Bestes, dies alles stimmig und auch den Besucher bei Laune zu halten.
Der zur Diskussion bereite und geneigte Zuschauer wird natürlich naserümpfend die vielen Ungereimtheiten und geistlosen Zufälle, die die Geschichte unentwegt mit sich führt, in Frage stellen. Doch dafür hat das Drehbuch sofort zu Beginn des Films den Determinismus angesprochen, was von seinem Hauptdarsteller sofort als irrationales Weltbild abgetan wird. Und das aus gutem Grund, denn er soll ja im Lauf des Films bekehrt werden. Und damit verrät man wider Erwarten nicht einmal zu viel.
Nichts ist also Zufall, behauptet letztendlich der Film, alles was geschieht, geschieht wegen seiner Vorherbestimmung. Nimmt man sich das im wirklichen Leben zu Herzen, hatte Alex Proyas mit seinem Film eigentlich gar keine Chance. Obwohl weitere drei Drehbuchschreiber mit am Werke waren, hatte der Regisseur die Oberhand über das Buch und somit die Geschichte behalten, doch dabei sind drei verschiedene Filme herausgekommen, die einfach nicht ineinander greifen wollen.
Da ist zum einen der spektakuläre Katastrophenfilm. Hinein gewebt wurde ein nur leidlich spannender Mystery-Thriller. Und daraus ergibt sich ein Irgendwas, das mit den beiden Filmen in den vorangegangenen 110 Minuten nichts mehr zu tun hat. Es könnte Zuschauer geben, die das Ende erlösend finden. Andere werden es als übertriebenen Kitsch abtun. Eine logische oder gar befriedigende Auflösung der Geschichte ist es aber auf keinen Fall. Hier werden esoterische Endgültigkeiten prophezeit, die bei Proyas DARK CITY, weniger explizit ausgearbeitet, für viel mehr Gedankenspiel sorgten.
Während andere Filme mit einzelnen Schwächen kämpfen, über die ein milde gestimmtes Publikum gerne mal hinweg sieht, hangelt sich KNOWING von einer Unzulänglichkeit in die nächste. Dies beginnt mit dem visuellen Konzept. Kameramann Simon Duggan hat für KNOWING die Red-One-Kamera eingesetzt, die erste ultra-hochauflösende Digitalkamera, die eine Bildtiefe analog eines 35mm-Negativs erfassen kann. Insgesamt wirkt das Bild dieses Films aber stets zu konturlos und sieht so aus, als wäre mit Weichzeichner-Filtern gearbeitet worden. Doch das eigentliche Problem an der Kamera ist die Arbeit an sich. Während viele Szenen in ruhigen Einstellungen inszeniert wurden, wechselt in den unpassendsten Momenten die Kamera vom Stativ auf die Schulter, zum Beispiel in Johns Unterrichtsstunde. Das macht weder dramaturgisch noch bildlich einen Sinn. Der stete Wechsel geschieht ganz offensichtlich ohne Konzept.
Wer Katastrophenfilme mag, wird an KNOWING seine helle Freude haben. Die Fährenexplosion in DEJA VU bleibt unübertroffen, doch KNOWING kommt nahe dran, ebenso reale Abläufe eines Unglücks zu zeigen. Zum Teil sehr schockierende Eindrücke und Szenen entstehen während des Flugzeugabsturzes und der U-Bahn-Entgleisung. Bilder, die durchaus verstören und haften bleiben. Das die Ausarbeitung dieser Sequenzen den größten Stellenwert in der Produktion einnahmen, lässt sich leicht an den wirklich überraschenden und innovativen Schockmomenten festmachen. Das die Logik dabei zum größten Teil vollkommen ausgeschaltet wurde, wird ob der optischen Eindrücke leicht vergessen gemacht. Bei der U-Bahn hätte man sich einmal Gedanken machen müssen, mit welcher Geschwindigkeit so ein Schienenfahrzeug unterwegs sein muss, um tatsächlich auch nur einen Bruchteil des gezeigten Schadens anrichten zu können. Und das die Trickeffekte in sehr vielen Sequenzen nicht wirklich nach dem neusten Stand der Dinge umgesetzt wurden, wird bei entsprechenden Stellen leider sehr schnell sichtbar. Allzu oft gibt sich der Film mit Effekten zufrieden, die in einem Projekt dieser Größenordnung nicht sein dürften. Am auffälligsten gerade beim geringsten Einsatz von Computertechnik, wenn die Protagonisten nachts im Wagen unterwegs sind und die Beleuchtung auf den Gesichtern der Schauspieler überhaupt nicht mit der digitalen Rückprojektion der Fahrszene abgeglichen wird. Das bekommt dann schon wieder den Fünfzigerjahre-Charakter, der sicher nicht beabsichtigt war.
Wer diesem Film eine Chance geben will und dennoch bis hierher gelesen hat, sollte sich nicht entgehen lassen, dass die gesamte Flugzeugsequenz in einer einzigen Einstellung gedreht wurde.
Während es Handlungselemente gibt, die für manchen wirklich überraschend sind, wie der Grund für Lucindas blutige Hände oder die erste Katastrophe, geizt das Drehbuch nicht mit allen möglichen Klischees. Es ist sich auch nicht zu billig, leicht Vorhersehbares tatsächlich eintreten zu lassen. In seiner fast schon langsamen Erzählweise wird der Versuch unternommen, die mysteriös gedachte Stimmung tiefer wirken zu lassen, aber an vielen Stellen wünscht man sich doch nur eine straffere Erzählstruktur. Allein die einführenden zwanzig Minuten hätten eigentlich mit einem Erzähler wie Alex Proyas bereits nach fünf Minuten erledigt sein müssen. Der Stimmung jedenfalls tun sie nichts Gutes.
Was von den Protagonisten ihren Kindern hier zugemutet wird, was sie von ihnen verlangen, wie sie sie vernachlässigen, belügen und einfach allein lassen, beruht hoffentlich nicht auf tatsächlichen Ereignissen. Ständig werden Handlungselemente damit vorangetrieben, dass hier Elternteile tun, was weder ein Vater noch eine Mutter jemals tun würde. Selbst wenn man wieder die allumfassende Entschuldigung des Determinismus heranziehen will, dass sowieso alles vorherbestimmt ist, könnte der Film überhaupt nicht so funktionieren, wenn die Drehbuchschreiber darauf geachtet hätten, Charaktere zu erfinden, die sich wenigstens auch nur entfernt wie Eltern verhalten. Candler Canterbury und Lara Robinson als Caleb und Abbey können mit ihren Rollen sehr viel anfangen und durchaus ehrliche Sympathien wecken. Doch leider ist dieser Film zu sehr darauf ausgelegt, Nicolas Cage als Star regelrecht in den Vordergrund zu pressen, dass selbst die talentierte Rose Byrne nur zur netten Staffage verkommt und lediglich in der Szene im Haus ihrer Filmmutter aus dem Schatten des ewig gleich agierenden Cage zu treten vermag.
Je weiter der Film voranschreitet und seine eigentlichen Absichten und Hintergründe offensichtlicher werden, beginnt man sich zu fragen, wieso eigentlich eine biblisch anmutende Geschichte einzig mit Katastrophen erzählt werden kann. Vielleicht, weil es sich um einen Katastrophenfilm handelt? Sicherlich, aber es passt eben einfach nicht zusammen, und man zieht auch kein Überraschungsmoment daraus. Während das versöhnliche, spirituelle Ende in seiner unverrückbaren Konsequenz eher dem Typus von Proyas ersten beiden Filmen, THE CROW und DARK CITY entspricht, mutet die Ausgangssituation von KNOWING dadurch umso willkürlicher an.

KNOWING
Darsteller: Nicolas Cage, Chandler Canterbury, Lara Robinson, Rose Byrne, Ben Mendelsohn u.a.
Regie: Alex Proyas Drehbuch: Ryne Douglas Pearson, Juliet Snowden, Stiles White - Kamera: Simon Duggan Bildschnitt: Richard Learoyd Musik: Marco Beltrami Special Effects Supervisor: Angelo Sahin
USA / 2009 circa 121 Minuten
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