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Transformers: Die Rache

Transformers IITransformers: Die Rache

Es ist ein guter Tag. Die Sonne lässt sich kaum blicken und es hat schon wesentlich wärmere Sommertage gegeben. Jede Entschuldigung ins Kino zu gehen ist damit gegeben. Die TRANSFORMERS sind zurück gekehrt und, Hand aufs Herz, wer will sich das wirklich entgehen lassen.

Vorstellungsbeginn 20:00 Uhr. Perfekte Zeit für einen Frühaufsteher mit seniler Bettflucht. Man darf ja die Überlänge nicht vergessen.

Transformers IIAber was macht Überlänge schon aus, wenn es richtig kracht und rumst? Und dann die Originalfassung, das stimmt nun wirklich zufrieden. Dabei beschleichen mich unsinnige Gedanken, welche Filme von Michael Bay bisher mein grundgütiges Wohlwollen verdienten. Ich komme auf zwei BAD BOYS Filme und verwerfe diesen Gedanken wieder. Für sehr  kurze Zeit. Denn was ist eigentlich ein Michael Bay Film?

Scheiße, Kino 5. Naja, die erwarten wahrscheinlich weniger Publikum bei der Originalfassung. Tatsächlich ist nur die Hälfte aller Plätze belegt. Wir gönnen uns die zweite Reihe, weil die Leinwand nur zirka 40 Quadratmeter hat und bei Breitwand oder Cinemascope nicht zur Seite aufmacht, sondern oben und unten schmäler wird.

Aber was ist denn nun wirklich ein Michael Bay Film? Klare Bilder, harte Kontraste und die Zeitlupen nicht vergessen. Keiner nutzt seit Peckinpah die dramatische Zeitlupe so exzessiv wie Michael Bay. Aber genug der schwarzen Gedanken, denn über die DreamWorks und Paramount Logos legen sich ungewohnte, metallene Töne. So ungewohnt und doch so vertraut. Für einen, dessen Transformers-Zeitalter mit dem Film vor zwei Jahren begann, hat sich viel eingebrannt.

Nur ein paar Meter weiter beginnt zur selben Zeit die IMAX-Fassung. Soll ja länger sein, aber da ist ja wohl die Originalfassung vorzuziehen, keine Frage. Und schon geht es los mit Bildern wie aus einem ALIEN vs. PREDATOR Streifen. Ur-Menschen kämpfen 17.000 vor Christus gegen die stählernen Giganten. Dann kämpfen Giganten gegen Giganten. Decepticons gegen… sind das jetzt auch schon Autobots? 17.000 vor Christus?

Nahtloser Übergang ins Heute, wo Menschen und Autobots eine Kampfeinheit bilden, um überall auf der Welt versprengte, böse Decepticons aufzuspüren und zu vernichten. Die zweite Action-Einlage donnert über China hinweg. Sehr bereitwillig räumen die Chinesen ihr Feld und überlassen das Schlachtfeld den Amerikaner, die mit den verbündeten Autobots reinen Tisch machen. Der Amerikaner als Weltenretter sogar in China. Wer hätte das gedacht.

Wer hätte was gedacht? Mann, mann, mann, nachdenken hilft. Autobots heißt doch irgendwas mit ‚Autonome Roboter tralala‘. Ist schon gut wenn man den ersten Film nicht komplett aus dem Hirn gestrichen hat. Autos vor Christus? Mann, mann, mann, der Soundteppich und die Bilderflut haben mich wohl schon weich in der Birne gemacht.

Noch viel nahtloser geht es hinüber zum Helden Sam Witwicky. Der geht aufs College. Sein heißer Feger Mickaela nicht. Langstreckenbeziehung. Bin in Sorge, ob das Gut geht. Nein, bin ich eigentlich nicht, sondern bin noch etwas enttäuscht über das große Durcheinander in China, das mir außer einem Effekt-Feuerwerk wirklich nichts geboten hat. Und was mit den Darstellern passiert, sieht nicht viel besser aus. Eigentlich nicht unsympathische Figuren tun Dinge, die lustig sein sollen und reden unablässig Zeug, das passend lustig sein soll. Im Publikum wird auffallend wenig gelacht, aber das ist verständlich, weil allen schon schwindelig sein muss.

Noch keine fünfzehn Minuten gelaufen, hat der Film eine Drehzahl und einen Rhythmus gefunden der sich mit unerbittlicher Hartnäckigkeit hält. Keine Einstellung in der sich nicht die Kamera bewegt, kein Moment der Ruhe, kein Luft holen. Selbst wenn sich die Liebenden schmachtend in den Armen liegen, kreist die Kamera in mindestens drei Umläufen um sie herum. Noch schlimmer wird es bei den als aufregend ausgedachten Effekte-Spektakeln. Immer schiebt sich etwas durchs Bild, immer ist Bewegung. Zeit und Orientierung habe ich sehr schnell vergessen. Mir fällt nur auf, wie viele verschiedene Transformers ich in diesem Film nun schon gesehen habe. Was mir aber als Zuschauer vollkommen vorenthalten wird, ist der Anblick einer kompletten Verwandlung. Ohne die dröhnenden Geräusch-Effekte, würde mir die meiste Zeit überhaupt nicht auffallen, dass sich schon wieder ein Autobot verwandelt hat.

Es ist nicht zu fassen. Die drei hoch bezahlten Drehbuchschreiber sind sich nicht zu blöd, unseren Helden Sam mit einem Computer-Freak in ein Campuszimmer zu stecken, der an eine Verschwörung der Regierung glaubt, die außerirdische Roboter vor der Menschheit geheim hält. Ich bin nicht nur verblüfft, sondern auch verwirrt. Dazwischen kommen wieder und immer wieder Zusammenstöße von gigantischen Metallteilen, die sich bekämpfen. Manchmal sind es auch kleine Roboter die beabsichtigt sind, niedlich zu sein. Sowas endet zum Beispiel in einer absurden Begattungsnummer, die weniger ihre humorige Absicht erreicht, als vielmehr Befremden hervor ruft.
 
Die Highlights bei Film Nummer Eins waren doch die Verwandlungen. War es doch, oder? Wie aus einem 600 kg Camaro ein 10 Tonnen Roboter wird oder aus einer normalen Zugmaschine der vielfach voluminösere Optimus Prime. Lächerlich. Wirklich Lächerlich, hat aber gut ausgesehen. Warum sehe ich das hier nicht? Vom Auto zum Roboter, vom Roboter zum Auto. „Autobots, transformiert!“ Hier passiert nichts, nur laut und immerzu bewegt.
 
Ich kann es nicht glauben. Die drei vollkommen überbezahlten Drehbuchschreiber verkaufen den Zuschauer für so blöde, das sie die Herzallerliebste des Helden tatsächlich überraschenderweise dann ins Zimmer treten lassen, als dieser sich gegen eine mannstolle Blondine erwehren muss. Haha, es kommen Lacher aus dem Publikum. Wahrscheinlich reine Verzweiflung.

Steve Jablonskys Musik irritiert mich zunehmend. Das Hans Zimmer seine Finger mit am Taktstock hat, ist nicht weiter verwunderlich. Doch jeden Moment denke ich das Russell Crowe als Gladiator um die Ecke biegt. Aber es sind keine differenzierten Themen erkenntlich, wie Jablonsky sie für den ersten TRANSFORMERS geschrieben hat. Die Musik ist eher ein unveränderlicher Brei als akustisches Abziehbild des gesamten Films in seiner endlos aufgedrehten, rastlosen Hatz.

Die Decepticons sind die Bösen. Sie möchten dem ‚Fallen‘ wieder zur Macht verhelfen, der im Verborgenen lauert, und sein Name ist eben Programm. Optimus Prime als Anführer der Guten muss sterben, weil er der letzte der Prime ist. Und wenn dieses, …kann man Geschlecht dazu sagen? Nur wenn der letzte Prime das Zeitliche gesegnet hat, kann der ‚Fallen‘ wieder auferstehen und herrschen. Sehr komplex. Ich bin erstaunt wie viel Vorwissen man benötigt um so wenig Handlung folgen zu müssen. Unendlich viele Autos, Lkws, Lastkräne, Kleintransporter, Motorräder, Schaufelbagger, etc. verwandeln sich in zerstörerische Kampfroboter. Michael Bay hat ja versprochen, viele Figuren aus der Original-Serie und dem Spielzeug-Programm auf die Leinwand zu bringen. So kann ich als Unwissender nur vermuten, dass sich der wahre Fan in Freudensprüngen verausgaben müsste.

Es gibt nicht einen einzigen Moment im Film, bei dem der Unterschied zwischen Film und Computer sichtbar wird. Der Fortschritt ist aber auch der Fluch dieses Films. So natürlich sich die künstlichen Bilder auch in die wirkliche Umgebung integrieren, umso schneller hat man sich daran satt gesehen. Nur sehr wenige Totalen, gewähren einen Überblick über die Szenerien, welche meist von heftigsten Kämpfen erschüttert werden. In solchen Totalen wird man sich der ungeheuren Leistung der Trickspezialisten richtig bewusst. Die hektischen, teils frenetisch geschnittenen Nahaufnahmen hingegen zeigen nur Blech auf Blech und der Film wird sich eigentlich gar nicht mehr selbst gerecht. Oftmals werden Roboter von anderen Robotern zerlegt, ohne das man wirklich erkennt, wer jetzt wem was angetan hat. Selbst der originelle Einfall, eine Action-Sequenz in eine Waldlichtung zu verlegen verläuft sich in einem Durcheinander von wahllos auftauchenden Robotern und unzusammenhängenden Zerstörungsriten.

Das Tempo des Films erlaubt keine rationelle Übersicht über die Geschehnisse. Gesehen ist vergessen ist vorbei. Der Untergang eines Flugzeugträgers hält eigentlich mehr schmerzhaft vor Augen, was für ein visuelles Erlebnis TRANSFORMERS wirklich sein könnte. Eine grandiose, halbminütige Sequenz voller mitreißender Wucht die unter die Haut geht. Um dann im weiteren unablässigen Effekte-Gewitter einfach ‚unterzugehen‘. Man gönnt dem Zuschauer nicht einmal diesen Aha-Moment, des sich in Pose stellenden Transformers, gepaart mit den staunenden Blicken der überwältigten Charaktere, der die emotionale Position des Zuschauers übernehmen darf. Nichts da, soviel Film und so wenig Zeit. Keine Atempause.

Alles viel zu selbstverständlich. Ich darf nicht staunen, ich darf nur geplättet dabeisitzen. Abgestandene Kalauer muss ich ertragen und kann mich nicht beschweren, weil mir die Zeit zum atmen fehlt. Standardisierte Bildfolgen, immer und immer wieder und die Musik hämmert mich zurück in den Sitz. Hier machen Menschen etwas mit Computern einfach nur weil sie es können.

Popcorn-Kino darf origineller sein. Aber es ist ja schon bezahlt. In diesem Moment trage ich dazu bei, das dieser Film ein riesiger finanzieller Erfolg wird. Zwei Roboter kloppen sich und den Machern ist es Scheiß egal ob ich erkenne welcher Roboter welchem eins über die Birne zieht. Und ich habe das bezahlt, und ich bin verantwortlich, dass in zwei Jahren ein dritter Teil dasselbe Spiel noch einmal veranstaltet.

Ich habe im Vorfeld gelesen, das Michael Bay ganz stolz war, eine Dreherlaubnis für Gizeh erhalten zu haben. Das kann nur bedeuten, dass der Showdown bei den Pyramiden spielt. Ich habe inzwischen jeden Roboter in jeder Kampfespose gesehen, ich kenne alle verfügbaren Geräusche, jedes durchgestylte Bild mit all den attraktiven Darstellern hat sich x-mal wiederholt. Der Showdown beginnt und wird, wie sich herausstellen wird, eine halbe Stunde andauern. Ich hätte aber nichts dagegen, wenn der Film jetzt – genau jetzt zu Ende wäre. Abspann, Musik, Licht an, Ausgang.

Es ist wirklich nicht so, dass ich mich dem Schicksal ergeben müsste, mir ist es einfach nur gleichgültig. Mir fällt nur auf, das Sam und seine Mikaela sehr, sehr lange unterwegs sind, um das von Decepticons umstellte, kleine Wüsten-Kaff zu durchqueren. Sie laufen und laufen, von Hütte zu Hütte, und ich überlege, ob ich vielleicht in eine Art Dilirium verfallen bin. Und wie sie so laufen und laufen, nur um ein paar Häuser hinter sich zu lassen, da kommt in derselben Zeit ein ganzes Heer Amerikaner von der See her, landet und durchquert einen ganzen Landstrich. Unwillkürlich frage ich mich, ob ich etwas versäumt habe, ob die Macher nicht aufgepasst haben oder ob es ihnen einfach egal war. Moment, da war diese Szene im Smithosian Institute in Washington und als ein Decepticon eine Wand durchschlägt und alle ins Freie treten, befinden sie sich mitten in der Wüste. Da es keine Wüste an der Ostküste Amerikas gibt, muss ich entweder was verpasst haben, oder den Machern war es… egal?! Große Verwirrung.

Mit dem Beginn des Abspanns geht das Licht an. Ich bin vollkommen erschlagen. Nach näherem hinfühlen bin ich mir sicher, das es nicht die normale Müdigkeit ist. Die Vision eines kalten Bieres lässt mich lächeln. Und die Frage, was eigentlich ein Michael Bay Film ausmacht, vertreibt dieses Lächeln umgehend. Megan Fox‘ Gesicht in Groß über Shia LaBeouf gebeugt, über ihr schwebt in extremer Zeitlupe ein Hubschrauber durch die Szenerie. Bis zum erbrechen stilisierte Bilder, die keinen Sinn ergeben. Eine Bildsprache, die sich selbst genug ist, aber nichts erzählt. In BAD BOYS II hat der Effekt der extremen Verlangsamung im Kontext funktioniert. Hier war er einfach nur eingesetzt. Immer und immer wieder. Der ganze Film war eine ganze Wiederholung seiner selbst. Bilder die sich selbst kopierten, Töne die sich aufbrauchten, Effekte die nicht variierten.

Ich liebe Popcorn-Kino. Deswegen hat der erste Teil auch viel mehr Freude bereitet. Perfekt durchdachtes, alle Klischees bedienendes,  den Ansprüchen gerecht werdendes Popcorn-Kino. Ich will doch gar nicht nachdenken müssen. Kino ist nicht zwangsläufig dafür gemacht. Nur wenn das Mischungsverhältnis von attraktiven Darstellern, Standardsituationen, Spannungsbogen und Einsatz von Effekten stimmt, ist wirklich alles erlaubt. Vor zwei Jahren hat es wunderbar funktioniert. Rein setzen, sich gehen lassen, entspannen, nicht nachdenken. Aber wenn ich beginne, über das ‚nicht nachdenken müssen‘ nachzudenken dann ist doch etwas falsch gelaufen.

23:00 Uhr. Das erste Bier ist weg. Ich schiebe es auf die extrem trockene Luft im Kino. Ärgere mich eigentlich über die hohen Erwartungen, die ich mir selbst auferlegt habe. Ja, zum Teufel, über Bumblebee, den heißen gelben Camaro hab‘ ich wirklich lachen müssen. Na ja, Megan Fox ist ja zum Anschauen auch nicht so schlecht. Von all den Kalauern funktioniert ja sogar der ein, oder andere Witz. Können die Transformers wirklich noch beeindrucken? Gibt es diesen speziellen, diesen magischen Kinomoment? Ob ich mein Geld zurück bekommen könnte?

Sei es drum, der Kinosommer ist noch lang und bestimmt nicht so ernüchternd wie an diesem Abend. Frage mich bloß, was für eine Rechtfertigung ich in zwei Jahren finde, wenn ich am ersten Abend TRANSFORMERS III schaue.

Transformers: Revenge of the Fallen
Darsteller: Shia LaBeouf, Megan Fox, Tyrese Gibson, John Turturro, Josh Duhamel, Kevin Dunn, Julie White u.a. – mit den amerikanischen Stimmen von Hugo Weaving, Peter Cullen, Mark Ryan, Robert Foxworth, Anthony Anderson, Tony Todd
Regie: Michael Bay – Drehbuch: Ehren Kruger, Roberto Orci, Alex Kurtzman - Kamera: Ben Seresin – Bildschnitt: Roger Barton, Thomas Muldoon, Joel Negron, Paul Rubell – Musik: Steve Jablonsky – Visuelle Effekte: Richard Kidd
USA / 2009 – circa 150 Minuten

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