Esther lässt das Morden nicht - »Orphan: First Kill«
Esther lässt das Morden nicht
»Orphan: First Kill«
Prequels sind zurzeit wieder einmal schwer in Mode, besonders im Serienbereich: So feiern momentan HBO und Amazon weltweit große Erfolge mit ihren beiden episch angelegten Prequel-Projekten: „House of the Dragon“ fungiert dabei als Prequel zur Hitserie „Game of Thrones“, während „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ zweihundert Jahre vor den Ereignissen der „Der Herr der Ringe“-Trilogie spielt. Auch Netflix konnte jüngst für die abschließende sechste Staffel von „Better Caul Saul“, welches ein Prequel zu „Breaking Bad“ darstellt und den Werdegang des Anwalts Saul Goodman in den Fokus nimmt, viel Kritikerlob und Publikumszuspruch einheimsen. Diesem Trend will sich auch die Kinolandschaft nicht gänzlich verschließen, weshalb mit „Orphan: First Kill“ nun ein Prequel zum Horrorstreifen „Orphan“ aus dem Jahr 2009 in die Lichtspielhäuser kommt. „Oprhan“ war zwar seinerzeit nicht wirklich ein großer Erfolg an den Kinokassen, hat sich aber über die Jahre in Horror-Kreisen einen Ruf als Geheimtipp mit Kultpotenzial erarbeitet, weshalb man sich entschloss, dem kaltblütig mordenden Waisenkind erneut einen Film zu spendieren.
Ein Sequel wäre angesichts des Schicksal der Titelfigur Esther am Ende von „Orphan“ nicht wirklich logisch realisierbar gewesen, weshalb das Erzählen der Vorgeschichte in diesem Fall deutlich mehr Potenzial bot. Der Clou an der ganzen Sache: Man verpflichtete als Esther erneut Isabelle Fuhrman, die 2009 als Zwölfjährige die kindlich aussehende Esther verkörperte. Nun ist Isabelle Fuhrman aber klarerweise im Jahr 2022 kein zwölfjähriges Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau von 25 Jahren, soll aber immer noch glaubhaft ein Kind verkörpern. Dieser offensichtliche Widerspruch entwickelt sich zu einem gewissen Problem für den Film, da man nämlich kein Milliardenbudget für aufwendige CGI-Deaging-Effekte zur Verfügung hatte und sich stattdessen auf den geschickten Einsatz von Kamerawinkeln, passende Positionierungen der Darstellerin und aufwendiges Make-Up verlassen musste. Über weite Strecken funktioniert diese dadurch erzeugte Illusion auch überraschend gut (vorausgesetzt man kann als Zuseher:in hier und da mal ein Auge zudrücken), allerdings erweisen sich ausgerechnet die eingesetzten Doubles als großer Illusionszerstörer, da sie über keinerlei Ähnlichkeit mit Isabelle Fuhrman verfügen und einen somit immer wieder aus dem Geschehen rausreißen und die zuvor aufwendig aufgebaute Illusion kaputt machen.
Davon abgesehen präsentiert Regisseur William Brent Bell einen durchschnittlichen Horror-Streifen, dem es an inszenatorischen Highlights und konsequenten Spannungsmomenten mangelt. Von einigen optischen Spielereien im Atelierzimmers des Vaters abgesehen (das violette Farbenspiel war schon im Erstling präsent und entwickelt sich zu einem Markenzeichen des Films), bleiben keine denkwürdigen Szenen in Erinnerung und während „Orphan“ einen wirklichen gelungenen Twist am Ende bot, lässt „Orphan: First Kill“ bereits in etwa der Hälfte der Laufzeit die Hüllen fallen und präsentiert einen zwar durchaus überraschenden aber im Anschluss lieblos exekutierten Twist, der der sehr einfach gestrickten Handlung nicht wirklich auf die Sprünge hilft.
Dies ist insofern bedauerlich, da die interessante Figur der Esther sehr viel Potenzial für eine spannende Geschichte böte, welches in „Orphan: First Kill“ allerdings zu keinem Zeitpunkt voll ausgeschöpft wird. Auch im Hinblick auf die Darsteller:innen kann „Orphan: First Kill“ nicht mit „Orphan“ mithalten, denn Isabelle Fuhrman spielt zwar wieder einfach phänomenal (trotz der vorher thematisierten Altersproblematik), allerdings bleibt der restliche Cast sehr blass und austauschbar – kein Vergleich zu „Oprhan“, in dem etwa die grandiose Vera Farmiga (bekannt aus der Serie „Bates Motel“, welche passenderweise als Prequel zu Alfred Hitchcocks Klassiker „Psycho“ fungierte) als Ziehmutter von Esther brillierte. Von solchen einprägsamen Performances ist man in „Orphan: First Kill“ allerdings weit entfernt – ein weiterer Beleg für die Tatsache, dass das Prequel zu keinem Zeitpunkt an die Klasse des Ursprungswerks anknüpfen kann. Diesen Eindruck kann auch eine schwarzhumorig gestaltete und mit einem amüsanten Augenzwinkern versehene Hommage an den Slasher-Klassiker „Maniac“ (1980) bzw. dessen Remake mit Elijah Wood aus dem Jahr 2012 nicht wegmachen.
Fazit:
Prequels genießen unter vielen Filmfans nicht unbedingt den besten Ruf und „Orphan: First Kill“ dürfte bekennenden Prequel-Hassern nun neues Futter liefern: Der in jeder Hinsicht mittelmäßige Horrorfilm kann zu keinem Zeitpunkt an die starke Atmosphäre des Vorgängers „Orphan“ anknüpfen, sondern verliert sich in einer banalen Handlung, beliebigen Schock-Effekten und einer austauschbaren Inszenierung. Lediglich die herausragende Performance von Isabelle Fuhrman als Esther und das mal mehr und mal weniger gelungene Bemühen um eine passende Verjüngung der Schauspielerin verdienen Lob.
Kommentare
Als ich dann mitbekam, das man nun mit ORPHAN - FIRST KILL ein Prequel in die Kinos bringt, war ich durchaus eher skeptisch in zweierlei Hinsicht. Zum einen in dem Punkt, wie man glaubhaft die Darstellerin Isabelle Fuhrman wieder auf jung trimmen wollte (hübsch ist sie ja, was aber hierbei eben leider nicht alles herausreißt), da auch sie ja durchaus sichtbar älter geworden ist, was natürlich irgendwie auffallen muss, wenn man nicht auf ordentliche CGI-Effekte zurückgreifen würde. Und zum zweiten fragte ich mich, ob man im Prequel die grandiose Handlung des Original wirklich noch einmal erreichen würde. Laut dieser Filmkritik scheint man in beiden Fällen aber dem filmischen Original nicht wirklich das Wasser reichen zu können. Neugierig bin ich auf dieses Prequel trotzdem irgendwie.