Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Zu Gast im Lande Wülmersen

Schloss WülmersenZu Gast im Lande Wülmersen
"Happy Birthday, König Thomas!"

Mit der flachen Hand schlug die Frau in dem burgunderroten Kleid energisch auf die Platte der Theke vor ihr und rief nach dem Wirt. Währenddessen stand die Freifrau von Grünspan neben ihr und beobachtete sie mit leicht gekräuselten Lippen, man merkte eben ... die Frau des Handelsherren war im Grunde immer noch eine Magd. Der Handelsherr selbst hielt sich im Hintergrund, die Hände am Revers seines weiten Mantels, der seinen imposanten Bauch nicht wirklich verdeckte. 

Schloss WülmersenDie Reisegruppe wurde vervollständigt durch eine Zofe der Freifrau von Grünspan, die zumeist schnatternd mit anderen Hausangestellten in einer Ecke stand, einem Diener, der eifrig seinen Pflichten nachkam – wenn man ihn dazu trat – und der Leibwächterin der Freifrau, einer gewitzten und cleveren jungen Frau, die sich respektvoll im Hintergrund hielt aber immer da war wenn man sie brauchte.
 
Sie waren gerade in der Taverne zu den drei Wellen angekommen und suchten nun nach einer Bleibe für die kommenden Nächte. Die Taverne war gut gefüllt, viele Gäste hatten sich anlässlich des Geburtstages von König Thomas von Wülmersen eingefunden.
 
Das Wasserschloss Wülmersen war eine mehr als respektable Kulisse für die Festivitäten, die für den König ausgerichtet werden sollten.

Und die Reisegruppe von Grünspan war nur ein kleiner Teil der Gruppe, die sich um die Gunst bewarb, dem König vorgestellt zu werden.
Dies beschreibt ein wenig das Fantasy-Umfeld, das Land Wülmersen, das von König Thomas regiert wird. Dort fand vom 24. bis 26. August 2007 das diesjährige Spielertreffen statt. König Thomas hat seinen Stammsitz in der Stadt Wülmersen. Dort befindet sich auch die Universität für Zauberei, die Academia Wülmatica. In dem kleinen Dörfchen Ersen an der Wülm gibt es ein Feenkönigreich und in ganz Wülmersen wird die Göttin Wülma verehrt. Durch das Land fließt die Wülm ins Meer, das Mare Wülmaticum, an das auch noch andere Länder, nämlich Puritanien, Zhankreich und Ennem angrenzen. (Quelle: http://www.wuelmersencon.de/ ).

In diesem Jahr hatten sich etwa 50-60 Erwachsene als Spieler eingefunden und waren auf acht Gruppen verteilt worden, dazu kam eine Gruppe nur mit Kindern und einer Begleitperson sowie die zahlreichen „Streckenposten“, die an den verschiedenen Stationen des Spiels für die Rahmenhandlung sorgten.

Am schnellsten fiel einem die hektische Zofe der Prinzessin auf, die eigentlich ständig auf der Suche nach der ihr Anvertrauten war "Prinzessin! Prinzessin! Ach du meine Güte, Prinzessin!" Die arme Zofe hatte nämlich den Auftrag erhalten, die widerstrebende Prinzessin für den abendlichen Ball bei ihrem Vater in passende festliche Kleidung zu stecken – nicht ganz einfach bei einer jungen Dame, die lieber Schwerter trug und ihr Haar unter einem „Piratenkopftuch“ verbarg. Allerdings war auch die Zofe nicht ganz ohne. Offensichtlich war mit ihr irgendwas nicht ganz so wie es sein sollte ... die Gerüchteküche im Schloss brodelte.

 
Logo WülmersenconAuch der Zeremonienmeister mit seinem imposanten Zeremonienstab hetzte eigentlich ständig quer über den Burghof, immer sehr darum bemüht die Etikette zu wahren und den Wünschen der Gäste nach Einladungen für den Abend nachzukommen. Wer nicht nach dem Zeremonienmeister jagte, übte einen Tanz beim Tanzmeister – mit einem wahrlich reizenden Akzent – unterhielt sich mit der Archivarin, versuchte an Blumenschmuck für den Abend zu kommen oder versuchte der (über)eifrigen Stadtwache aus dem Weg zu gehen. Oder man unterhielt sich mit dem wahrhaft reizenden Obermagier, dem Mumblemore, der nur dank seiner aufmerksamen Schülerin überleben konnte - der arme war nämlich durch einen längeren Aufenthalt in der Metaebene reichlich verwirrt.
 
Die Gattin des Handelsherren tat übrigens alles um sich angemessen unbeliebt zu machen. Sie zickte tüchtig herum und ließ alle wissen wie wichtig ihr Mann – und damit sie selbst – war. Sogar der Freifrau von Grünspan unterstellte sie ein Verhältnis mit ihrem Gatten, und man hätte es ihm nicht verdenken können wenn es so gewesen wäre. Eine Chimäre war charmant gegen diesen Besen.

Es gab jedoch durchaus auch ein paar Situationen, in denen die Frau des Handelsherren mächtig ins „Schwimmen“ geriet, und in denen sich zeigte, dass es ihr in der Tat an der Rafinesse für ein Leben am Hofe mangelte. Als sie den König der Tiere erblickte, der große Ähnlichkeiten mit einem aufrecht gehenden Löwen zeigte, deutete sie mit spitzem Finger auf ihn und meinte nur „Was ist das denn für ein komisches Tier?“ Es war lediglich ihrem Gatten zu verdanken, dass der so geschmähte König der Tiere nicht sein Schwert zückte und sie spüren ließ, dass er ein vernunftbegabtes Wesen war.

Wirklich sehenswert muss der hochrote Kopf der Handelsherrengattin gewesen sein als einige Zeit später der Schlüsselmeister dann die Truhe öffnete, mit der die Gattin gekommen war - mit der Behauptung die Truhe sei ihr Eigentum - und sich zu ihrer großen Schmach herausstellte, dass diese Truhe keineswegs ihr gehörte. Sie musste gestohlen sein.
 
Ach ja ... habe ich schon erwähnt, dass es sich bei dieser charmanten Dame um mich handelte? An diesem Wochenende war ich das erste Mal bei einem Live-Rollenspiel dabei – es war ein Erlebnis. Ich hatte schon vorher geahnt, dass es mir Spaß machen würde und dass ich meine Rolle eher pointiert und exaltiert als ruhig und besonnen anlegen würde, alles andere wäre mir wohl zu langweilig geworden. Also polterte ich herum, ließ alle wissen wie ausgesprochen wichtig mein Mann war, erhob mich mit Wonne über die Dienerschaft – und mochte mich nach kurzer Zeit selbst nicht mehr. Die Rolle verselbständigte sich scheinbar etwas.
 
Mit der Zeit wurde die Stimmung auf der Burg zunehmend dramatischer: Die Gerüchte häuften sich, über die Feenbotschafterin und den Schreiber, den Zeremonienmeister und den armen Herrn vom Blumenhandel, der jedes Mal hyperventilierte wenn er den Zeremonienmeister nur von weitem erblickte, oder aber die Zofe, die zweifelsohne sharkanische Stoffe hatte und damit prädestiniert dafür war, eine Spionin des Gegners zu sein. Und dann verschwanden mit einem Mal die Truhen. Die Truhe der Baroness ebenso wie die die Gräfin  ... wie viele waren es eigentlich? Mir wurde leicht schwindelig. Ich witterte eine Verschwörung, die würde ich aufklären wollen.
 
Also nutzte ich die Gelegenheit als einer der Recken auf dem Burghof zusammenbrach und alles sich um ihn versammelte und brach – ich muss es zu meiner Schande gestehen – in die Kemenate der Prinzessin ein. Da stand sie ... eine Truhe. Ich packte sie in mein Überkleid und machte mich aus dem Staub. In dem nun folgenden peinlichen Fiasko beim Schlüsselmeister (siehe oben) merkte man dann doch, dass ich nicht wirklich sehr erfahren in der hohen Kunst der Verschlagenheit war. Ich versuchte mich aus der Sache heraus zu reden und zu meinem Glück war der Schlüsselmeister so gnädig mich nicht einfach ins Verlies werfen zu lassen sondern verschwand einfach mit meiner „Beute“. Versagt!
 
Ich war fast ein wenig frustriert, als sich am Ende des Tages alles in Wohlgefallen auflöste und sich herausstellte, dass die von mir gewitterte große Verschwörung nur eine ganz kleine war. In der Tat war die Zofe eine Spionin, und wenn ich nicht so voreilig zum Schlüsselmeister gerannt wäre, hätten wir zumindest diesen Teil der Rätsel lösen können. Im Wesentlichen bestand der Handlungsfaden bei diesem Spielercon in dem groß angelegten Durcheinander von Beziehungen, unehelichen Kindern, unerwiderter Liebe und vertauschter Schlüssel für die Truhen im Stil einer klassischen Screwball-Comedy.

Ich hockte irgendwann hilflos auf einer Bank vor der Taverne zu den drei Wellen und überlegte krampfhaft was ich nun sollte: Mein Gatte hatte doch tatsächlich beschlossen mit der Freifrau von Grünspan auf den Ball des Königs zu gehen statt mit mir – dabei hatte ich ihm doch drei Söhne zur Welt gebracht und stand seinem Haushalt vor. Glücklicherweise lehnte die Freifrau von Grünspan ab und so ging ich dann letzten Endes doch am Arm 'meines' Handelsherren zum Fest.

 

Mit dem Fest, einem furiosen „bunten Abend“ mit Liedern, Tänzen, Geschichten und faszinierenden Darbietungen von Feuerartisten klang der Geburtstag von König Thomas auf Schloss Wülmersen aus. Der Abend selbst endete wenig später vor der Taverne, die inzwischen wieder zur Küche der Gruppe geworden war, gemütlich mit einigen anderen Spielern an der Biertischgarnitur, vor mir eine Flasche Bier und etwas zu knabbern, neben mir meinen Handelsherren, der wieder „einfach“ nur Horst Hermann geworden war, mir gegenüber die ehemalige Freifrau von Grünspan, eine Bänkerin aus Berlin, und der Diener hatte sich als Programmierer aus Braunschweig entpuppt. An verschiedenen Stellen des Schlosses hatte man sich zusammen gefunden um den Abend bei Gesprächen, Gelächter und Gemeinschaft ausklingen zu lassen.

 

Die Nacht war kurz, der Sonntag Morgen schnell da. Nach dem Frühstück begann das Aufräumen der Burg, und viel zu schnell war das Treffen vorbei. Was für ein Erlebnis!

 

Happy birthday, König Thomas! Ein Hoch auf König Thomas – den alten Sack!

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.