Der Heftroman - Utopia, Terra und andere
Wie alles begann...
Die erste Reihe auf dem Heftromansektor war UTOPIA aus dem Pabelverlag mit dem Untertitel Zukunftsromane. Seit 1953 erschienen hier die ersten deutschen Heftromane, die ausdrücklich als Science Fiction beworben wurden. Allerdings waren die ersten Romane eigentlich eine Serie: JIM PARKERS ABENTEUER IM WELTALL, die unter dem Verlagspseudonym Alf Thörnsen veröffentlicht wurden.
Als Perry Rhodan zu seinem Höhenflug ansetzte brachte man auch bei Pabel eine neue Serie ins Spiel: Mark Powers. Dieser Serienheld erschien zwischen Band 320 und 352 alternierend mit Einzelromanen innerhalb der Utopia-Reihe. Nach einem 48-bändigigen Ausflug als eigenständige Serie, beschloss er dann seinen Heldenabend wieder in der Utopia-Reihe (gerade Bände zwischen 404 und 420. Zeitgleich mit dem Ende des Mark Powers-Zwischenspiels erschienen erstmals Kurzgeschichtensammlungen amerikanischer Autoren, die von Lore Matthaey herausgegeben wurden und bis zum Ende der Reihe 1968 fortan fester Bestandteil von Utopia blieben. Gegen Ende erschienen auch Romane (Erstveröffentlichungen) von Ernst Vleck und Garry MacDunn (Marianne Sydow). Bei den Übersetzungen sind noch Phillip Jose Farmer, John Brunner, Poul Anderson und Edmond Hamilton erwähnenswert. Ganz zum Schluss startete man nochmals eine neue Serie, Ad Astra, von H.G. Francis konzipiert, die wieder 14-tägig abwechselnd mit den Einzelromanen erschien (Nr. 550-590) und es auf 21 Nummern brachte. 1968 brachte dann nach 596 Ausgaben das Aus für Utopia.
Zu Utopia gab es zwei Ableger. Ab 1954 wurde paralell dazu der Utopia Großband herausgebracht, der wie der Name schon sagt, einen größeren Umfang als das Normale Heft hatte.
Dabei handelte es sich überwiegend um Übersetzungen anglo-amerikanischer Autoren wie etwa Lester del Rey, E.C.Tubb oder Curt Siodmak. Es überwogen aber die Autoren aus der zweiten und dritten Reihe. Dazu kamen einige deutsche Autoren wie Clark Darlton, Wolf Detlevf Rohr. K.H. Scheer und J.E. Wells. Zunächst von Walter Ernsting betreut, erlangte die dortige Leserbriefseite einige Bedeutung. 1963 wurde die Reihe nach 204 Bänden eingestellt.
Zwischen 1956 und 1958 gab es zusätzlich Utopia-Krimi, wo man auf 26 Bände kam. Auch hier überwogen die Übersetzungen, unter denen sich Werke von C.M. Kornbluth, Hal Clement und A.Merrit befanden.
Ab 1956 brachte der Lehning-Verlag seine Luna Utopia-Romane (später Luna Weltall. Utopische Romane) an den Kiosk. In dieser Reihe erschienen fast nur Leihbuchnachdrucke deutscher Autoren. Dazu gehörten K.H. Scheer, J.E. Wells und Wolf Detlef Rohr. Die Bände 31/32 trugen den Titel "Münchhausen im Weltraum". Nach 57 Bänden wurde die Reihe 1960 eingestellt. Bemerkenswert ist, dass die dortige Titelbildgestaltung sehr an die der frühen Perry-Rhodan-Serie erinnert. Einer der Romane landete sogar wegen seiner sexuellen Freizügigkeit auf dem Index.
Wichtiger für die deutsche SF-Heftszene war die Reihe Terra (Untertitel: Utopische Romane. Science Fiction), die ab 1957 im Moewig-Verlag erschien. Auch hier waren die ersten 100 Bände überwiegend Nachdrucke von Leihbüchern. Neben anderen deutschen Autoren wie Wolf Detlef Rohr, K.H.Scheer, J.E. Wells und Kurt Brand, ist auch Jay Grams (=Jürgen Grasmück) zu nennen. Dazu kamen Übersetzungen von E.C. Tubb, Robert Silverberg, L.Ron Hubbard und anderen weniger bekannten amerikanischen Autoren. Mit Band 99 erschien dann erstmals ein Roman von Kurt Mahr, dem viele weitere folgten. Mit Band 188 gab Hans Kneifel sein Debut bei Terra, der danach ebenfalls in größerer Zahl dort veröffentlichte. Daneben erschienen aber weiterhin Übersetzungen z.B. E.E. Smith, Hal Clement und Marion Zimmer Bradley. Nach und nach schrieben auch andere PR-Autoren für die Reihe. Nummer 294 (1963) stammte erstmals von H.G.Ewers, also noch vor seinen ersten PR-Beiträgen. Gelegentlich erschienen auch Kurzgeschichtensammlungen etwa A.E. van Vogt "Das Monster u.a. Storys" (Nr.350). Überhaupt kann man feststellen, dass mehr und mehr ausgewiesen erfolgreiche englischsprachige Autoren Aufnahme fanden: Frederick Pohl, John Brunner, Ben Bova, Robert A. Heinlein, Gordon R. Dickson, Jake Vance, Lester del Rey. Arthur C. Clarke und andere mehr. Nach 555 Nummern wurde die Reihe 1968 eingestellt. Zwar gab es in Terra Zyklen einzelner Autoren, regelrechte Serien im Unterschied zu Utopia jedoch nicht. Erwähnenswert ist noch, dass auch hier sehr früh, der Versuch unternommen wurde, eine Leserseite einzurichten (unter der Ägide Walter Ernsting).
Erwähnenswert sind noch zwei Subreihen von Terra: Terra Sonderband und Terra Extra. Terra Sonderband ist gewissermaßen der Vorläufer des Terra-Taschenbuchs. Ab 1958 erschienen hier 96-seitige Bände und zwar in monatlicher Erscheinungsweise. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Übersetzungen bekannter anglo-amerikanischer Autoren. A.E. van Vogt, Isaac Asimov, John Brunner und E.C. Tubb gehörten dazu. Hinzu kamen einzelne Romane deutscher Autoren, in erster Linie von Clark Darlton und Kurt Mahr. Ab 1965 wurde die Reihe als Terra-Taschenbuch fortgesetzt.
Terra Extra (Untertitel: SF-Bestseller in Neuauflage) erschien ab 1962 als reine Nachdruckreihe. Zunächst gab es nur Neuauflagen von Romanen der beiden Perry Rhodan-Erfinder K.H.Scheer und Clark Darlton. Später kamen auch Bände von Kurt Mahr, Kurt Brand und Jesco von Puttkamer hinzu, vor allem aber Nachdrucke anglo-amerikanischer Autoren, wie Andre Norton, Robert Silverberg und E.C. Tubb. Mit dem Ende der Terra-Reihe wurde dann auch Terra Extra 1968 nach 182 Nummern eingestellt.
Als Terra und Terra Extra eingestellt wurden, brachte der Moewig-Verlag als Ersatz Terra Nova, bezeichnender Weise mit dem neuen Untertitel: "Science Fiction. Eine Reihe aus der Perry-Rhodan-Redaktion". Hier wurden fortan neue Titel (insbesondere von PR-Autoren wie Hans Kneifel) und Neuauflagen z.B. von K.H.Scheer gemischt. Vor allem Ernst Vlcek steuerte viele Romane bei. Auch Peter Terrid gehörte zu den Autoren. Und man findet einzelne Romane von Thomas R.P. Mielke und Hugh Walker. Auch Übersetzungen aus dem anglo-amerikanischen Raum gehörten wieder zur Reihe. etwa von John Brunner und Marion Zimmer-Bradley. Nach 190 Nummer wurde die Reihe 1971 eingestellt.
Zeitgleich startete Terra Astra wieder mit dem Untertitel "Science Fiction Romane aus der Perry Rhodan Redaktion". Hervorstechendster Unterschied zu Terra Nova war der neue Zeichner. Am Konzept änderte sich eigentlich wenig. Es gab wieder Neuauflagen alter Romane der PR-Autoren und neue Bände von eben diesen und den Atlan-Autoren. Wieder zählte Peter Terrid zu den fleissigsten Autoren. Man findet aber auch Romane von Marianne Sydow, Harvay Patton (= Hans Peschke), Horst Hoffmann, Falk-Ingo Klee, Hubert Haensel, Arndt Ellmer, W.K. Giesa, Michael Nagula und auch von Wilfried Hary. Die Zahl der Übersetzungen war geringer als in den Vorläufer Reihen. Darunter waren auch Bände aus dem Star Trek Universum. Mit Band 52 startete man eine Neuauflage der Orion-TBs, die alle vier Wochen (also jeder Vierter Band) bei Terra Astra erschien und auch fortgesetzt wurde. Dies ging bis Band 212, danach wurde die Serie als eigenständige Heftserie aufgelegt, später aber wieder in die Reihe integriert (ab Band 356, bis 594). In der Endphase gab es ab und an auch wieder Storysammlungen. Nach 643 Nummern wurde die Reihe dann 1986 eingestellt.
Bereits 1958 hatte es im Semrau Verlag zwei weitere Reihen gegeben, die aber jeweils bereits nach wenigen Nummern eingestellt wurden. Der Weltraumfahrer brachte es lediglich auf acht Nummern. Dabei handelte es sich ausschließlich um Übersetzungen, darunter z.B. E.E. Smith. Abenteuer im Weltraum war nur wenig erfolgreicher. Die Reihe brachte es bis 1959 auf 19 Nummern, von denen eine (die 13) allerdings nicht erschienen ist. auch hier fast nur Übersetzungen. Bemerkenswerte Ausnahme: als Nummer 5 und 6 gab es zwei Romane von Kurt Laßwitz: "Auf zwei Planeten" und Angriff vom Mars". Ein aus dem Jahr 1897 stammender Klassiker der deutschen utopischen Literatur. Die Romane in beiden Reihen hatten einen größeren Seitenumfang als der normale Heftroman.
1966 war ein weiterer Verlag mit einer SF-Reihe auf den Plan getreten. Zauberkreis startete seine Reihe Science Fiction. In der Anfangsphase erschienen jeden Monat vier bis sechs Hefte, die auf einmal an die Kioske kamen. Später gab es nur noch einen Roman pro Monat. Im Unterschied zu Terra und Utopia verzichtete man bis auf ganz wenige Ausnahmen völlig auf Übersetzungen, brachte also nur deutsche Autoren. Und die Zahl der Leibbuchnachdrucke hielt sich ebenfalls in engen Grenzen. Dafür legte man später die älteren Romane unter neuer Nummer nochmals auf. Die Autoren können sich sehen lassen. Den Start machte H.G. Francis. Dazu kamen Manfred Wegener Jay Grams/Jürgen Grasse (= Jürgen Grassmück), Marcus T. Orban (= Thomas R.P. Mielke), später Kurt Brand (als C.R. Munro), Hans Peschke, Marianne Sydow (= Garry McDunn), W.A.Hary (als W.A.Travers) und Andreas Brandhorst (= Thomas Lockwood) . Im Unterschied zu den Terra-Reihen gab es keinerlei redaktionelle oder Leserbriefseiten. Zauberkreis SF ist die langlebigste deutsche SF-Romanheftreihe und wurde erst 1985 nach 296 Bänden eingestellt, wohl im Zusammenhang damit, dass der Zauberkreisverlag von Pabel/Moewig aufgekauft wurde.
Der Vollständigkeit halber sei noch eine andere Reihe genannt. Ebenfalls im Jahre 1966 erschienen im Schälter Verlag Nachdrucke von Leihbüchern. Unter dem Titel Hallberg SF wurden sieben Titel von W.W.Shols aufgelegt. Der erste Band trug die Nummer 140, die anderen dann die Nummern 209-214.
1972 startete Andromeda Science Fiction. Hier gab es zunächst abwechselnd Romane aus der Serie Arn Borul und Einzelromane. Ab Band 21 wurde daraus dann die Serie Raumschiff Promet und die Einzelromane verschwanden weitgehend. Unter den 10 Einzelromanen der Anfangszeit waren hauptsächlich Werke von Kurt Brand.
1976/77 erschien im Anne Erber Verlag die Reihe Erbers Science Fiction, Untertitel Großband mit Magazin. Vom Umfang der Romane erinnerte sie an Utopia Großband und Terra Sonderband. Hier gab es im vier Wochen Rhythmus hauptsächlich Nachdrucke älterer Romanen von Joachim Puhle (= Gerd Sandow, L.B. Schorn). Eine einzige Übersetzung und einige wenige neue Romane, darunter Gerhard Merz (= Gerald Moore)und Uwe Anton (= L.D. Palmer), findet man auch unter den 21 Titeln. Zuletzt erschienen drei Bände von Kurt Brand (=Ted Scout). Etliche Nummer enthielten zwei Romane. Es gab auch einen umfangreichen Magazinteil, in dem Beiträge aus den Bereichen Astronomie, Forschung, Technik und Präastronautik zu finden waren.
Ebenfalls 1976 startete im Kelter Verlag die Reihe Gemini Science Fiction. Hier erschienen alle 14 Tage überwiegend neue Romane junger Autoren. Darunter waren die beiden Zeitkugelautoren Gerhard Merz (= Colien Yamen) und Mark Feldmann, aber auch Horst Hoffmann (= Neil Kenwood), Ronald M. Hahn (= Ronald M. Harris, Manuel S. Delgado und Thorn Forrester), H.J. Alpers (= Mischa Morrisson) und Wilfried Hary (= W.A. Travers). Dazu kamen Romane von Manfred Wegener und Kurt Brand (= Henry Galaxis).
Unter den 47 Bänden befinden sich nur drei Übersetzungen relativ unbekannter Autoren. In der Endphase kamen hauptsächlich Kelter-Autoren aus anderen Genres zum Zuge. Am Ende der Hefte gab es das Gemini Magazin mit Hintergrundberichten und einem "news-tips-termine" genannten Teil.
Hier war Gemini gegenüber Terra Astra klar im Vorteil. Auch für diese Reihe kam das Aus 1977, als Kelter sich entschloß, lieber eine Zweitauflage von Ren Dhark auf den Markt zu bringen.
Resumee
Zusammenfassend lässt sich sagen, die SF-Reihen waren am Anfang in den fünfziger Jahren wenig mehr als Plätze zum Nachdruck schon erschienener Leihbücher. Anfangs noch unter der Flagge utopischer Romane angetreten, machten sie schon bald den Begriff Science Fiction bekannt und hoffähig. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sie auch einen großen Anteil an anglo-amerikanischen Werken publizierten. Die sechziger Jahre brachten eine erhebliche Veränderung. Der Niedergang der Leihbuch-Szene führte zu einem größeren Anteil von Erstveröffentlichungen, dazu kam die immer stärker werdende Konkurrenz der SF-Serien, namentlich von PR. Und auch die allmählich entstehende Konkurrenz der Taschenbücher machte sich bemerkbar, führte zum Ende der "Großbände".
Vor allem Utopia/Pabel und Terra/Moewig haben die Entwicklung der deutschen SF entscheidend mitgeprägt. Ihre jahrelange Konkurrenz wirkte überaus befruchtend auf die Szene. Früher wurde oft Terra als die inhaltlich gehobene Serie bezeichnet. Tatsächlich hatten beide Reihen ihre Stärken und Schwächen. Utopia war bunter abwechslungsreicher. Einmal durch die eingebundenen Serien, andererseits durch die Storysammlungen und die größere Autorenvielfalt. Terra hatte durch die enge Bindung an die PR-Serie zwar mehr deutsche Autoren, dies wurde damals aber eher kritisch gesehen, galten die anlo-amerikanischen Autoren doch als moderner als die "angestaubten" deutschen Schreiber, die oft noch in der Tradition der eher trockenen utopischen Romane standen. Ausserdem war der Autorenkreis stark von PR-Autoren dominiert, die aber zugegebenerweise oft qualitativ besser schrieben als die anderen Leihbuchautoren. Terra Astra fehlte eine solche befruchtende Konkurrenz. Lediglich Gemini bot für kurze Zeit eine echte Alternative. Zauberkreis SF mit lediglich einem Titel im Monat und dem Verzicht auf Leserseite etc. war keine echte Konkurrenz.
Übersicht
Kommentare
Im groben und ganzen habe ich (besonders im Bereich Einzelromane) nichts gegen Nachdrucke und in einer monatlichen Erscheinungsweise im Taschenheftformat einzuwenden. Da dürften dann gerne auch ganz alte Sachen drin sein (aber bitte mit den alten Titelbildern). Aber ob das ein Verlag anpackt oder ob es sich rechnerisch lohnen würde lasse ich mal dahin gestellt. Ich würde sie holen, aber EIN strammer SF-Retro-Fan holt die Kuh halt nicht vom Eis!
Zu Adromeda noch ein Nachtrag: Ich hatte da auch einen Roman, der aber - trotz schriftlichem Verlagsvertrag - nie einen Pfennig Honar sah. Das muss wohl die "Geschäftsidee" gewesen sein ...
Das war damals ziemlich ungewöhnlich.
Es gibt auch noch ein paar österreichische Reihen, z.B. Uranus. Leider kenne ich die selbst nicht, um hierzu näheres schreiben zu können.
Zu T.R.P. Mielkes Zauberkreis-SF-Anmerkung: Ich finde gerade diese Reihe (und auch z.B. Gemini) ganz interessant, da sie oft andere SF bot als bei Terra und Utopia. Gerade bei Terra und den Nachfolgereihen habe sehr häufig den Eindruck, dass die Romane mit nur ganz kleinen Änderungen oft auch als Perry-Rhodan-Planetenromane durchgegangen wären.
Bei Zauberkreis-SF und Gemini waren zwar auch einige wirklich schlechte Romane mit dabei (keine Sorge: von Ihnen ist mir da jetzt keiner negativ im Gedächtnis geblieben ;-), aber auch wirklich etliche sehr gute und viele, die das aus Terra und Utopia bekannte Muster durchbrochen haben.