»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Das sanfte Lied des wilden Büffels (Halleluja Reverend 8 )
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Das sanfte Lied des wilden Büffels«
Halleluja Reverend 8 von Tex Williams (Albrecht Peter Kann)
Der Typ auf dem Cover – nah an einer Comic-Zeichnung gebaut – sieht so aus wie der „Prediger“ aus dem Terrence-Hill-Streifen „Verflucht, Verdammt und Halleluja“ (der einzige der drei lustigen Banditen, der auch noch lesen kann…) und schlägt schon auf dem Titelbild eine grobe Kelle.
Tja, das hätte es doch sein können.
Natürlich nur, wenn die Szene auch tatsächlich im Roman vorkommen würde.
Ist das aber zu verzeihen, war die Verwunderung um so größer, als ich dann mich dann langsam aber sicher durch die entsprechenden 62 Seiten wühlte.
Ein ziemlich ernster Western erwartete mich da, nicht eben ernst zu nehmen und alles in allem mehr im Bereich der Schatzsucherabenteuer angesiedelt (mit einem Hauch Karl-May-Mystik), der bemüht transportierte Humor beruhte hauptsächlich auf der Statur (groß, massiv) und den Gottesansprachen (Don Camillo und so...) der Hauptfigur.
Zwar gab ein paar kuriose Szenen, aber den Witz (wie etwa bei „Butler Parker“) hatte der Autor nicht eben brilliant herausgearbeitet, nicht einmal ironisch gebrochen, wenn es um die Epoche ging.
Was ja auch irgendwie ein Wunder gewesen wäre, steckt doch hinter „Tex Williams“ (ob der Musiker gleichen Namens das wohl ahnt) der klassische Western- und Krimiautor Albrecht Peter Kann, der Fans und Westernliebhabern hauptsächlich durch seine Serie „Wyatt Earp“ (1961-68) bekannt ist und dort bestimmt kein Nonsense-Regime führte.
Und weil er auch im Bastei-Abenteuerroman reüssierte, weiß ich auch, wieso der Einfluss hier mit der Zaunlatte winkt.
Nein, wirklich geschmackssicher ist der Humor nicht (meistens gar nicht vorhanden) und sobald das Thema auf die als Nebenfiguren auftretenden Indianer kommt (vom Stamme der Yaqui), wird es sogar höchst wacklig, aber dazu dann später mehr.
Wieso sich ein gestandener Autor um die 60 Jahre dann plötzlich an so einem Sujet versucht hat, dass meiner Ansicht nach mindestens 10 wenn nicht 15 Jahre zu spät kam (selbst im der Aktualität meistens keuchend hinterher hoppelnden Heftroman), kann ich auch nicht verstehen. Vielleicht wollte er ja mal was Leichtes und konnte dann nicht aus seiner (ernsten) Haut, aber wenn man Kelter in den 80ern kennt, weiß man schon, dass die Serie keine langjährige Perspektive hatte, zu viele halbgare Ideen und Nachzieher wurden dort probiert und manchmal zurecht und manchmal leider gleich wieder eingestellt oder über den Jordan geschickt. 18 Hefte sind wahrlich kein großer Ausstoß, aber selbst für Fans von Spaßwestern wäre die Serie zu diesem Zeitpunkt schon zu spät gewesen.
Und noch etwas spricht gegen ein langes Leben: die generelle Altbackenheit, die eher an die frühen 60er gemahnt.
Aber hier erst mal, was überhaupt so passiert…
»Strafe ihn mit Haarausfall, oh Herr!«
Unser aller bäriger Reverend Bix Bullock (puuuh…) ist gerade mal wieder im wüstenreichen „Höllenkochtopf“ zwischen „Blackhills“ und „Laramie Mountains“ unterwegs und macht dort nach seinem letzten Abenteuer eine vierzigtägige Fastenreise in der Einöde (muharhar…).
In einer Senke macht er eine erstaunliche Entdeckung: ein marodes Holzhaus und einen etwa sechs Monate alten Säugling, dazu das Grab einer Frau. In der Nähe findet er gerade noch die Spuren eines Kampfes – da haben ihm eine Gruppe von Yaquis auch schon das geparkte Pferd gestohlen. Obwohl er seinen Durst stillen kann, kommt er von dort nicht weg und wünscht sich seinen Milchbruder Samuel Shadock herbei (d.h. die beide hatten eine gemeinsame Amme).
Der ist z.Zt. auch schon von Reiselust umwandert, auch wenn er gerade in einer Hütte am Rande der Wüste die Frau fürs Leben gefunden hat. Sein Banditenblut macht ihm aber einen Strich durch die Rechnung und seine Holde unglücklich, als ein Schwerverwundeter ihm vor die Füße fällt, der ihm eine Karte mit eingezeichnetem Goldschatz im Austausch gegen ein baldiges Begräbnis übergibt. Er wird noch vor einer Bande Halunken in der Wüste gewarnt, dann darf er ein Grab schaufeln und seine Frau verlassen.
Die Bande Halunken, spezieller: die Bande von Al Jenkins, bestehend aus vier miesen Hunden und einer leicht angelebten Wildkatze namens Shirley sind auch ganz in der Nähe, wobei Letztere die Nase voll hat, seit Jenkins seinen Goldesel Fred Small tödlich verwundet hat. Nach ein paar Kabbeleien rund um die Gruppenführung (Zeilenschinden!) reitet man los, erschießt auf die Schnelle drei Yaquis und wird bald von einer ganzen Horde überfallen, die ihnen die Pferde über den Haufen schießen.
Während die Herren sich wehren, geht die Dame stiften, erledigt einen rothäutigen Verfolger mit ihrem Derringer und läuft dann in die Dünen.
Derweil konnte Bullock mit dem Kind (jetzt „Willie“ getauft) in die Einöde los stapfen und füttert den Bengel mit Kakteensaft und schwört, dem Kleinen Eltern zu besorgen.
In der Wüste ist auch Samuel Shadock unterwegs und verliert sein Pferd an ein Sandloch, kurz bevor ihm die Jenkins-Gang über den Weg läuft. Flugs ist er überwältigt und durchsucht worden und die Banditen freuen sich einen Stiefel über die wieder gefundene Schatzkarte. Wegen der Bedrohung durch die Yaquis lassen sie ihn dann aber doch mitkommen.
Für Bullock gibt es die nächste Begegnung: mit einer Sandviper. Die hat just einen Yaqui gebissen und kassiert eine Kugel, dann saugt Bullock dem Roten das Gift aus dem Körper, der sich erfrischend dankbar zeigt: er verschwindet nach einem Nachtschlaf erst einmal.
Doch kurz darauf trifft Bullock dann auch noch auf Shirley, der er den Kleinen erst einmal zum Säugen andient, was die ehemalige Salontänzerin natürlich nicht leisten kann. Doch dafür taucht auch der Yaqui, der sich nur mit Grunzlauten verständlich macht, wieder mit Wasser und Proviant auf. Nach einer etwas brachialen Untersuchung stellt Bullock fest, dass der Junge ein Ausgestossener ist, dem man die Zunge heraus geschnitten hat. Gemeinsam reist das Trio weiter.
So werden sie von den Jenkins-Leute beobachtet, die Shadock zwingen wollen, mal seine Loyalität mit dem Colt zu beweisen. Nach der notwendigen Konfrontation, schießt Shadock aber an Bullock vorbei und gemeinsam können sie die Banditen überwältigen. Dann schicken sie Jenkins und seine Leute ohne Waffen weiter.
Dennoch ist Shadock immer noch auf das Gold scharf, während Bullock die ganze Gruppe gern retten würde. Shadock schlägt Bullock nieder und nimmt den wahlweise „Ugh, Ugh!“ oder „Trut, Trut!“ sagenden Indianer als Scout mit sich.
Der führt ihn tatsächlich bereitwillig zu einem Tümpel in der Wüste, wo Samuel den Bezug zu der Schatzkarte wieder aufnimmt. Er lässt sich zu einer nahen Felsformation führen, wo er nach einer elenden Kletterei eine Höhle erreicht.
In der Höhle findet er dann tatsächlich Gold: in der Gestalt eines Mannes, den man mit dem flüssigen Metall praktisch übergossen hat, eine Folterart der Pueblos. Weil die Gestalt ziemlich sperrig ist, rollt er ihn mühsam heraus, worauf der Tote samt Gold einen nahen Abhang in eine Schlucht plumpst. Bei weiteren Höhlengängen wird er schließlich von einem Unbekannten niedergeschlagen.
Derweil gehen Bullock, Shirley und Willie die Kräfte aus, als sie wieder Yaquis begegnen, die trotz heftiger Gegenwehr Bullocks (mit den Fäusten) die drei überwältigen. Als Bullock wieder zu sich kommt, spielt er – nachdem er seine Cheyenne-Sprachkünste bewiesen hat – den großen Medizinmann, woraufhin ihn die Indianer mit sich nehmen. Die Horde führt die drei in ein Felsmassiv mit Schluchten, wo sich auch das Dorf der Yaquis befindet – die ideale Gelegenheit, um Willie endlich einer noch stillenden Indianerfrau an die Brust zu legen.
Zu seiner Überraschung findet er dort auch den schwer verletzten McCall vor, den verschleppten Daddy von Willie. Den dicken (und natürlich verschlagenen) Häuptling kann er mit der großen Medizin seines Engelshutes und seinen Fäusten nicht überzeugen, aber das Auftauchen eines in eine Rüstung gehüllten Unbekannten verschafft ihm etwas Luft. Bullock bekommt drei Monde, um die Jenkins-Gang zwecks Folterparty den Indianern in die Hände zu spielen und muss gezwungenermaßen annehmen.
Bevor er aber die große Odyssee durch die Wüste startet, stolpert er praktisch über den abgerollten Goldmann und findet so indirekt auch die Höhle und Shadocks Hut. Spontan glaubt er, in dem Eisenmann Shadock erkannt zu haben, als ihm auch schon die Jenkins-Gang vor den Colt läuft. Der wiederum ist leider wegen Sand in der Trommel nicht einsatzfähig, aber indem er die Band zu dem Goldmann führt, bleibt er am Leben. Just als das Goldfieber um sich greift, prügelt er gewitzt wieder los, als eine andere Gruppe Yaquis wieder mal die „große Überwältigung“ startet und alle fest setzt.
Doch da ist wieder mal der stumme Yaqui-Scout vor, der erst Bullock befreit und dann einen Ausbruch organisiert, der zwei von Jenkins Leuten das Leben kostet. Gemeinsam eilt man zurück zu dem Dorf in der Schlucht, mit Jenkins und Slim im Schlepptau. Kurz nach einem erfrischenden Bad wird man wieder entdeckt, doch die Umstände erlauben schließlich einen Überraschungsangriff Bullocks: er setzt sich in ein Nest roten Ameisen und tritt sich einen Dorn in den Fuß, woraufhin er als halbnackter Gigant ins Dorf rauscht und seine Fäuste kreisen lässt.
Wieder taucht der Eisenmann auf und schmeißt mit Dynamitpatronen, doch als Bullock den schließlich niederschlägt, findet er unter dem Helm einen alten Goldsucher, der daraufhin prompt von einem Indianer per Speer ermordet wird. In gleichen Moment taucht auch Samuel auf und kann die Indianer vertreiben.
Gemeinsam tritt man den Heimweg an, auf dem Bullock die Goldkarte für falsch erklärt – der wahre Goldschatz müsse in einer Geisterstadt einige Meilen weiter liegen. Prompt geht Shadock im Goldfieber wieder stiften, der Yaqui verschwindet und McCall und Shirley finden sich plötzlich ganz appetitlich, während der Reverend zu neuen Abenteuern aufbricht.
»Gnädigste Mutter! Nimm diesen Willie an deine Brust und Manitu wird dich mit Heldensöhnen ehren!«
Da sind mir doch bei Zweitsichtung doch noch ein paar bemühte Sprüchlein aufgefallen, aber was mich am allermeisten in meiner politisch korrekten Hose gejuckt hat, war der Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern, die hier mal wieder über weite Strecken auch als beliebige Inselkannibalen oder als speerschwingende Kolonialneger unterster Beschreibungskategorie durchgehen könnten, wie es sie vor Adolf H.s Blütezeit so einige in der Unterhaltungsliteratur gab, ohne dafür satte Prügel zu beziehen. Die Indianer als Plattnasen zu bezeichnen, ist nur eine von diesen Unsäglichkeiten und die Szene, in der Bullock mit sanfter Gewalt nachschaut, warum sein hilfreicher Scout denn so wortkarg ist, erinnert fatal an eine von diesen Gebissinspektionen auf dem nächsten Sklavenmarkt.
Wenn man die – sofern man dem Autor glauben darf – von der Wüste arg gelangweilten Yaquis nicht gerade im halben Dutzend durch die Wüste ballert, weil sie sich gar nicht mal als sonderlich geschickt oder geländekundig erweisen, stehen sie meistens nur bedrohlich auf Felsformationen herum oder springen jodelnd ins Unterholz, falls jemand noch einen funktionierenden Revolver besitzt und damit Lärm macht. Ihnen selbst sind die Kugeln ausgegangen.
Der Häuptling; der einzige Dicke, für den das Essen des Stammes offenbar reicht, wird wie ein feister Araber beschrieben und geht gleich für tückisch und hinterhältig durch, der einzig brauchbare Native ist dann prompt ein Stammesgeschasster, der wegen heraus geschnittener Geschmackssensorik dann auch nur flotte Grunzlaute von sich geben kann. Wenn er dann vom seligen „Ugh, Ugh“ (also so Sparte „Lustiges Taschenbuch“ anno 1974) irgendwann in ein „Trut, Trut“ beim Sprechen mutiert, lässt das dem Leser schon mal die Augenbrauen verlustig gehen.
Natürlich haben dann alle Indianer in der Wüste Angst vor Bumm-Bumm und Qualm mit Rauch und das macht natürlich den Unterschied am Ende aus. Warum bei all dem Gewimmel in Gedenken an Indiana Jones (oder „Laramie Bullock“) nicht mal die Erzbösewichte (speziell Al Jenkins) drauf gehen, bleibt ebenso unbeantwortet, aber vielleicht brauchten sie ihn noch für eine Fortsetzung.
Wann kann man denn sonst noch über die Schreibqualität des Herrn Kann sagen?
Kann man noch verbessern oder eben nicht mehr, je nachdem. (Der Gute ist inzwischen verstorben.)
Leider ist Kann in diesem Fall zumindest ziemlich eckig und kurz(satz) angebunden und holpert sich narrativ durch einen Roman mit vielen Wendungen, der immer dann in den Türangeln quietscht, sobald sich mal ein paar Personen unterhalten, speziell der Reverend auch im Gespräch mit sich selbst, in Abständen stetig irgendwelchen hohlen Quark aus der Bibel zitierend oder des Nächtens laut in der Wüste irgendwelche Gassenhauer über die staubige Prärie schmetterbd, so dass etwaige Verfolger auch immer genau wissen, wo sie suchen müssen.
Unter dieser angejahrten Erzählschicht wäre diese Story aber dennoch ein prima Abenteuerwestern gewesen, wenn man ihn mit etwas mehr Härte, definitiv mehr Details und einer farbigeren Beschreibungswut angeheizt hätte. So wirkt die Story meistens etwas karg ausgeführt, auch wenn der Plot von Action nur so strotzt.
Also: wer sich mit der nur bedingten Lustischkeit anfreunden kann, wird auch Tex Williams problemlos überleben und sogar ein paar nette Seiten zusammen bekommen, die mit dem klassischen oder eben dem zuletzt besprochenen herben Spätwestern europäischem Zuschnitts natürlich nur so viel zu tun haben wie Goethe mit Splatterpunk, aber mich jetzt während der Lektüre auch nicht zum schmerzhaften Schreien gebracht haben.
Ein wenig zu viel verschenktes Potential um eine eindrucksvolle Figur, die leider meistens nur reagieren darf, wenn man sich etwas strukturierte Agitation gewünscht hätte. Abzüglich des groben Rassismus, eine akzeptable Story für einen Western mit Drive.
Kommentare
Noch so eine Serie, die ich seinerzeit im Ständer gelassen habe. Da hat schon die Kelter-Titelbildgestaltung für gesorgt. Verglichen mit Pabel, Bastei, Zauberkreis und selbst Marken war die gerade bei den Western einfach nur schlecht. Und wie ich sehe, habe ich nichts verpasst
Der Einzige, der einen Westernprediger richtig hinbekommt, ohne dass man sich fremdschämen muss, ist ohnehin Joe Landsdale
Eine gewagte These: Die Karl-May-Verfilmungen aus den 60ern haben ja kaum etwas mit den Büchern zu tun. Vom Flair her wäre es durchaus möglich, dass die Produzenten den Tenor der Wyatt-Earp-Serie treffen wollten ...
Wyatt-Earp selbst für die Verfilmung zu nutzen dürfte zu gewagt gewesen sein, gab es damals doch die Fernsehserie. Weswegen ins Kino gehen, wenn es bereits durchs Fernsehen (zugegeben: zu einer Zeit, als Fernseher rar waren) abgedeckt ist.