Sauvage - Band 1: Die Verdammten von Oaxaca
In den 1860er Jahren greift Frankreich in den Nachwirren des mexikanischen Bürgerkrieges in die Geschehnisse ein und errichtet 1864 das zweite mexikanische Kaiserreich mit Maximilian dem I. an der Spitze. Frankreich entsendet zur Unterstützung des wankenden Monarchen Truppen.
Felix Sauvage meldet sich freiwillig zur Fremdenlegion und ist mit seiner Einheit in den Weiten des Landes unterwegs. Sie greifen ein, als ein Gruppe Juaristen eine Kutsche überfällt. Neben der äußerst kampfeslustigen Prinzessin Agnes zu Salm-Salm ist es vor allem ein weiterer Passagier, der die Aufmerksamkeit der Legionäre erregt. Er führt eine Botschaft mit sich, die für den Kaiser persönlich bestimmt ist.
Die Einheit erreicht eine Hazienda, auf der ein Kampf stattgefunden hat. Die Leichen von französischen Soldaten und Juaristen zeugen von einer harten Auseinandersetzung. Die Mexikaner sind allerdings noch nicht verschwunden. Als die Legionäre die Hazienda erreichen, greifen sie erneut an und Sauvage und seine Kameraden können gerade noch gerettet werden, als Kaisertreue in die Schlacht eingreifen.
Sauvage ist nach dem Kampf der einzige unversehrte Offizier seiner Einheit und erhält von seinem Hauptmann den Auftrag, die Botschaft an den Kaiser nach Mexiko-Stadt zu bringen. Der Botschaft liegt ein Marschall-Stab bei, mit dem Bazaine, der Kommandeur der französischen Fremdenlegion in Mexiko, zum Marschall von Frankreich ernannt wird.
Sauvage begibt sich in Begleitung der Prinzessin Salm-Salm auf seine Mission. Neben seiner Pflicht als Soldat treibt ihn noch ein anderes Gefühl in die Hauptstadt des Kaiserreiches. In Frankreich sind seine Eltern einige zuvor ermordet worden und am Grab seiner Eltern schwört er mit seinen Geschwistern an den Mördern Rache zu nehmen.
Felix Sauvage will auf den ersten Blick überhaupt nicht in die Einheit der Fremdenlegionäre passen. Die Soldaten sind raue Gesellen, die durch den jahrelangen Dienst in der Legion abgestumpft sind.
Sauvage unterscheidet sich von den Männern und folgt noch Lebensidealen. Das wird deutlich, als er darauf drängt, den Passagieren der überfallenen Kutsche beizustehen.
In einer Rückblende erfährt der Leser die wahren Motive seiner Anwesenheit in Mexiko. Vor einigen Jahren sind seine Eltern zuhause in Paris zu Tode gekommen, und ihm als ältesten Sohn obliegt die Pflicht, die Familienehre wieder herzustellen. Weitere Hinweise auf den Verantwortlichen für den Tod der Eltern erhält der Leser nicht.
Die Serie Savauge wird sich wohl zu einem Rachedrama entwickeln, das sich vor historischer Kulisse abspielt. Yan und Meynet haben hierfür die Kulisse der mexikanischen Unabhängigkeitskriege gewählt.
Benito Juarez verweigert im Jahr 1861 die Schuldenzahlungen an Frankreich und Napoleon III. stationiert Truppen in Mexiko. Der Kaiser will Mexiko von Frankreich abhängig machen und etabliert eine Marionettenregierung mit Maximilian I. an der Spitze. Die Juaristen nehmen den Kampf gegen die kaisertreuen und französischen Truppen auf.
Prinzessin Agnes Salm-Salm ist Passagierin in der Kutsche, die vor den Augen Sauvages und seiner Einheit überfallen wird. Die Adelige ist eine starke Figur, die auf den ersten Blick wie ein Anachronismus wirkt. Autoren passen die weiblichen Protagonisten ihrer Geschichten nicht selten an gegenwärtige Lesegewohnheiten an und machen aus den Heldinnen wilde Kämpferinnen, die ihren männlichen Artgenossen in nichts nachstehen. Im vorliegenden Fall ist die Angleichung nicht erforderlich, denn Agnes zu Salm-Salm ist eine historisch verbürgte Figur, die ihre Frau gestanden hat. Sie war verheiratet mit dem deutschen Adeligen Felix zu Salm-Salm und folgte ihrem Mann in Konflikten um den ganzen Globus. Sie selbst machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und nahm an mehreren Feldzügen größerer Nationen teil. In der französischen Intervention von 1861 geht Felix zu Salm-Salm nach Mexiko und dient in den Truppen Maximilians, wo er sich bis zum Adjutanten des Kaisers hocharbeitet.
Sauvage und zu Salm-Salm heißen beide mit Vornamen Felix. Es ist noch nicht klar, ob es sich bei den beiden um zwei verschiedene Charaktere handelt, oder um ein und denselben. Wollen Yan und Meynet eine historisch korrekte Version der Ereignisse schildern, oder nehmen sie sich künstlerische Freiheiten raus und verdichten beide Charaktere zu einer Person, um eine spannende Geschichte zu erzählen?
Die zu Salm-Salm sind ein deutsches Adelsgeschlecht, das seinen Sitz in Salm in der Nähe von Straßburg hat. In dem Comic behauptet Agnes, dass sie aus Österreich-Ungarn kommt. Wahrscheinlich ist dies schon ein Hinweis daraufhin, dass die Geschichte Fakten mit Fiktion mischen wird.
Die Botschaft an Maximilian enthält einen Stab, der ein Insignium zur Ernennung Bazaines zum Marshall Frankreichs ist. Bazaine ist der Oberkommandierende der Fremdenlegion in Mexiko und auch seine Ernennung ist historisch verbürgt.
Die Geschichte strotzt vor lauter Anspielungen, die dem Leser aber nicht gleich ins Auge springen. Die historischen Ereignisse und Personen sind unauffällig in die Handlung eingewoben, so dass sich ein stimmiges Comicabenteuer vor der Kulisse des Konfliktes in den 1860er Jahren in Mexiko ergibt. Der Schwerpunkt dieser ersten Episode liegt in den Geschehnissen innerhalb der Truppe und der Kämpfe, in denen die Juaristen abgewehrt werden.
Es ist noch nicht ganz ersichtlich, in welche Richtung sich die Story bewegen wird. Erzählen der Autor und der Zeichner die Geschichte der zu Salm-Salms in Mexiko oder dienen die einzelnen Storyelemente lediglich dazu, ein actionreiches Abenteuer zu erzählen? Nichtsdestotrotz ist die Geschichte spannend erzählt und der Leser wird in die zweite Ausgabe hineinschauen.
Die Zeichnungen von Meynet sind ein echter Hingucker. Er orientiert sich an den großen Klassikern der franko-belgischen Comicliteratur und versieht seine Figuren und Hintergründe mit dem für Western üblichen Detailreichtum. Die Gesichter der Charaktere sind sehr ausdrucksstark und unterstützen den Wirkungsgrad der jeweiligen Figur. An die Tiefe eines Giraud in Blueberry oder Swolfs in Durango gelangt er zwar noch nicht heran, der Weg aber ist zumindest schon einmal der richtige und lässt auf eine Weiterentwicklung in den Folgebänden hoffen.
Die Farbgebung orientiert sich ebenfalls an den klassischen Western. Meynet verzichtet auf eine Computerkolorierung und fertigt die Farben von Hand an. Das kommt der Geschichte außerordentlich zugute und lässt den Sand und die Sonneneinwirkung in der Wüste regelrecht strahlen. Die kräftigen Farben der Uniformen der Soldaten bilden hierzu ein sehenswerten Kontrast.
10/ 2024