Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 1)
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 1)
Auch in Facebook auf der Seite "Die auch Zamorra lesen" habe ich noch einige Bemerkungen dazu gesetzt. Es besteht also kein Bedarf, hier einen Teebeutel zum zweiten Mal aufzubrühen.
Zamorra-Freunde sollten sich den Band 1.000 schon aus einem ganz besonderen Grund sichern. Dort hat Thilo Schwichtenberg nämlich auf mehreren Seiten eine kurze, knappe und dennoch gut gelungene Zusammenfassung der Handlung aller Zamorra-Bände gebracht.
›A big hand‹ und ›Standing Ovations‹ meinerseits für Thilo Schwichtenberg, der hier das Unmögliche möglich gemacht hat, diesen gigantischen Epos »Professor Zamorra« so zusammen zu fassen, dass auch frühere Gelegenheitsleser die Möglichkeit haben, sich auch in die heute völlig veränderte Handlung soweit einzulesen, dass sie der ›roten Faden‹ wieder finden.
Das ›angefressene Thema‹ über Luzifer, die Hölle und Asmodis legen wir mal beiseite und gehen wieder zurück zu dem, was ich eigentlich machen wollte. Noch mal eine Zusammenfassung des Weges, den W. K. Giesa gemacht hat, als er vom Studenten zum Profi-Autoren wurde. Eine Karriere, die allerdings nicht einmalig ist - wenigstens mein Freund Hubert ›Hugh Walker‹ Strassl ist von der Uni ohne Examen direkt freiberuflicher Schrieftsteller geworden. Dennoch hat damit Ende der 70er Jahre von uns keiner gerechnet, als Werner beim AGSF-Con auf der Dönche, von dem ich in dieser Zusammenfassung schon berichtet habe, sich für ca. eine Stunde absetzte.
Da war ein ›Holländer‹ gekommen, der Werners Terra-Press-Serie »Yan Munro« ins Flämische (Netherlands - oder auch Holländisch genannt) übersetzen wollte, was aber schlussendlich nicht geklappt hat. Aber durch diesen Kontakt kam W. K. Giesa an Jürgen Grasmück, der eben nicht nur als bekannter und geachteter Schriftsteller sondern auch durch die ›Romanagentur Grasmück‹ den Fuß bei Verlagen in der Tür hat.
Vielleicht ist es reizvoller, Werner selbst einmal erzählen zu lassen. Neben mir liegt das Interview, was für den Sonderband des EDFC zum 500sten Zamorra gemacht wurde. Gustav Gaisbauer und Franz Schöpf stellten die Fragen. Erst antwortete Werner nur alleine, dann kamen meine Antworten dazu und schließlich steuerte auch Hermann noch einige Dinge dazu bei. Klar, der Herausgeber des Zauberspiegel gehörte fast überall zum ›inneren Kreis‹ und war so überall dabei. Und das können sehr Wenige von sich behaupten.
Wenn ich mir das so recht überlege - ich mache es mir hier vielleicht etwas leicht - aber dieser Sonderband zum 500sten Zamorra ist schon seit Jahren nicht mehr zu bekommen und die Sachen, die damals geredet wurden, sind heute schon ›historisch‹. Warum soll ich diesen Teil des damals mindestens zwei Stunden dauernden Interviews mit dem Titel ›Schriftstellerisches‹ euch nicht mal in mehreren Teilen zu lesen geben. Denn da könnt ihr, abseits von allen späteren Entwicklungen alle Informationen bekommen, die ihr jederzeit überprüfen könnt, wenn ihr noch eine von den Festschriften auftreibt.
Alleine die ›Vorgeschichte dieses Helleber-Geburtstags-Cons‹ unter dem Titel ›Geburtstags-Talk mit drei Jungfrauen - nur Heike war keine‹ den Werner geschrieben hat, wäre es wert, hier noch mal gebracht zu werden. Der Gag mit den drei ›Jungfrauen‹ - Werner, Gustav Gaisbauer und ich sind alle im Sternzeichen ›Jungfrau‹ geboren.
Vielleicht bringe ich diesen lustigen ›Con-Bericht‹ später mal. Erst mal wollen wir aus Werners eigenem Mund in Kurzfassung erfahren, wie alles war. Möglicherweise werde ich dann am Schluss der Teestunde noch dazu schreiben, wie wir - also nicht nur ich, sondern Werners damalige Freundeskreis - das alles miterlebt hat. Oder wenn es kurz abgehandelt werden kann, setze ich es so in den Text mir rein, dass sich diese ›Zwischenbemerkung zum besseren Verständnis‹ gut abhebt.
Also, dann fangen wir an mit dem Interview:
Gustav Gaisbauer: Lieber Werner Kurt Giesa. Wie hat deine schriftststellerische Laufbahn begonnen?
W. K. Giesa: Mit meiner großen Phantasie. Meine Eltern sagten mir, als ich noch klein war, ich sollte doch alles aufschreiben, was ich ihnen erzählte. Damals hatte ich keine Lust um Schreiben.
Gustav Gaisbauer: Und jetzt?
W. K. Giesa: Jetzt ist das anders. Jetzt bezahlt man mir Geld dafür. Eigentlich stimmt das nicht. Denn ich würde auch schreiben, wenn ich kein Geld dafür erhielte. Diesen Satz lass aber bitte nicht meinen Verlegern zukommen.
Mit dem Schreiben fing ich in der Schule an. Ich ließ Erzählungen durch die Klasse wandern. Durch meine Lektüre kam ich auf Science Fiction. Das war mein Haupt-Metier. Später weitete sich das bis zu ganzen Serien-Produktionen aus.
Mein großes Vorbild war damals Ren Dhark. Ohne diese Serie wäre ich wahrscheinlich nicht zum Schreiben angeregt worden. Damals lief auf der Leserkontaktseite von Ren Dhark ein Kurzgeschichten-Wettbewerb, bei dem die Besten veröffentlicht werden sollten. Ich habe eine Erzählung verfasst, dann aber hat mich der Mut verlassen, sie einzusenden und ich habe sie in eine Eigenproduktion umfunktioniert. Die Schulzensuren sanken, die Auflage stieg ständig.
(Hier meinte Werner nicht die Auflagen der Serien ihres nichtkommerziellen Verlages "Terra-press" sondern die Anzahl der Geschichten, die er schrieb und die in seiner Klasse kursierten)
Franz Schröpf: Ich habe einige von diesen Ausgaben. Spiritus-Umdruck, 20 Seiten, DIN - A 5 - und anscheinend beginnen alle Serien mit der Nummer 300.
W. K. Giesa: Das kam später. Die Erzählungen, die ich an der Schule verfasste, liefen handschriftlich in Auflage 1 um. Eines Tages tat ich mich mit einem Kumpel zusammen, Ernst Albert, ebenfalls aus Lippstadt und kaufte einen Umdrucker. Wir gründeten "Terra-press" und überschwemmten das Fandom mit unseren Produkten. Weil wir keine Lust hatten, von Grund auf neu anzufangen, begannen wir dort, wo die erste Auflage meiner handgeschriebenen Serie "Superterra" aufhörte - nämlich bei Band 300. Wir gründeten neue Serien von denen Jörn Munro...
(sicher ein Schreibfehler - die Serie hieß "Yan Munro")
...der große Renner war. Von dieser Serie gab es auch einige dickere Taschenbuchausgaben in DIN-A-6, im Postkarten-Format und etwa 60 Seiten Umfang. Später gab es eine Neuausgabe, herausgegeben von Dieter Beyer, aber die scheiterte schließlich an meinem Zeitmangel.
Dann kam die professionelle Schreibtätigkeit. Mit etwas 15 Jahren begann ich, richtige Heftromane zu schreiben.
(Damals wurde auch der Perry-Rhodan-Roman "Lenkzentrale Condos Vasac" geschrieben. Werner erzählte mir - dass er ihn damals zum Verlag geschickt habe, doch dass die "Lenkzentrale" abgelehnt wurde. Als Werner dann bei Bastei als etablierter Autor bekannt war, wurde das damalige Manuskript angenommen. Das war dann auch Werners erstes Taschenbuch).
Durch meinen nichtkommerziellen Verlag "Terra-press"...
(Werner machte zum Zeitpunkt, von dem er berichtet, die Produktion damals fast allein, von daher kann er mit Fug und Recht von "seinem Verlag" reden ohne Ernst Albert noch mit zu erwähnen - Kaffee-Charly war ja auch mit im Geschäft und kann da mehr erzählen)
...kam ich an einen holländischen Agenten. Robert Zielschott, den ich auf einem Con in Kassel traf.
Gustav Gaisbauer: Zielschott ist doch dafür bekannt, nichts zu bezahlen.
W. K. Giesa: Er erhielt die Rechte, meine Romane ins Holländische zu übersetzen und dort im Fandom zu veröffentlichen. Ich durfte dafür umgekehrt holländische Romane ins Deutsche übersetzen und hier fannisch zu publizieren. Was ich auch tat.
Gustav Gaisbauer: Du verstehst Holländisch?
W.K. Giesa: Holländisch ist praktisch Plattdeutsch. Wer Englisch und Platt kann, versteht auch Holländisch. Ich kann es lesen, aber nicht sprechen.
Auf diese Weise ist auch ein Kuriosum entstanden. Bei "Terra-Press" ist die Erzählung "Wandel unter Kennedy" von Bol van Leyhoven erschienen. Von mir übersetzt. Und Jahre später in einer Heyne-Anthologie als "Deutsche Erstveröffentlichung".
Robert Zielschott sagte mir, dass er meine Geschichten gut fände, das es aber keinen Zweck hätte, sie professionell auf holländisch heraus zu bringen, weil er sie erst dann einem Verlag anbieten könne, wenn er sie zuvor für teures Geld habe übersetzen lassen.
Aber er vermittelte mir in Deutschland einen guten Agenten - Jürgen Grasmück. Jürgen bot meine Manuskripte den deutschen Verlagen an, verkaufte sie, und so kam der Stein ins Rollen.
Ich kam auch in einer Zeit zum professionellen Schreiben, als es noch viele Verlage gab. Heute...
(also vor rund 20 Jahren - da hat sich nichts geändert)
...würde es in dieser Form nicht mehr gelingen, in das Geschäft einzusteigen. Wer heute einsteigt, muss entweder sehr gute Beziehungen haben oder außerordentlich gut schreiben.
Gustav Gaisbauer: Was war dein erster veröffentlichter Roman?
W. K. Giesa: Ich wäre gern mit SF eingestiegen, aber dazu gab es keine Möglichkeit.
(Mit seinen Fandom-Kämpfen im AGSF-Magazin ›Time-Gladiator‹ hatte er Werner mit einigen ehrlichen Bemerkungen, die da aber keiner hören und noch weniger ertragen konnte es mit jenen linkslastigen ›SFCD-Gruppen‹ verdorben, die seinerzeit den Markt dominierten und bestimmten (abgesehen natürlich von Perry Rhodan), wer in der Science-Fiction was schrieb und wie es es zu schreiben hatte. W. K. Giesa als ›Jünger Kurt Brands‹ war in diesen Kreisen... nun, sagen wir mal... unerwünscht. Wäre Werner nicht schon ein etablierter Bastei-Autor gewesen, hätte man ihn nie in die ›Terranauten‹ reingelassen. So aber blieb Werner eben nur eine ihm damals etwas ›ungeliebte Lösung‹ - aber wenn man einen Dan Shocker als Agenten hat die einzig gangbare)
Also nahm ich das zweitbeste - nämlich Grusel-Literatur...
(weil es nämlich Fantasy, was W.K. auch gern gemacht hätte, in dieser Form im deutschen Romanheft nicht gab).
... Fälschlicherweise wird sie meist als Horror bezeichnet. Aber was in deutschen Heften erscheint, ist kein Horror, sondern allenfalls Grusel. Da ist schon die Bundesprüfstelle vor.
Mein erster Roman sollte ursprünglich unter dem Pseudonym "Roger Damon" im Zauberkreis-Verlag erscheinen, wanderte aber weiter zu Bastei und kam dort als Gespenster-Krimi 270 unter dem Pseudonym Mike Shadow heraus....
(In diesem als Gespenster-Krimi erschienenen Roman ist ein Reporter namens Ted Ewigk die Hauptperson. Dieser ›Geister-Reporter‹ sollte in zehn ›freien Bänden‹ mitspielen - als ›Antwort‹ auf den ›Weltraum-Reporter‹ seines großen Vorbildes Kurt Brand. Es sind auch tatsächlich zehn Romane des ›Geister-Reporters‹ geworden.
Ted Ewigk ist von Anfang an eine der Eigen-Identifikationen Werners gewesen. Und so kam es, dass er dann im ›Professor Zamorra‹ eine Art ›zweites Leben‹ bekam. Ted Ewigk und Robert Tendyke - das waren die Figuren, die W. K. Giesa aus der Tiefe seiner Seele raus erschaffen hat.)
...Als dieser erschien, was allerdings mein zweiter Roman auf dem Markt - Professor Zamorra 111. Jürgen Grasmück rief mich an und fragte mich, ob ich "Professor Zamorra" kenne. Ich sagte: "Ja. Den Quatsch?" - "Schreiben Sie mal einen Roman dafür" - "Oh Gott!"
Ich überlegte mir, entweder würde ich den Einstieg in Professor Zamorra überhaupt nicht schaffen oder ich würde die Serie umbauen. Ich habe diesen ersten Roman (Lockruf aus dem Jenseits) so geschrieben, wie die Serie meiner Meinung nach sein sollte. Er wurde angekauft und mir fiel ein, ich könnte eine Fortsetzung dazu schreiben - und später schrieb ich noch eine.
Diese (also W.K.s dritter geschriebener Zamorra) erschien als Nummer 111 während der erste als Nummer 113 und die Fortsetzung als Nr. 114 heraus kam.
(Der Zweiteiler "Das Dämonen-Raumschiff" und "Verschollen in der Jenseitswelt" müssten also chronologisch vor dem "Lockruf" eingeordnet werden.)
Es gibt also keine wirklichen "ersten Roman" von mir, sondern nur dieses Feld von drei oder vier Romanen.
Ich muss dazu sagen, dass Professor Zamorra fast ausschließlich über die Agentur Grasmück lief.
Dann kamen die Ausflüge zu den Terranauten, es kamen Perry-Rhodan-Taschenbücher, Mythor und so weiter."
Ja, das ist der Beginn von Werners Schriftsteller-Karriere in Kurzform von ihm selbst berichtet. Und in einigen Teestunden, die nicht so weit zurück liegen, habe ich ja die Zeit vorher schon mit einigen Details aufleben lassen.
Dieses Interview ist meiner Meinung nach als Zeit-Dokument so interessant, dass ich eigentlich vorhabe, es komplett zu bringen. Auch wenn manches, was wir damals gesagt haben, in der Teestunde schon erzählt habe. Aber hier ist es so wie damals gesagt - und Hermann war nicht nur dabei, sondern könnte anhand des Buches, das er auch hat, den Text kontrollieren. So viel einmal zu manchen durch die Blume geäußerten Vorwürfen, ich würde meine Rolle in der Sache schön reden oder Seemanns-Garn spinnen.
Ich muss vielleicht noch dazu sagen, dass Werner das Interview in manchen Dingen etwas redigiert hat. Denn wir hatten während des Gesprächs einiges getrunken - und das Tonband, das ca. 3 Stunden lief und aufnahm, hatten wir dabei völlig vergessen. So wurde so manches aus dem Nähkästchen geplaudert oder aus ›Kiste Sieben‹ gezogen was man normalerweise mit dem Vermerk ›For your eyes only‹ versehen hätte.
Mir machte das eigentlich nichts mehr aus, weil ich ja aus dem Verlagsgeschäft draußen war. Aber so verschiedene Sachen hätten diversen Leuten bei Verlagen oder auch Kollegen von der Schreibe übel aufgestoßen. Das gilt besonders, wenn es um die damaligen ›Verbindungen‹ innerhalb der SF-Szene ging, wo Werner recht guten Einblick hatte. Im Suff sagt man ja so manches, was man später besser nicht gesagt hätte.
Doch wie dem auch sei, Werner großes Fernziel, in den ›Rhodan‹ reinzukommen, hat er ja nie erreicht. Wobei ich allerdings der Meinung bin, dass W. K. Giesa mit seinen Ideen auch den Ideen-Komplex von Perry-Rhodan sehr bereichert hätte. Aber Walter Ernsting war damals schon im ›Rentner-Status‹ und hatte nicht mehr den Einfluss, Werner in den ›Rhodan‹ reinzubringen. Schade eigentlich. Denn Science Fiction schrieb Werner mit ›Herzblut‹.
Alsdann - wir machen in einer Woche mit dem Interview weiter. Bis dann also - und immer schön fröhlich bleiben...