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Insolvenz in Augsburg - Das Aus für den Weltbild-Verlag?

In (Multi-)Medias ResInsolvenz in Augsburg
Das Aus für den Weltbild-Verlag?

Der Insolvenzantrag für den Weltbild-Verlag ist gestellt und die Existenz von 6300 Mitarbeitern hängt in der Luft.

Das ist grundsätzlich keine Überraschung, sondern es hat sich schon länger abgezeichnet, dass die Eigner nicht ewig Geld nachschieben werden. Schon einige Male war Weltbild deshalb in den Schlagzeilen, zuletzt Anfang November. Auch der Verkauf war schon einige Male versucht worden, hat aber nie geklappt.


Logo der Weltbuildf-GruppeJetzt also der Insolvenzantrag. In den letzten Monaten waren die Umsätze merklich zurückgegangen und es besteht wenig Aussicht, die Absatzzahlen in naher Zukunft wesentlich zu verbessern.

Zwar gilt der Betrieb grundsätzlich als sanierungsfähig, aber die Eigentümer, zwölf Bistümer, die Soldatenseelsorge Berlin und der Verband der Diözesen sahen sich weder in der Lage, ständig steigende Summen zuzuschießen, noch sahen sie einen Sinn darin. Davon abgesehen waren sie  wohl auch untereinander eher zerstritten als einig, was ja auch nicht gerade von Vorteil ist, wenn man ein gemeinsames Projekt betreiben will.

An dieser Stelle soll nicht Thema sein, ob es christlich ist, wie die Kirche mit ihren Mitarbeitern umgeht, dass sie ganz legal einige Gesetze zum Schutz der Mitarbeiter umgehen darf, dass sie eine Sonderrolle in Sachen Steuerrecht genießt usw. Konzentrieren wir uns auf das Geschäft an sich.

Wenn eine Firma den Bach runtergeht, werden Fragen gestellt nach den Gründen. Dann ist es zwar in der Regel zu spät, aber vorher wollen ja viele Führungskräfte auch noch gar nicht wahrhaben. Anstatt sich diese Fragen selbst zu stellen, wenn sie die Umsatzzahlen und Auswertungen sehen, machen sie sich und anderen etwas vor und unterbinden seitens der Untergebenen erst recht jegliche Diskussion dieser Art.

Wie so oft sind die Leserkommentare zu den Artikeln der Nachrichtenmagazine interessanter als die Artikel selbst, denn da gibt es noch eine Menge Widersprüche, Ungereimtes und Unklarheiten.

Bei den Kommentaren dagegen geht es einmütiger zu. Grob gesagt, lassen sich diese Aussagen in wenige Kategorien zusammenfassen:

  • Die Auswahl an Büchern wurde immer kleiner und die Qualität selbiger ließ zu wünschen übrig. Dass ein kirchliches Unternehmen christliche Bücher verkaufen will, störte dabei weniger als die komplett ausbleibende Innovation bei den nicht-frommen Werken. Mainstream in schmaler Spur und nichts anderes.
    In den verschiedenen Genres der Unterhaltungsliteratur gab es immer nur einige wenige Plots, immer neu abgeschrieben und nur geringfügig verändert. Wie viele Romanheldinnen sind da in den letzten Jahren mittels eines alten Tagebuches, das sie gefunden haben, auf die Spur eines düsteren Familiengeheimnisses gekommen? Wie viele Kriminalermittler fanden sich auf einmal selbst im Fadenkreuz eines irren Serientäters wieder? Wieviele frisch getrennte Frauen haben gleichzeitig ein Cottage in wildromantischer Landschaft geerbt, knackiger Nachbar inklusive? Da konnte es einem schon mal schlecht werden beim Stöbern.
    Dazu im Katalog seitenweise Kochbücher (Rezepte holt man sich doch kostenlos aus dem Internet, oder?), von denen viele wahre Wunder auf der Waage versprechen, sich gegenseitig aber schon auf den Katalogseiten heftig widersprechen, was man nun essen soll oder nicht.
    Auch bei Musik: Nur das Bewährte im Programm, was mittlerweile selbst in Drogerieläden und Supermärkten in irgendeiner Ecke steht, aber keine jungen, neuen Interpreten oder gar mal eine neue Art von Musik. Volksmusik, Klassik, Schlager und etwas Pop und einige Oldies. Filme? Oh ja, am liebsten muntere Familienfilme aus den 50ern und 60ern.

  • Trends und neue Techniken wurden komplett verschlafen oder viel zu spät angegangen. Man kann das Rad nicht ständig neu erfinden, aber es hat auch wenig Zweck, mit einer Neuerung zu warten, bis die Konkurrenz sich da den Markt schon fest gesichert hat. So hat sich z. B. der Reader nicht wirklich bei der Masse durchsetzen können und bei Filmen kam die Umstellung auf Blu-ray zu spät.
    Auch hat Weltbild wohl lange nicht wahrhaben wollen, dass sich das Kaufverhalten ändert und immer mehr Kunden ins Internet abwandern. Dort findet sich eine wesentlich breitere Auswahl an aktueller Ware.
    Und das grundsätzliche Dilemma der Versandhändler, die noch mit großem Kostenaufwand Kataloge produzieren und versenden: Die Kataloge sind eigentlich nur noch für diejenigen Kunden wirklich relevant, die keinen Computer haben, also in erster Linie ältere Leute. Denen kann man dann aber auch mit dem schönsten Katalog keine Ware schmackhaft machen, die für die jüngere Generation gedacht ist, also für Kunden, die auch in Jahren und Jahrzehnten noch bestellen sollen.

  • Die Weltbild–Läden haben in erster Linie rote Zahlen produziert. Trotzdem wurde daran festgehalten, vor allem in teuren Lagen in Innenstädten.
    Eines Tages bekam ich einen Anruf, der übertriebenen Munterkeit in der Stimme und Sprechweise sowie der völligen Ahnungslosigkeit nach wohl eine Dame aus dem Call-Center. Ich könnte doch viel Geld sparen und meine Bestellungen anstelle Postversand direkt in der nächsten Filiale abholen. (Aha, denen gelte ich wohl für zu blöd, um selber auf die Idee zu kommen, oder was sollte der Anruf?) 1. habe ich grundsätzlich Bücher bestellt und somit gar keine Portokosten bezahlt. 2. ist die nächste Filiale in Kassel. Also: Tag Urlaub nehmen, 60 km bis Kassel fahren, für ein Schweinegeld parken, Päckchen abholen, 60 km wieder zurückfahren. Wirklich wahnsinnig sparsam, diese Methode. Nur nicht für mich.
    Ich habe bis heute nie einen Fuß in einen Weltbild-Laden gesetzt.

  • Das bunte Zusatz-Sortiment aus Deko-Kitsch, Haushaltswaren, Geschenkartikeln und was da sonst noch so alles bei war, hat viele Kunden genervt. Um Platz dafür zu schaffen, musste die ursprüngliche Vielfalt bei Büchern und Musik immer mehr eingeschränkt werden. Dabei gibt es den bunten Ramsch anderswo wesentlich preisgünstiger.

Nicht in den Leserkommentaren angesprochen fand ich einen Punkt, der mich persönlich wahnsinnig genervt hat: Ein Gewinnspiel jagte das nächste, ständig kamen Briefe, in denen man mir dafür dankte, was ich doch für eine gute Kundin wäre, zum Dank könnte ich bei der nächsten Bestellung irgendeinen Kitsch günstig oder gar kostenlos dazu bekommen. Un diese Serien, die man nur bestellen konnte, wenn man irgendwelche vergoldeten Papp-Glücksmarken auf eine Vorteilskarte klebt und einschickt, komplett mit Gewinn-Nummer und lauter solchem albernen Pipapo.

Eine einzige Serie hat mich mal interessiert. Ich habe angerufen und gefragt, ob ich das auch ganz normal bestellen könnte, ohne diesen ganzen Quatsch mit den Marken und so weiter. X-mal wurde ich weiter verbunden, keiner wusste, ob das ginge. Der fünfte oder sechste Mitarbeite, den ich am Rohr hatte, stand wohl etwas höher in der Hackordnung und hat es mir dann möglich gemacht, das ganz sauber und schmerzlos zu bestellen.

Eine seriöse Firma hat doch so einen Quatsch nicht nötig, oder? Ein Kauf ist doch immer noch der Tausch Ware gegen Geld, ganz ohne dieses alberne Getue. Es wäre meiner Meinung nach sinnvoller gewesen, sich auf das Sortiment zu konzentrieren als mit so einem Kram Zeit, Geld und Energie zu verpulvern und dabei sowohl die Umwelt als auch die Nerven der Kunden zu strapazieren.

Und diese Gewinnspiele! Nee wirklich, haben die echt geglaubt, ich hätte mir Chancen auf eine echte Bereicherung ausgerechnet? Müsste doch nun wirklich jeder wissen, dass das einzige, was man nach Teilnahme an so was garantiert kriegt, massenhaft Reklame von Fremdfirmen ist. Der Gewinner ist nämlich ganz allein der Veranstalter, denn der kann dann haufenweise Adressen von Leuten verticken kann, die bewiesen haben, wie leicht sich zu beeinflussen sind und auf jeden Quatsch reinfallen.

Im Grundsatz ist jede Krise eine Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und es für die Zukunft besser zu machen. Aber das hängt davon ab, ob gründlich Ursachenforschung betrieben wird, woran das Projekt denn überhaupt gescheitert ist. Ergehen sich die Verantwortlichen nur in endlosen gegenseitigen Schuldzuweisungen, kann sich nichts bessern.

Oder liegt es etwa am bösen Konkurrenten Amazon? In letzter Zeit soll der Internet-Versandriese ja ganze Innenstädte auf dem Gewissen haben. Wirtschaft und Politik übertreffen sich ja gegenseitig im Wettern dagegen. Aber auch hier gilt: Erst Ursachenforschung betreiben, warum die Kunden sich dahin wenden und nicht an den Kaufmann vor Ort. Erst wenn diese Motivation geklärt ist, kann man überlegen, ob der Handel in der Heimatstadt vielleicht was verbessern kann, um die Käufer zurück zu gewinnen. Bei Weltbild ist noch nicht aller Tage Abend. Wenn sie die Kurve noch kratzen  wollen, müssen sie aber auch mal ernsthaft erforschen, was die Kunden verärgert hat oder welche Verbesserungen sie sich wünschen. Diese Frage können aber in erster Linie die Kunden selbst beantworten und nicht irgendwelche schlipstragenden Experten, die selbst seit dem Studium keine Buchhandlung mehr betreten haben.

Es gilt nach wie vor: Der Kunde muss sich bei seinem Handel heimisch fühlen und spüren, dass er selbst genau die Zielgruppe ist. Das zeigt sich sowohl durch ein sorgsam zusammengesetztes Sortiment als auch durch zielgruppengerechte Werbung.

Ein Laden, der willkürlich irgendwelche Waren nebeneinander anbietet, hat keine Seele. Dort kann sich auch kein Kunde willkommen fühlen, wenn so viele Sachen angeboten werden, die so gar nicht zu seinem Bedarf passen. Es stört das Einkaufserlebnis nachhaltig, wenn man beim gemütlichen Stöbern dauernd auf Dinge stößt, die da nicht hingehören. In der Buchhandlung vor Ort will man ja auch nicht zwischen den Regalen über Gartenzwerge stolpern und in den Regalen ein wildes Sammelsurium vom Akku-Schrauber über Spitzen-BHs und Vorratsdosen für die Küche bis zur Kaminattrappe vorfinden.

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