Emotionen sind der Stoff des Social Web
Emotionen sind der Stoff des Social Web
Fakten, Fakten, Fakten - schön wäre es ja, wenn das Social Web nur nach diesem Maßstab funktionieren würde. Oder wenn man objektive Tatsachen einfach in den Raum stellen könnte und alle könnten sich auf diese einigen. Wieviele Hass-Kommentare bei Facebook, wieviele unsäglich erbärmliche Tweets von Personen wie Erika Steinbach und wieviele Klickbaiting-Überschriften könnte man dann verhindern. Womit wir wieder beim Focus wären, der online eine Strategie fährt die widerwärtig ist, die aber bei den Menschen ankommt. Und die eigentlich genauso arbeitet wie Heftig.co: Sie nutzen Emotionen und gliedern sich perfekt in die Weltanschauung derjenigen ein, die sie als ihre Zielgruppe erachten. Im Falle des Focus muss man sich manchmal fragen, wann eigentlich die überfällige Zusammenlegung mit der deutschen Huffington-Post passieren wird.
Gestehen wir es uns ein: Wir denken zwar immer, dass die Aufklärung die Fähigkeit des eigenen Verstandes in Europa ganz weit nach vorne gebracht hat, letzten Endes aber muss sich der Verstand im Fall des Falles dann doch der Emotion ergeben. Emotionen sind der Stoff, der das Social Web vorantreibt - nicht die reinen Fakten und Daten. Oder warum sind Katzenvideos so erfolgreich? Weil sie so niedlich sind. Warum ist andererseits die AfD so erfolgreich im Social Web? Weil sie in erster Linie auf Angst und Hass setzt. Beides große Emotionen, beides ganz und gar einverträgliche Bettgenossen.
Wenn diese Emotionen dann noch in eine große Erzählung eingebettet sind ist der Verstand in der Regel erstmal außen vor. Erzählungen wie "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum", "Flüchtlinge können sich einfach nicht benehmen" oder "Transitzonen erleichtern die Einbürgerung" sind leicht in den Köpfen verankert. Noch leichter, wenn sie zusätzlich mit Emotionen versehen sind. Und erst dann kommen die Fakten. Dass diese Fakten dann im ärgerlichsten Falle noch so verdreht werden, dass sie zur Erzählung passen - das kommt dann in der Regel noch dazu.
Wenn wir uns klar machen, dass Emotionen nicht nur in der Werbung zielführend eingesetzt werden - auch wenn wir erstmal glauben, Werbung habe keinen Wiederhall, der Schläfer-Effekt zeigt das Gegenteil - dann können wir glücklicherweise der Falle des "Sofort-Weiterleitend" widerstehen. Viel zu oft leiten wir im Social Web nur aufgrund der Überschrift etwas weiter ohne den Artikel selbst gelesen zu haben. Oder? Natürlich tun wir das, weil eine gut getextete Überschrift oder ein gut gemachter Hinweis und die Emotion dahinter unseren Verstand überrumpelt und zack - weitergeleitet. Im Nachhinein erst machen wir uns dann klar, was wir da getan haben und sind froh über die Löschfunktion.
Jeder, der Statistiken im Social Web auswertet hat den Beleg, dass Emotionen der Treibstoff des Social Web sind. Der Begriff des Catcontent kommt ja nicht von ungefähr und jeder, der im Social Web arbeitet wird über kurz oder lang nicht an Inhalten vorbeikommen, die emotional sind aber mit der Marke an sich nicht all zu viel zu tun haben. In Duisburg landet man über kurz oder lang beim MSV, in Dortmund ist der BVB halt mit der Stadt verwurzelt - dass dann diese Themen großen Zuspruch erhalten sollte nicht verwundern. Das Schwierige ist dann: Die Waage zu halten. Die Daten, Zahlen und Fakten nicht untergehen zu lassen sondern einigermaßen ausgewogen von den emotionalen Inhalten flankieren zu lassen. Dass dann bisweilen ein Thema durch die Decke geht, das gar nicht so viel Emotionen hat - nicht jedes Katzenvideo ist ein vitaler Hit - das zeigt aber wiederum, dass wir Menschen glücklicherweise nicht so berechenbar sind, wie man es sich im Marketingbereich denkt. Glücklicherweise. Daher: Erst denken, dann klicken. Erst wirklich lesen und verstehen bevor man Dinge weiterleitet. Schon dadurch wird das Social Web ein klein wenig besser. Und eventuell kriegen wir es noch hin, dass "besorgte Bürger" ihre eigene Weltanschauung ein wenig verändern. Obwohl: Bei einem derartig geschlossenem Weltbild ist das schwierig. Leider.
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