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Gestalten wir das Internet

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneGestalten wir das Internet

In einem Netz, das von Hassreden, unflätigen Kommentaren, Verunglimpfungen und anderem sprachlichen Unrat überquillt hat man schnell den Eindruck, dass nur Böses, Ungutes und Hassenswertes aus diesem Netz hervorgeht. Sprache bestimmt das Denken, das stellte Viktor Klemperer schon in seinem immer noch lesenswerten kleinen Buch LTI über die Sprache des Dritten Reiches fest. Und wenn man der Sprache lauscht, so offenbart sich oftmals leise das Gift, das durch sie geträufelt wird.


Über die Umdeutung von Begriffen hat schon 1984 gewarnt, heutzutage erleben wir, dass aus Problemen Herausforderungen, aus dem Burn Out eine Erschöpfung und aus dem Flüchtlingsandrang eine Flüchtlingswelle wird. Wie schön, wie erfreulich, dass es dann auch doch anders geht.
    
Und wenn dieses Andere sich dann in Taten ausdrückt. So etwa in zwei Projekten, in denen sich der Spruch von Johannes Korten, dass das Internet ein guter Ort sei, wenn wir es nur dazu machen, sich dann doch bewahrheitet. Neben allem Wortschwall, der über einen ergeht, zeigen diese beiden Projekte das Gute im Netz. Beides Projekte, bei denen Geld im Spiel ist. Und beides Projekte, bei denen es um Menschen geht.

Dass Krankenkassen elektrische Rollstühle finanzieren können, aber nicht die Geräte, die man als Patient brauchen könnte - der Ursprung für die Crowdfinanzierungs-Kampagne #EinRadfürKai. Kai Eric Filzner hatte schon im letzten Jahr dank der Initiative von Johannes Korten Geld für seinen unerwarteten Krankenhausaufenthalt sammeln können. So lag es nahe, auch diesmal die schon bestehende Fangemeinde mit einzubeziehen und für ein spezielles Fahrrad zu sammeln. Dies gelang dann auch. Es hätte allerdings auch schiefgehen können, das sollte man nicht unterschlagen. Zwar war die Fangemeinde seit letztem Jahr immer noch am Wohlergehen und den Fortschritten von Kai interessiert - aber wer sagt, dass dieses Interesse nicht mit dem geleisteten Geldbetrag der ersten Kampagne erlischt, weil man ja schon was gegeben hat? Das kann niemand garantierten. Deswegen von einer sicheren Bank bei Kai zu sprechen - das wäre tollkühn gewesen. Aber dass das Ganze dann nur zweieinhalb Tage dauerte, das ist schon der Beweis dafür, dass die Community im Fall von Kai sich halt nicht nur einmal sondern dauerhaft interessierte.

Wenn Barbara Volkwein etwas macht, dann macht sie das mit ganzem Herzen. Bisweilen auch Projekte wie eine Schule in Syrien aufbauen helfen. Im Land des vergessenen Kriegs, der jetzt durch den Giftgasanschlag wieder ins Gedächtnis gerückt wurde, sollen Kinder Bildung erhalten. Investition in die Bildung statt in Raketen und Bomben ist immer eine gute Idee. Und vielleicht wäre die Welt ein besserer Ort, wenn wir mehr darüber nachdächten, wie Bildung auch in unserem Land besser verteilt wird. Die Durchlässigkeit des Schulsystems hierzulande ist ja auch alles andere als wirklich gegeben. Barbara Volkwein packte es jedenfalls an und erklärte auch, warum sie dieses Projekt unternahm. Während bei Kai Eric Fitzner schon eine Basis vorhanden war, hatte das Projekt erstmal damit zu tun, genügend Leute zu motivieren um die Sache bekannt zu machen. Und das geht heutzutage recht schnell über die Sozialen Netzwerke. Ebenso schnell, wie Hass und Verdammnis weitergetragen werden können, können auch gute Worte und die Bereitschaft des Helfens wie ein positiver Virus weitergetragen werden. Hier hat es dann etwas länger als zweieinhalb Tage gedauert, aber auch hier ist das Ziel erreicht - und sogar noch ein wenig darüber hinaus gespendet worden.

Dass Sie, lieber Leser, von diesen beiden Projekten nichts gehört haben während der Aktionsphasen - das könnte daran liegen, dass Sie eventuell nicht zur eingeschworenen Fangemeinde von Kai Eric Filzner zählen, dass eventuell Facebooks Filter hier eingegriffen haben oder dass einfach die normalen Medien - also die Zeitungen, Portale, öffentlich-rechtlichen Journalisten - zwar stets über die Hassreaktionen auf Facebook und Co berichten, dabei aber solche guten Beispiele in der letzten Zeit kaum erwähnen. Nun mag die Weltpolitik trübe aussehen, aber gegen die Erzählung, dass das Netz ein Ort des Unrates sei, dessen schwarzes Herz man nur durch Korrektive ausrotten könne - bezeichnenderweise hat ja das Correctiv-Team vor kurzem Faktenchecker für Facebook gesucht und ARD und ZDF sind alle jetzt bemüht den Lügen Einhalt zu gebieten - gegen diese Erzählung des schlechten, des missratenen Internets, in dem alles üble der Welt zusammenkommt - gegen diese Erzählung wird kaum gegengeredet. Das soll jetzt nicht heißen, dass der Schönrede nun dem Vorzug gegeben werden soll, nein, aber es soll heißen, dass es offenbar einen Hang gibt auch die guten Seiten des Internets in der Berichterstattung öfters dezent nicht zu erwähnen. Kein Wunder also, wenn das Internet als schlechter Ort gebrandmarkt wird. Dabei sind wir es doch, wir, die Nutzer, wir, die wir tagtäglich Dinge in dieses Netz kippen - ob Gut oder Schlecht - wir Bürger sind es letzten Endes, die darüber entscheiden, ob das Netz nicht auch ein guter Ort sein kann. Der letztes Jahr verstorbene Johannes Korten hat das prägnant zusammengefasst und deswegen soll auch diesem Zitat das Ende dieser Kolumne gehören: „Das Internet ist ein guter Ort, wenn wir es dazu machen.

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