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Ist die Webseite tot - und was kommt denn danach?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneIst die Webseite tot...
...und was kommt denn danach?

Gerhard Schröder aka Padlive hat eine rege Diskussion ausgelöst, die natürlich von mir angeregt verfolgt wird. Seine Behauptung: Die Webseite ist tot. An ihre Stelle werden Messenger, Chatbots, Virtuelle Anlaufpunkte oder auch die Persönlichen Assistenten treten. Seitdem Amazon und Google günstige Sprach-Abruf-Geräte verkaufen werden besonders diese Digitalen Assistentin immer beliebter.

Momentan sind sie allerdings nur in der Lage nach vorgefertigten Mustern zu agieren. Dennoch: "SIRI, habe ich Nachrichten?" ist schneller als das Smartphone zu entsperren, zu klicken und nochmal zu klicken. Aber ist die Webseite wirklich tot? Und wenn, was kommt danach?

Etwas abkühlen, bitte!
Zunächst sollte man das Ganze etwas relativieren. Es ist ja nun nicht so, dass neue Medien die alten komplett verdrängen würden – selbst die Schallplatte feiert momentan ein kleines Comeback. Dass heißt jetzt nicht, dass ich den Argumenten Gerhards nicht folgen können würde oder mich denen komplett verschließe – zur Zeit findet sicherlich eine Verlagerung der Informationsgewinnung im Netz statt. Mit ALEXA, GOOGLE HOME erobern die digitalen Sprachassistenten, die man bisher nur auf dem Smartphone – nun, SIRI gibts auch für den Mac und Cortana ist seit Windows10 ja im OS eingebaut – erleben konnte nun allmählich auch den heimischen Bereich. Das Sprechen ist für uns Menschen einfacher als bisweilen das Schreiben und sofern wir uns an die Befehlssyntax für die Maschinen halten – wobei, Apple, ich würde mir allmählich auch mal eine Weiterentwicklung bei SIRI wünschen, vielleicht demnächst mal? – und natürlich ist der Befehl „Hey, SIRI, stelle mir den Wecker auf XXX Uhr“ angenehmer als wenn ich das Smartphone entsperren muss, mich zum Punkt durchhangele und dann auch noch tippen muss. Da der Mensch bequem ist werden sich die Assistenten für das Smarte Home sicherlich auch bald durchsetzen. (Ob die Geräte dann nicht auch wieder Begehrlichkeiten wecken, wenn es um Daten geht, die man ja so schön auch für andere Zwecke nutzen könnte ist die andere Frage.)

Dass in China eine Menge schon über Chatbots und WeChat läuft, dass ist auch bekannt. Ebenso auch, dass Facebook in Deutschland versucht, das salonfähig zu machen – allerdings wird das noch eine Weile dauern. Die ARD hat übrigens schon einen und wenn das kein Zeichen für Mainstream ist… Und sicherlich kann ich das Argument nachvollziehen, dass ich für das Runterladen eines PDFs oder für andere Infos, die nicht allzusehr in die Tiefe gehen, keine Webseite mehr zwingend besuchen muss. Außer, die Firma hat keinen Chatbot eingerichtet. Und ich glaube nicht, dass wir in fünf Jahren es erleben werden, dass wirklich jede Firma einen Chatbot hat. Auch nicht in 10. Es wird vermutlich so wie immer sein: Wer es sich leisten kann, der hat sowas – wer es sich nicht leisten kann, der wird bei der Webseite bleiben. (Und wir wissen ja: Nicht alle CEOs sind total super technikverliebt.)

Was digitalisiert werden kann, wird es auch werden und persönliches Nutzungsverhalten
Ich denke auch, es wird wie bei der Arbeitswelt sein: Alles, was digitalisiert und vereinfacht werden kann wird digitalisiert und vereinfacht werden – ein PDF mit einem Sprachbefehl zu bestellen oder ein Taxi über den Messenger wird sicherlich bald Standard sein. Das heißt im Endeffekt: Eine Menge von Jobs werden sicherlich verschwinden, dafür werden eine Menge von anderen Jobs entstehen. Ich sehe schon den Home-Assistent-Wartungsbeauftragten als selbstständigen Beruf. (Nein, das ist kein Witz.)

Wer bei sich mal nachforscht wie er an Informationen generell bekommt wird auch feststellen, dass es da sicherlich eine Verlagerung gegeben hat. Frühestens mit den ersten Podcasts so ab 2001, spätestens mit Social-Media-Plattformen wie Facebook oder den Spartennetzwerken. Ich glaube, RSS-Reader nutzen noch die Wenigsten von uns und wenn, dann die Informationsjunkies oder diejenigen, die einen bestimmtes Infoangebot für ihre Arbeit benötigen. Aber selbst diese Reader leiteten uns ja als Konsumenten schon weg von der Webseite. Heute bekommen wir Nachrichten über Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat – und das überwiegend mobil. Allerdings gibt es auch immer noch Webseiten, die ich von mir aus aufrufe und gebookmarkt habe – teilweise weil es einfach für bestimmte Seiten und Foren keinen RSS-Feed gibt, andererseits weil ich Texte auf Fluter.de oder Nachtkritik.de – also Webseiten, bei denen Texte sich nicht auf das reine Vermitteln von Informationen beschränken – gerne auch intensiver lese anstatt dass ich mir anhöre wie jemand mir was vorliest. Oder mir vorsingt. Oder was auch immer.

Ich bin mir sicher: Wir alle haben noch immer eine Handvoll von Webseiten, auf die wir per Bookmark im Browser gehen und die wir freiwillig auf diese Art und Weise besuchen. Ich glaube auch, dass sich das nicht unbedingt ändern wird – eine Verlagerung des Ganzen findet sicherlich momentan statt und eventuell schwindet die Bedeutung der Webseite – allerdings komplett verschwinden?

Wo fassen wir unsere eigenen Inhalte zusammen?
Nehmen wir aber mal an, dass die Webseite so wie wir sie kennen nicht mehr existent sein wird. Dann bräuchten wir definitiv etwas Anderes, wenn wir unsere Inhalte nicht auf Fremdplattformen – wie dieser hier, hüstel – präsentieren wollen. Das Posterous-Debakel Anfang der 2000er hat ja gezeigt, dass Inhalte auf einmal komplett verschwinden können – und das wird auch nicht das letzte Mal passieren. Wie lange die Lebenszeit von einzelnen Fremdhostern für die eigenen Inhalte ist, darüber kann man nur spekulieren. Vermutlich wird es YouTube noch etliche Jahrzehnte geben, gewiß ist das aber nicht. Bei GooglePlus bin ich mir sicher, dass sich das nicht unbedingt mehr lange halten wird.

Das heißt im Endeffekt: Wir brauchen neue Content-Management-Systeme, die all unsere Videos und Podcasts an einer Stelle zusammenfassen – ich weiß nicht, wie das dann aussehen wird, aber momentan kann ich mir dazu halt nur vorstellen, dass das Format halt tatsächlich immer noch webseidenartig sein wird oder dass man eine Startseite hat, auf der die ganzen Links zu den Anbietern zu finden sind. Gibts ja jetzt schon. Hat sich nicht so durchgesetzt, aber solche Dienste gibt es schon. Was dann aber im Grunde ja auch wieder eine – Webseite – wäre, oder?

Andere Frage: Lässt sich wirklich alles in Audio oder Video umwandeln, was es an Inhalten so gibt? Ich bin mir da nicht so sicher – allein schon, wenn ich im wissenschaftlichen Bereich arbeite und Dinge zitieren muss habe ich ein Problem, wenn es um Audio geht. Ellenlange Fussnoten wie in Texten sind schwierig, dicke Bauchbinden in Videos auch. Aber schön, ich lasse mich dann mal überraschen, ob wirklich jeder Inhalt in Audio- oder Videoformaten umgesetzt werden kann.

SEOs beware! Writers lookout!
Was allerdings dann auch bedacht werden müsste: Das Feld für SEOs und Texter würde sich im Beruf komplett ändern. Und ich glaube, das haben SEOs noch nicht unbedingt immer so im Blick – ich weiß, Karl Kratz, Richie etc. pp., aber die sind ja auch die Elite. Bisher ist SEO ja immer nur reine Textarbeit und dafür braucht man eine Webseite, denn man braucht Links und – und – noch eine ganze Menge mehr an digitalen Zusatzinformationen wie Snippets und so. (Ich bin kein SEO, ich höre nur immer aufmerksam zu, wenn die was erzählen und versuche zu folgen.) Wie also darf man sich den Job eines SEOs vorstellen, wenn es keine Webseiten mehr gibt? Füllen die dann nur noch Datenbanken? Gibts dann andere Mittel und Wege, um zu optimieren? Lesen die dann sowas wie die Untertitel von Youtube-Videos aus, wenn die automatisch erstellt werden? Spannende Fragen.

Ebenfalls: Brechen Webseiten komplett weg, dann sind Texter auch etliche Jobs los. Ganz klar:  Texter füllen momentan Webseiten mit Inhalten. Ob künstlerische oder informationelle – dazu werden Texter gebraucht. Sicherlich brauchen Podcasts – gute vor allem – ein Skript und sicherlich kann ein Teil der Aufgaben dann sich auf diese Gebiete verlagern. Drehbücher helfen bekanntlich auch etwas und jeder Youtuber, der etwas auf sich hält, hat ein Skript vorher geschrieben. Allerdings: Fürs Hören schreiben liegt nicht jedem. (Wenn man das als Texter nicht gelernt hat: Spätestens jetzt damit anfangen!) Nicht jeder Texter will auch für Video oder Audio schreiben. Oder Datenbanken, aus denen dann die Assistenten ihre Informationen herholen. Insofern sollte man sich da schon mal Gedanken drüber machen…

Der Zukunftsnebel
Was die Zukunft genau bringen wird, weiß keiner und der Nebel wird sich auch nicht so schnell lichten lassen. Es steht fest: Das Nutzungsverhalten der Menschen ändert sich – Videos und Audioinhalte werden wichtiger und die mobile Nutzung von diesen Inhalten wird zum Standard. Insofern haben es Texte schwer, was ja auch Zeitungswebseiten zu spüren bekommen. Selbst wenn sie schick mobil aufgehübscht worden sind.

Andererseits: Eigene Inhalte nun konsequent bei Fremd-Anbietern lagern und damit die Macht und die Hoheit darüber aus der Hand geben – und zwar komplett – das kann auch nicht die Lösung sein. Für das Versammeln von Inhalten brauchen wir sicherlich neue Content-Management-Systeme – und wir werden sicherlich auch noch Stellen im Web brauchen, an denen auf diese Inhalte zugegriffen werden kann. Dass die Webseite sich verändern wird – unbestritten. Ob sie ganz verschwinden wird? Unwahrscheinlich.

 

Kommentare  

#1 Postman 2017-09-08 13:35
Die Schallplatte ist angeblich tot, das Fax auch und zudem der PC. Nicht jeder ist ein Social Media Junkie, unabhängig der Altersklasse.

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