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Von Influencern und der Glaubwürdigkeit

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneVon Influencern und der Glaubwürdigkeit

„(…) ich will Marken die (sic) aufhören diese künstlichen Charaktere zu unterstützen und statt dessen Echtheit feiern.“

Thomas Gigold bringt das, was Viele an Instagram im Speziellen und an Influencern im Allgemeinen nervt mit diesem Tweet auf den Punkt. Es ist die Künstlichkeit, die aufregt und die sich nicht mit dem deckt, was man als authentisch befindet.

Dass bei Instagram es für uns Außenstehende und Nicht-Fans aber gar nicht unbedingt darauf ankommt, das wird des Öfteren außer Acht gelassen. Übrigens auch von mir in meiner spontanen Antwort auf seinen Post...

Im Laufe der Zeit haben wir uns alle auf eine Konvention dessen geeinigt, was wir als normal betrachten. Wir erachten deshalb alles, was diese Konventionen bricht als unnormal und stufen das gleich mit einer gewissen Wertigkeit ein. Automatisch ist daher das Unnormale das Schlechte.  Was aber nicht unbedingt so sein muss: Was A-Normal ist, wird nur von dem Begriff der Normalität nicht erfasst. Weiter nichts. Von daher ist auch die Frage nach der Echtheit und der Künstlichkeit von Dingen verhandelbar. Bei Instagram haben wir uns darauf geeinigt, dass dort eine Scheinrealität herrsche. Die Oberfläche dominiert, weniger der Tiefgang. Weniger das, was wir im Alltag als normal definieren würden sondern der schöne Schein flaniert dort über den Boulevard. Bekanntlich trügt der Schein des öfteren und die eingebauten Filter in der App machen es besonders leicht ein Bild von sich zu erzeugen, dass nicht unbedingt der anderen Wahrnehmung im Alter entspricht.

Nun empfinden wir den Bruch zwischen der Promotion eines Produktes aus Begeisterung - Bernhard Hinsken sei hier als Beispiel genannt - und der Promotion einer Marke aus Geldgründen - im Rahmen der Milka-Kampagne zu Weihnachten 2017 - als gravierend. Wenn wir auch bewußt in Kauf nehmen, dass Instagram bisweilen Boulevard der Eitelkeit ist - im Grunde fällt das eben zitierte Beispiel für Milka nicht aus dem Rahmen der Erwartungen und wenn es auch gerade so am Rand changiert, weil wir Milka immer doch mit Kühen und Alpen assoziieren und nicht als trendige Marke für den Hipster der Stadt - oder die Hipsterin - es wird von uns toleriert. Jetzt ließe sich aber auch fragen: Was wäre denn eigentlich eine „Echtheit“? Der Großvater, der Bonbons an das Enkelkind austeilt ist sicherlich näher an dem, was wir als Alltag verhandelt haben. Inszeniert ist das Bild aber dennoch, weil das Markenimage künstlich ist, das was die Marke an sich ausmacht. Selten ist der Fall, dass ein Markenimage natürlich zustande kommt - allenfalls wird die Natürlichkeit des Produkts nochmal unterstrichen. Der namenlose Apfel braucht keine Werbung, der Apfel einer Firma dagegen schon.

Vielleicht ist es besser, wenn der Begriff der Stimmigkeit ins Spiel kommt. Unabhängig davon, ob etwas wahr oder falsch ist kann etwas durchaus stimmig sein. Passend zu den Erwartungen. Fans von Influencern nun erwarten, dass das Idol persönlich ist, nett, sympathisch, ein Freund aus dem Internet, zu dem man kommen kann, wenn es halt nicht so gut läuft und der zu einem hält. In Abrede stellen kann man, dass eine persönliche Beziehung bei den Tausenden von Followern, die ein Influencer hat nicht oder schlecht möglich ist. Aber das spielt keine Rolle, da die Realität immer von uns erfunden wird. Für uns Außenstehende ist das eine künstliche Figur, die sich dort präsentiert. Eine Projektionsfläche für alle Wünsche des Fans. Für den Fan selbst ist das Idol real. Was keine Erfindung des Internetzeitalters ist. Geändert hat sich die Nähe. Standen angebetete Stars früher auf einem Podest, weil der normale Fan kaum die Möglichkeit hatte, sie mit seinen Kommentaren zu erreichen ist das Internet gewöhnlicher Grund. Die Möglichkeit, dass der Star den eigenen Kommentar sieht und darauf antwortet, macht sie greifbarer als früher.

Stars waren schon immer eine Projektionsfläche für eigene Träume und Wünsche. Influencer sind es ebenfalls und daher für das Marketing und die Werbung optimal. Dabei gibt es Influencer, die durchaus Ecken und Kanten aufweisen - je weniger Profil aber vorhanden ist, desto mehr kann der Influencer als Reklametafel dienen: Mal wirbt er für Schokolade, mal für Schuhe, mal für Heroin. Alles nicht weiter von Belang, solange die Community eine Stimmigkeit im Verhalten, im Tonfall wahrnimmt. Die Realität stimmt. Das führt dann natürlich auch zur Verlockung, generell sich Ecken und Kanten abzuschleifen, um das Konto zu füllen. Wer allerdings immer schon keine Persönlichkeit hatte, dem wird das wohl eher kaum schwerfallen.

Eine übertriebene Künstlichkeit kann durchaus auch Stilmittel sein. Eine gegen den Strich des Markenimages gebürstete Werbung erreicht ja durchaus Aufmerksamkeit. Eine ironische Brechung, ein humoriger Tonfall kann das Herz des Kunden durchaus erreichen. Werbung zielt stets auf Emotionen ab. Was genau das Problem sein kann, wenn es um Image und Influencer geht: Zu viel Emotion schreckt ab. Gerade das richtige Maß muss vorhanden sein, damit wir positive Eindrücke von einer Marke gespeichert haben. Wird die Balance gewahrt, dann ist alles stimmig. Genau das möchte die Firma natürlich: Dass es stimmt. Dass es angenehm ist, dass wir verführt werden. Firmen sind Flirteure. Je weniger offensiv, desto besser der Flirt. Die Kehrseite, wenn man auf einen Schlag Aufmerksamkeit erlangen will, ist die Konfrontation. Schokolade mit dem Bild eines erschossenen Soldaten bewerben. Der Horror, der daraus resultiert und der Ekel sind aber auch Emotionen und regen eine lebhafte Diskussion darüber an, ob das denn nun sein muss. In den 90gern hat Benetton das regelmäßig geschafft.

Halten wir fest: Das Bild, das Personen auf Instagram erschaffen ist künstlich. Für den Fan spielt diese Künstlichkeit aber keine Rolle, gerade weil er das Bild, das er sieht, mag folgt er dem Influencer. Die Realität, die hier erschaffen wird, deckt sich nicht mit der, die Außenstehende haben, deswegen ist die Kritik an der Künstlichkeit von Instagram-Charakteren aber nicht weniger erhellend. Gerade, weil diese Kritik aufdeckt, wie Inszenierungen wirken können. Dass Marken ebenfalls künstlich geschaffene Charaktere mit bestimmten Eigenschaften sind, das sollte man allerdings auch bedenken. Und dass daher eine gewissen Affinität zwischen einzelnen Influencern und Marken besteht ebenfalls. Wenn das Bild, das man sich vom Influencer macht übereinstimmt mit den Werten der Marke, dann entsteht ein stimmiges Bild. Wenn die Marke allerdings wahllos nur wegen der Followerzahlen herangeht, Influencer für sich gewinnen, dann entsteht eine Unstimmigkeit. Ein gravierender Bruch mit den Konventionen, die wir einzeln für uns und als Gruppe verhandelt haben. Wir sind uns nur nicht immer bewußt, dass auch unser Alltagsverhalten auf Normen basiert, die wir irgendwann miteinander verhandelt haben und als verlässlich bewerteten. Es kann daher auch sein, dass demnächst die Künstlichkeit der Instagram-Ästhetik als normal empfunden wird, weil die Millionen von Followern der Plattform dies als Selbstverständlichkeit hinnehmen. Dies mag dem eigenen Geschmacksempfinden widerstreben. Es ist aber für den Fan des Influencers nicht weniger wahrer oder authentischer. Der durch die Emotionen ausgeschaltete Verstand gehört dennoch auch oder gerade bei Inszenierungen aller Art eingeschaltet. Wer weiß, was für Botschaften sonst einem untergejubelt werden können.

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